Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 29.05.2024 – Verg 20/23 e
Titel:

Ausschluss eines Bieters im laufenden Vergabeverfahren

Normenketten:
GWB § 124 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, § 134 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 7, § 171 Abs. 1
VgV § 42 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Die für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer erforderliche Beschwer liegt nicht bereits deshalb vor, weil ein Bieter im Nachprüfungsverfahren den Ausschluss eines Mitbieters beantragt, die Vergabekammer aber lediglich die Wiederholung der Angebotsprüfung angeordnet hat, denn über den Ausschlussantrag wurde noch nicht abschließend entschieden. (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Bieter ist jedoch beschwert, soweit die Vergabekammer in ihren Anweisungen zur Wiederholung der Prüfung (sog. Segelanweisungen) der Ansicht des Bieters nicht gefolgt ist. (Rn. 46 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verändert ein Bieter im Preisblatt den Regelumsatzsteuersatz, liegt darin keine Änderung der Vergabeunterlagen gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV, wenn sich aus den Vergabeunterlagen eindeutig eine Nettopreisabrede ergibt. (Rn. 60 – 69) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Auftraggeber ist bei Prüfung des Leistungsversprechens in der Wahl seiner Mittel grundsätzlich frei. Er ist nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen sein. (Rn. 89 – 91) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Grundsatz, dass den Angaben eines Bieters nicht grundlos zu misstrauen ist, gilt in gleicher Weise für Erklärungen Dritter und Bescheinigungen von Fachbehörden, auf die er sich stützt. (Rn. 86 – 88) (redaktioneller Leitsatz)
6. Auch die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen kann eine schwere Verfehlung gem. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB darstellen, wenn diese eine solche Intensität und Schwere aufweist, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf. (Rn. 93 – 95) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
sofortige Beschwerde, Beschwer, Segelanweisung, Bieterausschluss, Zurückverweisung, Prüfung des Leistungsversprechens, schwere Verfehlung, nachträgliche Angebotsänderung, Bescheinigungen und Bestätigungen, Nachweislichkeit, Vertragsverstoß
Vorinstanz:
Vergabekammer München, Beschluss vom 12.12.2023 – 3194. Z3-3_01-23-32.
Fundstellen:
UR 2024, 694
LSK 2024, 12027
BeckRS 2024, 12027

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 12. Dezember 2023, Az. 3194.Z3-3_01-23-32 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen.
Bei der Kostenentscheidung der Vergabekammer hat es sein Bewenden.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 170.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner schrieb im offenen Verfahren mit Bekanntmachung vom 31. Januar 2023 einen Dienstleistungsauftrag über das Catering für die Anker-Dependance C aus.
2
Dieser Auftrag ist einer von mehreren Aufträgen, die die Versorgungsleistungen (Warm- und Kaltverpflegung von Asylsuchenden) zum Gegenstand haben und bei denen die Antragstellerin und die Beigeladene jeweils Angebote abgegebenen haben (vgl. u. a. BayObLG, Beschluss vom 29. Mai 2024, Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen; Beschluss vom 25. Juli 2022, Verg 6/22, juris).
3
Der streitgegenständliche Auftrag wird in Ziffer II.1.4) der Bekanntmachung folgendermaßen beschrieben:
4
Der Freistaat Bayern, vertreten durch die Regierung von A – nachfolgend Auftraggeber bzw. AG genannt – ist zuständig für den Betrieb der Unterkunftsdependance des ANKERs … C – nachfolgend Dependance genannt. In der Dependance werden Bewohner für die Dauer von in der Regel bis zu 24 Monaten untergebracht und versorgt. In der Dependance können bis zu 300 Personen untergebracht werden. Momentan plant der AG mit einer maximalen Belegung mit 250 Personen. Der AN übernimmt die Versorgung der in der Dependance untergebrachten Asylbewerber mit Lebensmitteln (Speisen und Getränke) gemäß den Vorgaben im Leistungsverzeichnis ganzjährig an 7 Tagen pro Woche inkl. Sonn- und Feiertage zu den vereinbarten Essensausgabezeiten. Nach entsprechendem Einzelabruf sind zudem Lunchpakete vom AN zu liefern. Folgende Mahlzeiten bzw. Verpflegungsformen sind anzubieten:
- Verpflegung mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen (Speisen und Getränke)
- Ramadan-Verpflegung inkl. Getränke
- Wassergallonen
- Lunchpakete (nach Einzelabruf)
- Sonderkost und Verpflegung von Personen, die unter Quarantäne stehen oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind inkl. Getränkeversorgung (nach Einzelabruf).
5
Einziges Zuschlagskriterium war der Preis (Ziffer II.2.5 der Bekanntmachung). Nach den Vergabeunterlagen (Ziffer 7 Formblatt L 211 EU) ist für die Angebotswertung „der Bruttopreis (d. h. mit Umsatzsteuer)“ maßgeblich. In dem von den Bietern auszufüllenden Preisblatt waren jeweils Nettopreise anzugeben; der Umsatzsteuersatz von 19% war bereits eingetragen. Im Eingangstext des Preisblatts wird insbesondere auf Nr. 16 der Leistungsbeschreibung verwiesen; danach erfolgt die Vergütung zu den im Vergabeverfahren vereinbarten Preisen, wobei die „MwSt. in der jeweils gültigen Höhe“ berechnet wird. Nach den Bewerbungsbedingungen (Ziffer 3.8 des Formblatts L 212 EU) sind die Preise ohne Umsatzsteuer anzugeben und der Umsatzsteuerbetrag ist unter Zugrundelegung des geltenden Steuersatzes am Schluss des Angebotes hinzuzufügen.
6
Ziffer. 3.5 des Leistungsverzeichnisses trifft folgende Regelung:
„Die Lebensmittel sind unmittelbar vor der Essenausgabe 'frisch zu schöpfen' … Die Ausgabetemperatur beträgt mindestens 65 °C. Ein nachträgliches Erwärmen der gelieferten Speisen vor Ort ist nicht möglich. Die Speisen sollen maximal drei Stunden heißgehalten werden. Die Heißhaltezeit beginnt mit der Beendigung des Gar- bzw. Regenerierprozesses oder eines vergleichbaren Prozesses der Warmspeisenzubereitung und endet mit der Ausgabe der Speise an den letzten Asylbewerber. Der AN hat sicherzustellen und lückenlos zu dokumentieren, dass während der gesamten Heißhaltezeit die Kerntemperatur von mindestens +65 °C nicht unterschritten wird. Im Übrigen gelten die Regelungen der DIN 10508:2019-03.
Der AN hat den ordnungsgemäßen Transport sicherzustellen, insb. unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen zu Kühlketten und Warmhaltezeiten. Der AN ist dafür verantwortlich, dass die eingesetzten Auslieferungsfahrzeuge den hygienischen, technischen und normierten Ansprüchen gerecht werden.
Hinsichtlich der Lieferung von zu kühlenden Lebensmitteln trägt der AN die Verantwortung, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird. …“
7
Das Mittagessen ist gemäß Ziffer 3.4.1 des Leistungsverzeichnisses zwischen 12:30 Uhr und 14:30 Uhr auszugeben. Nach Ziffer 3.6 hat der Auftragnehmer eine in quantitativer und qualitativer Hinsicht ausgewogene und abwechslungsreiche Verpflegung der untergebrachten Personen sicherzustellen.
8
Die Leistungsbeschreibung enthält unter Ziffer 2 unter anderem folgende Regelungen:
„Der AN hat bei der Ausführung seines öffentlichen Auftrags alle für ihn geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere …“
9
Unter Ziffer 8 „Qualität der Leistungen“ ist ausgeführt:
„Der AN erbringt die geschuldeten Cateringleistungen entsprechend den Qualitätsvorgaben und Qualitätsmaßstäben der für den Transport, die Zubereitung, die Lagerung und die Ausgabe von Lebensmitteln einschlägigen DIN-Vorschriften und vergleichbaren Vorgaben des Cateringgewerbes.
Die Qualität der Leistung bemisst sich insbesondere an den Qualitätsansprüchen und Regelungen der DIN EN ISO 9001:2015 oder gleichwertiger Qualitätssysteme.
Bei der Leistungserbringung hat der AN insbesondere die Regelungen der DIN 10508:2019-03 einzuhalten.“
10
Die Antragstellerin und die Beigeladene reichten fristgerecht Angebote ein.
11
Die Beigeladene hat in ihrem Angebot bei einigen Positionen einen Umsatzsteuersatz von 7% angegeben. Die Frage des Antragsgegners vom 1. März 2023 nach der Rechtsgrundlage für die Umsatzsteuersätze beantwortete die Beigeladene mit Schreiben vom 3. März 2023. Auf die weitere, die Preisposition 4.2 betreffende Frage im Schreiben vom 1. März 2023 antwortete die Beigeladene, dass der Preis für das „Set“ im Frühstückpreis inkludiert sei. Mit Schreiben vom 15. März 2023 forderte der Antragsgegner die Beigeladene nochmals zur Aufklärung ihres Angebots auf. Darauf antwortete die Beigeladene mit Schreiben vom 21. März 2023. Auf Aufforderungen der Vergabestelle, zu den von der Antragstellerin in anderen Verfahren erhobenen Vorwürfen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Mai 2023, Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen) Stellung zu nehmen, antwortete die Beigeladene mit Schreiben vom 28. März 2023 und 6. April 2023. Sie trat den Vorwürfen entgegen und führte im Schreiben vom 6. April 2023 u. a. aus, das von ihr mit verschiedenen Herstellern und Technikern entwickelte System „Fahrzeit gleich Garzeit“ sei mehrfach überprüft worden. Sie habe das Konzept kontinuierlich weiterentwickelt. Ergänzend legte sie in den Parallelverfahren gegenüber der Vergabestelle mit Schreiben vom 27. April 2023 dar, dass die GN-Behälter inzwischen nicht mehr aus den TP während der Fahrt umgesetzt würden; die vorgeschriebene Temperatur könne aufgrund der Kühlung durch die Kühlkammer eingehalten werden. Bei der Ausführung des Auftrags B sei während der Fahrt kein Stopp mehr nötig.
12
Nachdem der Antragsgegner mit Informationsschreiben vom 27. Juni 2023 mitgeteilt hatte, es sei beabsichtigt, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 2. Juli 2023 insbesondere, das von der Beigeladenen angebotene Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ sei kein nach den Ausschreibungsbedingungen zugelassenes Verfahren; es lasse sich technisch und tatsächlich nicht unter Einhaltung der Vorgaben der Vergabeunterlagen und insbesondere der hygienerechtlichen Anforderungen für das Cook & Chill-Verfahren (DIN 10536:20163) umsetzen. Die Beigeladene beabsichtige auch gar nicht, das Konzept tatsächlich umzusetzen. Zudem halte die Beigeladene in mehreren öffentlichen Aufträgen vertragliche und rechtliche, insbesondere lebensmittel- und hygienerechtliche Bestimmungen nicht ein, was zu einem zwingenden Ausschluss ihres Angebots nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB führen müsse. Außerdem hätte eine Überprüfung ergeben müssen, dass der niedrige Wertungspreis der Beigeladenen auf einer abweichenden Preisermittlung beruhe.
13
Diese Rügen wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 4. Juli 2023 zurück. Am 5. Juli 2023 rügte die Antragstellerin nochmals die Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Preisprüfung.
14
Mit Schreiben vom 7. Juli 2023 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, in dem sie ihren Vortrag vertieft hat. Die Prüfung des Antragsgegners, ob die Umsetzung des streitgegenständlichen Auftrags mittels des Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ möglich sei, sei unzureichend und fehlerhaft. Die Beigeladene habe ihr Angebot mit Schreiben vom 28. März 2023 bezüglich der Art und Weise der Durchführung ihres Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ konkretisiert (Einsatz von Kühlgeräten und Regeneriergeräten; Umladen der Speisen unter Berücksichtigung der individuellen Garzeit von Kühlgeräten in Regeneriergeräte). Sie, die Antragstellerin, habe zur Überprüfung des Konzepts Live-Tests zum Umladen von GN-Blechen von Kühlin Regeneriergeräte, zum Erwärmen von Speisen ohne und mit Umrühren sowie zum Umrühren von 300 Portionen durchgeführt. Daraus ergebe sich, dass die Beigeladene die Vorgaben der Vergabeunterlagen und der DIN-Vorschriften nicht einhalten könne. Die von der Beigeladenen vorgelegten Bescheinigungen der I. GmbH sowie der Landratsämter Y und X würden weder etwas zur mikrobiologischen Sicherheit noch zur ernährungsphysiologischen und sensorischen Qualität der Speisen aussagen. Aufgrund erheblicher, nachweislicher Verstöße gegen vertragliche Vorgaben und Normen bei der Durchführung des Auftrags für die Regierung von H, des Interimsauftrags A Los 1und des Auftrags B sei die Beigeladene nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB auszuschließen; das Ermessen sei auf Null reduziert. Die Preisprüfung sei unzureichend, die Antwort der Beigeladenen vom 21. März 2023 sei nicht zufriedenstellend. Dies führe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16) zu einem zwingenden Ausschluss des Angebots. Mit Schriftsatz vom 28. August 2023 hat die Antragstellerin zahlreiche weitere Verstöße behauptet, die die Beigeladene bei der Durchführung des Interimsauftrags A Los 1 vom 20. bis 24. August 2023, bei der Durchführung des Auftrags B am 18. und 25. August 2023 und bei der Durchführung des Auftrags F am 16. August 2023 und an zwei weiteren Tagen begangen habe. Insbesondere sei am 25. August 2023 ein LKW vom Standort der Beigeladenen ohne Stopp zum Leistungsort B gefahren, dort um 10:30 Uhr angekommen und um 11:05 Uhr weiter zur Anker-Dependance C gefahren. Damit stehe fest, dass die Beigeladene den Auftrag B und den Interimsauftrag C nicht so wie ausgeschrieben durchführe; ohne Stopp könnten die Speisen nicht während der Fahrt von Kühlin Regeneriergeräte umgeladen werden. Nachdem der Antragstellerin Akteneinsicht gewährt worden war, hat sie ferner gerügt, das Angebot der Beigeladenen sei nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV und § 57 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 1 VgV auszuschließen, weil die Beigeladene bei 14 Preispositionen den vorgegebenen Umsatzsteuersatz von 19% auf 7% verändert habe, obwohl dies nach den Vergabeunterlagen nicht zugelassen gewesen sei. Die Beigeladene habe zudem nicht den für die Angebotswertung maßgeblichen Bruttopreis auf Grundlage des vorgegebenen Umsatzsteuersatzes von 19% angegeben, damit enthalte das Angebot nicht die geforderten Preisangaben.
15
Die Antragstellerin hat beantragt,
I. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beizuladenden zu erteilen.
II. Der Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
16
Der Antragsgegner hat beantragt,
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 7. Juli 2023 wird zurückgewiesen.
17
Er ist dem Vorbringen der Antragstellerin entgegengetreten. Die Antragstellerin kenne weder den genauen Ablauf des Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ der Beigeladenen noch die dabei verwendeten technischen Geräte und unterstelle weitgehend einen falschen Sachverhalt. Das Konzept sei von der zuständigen Stelle als taugliche und die einschlägigen Normen einhaltende Methode angesehen worden. Im Rahmen der Bestätigung der I. GmbH vom 25. Mai 2023 sei der komplette Ablauf durch eine Prüfperson dokumentiert und kontrolliert worden; die Einhaltung der Vorgaben der DIN 10536 und 10508 sei explizit bestätigt worden. Es bestünden keine Zweifel am Leistungsversprechen der Beigeladenen. Für einen Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB bestehe kein Anlass. Aus den ihm bekannten Informationen hätten sich keinerlei Anhaltspunkte für eine konzeptbedingte und systematische Verletzung einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vorgaben durch die Beigeladene bei der Durchführung vergangener oder gegenwärtiger Aufträge ergeben. Aus den im Vermerk vom 16. Juni 2023 dargelegten Erwägungen sei er zur Beurteilung gelangt, die Höhe der Preise aus dem Angebot der Beigeladenen seien zufriedenstellend aufgeklärt. Auch die Vorwürfe im Schriftsatz der Antragstellerin vom 25. August 2023, die allein auf Beobachtungen von Mitarbeitern der Antragstellerin und den von ihr beauftragten Detektiven beruhten, würden bestritten. Mangels eindeutiger Vorgaben hätten die Vergabeunterlagen nicht dahin verstanden werden müssen, dass die voreingestellten Umsatzsteuersätze nicht verändert werden dürften. Die Angabe des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bei einzelnen Positionen, die preislich von untergeordneter Bedeutung seien, habe nicht zu einer Änderung der Bieterreihenfolge geführt. Sie spielten für den Vertragsvollzug keine Rolle, da sich die auf den Nettopreis zu erhebende Umsatzsteuer nach den gesetzlichen Vorgaben bestimme.
18
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt. Sie hat mit Schreiben vom 11. September 2023 zu den Vorwürfen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 25. August 2023 Stellung genommen und dabei insbesondere auf ihre Schreiben vom 6. und 27. April 2023 Bezug genommen und ausgeführt, es sei richtig, dass keine GN-Behälter mehr umgeladen würden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. November 2023 hat sie sich den Ausführungen des Antragsgegners angeschlossen. Sie habe keine unzutreffenden Preisangaben gemacht, sondern ausschließlich zutreffende Angaben zu der gesetzlich gültigen Umsatzsteuer.
19
Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag stattgegeben. Sie hat dem Antragsgegner untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, und ihn bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, die Prüfung des Angebots der Beigeladenen nach § 60 VgV, die Prüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen sowie die Ausschlussentscheidung hinsichtlich der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Das Angebot der Beigeladenen sei allerdings nicht wegen abweichender Umsatzsteuersätze nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 Halbsatz 1 VgV auszuschließen. Die Bieter hätten im Preisblatt lediglich Nettopreise angeben müssen. Eine klare und eindeutige Vorgabe, dass die voreingestellten Umsatzsteuersätze nicht geändert werden dürften, ergebe sich aus den Vergabeunterlagen nicht. Durch die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Preisprüfung sei die Antragstellerin dagegen in ihren Rechten verletzt. Nicht tragfähig sei der vom Antragsgegner in seinem Vergabevermerk zu § 60 VgV gewählte Begründungsansatz, weshalb hier auf eine Aufklärung verzichtet werden könne. Ob die vom Antragsgegner vorgenommene Auftragswertschätzung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kostenschätzung genüge, könne offenbleiben, da die Preisprüfung schon aus anderen Gründen zu wiederholen sei. Vergaberechtlichen Bedenken begegne der Umfang der Aufklärung. Die Auswahl der Positionen, die aufgeklärt werden sollten, sei mangels ausreichender Dokumentation nicht nachvollziehbar. Inhaltlich unzureichend sei die Aufklärung insbesondere, weil der Personalkostenanteil nicht aufgeklärt worden sei. Der Antragsgegner habe die Ungewissheiten hinsichtlich der Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen nicht zufriedenstellend aufgeklärt. Aus den Angaben der Beigeladenen gehe nicht hervor, ob und in welcher Form sie bei den Preispositionen 1.2 (Verpflegung Mittagessen), 3.1 (Lunchpaket 1 [Tag]) und 4.2 (Quarantäne-Frühstück) alle einzukalkulierenden Positionen berücksichtigt habe. Der vorgelegten Dokumentation zur Preisprüfung lasse sich nicht entnehmen, ob sich der Antragsgegner in der notwendigen Tiefe konkret mit den Angaben der Beigeladenen auseinandergesetzt habe. Die weiteren von der Antragstellerin vorgetragenen Verstöße im Rahmen der durchgeführten Preisprüfung sehe die Vergabekammer nicht. Der Antragsgegner habe ferner nicht hinreichend überprüft, ob das Angebot der Beigeladenen die Vorgaben der Vergabeunterlagen einhalte (§ 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV). Er habe in den Vergabeunterlagen kein konkretes Produktionsverfahren vorgeschrieben; die Beigeladene habe aber in ihren Antworten vom 28. März 2023 und 6. April 2023 auf die Aufklärungsersuchen des Antragsgegners das Leistungsversprechen dahin konkretisiert, dass sie den Auftrag mittels des von ihr entwickelten Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ umsetzen werde. Diese Angaben seien an den Vorgaben der Vergabeunterlagen zu messen. Wie bereits in anderen Verfahren entschieden, führten kleinere Modifizierungen zwar nicht zu einer nachträglichen Änderung des Angebots, im vorliegenden Fall könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Beigeladene für die Ausführung des Auftrags eine derart abweichende Modifikation ihres ursprünglich angedachten Konzepts vorzunehmen gedenke, dass das Konzept von den bislang vorgelegten Stellungnahmen zuständiger Fachbehörden oder der I. GmbH nicht mehr gedeckt sei. Nach dem Bericht der I. GmbH vom 25. Mai 2023 habe das Konzept der Beigeladenen noch vorgesehen, dass die Tower mit den produzierten Komponenten der Mittagsmahlzeit während der Fahrt mit dem LKW durch eine in die Tower einzubringende Kühlung gekühlt würden. Diese Art der Kühlung habe entfernt werden müssen, bevor die Geräte mit der Regeneration des Essens starten konnten, wozu ein Stopp auf der Fahrt notwendig gewesen sei. Dass – wie am 25. August 2023 beobachtet – kein Stopp des LKW erfolgte, werfe insbesondere die Frage auf, ob eine den hygienerechtlichen Anforderungen entsprechende Kühlung der Lebensmittel während der Fahrt gewährleistet sei. Das Leistungsversprechen der Beigeladenen werde allerdings nicht durch die Live-Tests der Antragstellerin in Frage gestellt, die von falschen Voraussetzungen bezüglich der verwendeten Geräte ausgehe. Die Prüfung des Leistungsversprechens durch den Antragsgegner sei auch nicht deshalb unzureichend, weil er nicht zweifelsfrei habe klären können, welche DIN-Vorschriften und vergleichbaren Vorgaben des Cateringgewerbes auf die Leistungserbringung der Beigeladenen im Detail anzuwenden seien. Der Antragsgegner sei ferner gehalten, in die Prüfung des Ausschlusses der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB nochmals einzutreten. Wegen der Beobachtungen am 25. August 2023, die die Beigeladene nicht bestritten habe, hätte der Antragsgegner eine Aufklärung durchführen müssen. Der Ansicht des Antragsgegners, reine Beobachtungen von Detektiven, die die Antragstellerin beauftragt habe, seien nicht als nachweislich anzusehen, sei nicht vollends zuzustimmen. Die vom Antragsgegner aus anderen Entscheidungen der Vergabekammer zitierten Ausführungen hätten sich darauf bezogen, dass in jenen Verfahren der Antragsgegner bereits eine intensive eigene Ermittlungstätigkeit zur Aufklärung der vorgetragenen Vergabeverstöße durch die Beigeladene an den Tag gelegt habe; Beobachtungen, die von der Beigeladenen bestritten worden seien und sich im Nachhinein auch nicht mehr hätten aufklären lassen, seien nicht als nachweislich anzusehen. Vorliegend könnten aber die durch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28. August 2023 vorgelegten Beobachtungen, die die Detektei am 25. August 2023 gemacht habe, als erwiesen angesehen werden.
20
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie sei durch die Entscheidung der Vergabekammer formell beschwert, denn ihr Begehren sei auf den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen „(wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen in Bezug auf die geänderten und falschen Umsatzsteuersätze, wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen in Bezug auf das Konzept 'Fahrzeit gleich Garzeit', wegen schwerer Verfehlungen und einer Ermessensreduzierung auf Null zwingend gebotenen negativen Eignungsprognose sowie wegen nicht zufriedenstellender Preisaufklärung)“ gerichtet gewesen. Der Beschluss der Vergabekammer, mit dem der Antragsgegner lediglich zur Wiederholung der Prüfung des Angebotes der Beigeladenen nach § 60 VgV, des Leistungsversprechens der Beigeladenen sowie der Ausschlussentscheidung hinsichtlich der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB verpflichtet worden sei, bleibe hinter ihrem Begehren zurück. Sie sei auch durch einige „Segelanweisungen“ der Vergabekammer beschwert, die der Antragsgegner im Falle der Bestandskraft des Beschlusses zu berücksichtigen habe. Ihre sofortige Beschwerde sei auch begründet; sie vertieft und ergänzt insoweit ihr bisheriges Vorbringen. Das Angebot der Beigeladenen sei nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen ihrer Angaben zu den Umsatzsteuersätzen auszuschließen. Für die Angebotswertung sei der Bruttopreis maßgeblich. Es seien mithin Bruttopreise auf Grundlage der voreingetragenen Umsatzsteuersätze von 19% und nicht lediglich Nettopreise gefordert gewesen. Unzutreffend sei die Auffassung der Vergabekammer, den Vergabeunterlagen lasse sich nicht hinreichend klar entnehmen, dass die voreingestellten Umsatzsteuersätze nicht geändert werden dürften. Der Angebotsassistent auf der elektronischen Vergabeplattform habe vorgegeben, bei jeder Position nur den Nettopreis einzutragen; den Umsatzsteuersatz habe man nur verändern können, wenn man unter Missachtung der Vorgabe („Nutzen Sie die Funktion 'nächste Eingabe' in der Menüzeile, um zu den unvollständigen Preispositionen zu gelangen“) den voreingetragenen Umsatzsteuersatz manuell verändert habe. Es habe der ständigen – auch der Beigeladenen bekannten – Vergabepraxis des Antragsgegners in vergangenen Catering-Vergabeverfahren entsprochen, dass die vorgegebenen Umsatzsteuersätze von 19% nicht verändert werden durften. Die Beigeladene habe sich durch die Änderung des Umsatzsteuersatzes einen unzulässigen Vorteil bei der Wertung verschaffen wollen; die Korrektur der von der Beigeladenen angegebenen Umsatzsteuersätze durch den Antragsgegner von 7% auf 19% sei vergaberechtswidrig. Die Beigeladene habe den falschen und damit entgegen der Vorgabe im Ziffer 3.8 Satz 3 des Formblatts L 212 EU nicht den aktuell geltenden Umsatzsteuersatz eingetragen; auch aus diesem Grund sei ihr Angebot auszuschließen. Es stehe bereits jetzt fest, dass das Angebot der Beigeladenen auch wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen in Bezug auf das Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen werden müsse. Mit einer weiteren Aufklärung werde der Beigeladenen die Gelegenheit eingeräumt, ihr Konzept ein weiteres Mal zu ändern; dies sei mit dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) nicht in Einklang zu bringen. Sie, die Antragstellerin halte daran fest, dass das Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ nicht unter Einhaltung der Vergabeunterlagen umsetzbar sei. Die Beigeladene müsse zwingend, auch aufgrund neuer Ereignisse, nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB ausgeschlossen werden. Ein von der Beigeladenen beauftragter Detektiv habe einem ehemaligen Mitarbeiter der Antragstellerin Geld für die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen angeboten; es sei fernliegend, dass der Detektiv dabei eigenmächtig gehandelt habe. Im Interims-Auftrag Anker-Dependance E seien Bewohner der Unterkunft ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt und ihnen sei eine Vergütung in Aussicht gestellt worden. Es sei davon auszugehen, dass die Geschäftsführung der Beigeladenen hierzu die generelle Erlaubnis erteilt habe. Damit habe die Beigeladene gegen eine Vielzahl gesetzlicher Verbote und vertraglicher Vorgaben verstoßen.
21
Die Antragstellerin beantragt,
I. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 12. Dezember 2023 (Az.: 3194.Z3-3_01-23-32) wird aufgehoben.
II. Dem Antragsgegner wird untersagt, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag auf das Angebot der Beizuladenden zu erteilen.
III. Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen.
22
Der Antragsgegner beantragt,
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 12. Dezember 2023 wird als unzulässig verworfen.
II. Hilfsweise: Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.
23
Er ist der Ansicht, die sofortige Beschwerde sei unzulässig; der Antragstellerin fehle es an der Beschwerdeberechtigung. Die Vergabekammer habe genau das tenoriert und zugesprochen, was die Antragstellerin beantragt habe. Die Entscheidung der Vergabekammer enthalte auch keine verbindlichen „Segelanweisungen“. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin sei jedenfalls unbegründet. Hinsichtlich der Angaben zu den Umsatzsteuersätzen fehle es an eindeutigen Vorgaben, die Grundlage für einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen sein könnten. Er, der Antragsgegner, werde – den Vorgaben der Vergabekammer entsprechend – die Auskömmlichkeit des Angebots, das Leistungsversprechen und den Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB überprüfen. Er legt einen Vermerk vom 31. Januar 2024 über die Prüfung des Ausschlusses der Beigeladenen wegen Vorfällen am 25. und 29. Oktober 2023 vor; bei dem Einsatz von Bewohnern der Anker-Dependance in E habe es sich um ein eigenmächtiges Vorgehen der Mitarbeiter der Beigeladenen vor Ort gehandelt; außerdem habe die Beigeladene Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 Abs. 1 GWB ergriffen. Weitere vergleichbare Vorfälle seien nicht bekannt. Die von der Antragstellerin in allen Parallelverfahren übereinstimmend vorgetragenen Behauptungen über angebliche Vertragsverletzungen der Beigeladenen habe die Vergabestelle ergänzend überprüft. Wie im Vergabevermerk vom 16. Februar 2024 dargelegt, ergäben sich aus den neuen Behauptungen keine Nachweise von Vertragsverletzungen.
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Die Beigeladene beantragt,
die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 12. Dezember 2023 zurückzuweisen.
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Sie hält die sofortige Beschwerde für überwiegend unzulässig und im Übrigen für unbegründet. Ihr Angebot sei insbesondere nicht wegen Änderung der Umsatzsteuersätze auszuschließen. Ihr Konzept stehe im Einklang mit allen lebensmittel- und hygienerechtlichen Vorgaben. Die Vergabekammer habe in der angegriffenen Entscheidung zwar nicht ausgeschlossen, dass eine Modifikation des Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ zu einer Abweichung von zwingenden Vorgaben der Vergabeunterlagen führen könne. Mittlerweile habe die I. GmbH aber die aktuelle Umsetzung des Konzepts für die Anker-Dependancen B und C geprüft und am 27. Januar 2024 die Einhaltung der Vorgaben der DIN 10508 und 10536 bestätigt. Sie sei auch nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB auszuschließen. Mit dem Einsatz von Bewohnern in der Anker-Dependance E hätten die Mitarbeiter vor Ort eigenmächtig und entgegen allgemeinen Anweisungen der Geschäftsführung versucht, Krankheitsfälle auszugleichen. Den handelnden Personen sei gekündigt bzw. diese seien abgemahnt worden. Die Beigeladene habe den Detektiv nicht beauftragt, unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften Informationen von ehemaligen Mitarbeitern der Beigeladenen zu erhalten.
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Ergänzend wird auf den Beschluss der Vergabekammer, die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2024 verwiesen.
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Auf Hinweis des Senats hat der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29. Februar 2024 den Vergabevermerk vom 16. Februar 2024 nebst darin in Bezug genommenen Anlagen zur Verfügung gestellt, wobei gegenüber den ursprünglich vorgelegten Fassungen Schwärzungen in einem deutlich geringerem Umfang vorgenommen worden sind. Die Beigeladene hat der Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 29. Februar 2024 bzw. 4. März 2024 eine Bestätigung der Firma R. KG vom 12. Dezember 2023, ein Schreiben des Landratsamts Y vom 29. Januar 2024 und eine Stellungnahme der I. GmbH vom 27. Januar 2024 in teilgeschwärzter Form übermittelt.
28
Der Antragstellerin ist in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2024 Gelegenheit zur Stellungnahme zu neuem tatsächlichen Vorbringen in den Schriftsätzen des Antragsgegners vom 29. Februar 2024 und 15. März 2024 sowie in den Schriftsätzen der Beigeladenen vom 29. Februar 2024 und 4. März 2024 nebst Anlagen eingeräumt worden. Auf den hierzu eingegangenen Schriftsatz der Antragstellerin vom 5. April 2024, in dem sie ihre Argumentation nochmals unter Vorlage fachlicher und juristischer Stellungnahmen vertieft und ergänzt, wird ebenfalls Bezug genommen.
II.
29
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
30
1. Die sofortige Beschwerde ist nur zum Teil zulässig.
31
a) Sie wurde allerdings form- und fristgerecht eingelegt und genügt den Anforderungen des § 172 Abs. 2 GWB. Es ist hinreichend klar erkennbar, dass die – vor der Vergabekammer erfolgreiche – Antragstellerin im Beschwerdeverfahren das weitergehende Ziel verfolgt, den Antragsgegner zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, auch wenn sie auf Seite 82 der Beschwerdebegründung ausführt, es werde die gesamte Entscheidung der Vergabekammer angefochten.
32
b) Die Antragstellerin ist durch die angegriffene Entscheidung der Vergabekammer nur zum Teil beschwert und auch nur insoweit beschwerdebefugt.
33
aa) Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt als Beleg für das Rechtsschutzbedürfnis eine Beschwer des Rechtsmittelführers durch die anzufechtende Entscheidung voraus sowie das Petitum, die Beschwer mit dem Rechtsmittel zu beseitigen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Mai 2018, Verg 24/17, juris Rn. 29). Hat der Antragsteller im Verfahren vor der Vergabekammer vollständig obsiegt, fehlt es an der notwendigen Beschwer (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Dezember 2018, Verg 40/18, juris Rn. 73), auf die Begründung der Entscheidung kommt es dabei grundsätzlich nicht an (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. August 2019, Verg 10/19, juris Rn. 24; Dicks/Willner in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 171 Rn. 11 und 13; Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Aufl. 2020, § 171 Rn. 63).
34
Bei der Prüfung, ob der Rechtsmittelführer durch die angegriffene Entscheidung beschwert ist, ist jedoch zu beachten, dass das Antragserfordernis im Nachprüfungsverfahren deutlich relativiert ist (vgl. Gröning in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 171 GWB, Rn. 27 ff.; Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 171 Rn. 64). Dies spricht dagegen, nur auf den gestellten Antrag abzustellen. Missverständlich ist insoweit die vom Antragsgegner zitierte Kommentierung von Jaeger (in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 171 GWB Rn. 32), nach der ein Beteiligter nicht beschwert ist, wenn sich die angegriffene Entscheidung mit seinem Antrag deckt, selbst dann, wenn der gestellte Antrag die ihm materiell im Vergabeverfahren zustehenden Rechte nur unzureichend verfolgt hat. Diese Kommentierung stützt sich auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss vom 28. Februar 2006, 11 Verg 16/05, VergabeR 2006, 382, 389), in der sich die dortige Antragstellerin gegen den Ausschluss ihres Angebots wandte und erstmals in der Beschwerdeinstanz den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen begehrte (OLG Frankfurt a. a. O. [juris Rn. 28 f., 47, 90]). Damit ist die vorliegende Fallkonstellation nicht vergleichbar.
35
Nicht allein entscheidend ist, dass die Vergabekammer hier dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben hat. Ob sie hinsichtlich aller Rügen „vollständig obsiegt“ hat oder ob sie materiell beschwert ist, weil die Entscheidung der Vergabekammer hinter dem aus ihrem Vortrag erkennbaren Rechtsschutzziel (der begehrten Rechtsfolge) zurückgeblieben ist, bedarf einer wertenden Betrachtung (vgl. Dicks/Willner in Ziekow/Völlink, a. a. O. Rn. 12). Die materielle Beschwer bemisst sich generell danach, ob und inwieweit der betreffende Verfahrensbeteiligte dann, wenn die anzufechtende Entscheidung bestandskräftig würde, dadurch unmittelbar und individuell nachteilig betroffen ist (vgl. Dicks/Willner in Ziekow/Völlink, a. a. O. Rn. 11).
36
Sind Rügen des Antragstellers erfolgreich, kommt es darauf an, ob die Vergabekammer hinsichtlich anderer Rügen das Vorliegen von Vergaberechtsverstößen verneint hat. Da die Entscheidung der Vergabekammer auch hinsichtlich der nicht festgestellten Vergaberechtsverstöße in Bestandskraft erwachsen würde, ist der Antragsteller in diesem Fall beschwert und muss trotz seines (Teil-)Erfolgs in der ersten Instanz sofortige Beschwerde einlegen, um sich auch hinsichtlich dieser Rügen die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung durch das Beschwerdegericht offenzuhalten (Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 171 Rn. 70).
37
Auch Hinweise der Vergabekammer für das weitere Vergabeverfahren können die Beteiligen beschweren (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 17. Juni 2021, 13 Verg 2/21, juris Rn. 35; OLG München, Beschluss vom 10. Dezember 2009, Verg 16/09, juris Rn. 122; Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 171 Rn. 71; Jaeger in Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 171 GWB Rn. 33). Sogenannte „Segelanleitungen“, die von der Vergabestelle beispielsweise bei der Neubewertung der Angebote zu berücksichtigen sind, nehmen als Bestandteile der Hauptsacheentscheidung grundsätzlich an deren Bestandskraft teil (vgl. Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK Vergaberecht, 6. Aufl., Stand: 15. September 2022, § 168 GWB Rn. 63 – unter Berufung auf BayObLG, Beschluss vom 23. Oktober 2003, Verg 13/03 [juris Rn. 27]). Neben allgemeinen Erwägungen zum Umfang der Bestandskraft spricht in diesen Fällen auch der Beschleunigungsgrundsatz für die Annahme einer Beschwerdeberechtigung; denn es würde das Vergabeverfahren unangemessen verzögern, wenn es möglich wäre, zunächst die Umsetzung einer schon vorher durch die Vergabekammer klar geäußerten Vorgabe abzuwarten und diese dann erst später in einem weiteren – sonst unnötigen – Verfahren anzufechten (vgl. Ulbrich a. a. O.; vgl. auch OLG München, a. a. O. Rn. 124). Offen gelassen wurde vom Oberlandesgericht Celle (a. a. O.), ob „Segelanweisungen“ insoweit Bindungswirkung entfalten, als es sich bei ihnen um obiter dicta handelte, die ihnen zugrunde liegenden Erwägungen also für die Entscheidung über die erhobenen Rügen nicht tragend waren. Um die eigene Beschwer zu begründen, genügt es hier nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht, einzelne Sätze aus der Entscheidungsbegründung zu zitieren, soweit sich nicht aus dem Zusammenhang ergibt, dass die Antragstellerin dadurch in ihren Chancen beeinträchtigt wird, den Zuschlag zu erhalten.
38
bb) Die Antragstellerin ist beschwerdebefugt, soweit sie die Entscheidung der Vergabekammer angreift, das Angebot der Beigeladenen sei nicht wegen der von ihr vorgenommenen Änderungen der Umsatzsteuersätze im Preisblatt auszuschließen. Mit dieser Rüge hatte die Antragstellerin vor der Vergabekammer keinen Erfolg, sie ist somit beschwert.
39
Fehl geht die Annahme des Antragsgegners, die Antragstellerin berufe sich nicht darauf, insoweit durch die Entscheidung beschwert zu sein. Die Antragstellerin führt auf Seite 83 ihrer sofortigen Beschwerde vielmehr aus, sie sei formell beschwert; ihr Begehren sei im Verfahren vor der Vergabekammer auf den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen (u. a. wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen in Bezug auf die geänderten und falschen Umsatzsteuersätze) gerichtet gewesen. Dies entspricht ihrem Vorbingen vor der Vergabekammer im Schriftsatz vom 6. November 2023. Auch die Vergabekammer hat das Rechtschutzbegehren der Antragstellerin dahingehend verstanden und entschieden, wegen der angegebenen Umsatzsteuersätze sei das Angebot weder nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV noch nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 1 VgV auszuschließen. Unbeheflich ist daher auch der Einwand des Antragsgegners, das nun mit der sofortigen Beschwerde verfolgte Rechtsschutzbegehren sei in der Antragstellung vor der Vergabekammer nicht zum Ausdruck gekommen.
40
cc) Durch die Ausführungen der Vergabekammer zu der vom Antragsgegner vorzunehmenden Preisprüfung (§ 60 VgV) ist die Antragstellerin nicht beschwert.
41
Nicht gefolgt werden kann ihrer Ansicht, sie sei dadurch materiell beschwert, dass der Beschluss der Vergabekammer, mit dem der Antragsgegner lediglich zur Wiederholung der Preisprüfung verpflichtet werde, hinter ihrem Begehren zurückbleibe. Im Nachprüfungsantrag hat sie ausgeführt, dass die Preisprüfung nach § 60 VgV ergeben haben solle, das Angebot der Beigeladenen sei nicht ungewöhnlich niedrig, könne nur bedeuten, die nach § 60 Abs. 2 VgV gebotene Preisaufklärung sei nicht hinreichend betrieben oder das Ergebnis der Preisaufklärung sei nicht hinreichend geprüft und gewürdigt worden. Mit dieser Rüge hatte sie bei der Vergabekammer Erfolg; soweit die Vergabekammer einzelne von der Antragstellerin gerügte Verstöße verneint und insbesondere ausgeführt hat, die Beigeladene sei der Aufforderung zur Aufklärung zu der Preisposition 4.3 in nicht zu beanstandender Weise nachgekommen, greift die Antragstellerin dies mit ihrer sofortigen Beschwerde nicht an.
42
Die Antragstellerin hat ferner bezweifelt, dass die Beigeladene in dem streitgegenständlichen Auftrag ihr Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ mit der vorgegebenen täglichen Belieferung unter Einhaltung der Vorgaben der Vergabeunterlagen „zu dem extrem niedrigen Preis“ umsetzen könne. Diese Beurteilung obliegt dem Antragsgegner, die Vergabekammer hat – ihrer Prüfungskompetenz entsprechend (vgl. OLG München, Beschluss vom 30. November 2020, Verg 6/20, juris Rn. 133) – dazu keine abschließende Entscheidung getroffen. Ohne Erfolg schließt die Antragstellerin aus der Formulierung in der angegriffenen Entscheidung „dass ausweislich der Antworten der Beigeladenen auf das Aufklärungsersuchen des Antragsgegners die Beigeladene nicht alle Vorgaben des Leistungsverzeichnisses kalkuliert hat“, die Vergabekammer habe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 VgV verkannt. Die Vergabekammer begründet damit lediglich, dass der Antragsgegner aufgrund der Antworten der Beigeladenen auf die Aufklärungsersuchen nicht von der Seriosität des Angebots ausgehen durfte. Aus dem Gesamtkontext ergibt sich, dass nach Ansicht der Vergabekammer die Preisaufklärung durch den Antragsgegner unzureichend war, u. a. deshalb, weil nicht nachvollziehbar sei, ob bei der Preisposition 1.2 (Verpflegung Mittagessen) die anzubietenden Getränke (Ziffer 3.14.1 und 3.14.3 LV) einkalkuliert wurden und bei der Preisposition 3.1 (Lunchpaket 1 [Tag]) die anzubietende Umverpackung (Ziffer 3.13.2 LV) und das anzubietende Besteck (3.13.1 LV) einkalkuliert worden seien. Außerdem vermisst die Vergabekammer eine Begründung für die Abweichung der Frühstückspreise in den Preispositionen 4.2 und 1.1. Damit steht jedoch nach der Entscheidung der Vergabekammer noch nicht fest, dass die Aufklärung insgesamt keine gesicherte Tatsachengrundlage bieten könne. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner vielmehr verpflichtet, sich mit den Erläuterungen der Beigeladenen vertieft auseinanderzusetzen.
43
dd) Hinsichtlich ihrer Rüge, das Angebot der Beigeladenen sei nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausschließen, weil die Beigeladene mit ihrem Konzept von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweiche, ist die Antragstellerin nur teilweise beschwerdebefugt.
44
(1) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist sie nicht allein deshalb materiell beschwert, weil der Beschluss der Vergabekammer, mit dem der Antragsgegner lediglich zur Wiederholung der Prüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV verpflichtet worden sei, hinter ihrem Begehren zurückgeblieben sei. Über den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV hat die Vergabekammer insoweit nicht abschließend entschieden.
45
Dass die vom Antragsgegner erneut vorzunehmende Prüfung des Leistungsversprechens zum Ausschluss des Angebots der Beigeladenen führt, ist nach der Entscheidung der Vergabekammer denkbar. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von Konstellationen, in denen einen Beschwer angenommen wird, beispielsweise wenn durch die Entscheidung der Vergabekammer zwar die geplante Zuschlagserteilung verhindert wird, eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens jedoch weniger weitgehend erfolgt, als vom Antragsteller begehrt (vgl. Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 171 Rn. 67).
46
(2) Nicht in vollem Umfang gefolgt werden kann der Ansicht der Antragstellerin, durch die Befolgung der „Segelanweisungen“ der Vergabekammer zur Überprüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen würden ihre Chancen auf Erhalt des Zuschlags erheblich beeinträchtigt.
47
Beschwert ist die Antragstellerin durch konkrete Ausführungen zum Umfang der vom Antragsgegner erneut vorzunehmenden Prüfung, soweit die Vergabekammer ihrer Ansicht nicht gefolgt ist. Dies gilt aber nicht für jede der von ihr herangezogenen Formulierungen in der Entscheidung der Vergabekammer.
48
(a) Soweit die Antragstellerin die Feststellungen der Vergabekammer angreift, der Antragsgegner dürfe sich bei der erneut vorzunehmenden Prüfung des Leistungsversprechens auf Stellungnahmen der Landratsämter und der I. GmbH verlassen, obwohl diese Stellen die Einhaltung von DIN-Normen nicht vollständig überprüften, ist sie beschwerdebefugt. Gleiches gilt für die ebenfalls mit dem Prüfungsumfang und Ziffer 8 der Leistungsbeschreibung in Zusammenhang stehenden Aussagen der Vergabekammer, die Prüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen durch den Antragsgegner sei nicht schon deshalb unzureichend, weil der Antragsgegner nicht zweifelsfrei haben klären können, welche DINVorschriften und vergleichbaren Vorgaben konkret anzuwenden seien. Schließlich betrifft auch der Hinweis der Vergabekammer, das Leistungsversprechen der Beigeladenen werde nicht durch die erfolglosen Versuche der Antragstellerin, das Konzept nachzustellen, in Frage gestellt, den Prüfungsmaßstab.
49
(b) Fehl geht die Ansicht der Antragstellerin, sie sei beschwert, weil sich aus der Entscheidung der Vergabekammer ergebe, dass ein im Wege der Aufklärung gemäß § 15 Abs. 5 VgV konkretisiertes Konzept über die Art und Weise der Leistungserbringung durch die Beigeladene im weiteren Vergabeverfahren bzw. in einem laufenden Nachprüfungsverfahren fortlaufend geändert werden könne und „kleinere Modifizierungen“ nicht zu einer nachträglichen Änderung des Angebots der Beigeladenen führten, obwohl sich die von der Beigeladenen vorgenommenen Änderungen ganz erheblich auf die Kalkulation auswirkten.
50
Die Antragstellerin meint, die Beigeladene habe ihr Leistungsversprechen für den vorliegenden Auftrag mit Schreiben vom 28. März 2023 konkretisiert und zum ersten Mal mit Schreiben vom 6. April 2023 und zum zweiten Mal mit Schreiben vom 11. September 2023 geändert. Nach der Entscheidung der Vergabekammer hat die Beigeladene ihr Leistungsversprechen für den streitgegenständlichen Auftrag mit Schreiben vom 28. März 2023 und 6. April 2023 konkretisiert. Dass der Überprüfung die Angaben der Beigeladenen im Schreiben vom 11. September 2023 zugrunde zu legen wären, ergibt sich aus der Entscheidung der Vergabekammer nicht. Dementsprechend führt die Antragstellerin auf Seite 100 der sofortigen Beschwerde aus, die Vergabekammer habe „im Ausgangspunkt teilweise noch zutreffend erkannt“, dass die Beigeladene ihr mit dem Angebot abgegebenes Leistungsversprechen mit Schreiben vom 28. März 2023 konkretisiert habe. Worin eine „erste Änderung“ des Konzepts mit Schreiben mit Schreiben 6. April 2023, die sie auf Seite 16 des Schriftsatzes vom 7. Februar 2024 behauptet, liegen soll, legt die Antragstellerin nicht nachvollziehbar dar.
51
Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Antragstellerin, sie sei beschwert, weil der Antragsgegner bei der Wiederholung der Prüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen verpflichtend zu berücksichtigen hätte, dass „kleinere“ Modifizierung nicht zu einer nachträglichen Änderung des Angebots der Beigeladenen führten. Die Vergabekammer hat zwar auf frühere Entscheidungen Bezug genommen nach denen „kleinere“ Modifikationen des Konzepts nicht zu einer nachträglichen Änderung des Angebots führten, diese Ausführungen sind im vorliegenden Fall indes nicht tragend. Denn die Vergabekammer hat entschieden, im streitgegenständlichen Fall könne eine Abweichung von den Vergabeunterlagen nicht ausgeschlossen werden, weil die bislang vorgelegten Stellungnahmen zuständiger Fachbehörden sich nicht auf das mit Schreiben vom 28. März 2023 und 6. April 2023 konkretisierte Konzept, sondern auf das in anderen Vergabeverfahren ursprünglich angedachte Konzept bezögen.
52
ee) Hinsichtlich des Ausschlusses der Beigeladenen wegen der nachweislichen Begehung einer schweren Verfehlung (§ 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB) ist die Antragstellerin durch die Ausführungen der Vergabekammer nicht beschwert. Dies steht einer Überprüfung der erst nach der Entscheidung der Vergabekammer erhobenen Vorwürfe durch den Senat indes nicht entgegen.
53
(1) Aus den oben dargelegten Gründen ist die Antragstellerin nicht allein deshalb materiell beschwert, weil der Beschluss der Vergabekammer, mit dem der Antragsgegner lediglich zur Wiederholung der Ausschlussentscheidung hinsichtlich der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB verpflichtet worden sei, hinter ihrem Begehren zurückgeblieben sei. Über den Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB hat die Vergabekammer nicht abschließend entschieden.
54
(2) Für nicht durchgreifend erachtet der Senat die Argumentation der Antragstellerin, sie sei beschwert, weil sich aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung ergebe, es könnten nur die von der Beigeladenen nicht bestrittenen Beobachtungen am 25. August 2023 als erwiesen angesehen werden, nicht dagegen die vom 21., 22., 23. und 24. August 2023.
55
Die Vergabekammer hat sich mit der Vielzahl der von der Antragstellerin erhobenen Vorwürfe nicht im Einzelnen befasst. Tragend für die Entscheidung, der Antragsgegner sei auch verpflichtet, die Entscheidung über einen Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB zu wiederholen, sind die Erwägungen, die Beigeladene sei der Behauptung, ihr LKW sei am 25. August 2023 ohne Stopp von ihrem Standort zur Unterkunftsdependance B gefahren, nicht entgegengetreten, und der Antragsgegner sei deshalb zur Aufklärung verpflichtet gewesen, ob insoweit eine nachweisliche schwere Verfehlung vorliege (z. B. ein Verstoß gegen hygienerechtliche Anforderungen an die Kühlung der Lebensmittel während der Fahrt). Der im Schriftsatz vom 21. November 2023 geäußerten Ansicht des Antragsgegners, nach seinen Erkenntnissen halte die Beigeladene die lebensmittelrechtlich relevanten Bestimmungen zum Gesundheitsschutz bis auf ganz wenige Ausnahmen ein, ist die Vergabekammer nicht gefolgt. Zur Begründung hat sie insbesondere ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beigeladene für die Ausführung des hiesigen Auftrags eine derart abweichende Modifikation ihres [in anderen Verfahren] ursprünglich angedachten Konzepts vorzunehmen gedenke, „die zum einen nicht durch die bislang vorgelegten Stellungnahmen zuständiger Fachbehörden oder der I. GmbH gedeckt“ sei und „zum anderen das Konzept nicht im Einklang mit Vorschriften des öffentlichen Rechts durchgeführt werden“ könne und es stehe hier insbesondere die Besorgnis einer Nichtgewährleistung der hygienerechtlichen Anforderungen entsprechenden Kühlung der Lebensmittel während der Fahrt im Raum.
56
Durch diese Ausführungen ist die Antragstellerin nicht beschwert. Unverständlich ist ihre Annahme, daraus ergebe sich, auch im Rahmen der Ermessensentscheidung [nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB] solle auf das von der Beigeladenen mehrfach nachträglich geänderte Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ und die nach Änderung des im Wege der Aufklärung konkretisierten Konzepts erstellte Bestätigung der I. GmbH vom 25. Mai 2023 abgestellt werden. Hinsichtlich der unstreitigen Beobachtungen am 25. August 2023 hat die Vergabekammer die „bislang vorgelegten Stellungnahmen zuständiger Fachbehörden und der I. GmbH“ für nicht ausreichend erachtet. Mehr hat die Vergabekammer nicht entschieden; daraus lässt sich aber nicht ableiten, es sei generell auf die Bestätigung vom 25. Mai 2023 abzustellen. Weitere Ausführungen zu konkreten Vorwürfen (insbesondere vom 21. bis 24. August 2023), durch die die Antragstellerin beschwert sein könnte, hat die Vergabekammer nicht gemacht.
57
(3) Beschwert sein könnte die Antragstellerin zwar durch generelle Ausführungen der Vergabekammer im Zusammenhang mit der Frage, wann von einer nachweislich begangenen schweren Verfehlung auszugehen ist. Nicht gefolgt werden kann allerdings ihrer im Schriftsatz vom 7. Februar 2024 auf Seite 20 wiedergegebenen Ansicht, sie sei beschwert, weil sich aus der Entscheidung verbindlich ergebe, „nur“ Beobachtungen der von ihr beauftragten Detektive, die von der Beigeladenen bestritten worden seien und sich im Nachhinein auch durch intensive eigene Ermittlungstätigkeit des Antragsgegners nicht mehr hätten aufklären lassen, seien als „nicht nachweislich“ anzusehen. Beschwert sein könnte die Antragstellerin durch eine – im Beschluss der Vergabekammer gerade nicht enthaltene – Aussage, nur unstreitige Beobachtungen der Detektive seien als nachweislich anzusehen. Ob sich streitige Behauptungen „im Nachhinein nicht mehr aufklären ließen“, ist vor allem eine Frage des konkreten Einzelfalls; generelle Aussagen dazu, wann dies der Fall ist und schon deshalb keine nachweislich begangene schwere Verfehlung vorliegt, hat die Vergabekammer nicht getroffen. Sie hat vielmehr tragend darauf abgestellt, die am 25. August 2023 gemachten Beobachtungen seien unstreitig.
58
Welche der zahlreichen Behauptungen der Antragstellerin konkret als „nachweislich“ anzusehen sind, hat die Vergabekammer nicht entschieden.
59
2. Soweit die sofortige Beschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet. Durch die Entscheidung der Vergabekammer ist die Antragstellerin nicht in eigenen Rechten verletzt; ihr neues Vorbringen gibt keinen Anlass, korrigierend in das Vergabeverfahren einzugreifen.
60
a) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen, weil die Beigeladene in ihrem Angebot bei einigen Positionen den eingetragenen Umsatzsteuersatz vom 19% auf 7% geändert hat. Darin liegt keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen, da sich aus diesen nicht eindeutig ergibt, dass der von dem Antragsgegner im Preisblatt bei den einzelnen Positionen jeweils eingetragene Regelsteuersatz von 19% vom Bieter nicht abgeändert werden darf.
61
aa) Nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig und führen zwingend zum Ausschluss des Angebots. Der Regelungszweck der Norm besteht darin, das Zustandekommen eines wirksamen Vertrags mit übereinstimmenden Willenserklärungen zu gewährleisten (Dittmann in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2. Aufl. 2022, § 57 Rn. 50 m. w. N.).
62
Ob eine nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vorliegt, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB sowohl der Vergabeunterlagen als auch des Angebots des Bieters festzustellen (Dittmann a. a. O. § 57 Rn. 54 f.). Für die Auslegung der Vergabeunterlagen ist ein objektiver Maßstab anzulegen und auf den Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters abzustellen, der mit der Leistung vertraut ist; ein Ausschluss kommt nur dann in Betracht, wenn die Angaben in den Vergabeunterlagen, von denen das Angebot eines Bieters abweicht, eindeutig sind (BayObLG, Beschluss vom 26. April 2023, Verg 16/22, juris Rn. 75; OLG Frankfurt, Beschl. v. 1. Oktober 2020, 11 Verg 9/20, juris Rn. 48 f.; von Wietersheim in BeckOK Vergaberecht, 31. Ed. Stand: 1. November 2023, VgV § 57 Rn. 52 f.; jeweils m. w. N.).
63
bb) Hier ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht schon aus dem Umstand, dass man beim Ausfüllen des Preisblatts vom „Angebotsassistenten“ nur zu den Feldern geführt wird, bei denen jeweils der Nettopreis einzutragen ist, dass der Umsatzsteuersatz nicht abgeändert werden darf. Ob dieses eher formale Argument schon dadurch abgeschwächt wird, dass eine Abänderung des Umsatzsteuersatzes immerhin möglich war, kann dahinstehen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Höhe der Umsatzsteuer gesetzlich feststeht (vgl. auch BGH, Urt. v. 30. August 2011, X ZR 55/10, juris Rn. 23) und sich aus den Vergabeunterlagen eindeutig eine Nettopreisabrede ergibt.
64
Zwar ist eine Bruttopreisabrede nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Regel, d. h. ein vereinbartes Bruttoentgelt deckt grundsätzlich auch die Aufwendung für die vom Leistenden zu entrichtende Umsatzsteuer ab, die in diesem Fall nur einen unselbständigen Bestandteil des vereinbarten Entgelts darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 20. Februar 2019, VIII ZR 189/18, juris Rn. 22). Die Vertragsparteien können jedoch eine Nettopreisvereinbarung treffen, bei der die Umsatzsteuer ein eigenständiger Preisbestandteil ist. Geschuldet ist in diesem Fall nicht der zwischen den Parteien vereinbarte Bruttopreis, sondern der Nettopreis zuzüglich der auf die Lieferung oder sonstige Leistung anfallenden Umsatzsteuer.
65
Die Vergabeunterlagen enthalten eine Nettopreisabrede. Im Preisblatt waren „Nettopreise (Einzelpreis für 1 Stück)“ einzutragen. Nach Ziffer 16 der Leistungsbeschreibung erfolgt die Vergütung zu den im Vergabeverfahren vereinbarten Preisen; auf die Preise wird die Umsatzsteuer in der jeweils gültigen Höhe [Hervorhebung durch den Senat] berechnet. Dementsprechend sind nach Ziffer 3.8 des Formblatts L 212 EU die Preise (Einheitspreise, Pauschalpreise, Verrechnungssätze usw.) ohne Umsatzsteuer anzugeben. Der Umsatzsteuerbetrag ist unter Zugrundelegung des geltenden Steuersatzes [Hervorhebung durch den Senat] am Schluss des Angebotes hinzuzufügen. Schließlich sind nach Ziffer 8.2 der zusätzlichen Vertragsbedingung (L 2150) in den Rechnungen Umfang und Wert aller bisherigen Leistungen nach den Ordnungszahlen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses aufzuführen und mit Nettopreisen anzuzeigen. Der Umsatzsteuerbetrag ist mit dem Steuersatz hinzuzusetzen, der zum Zeitpunkt des Entstehens der Steuer, bei Schlussrechnungen zum Zeitpunkt des Bewirkens der Leistung, gilt [Hervorhebung durch den Senat]. Der – somit zutreffenden – Ansicht des Antragsgegners, im Vertragsvollzug bestimme sich die auf den Nettopreis zu erhebende Umsatzsteuer nach den gesetzlichen Vorgaben, ist die Antragstellerin im Schriftsatz vom 28. November 2023 nicht überzeugend entgegen getreten. Dass die Beigeladene „ausdrücklich an den von ihr eingetragenen Umsatzsteuersätzen festhält“, ist sowohl für die Auslegung der Vergabeunterlagen als auch für die Frage, welche Umsatzsteuer tatsächlich geschuldet ist, ohne Bedeutung. Bei einem zu niedrigen Steuerausweis schuldet der Unternehmer die gesetzlich vorgeschriebene Steuer (vgl. UStAE Abschn 14c.1, Abs. 9 Satz 1).
66
Insbesondere deshalb, weil am Anfang des Preisblatts ausdrücklich auf Nr. 16 der Leistungsbeschreibung Bezug genommen wird, durfte ein verständiger Bieter davon ausgehen, im Preisblatt sei der Umsatzsteuersatz anzugeben, der seiner Meinung nach zutreffend ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Wertung nach dem Bruttopreis erfolgen sollte und der angegebene Umsatzsteuersatz somit Auswirkungen auf das Wertungsergebnis haben kann. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Vergabeunterlagen nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig dahin zu verstehen sind, dass der vom Antragsgegner eingetragene Regelsteuersatz von 19% (§ 12 Abs. 1 UStG) auch dann nicht abänderbar sein sollte, wenn sich die Steuer nach § 12 Abs. 2 UStG auf 7% des Umsatzes ermäßigt. Ob die Annahme des Bieters, für den steuerpflichtigen Umsatz gelte der ermäßigte Steuersatz, im konkreten Einzelfall richtig ist oder zumindest vertretbar erscheint, ist für die objektive Auslegung der Vergabeunterlagen irrelevant. Fehl geht die Annahme der Antragstellerin, die – im Rahmen der Wertung – vom Antragsgegner vorgenommene Anpassung der Umsatzsteuersätze auf einheitlich 19% stelle eine vergaberechtswidrige Korrektur des Angebots der Beigeladenen dar. Bei einer Nettopreisabrede wird der angegebene Umsatzsteuerbetrag nicht Vertragsbestandteil, geschuldet wird vielmehr die anfallende Umsatzsteuer.
67
Welcher Umsatzsteuersatz gilt, kann allerdings im Rahmen der Wertung eine Rolle spielen (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 1. August 2019, 1 SVK 021- 19, juris Rn. 57 f.).
68
Insoweit wird auf die Ausführungen unter c) Bezug genommen.
69
Unbehelflich ist schließlich die Argumentation der Antragstellerin, der Antragsgegner habe im Jahr 2021 in mehreren Catering-Vergabeverfahren, an denen auch die Beigeladene teilgenommen habe, im Rahmen von Bieterinformationen mitgeteilt, dass die vorgegebenen Umsatzsteuersätze von 19% nicht verändert werden dürften und die Beigeladene habe deshalb nicht davon ausgehen dürfen, sie dürfe die voreingetragenen Umsatzsatzsteuersätze abweichend von der ständigen Vergabepraxis des Antragsgegners abändern. Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren gab es keine entsprechende Bieteranfrage. Nach der von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 15. März 2010, Verg 12/10 juris Rn. 23) kann es dem Auftraggeber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sein, eine bekannte, ständige und damit seine Selbstbindung auslösende Verfahrenspraxis ohne entsprechende Ankündigung und Information aufzugeben und die Angebote der mit dieser Praxis vertrauten Bieter am Wortlaut der Vergabeunterlagen zu messen. Darum geht es hier jedoch nicht. Maßgeblich für die Auslegung ist der objektive Empfängerhorizont. Dass der Antragsgegner in anderen Verfahren die Bieter gebeten hat, die voreingestellten Steuersätze nicht abzuändern, um eine Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten, ist im Rahmen der Auslegung der Vergabeunterlagen irrelevant.
70
b) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht wegen fehlender Preisangaben nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV auszuschließen. Dahinstehen kann, ob die Beigeladene bei allen Positionen den zutreffenden Umsatzsteuersatz angegeben hat.
71
Eindeutig und unmissverständlich vom Auftraggeber geforderte Preisangaben waren hier nur die Nettopreise, die die Beigeladene angegeben hat. Ob der Preisbestandteil der gesetzlichen Umsatzsteuer einen im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Preis darstellt, dessen Fehlen oder dessen unzutreffende Angabe zu einem Angebotsausschluss führen müsste, hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 30. August 2011, X ZR 55/10, juris Rn. 23; Herrmann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, VgV, § 57 Rn. 40). Hier ergibt sich aus den oben dargestellten Erwägungen aus den Vergabeunterlagen jedenfalls nicht eindeutig, dass die Bieter die Umsatzsteuer von 19% angeben mussten. Für den Vertragsvollzug sollte eine Nettopreisabrede getroffen werden. Vom Leistungsempfänger geschuldet ist somit der Nettopreis zuzüglich der anfallenden Umsatzsteuer, auch wenn der leistende Unternehmer zu Unrecht einen zu niedrigen oder zu hohen Umsatzsteuerbetrag in der Rechnung ausweist. Dies spricht in der vorliegenden Fallkonstellation dagegen, die anfallende Umsatzsteuer als Preisangabe zu qualifizieren.
72
c) Nach Abschluss der dem Antragsgegner obliegenden Prüfung des Angebots der Beigeladenen ist er bei der Wertung der Angebote nach § 127 GWB, § 58 VgV an das wirksam festgelegte Zuschlagskriterium des niedrigsten Bruttopreises (vgl. Hövelberndt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 127 GWB Rn. 28) gebunden. Ob der Antragsgegner die von der Beigeladenen bei verschiedenen Positionen angegebenen ermäßigten Umsatzsteuersätze jeweils auf den Regelsteuersatz korrigieren durfte oder musste (vgl. VK Sachsen Beschluss vom 1. August 2019, 1 SVK 021- 19, juris Rn. 57 f.), bedarf hier keiner Entscheidung, da sich die Wertungsreihenfolge dadurch nicht verändert. Offenbleiben kann somit, welche Umsatzsteuersätze für die einzelnen Positionen gelten und unter welchen Voraussetzungen – im Falle einer Nettopreisabrede – ein im Angebot unzutreffend angegebener Umsatzsteuersatz der Korrektur bedarf. Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Beigeladene habe sich einen unzulässigen Wertungsvorteil verschafft, weil sie zu Unrecht von ermäßigten Umsatzsteuersätzen ausgegangen sei. Nur wenn dies zutrifft, käme eine Korrektur bei der Wertung in Betracht. Die Antragstellerin meint jedoch, der Antragsgegner hätte die Korrektur des Umsatzsteuersatzes auf 19% nicht vornehmen dürfen, obwohl sie diesen Umsatzsteuersatz für zutreffend hält. Ihre Argumentation ist somit in sich widersprüchlich.
73
d) Hinsichtlich der Überprüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen (§ 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV) besteht kein Anlass, in das Vergabeverfahren korrigierend einzugreifen. Die von der Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde zulässig erhobenen grundsätzlichen Einwände greifen nicht durch. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin lässt sich insbesondere den von der Beigeladenen vorgelegten Bestätigungen und Bescheinigungen nicht jegliche Aussagekraft absprechen. Die Vergabekammer hat auch den Prüfungsumfang nicht zu Ungunsten der Antragstellerin verkannt. Der Antragsgegner hat die Prüfung des Angebots der Beigeladenen noch nicht abgeschlossen und angekündigt, insbesondere die bereits im Vergabevermerk vom 16. Februar 2024 erwähnte Stellungnahme der Beigeladenen vom 31. Januar 2024 und „weitere Aufklärungen“ in einen abschließenden Vermerk einzubeziehen. Diese abschließende Bewertung durch den Antragsgegner bleibt abzuwarten. Aus den in den heutigen Senatsbeschlüssen Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e jeweils unter II 1.b) dargelegten Gründen besteht weder Anlass, in die bislang vom Antragsgegner vorgenommene Beurteilung korrigierend einzugreifen noch die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
74
aa) Der Einwand der Antragstellerin, ein Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ dürfe schon deshalb nicht zum Einsatz kommen, weil die einschlägigen DIN-Normen, insbesondere die DIN 10536 und 10508 dieses Verfahren nicht kennen würden, ist unbegründet. Die Feststellung der Vergabekammer, den Vergabeunterlagen sei keine Festlegung auf bestimmte Produktionsverfahren zu entnehmen, ist zutreffend. Dem Bieter steht deshalb frei, neue oder innovative Verfahren zu nutzen. Auch aus Ziffer 8 der Leistungsbeschreibung, wonach die Cateringleistung entsprechend den Qualitätsvorgaben und Qualitätsmaßstäben der für Transport und Zubereitung von Lebensmitteln einschlägigen DIN-Vorschriften zu erbringen ist, folgt nichts anderes. Ob damit überhaupt in der erforderlichen Klarheit eine bindende Einhaltung der DIN 10536 vorgegeben worden ist, kann offen bleiben, denn diese nennt – wie die Antragstellerin selbst ausführt – das Cook & Chill-Verfahren als ein mögliches Verfahren. Charakteristisch für dieses Verfahren ist das Vorgaren von Speisen, die gekühlt gelagert, transportiert, regeneriert und anschließend heiß ausgegeben werden (vgl. 4.1 der DIN 10536). Zudem erwähnt Ziffer 4.2.6 der DIN 10536 ausdrücklich das Regenerieren während des Transports der Speisen zur Ausgabestelle. Nichts anderes ist nach dem Konzept der Beigeladenen vorgesehen. Ob ihr System „Fahrzeit gleich Garzeit“ in der konkreten Umsetzung im Widerspruch zu der DIN 10536 oder anderen Normen steht und deshalb ausgeschlossen werden muss, ist gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Antragstellerin zu klären, die vorgesehene Leistungserbringung der Beigeladenen erfülle nicht die im Einzelnen in der Leistungsbeschreibung bzw. im Leistungsverzeichnis festgelegten Anforderungen. Insoweit ist die Prüfung durch den Antragsgegner noch nicht abgeschlossen.
75
bb) Fehl geht die Annahme der Antragstellerin, mit der weiteren Aufklärung werde der Beigeladenen vergaberechtswidrig die Gelegenheit eingeräumt, ihr Konzept ein weiteres Mal zu ändern. Maßgeblich für die Frage, ob das von der Beigeladene vorgesehene Konzept die Vorgaben des Antragsgegners erfüllt, ist die beabsichtigte Vorgehensweise, wie sie die Beigeladene für dieses Verfahren zuletzt dargelegt hat. Die Vergabekammer hat die Ausführungen der Beigeladenen im Schreiben vom 28. März 2023 und 6. April 2023 als maßgebliche Konkretisierung des Angebots angesehen. Inwieweit diese Schreiben überhaupt konkrete Ausführungen zur Durchführung des streitgegenständlichen Auftrags enthalten, kann dahinstehen. Nicht zu beanstanden ist jedenfalls, dass der Antragsgegner beabsichtigt, die Prüfung des Leistungsversprechens anhand der von der Beigeladenen im Aufklärungsschreiben vom 31. Januar 2024 geschilderten Arbeitsweise zu überprüfen. Die Antragstellerin stellt im nachgelassenen Schriftsatz das von der Beigeladenen ursprünglich beabsichtigte Konzept gemäß Aufklärung vom 28. März 2023 mit Verweis auf die bereits erfolgten Aufklärungen vom 26. Juli 2022 und 27. Februar 2023 dem nunmehr beabsichtigten Konzept gegenüber, wie es im Schriftsatz vom „30. Januar 2024“ (Anmerkung des Senats gemeint: 31. Januar 2024) geschildert worden sei. Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin unterstellt, auch für das streitgegenständliche Vergabeverfahren sei das im ersten Aufklärungsschreiben vom 26. Juli 2022 geschilderte Vorgehen maßgeblich, stehen weder das Nachverhandlungsverbot (§ 15 Abs. 5 Satz 2 VgV) noch der Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) der Berücksichtigung des Angebots der Beigeladenen entgegen.
76
(1) Zutreffend ist der Hinweis der Antragstellerin, dass im offenen Verfahren ein Angebot nicht nach Ablauf der Angebotsfrist inhaltlich abgeändert werden darf. So ist dem Bieter zweifelsfrei verwehrt, im offenen Verfahren den Angebotspreis nachträglich zu senken, um dadurch eine bessere Rangstelle zu erlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2002, X ZR 185/99, juris). Aber auch in Fällen, in denen ein Bieter nach Angebotsabgabe auf Nachfrage der Vergabestelle nähere Details zu seinem Angebot mitteilt, kann er den Angebotsinhalt nur erläutern und nicht ändern (vgl. auch EuGH, Urt. v. 7. April 2016, C-324/14, juris Rn. 62 ff.; Urt. v. 29. März 2012, C-599/10, juris Rn. 40). Eine unzulässige nachträgliche Abänderung des Angebots ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Bieter von eindeutigen Festlegungen seines Angebots im Zuge einer Stellungnahme zu einem Aufklärungsersuchen abrückt (so im Fall des EuGH, Urt. v. 7. April 2016, C-324/14: nachträgliche Vorgabe einer Rangfolge hinsichtlich einzelner Teile des Auftrags, obwohl das Angebot für den gesamten Auftrag abgegeben worden ist). Aber auch in Fallkonstellationen, in denen sich bei einer Angebotsaufklärung herausstellt, dass das vom Bieter abgegebene Angebot in Wahrheit nicht mit den Vorgaben der Vergabeunterlagen übereinstimmt, etwa weil er beabsichtigt, ein Produkt zu liefern, das nicht die in den Vergabeunterlagen geforderten Eigenschaften besitzt (OLG München, Beschluss vom 10. April 2014, Verg 1/14, juris Rn. 57; Beschluss vom 25. November 2013, Verg 13/13, juris Rn. 28 ff.) oder er nicht die zwingend vorgesehenen Stellen zur Abfallentsorgung nutzen will (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. August 2022, Verg 18/21, juris Rn. 81), wurde eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen mit der Folge eines zwingenden Angebotsausschlusses angenommen. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund der Zielsetzung einer Aufklärung, womit Unklarheiten bzw. Widersprüchlichkeiten im Angebot beseitigt werden sollen. Stellt sich im Zuge der Aufklärung heraus, dass der Bieter tatsächlich nicht die geforderte Leistung angeboten hat, ist sein Angebot nicht zuschlagsfähig. Dem Bieter ist in einer solchen Situation verwehrt, den Angebotsausschluss durch spätere Korrektur seiner Angaben abzuwenden, indem er sich nachträglich bereit erklärt, ein anderes, den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entsprechendes Produkt anstelle des zunächst genannten Produkts zu liefern (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. August 2022, Verg 18/21, juris Rn. 88). Im umgekehrten Fall, also bei zufriedenstellender Aufklärung, kann der Antragsgegner darauf vertrauen, dass der Bieter sein Leistungsversprechen einhält und für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung entsprechend den Erläuterungen bzw. Zusagen Sorge trägt.
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Nichts anderes ergibt sich aus den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe (Beschluss vom 7. September 2022, 15 Verg 8/22, juris) und Schleswig (Beschluss vom 6. Juli 2022, 54 Verg 4/22, juris), wobei in den beiden Fällen keine Abweichungen des Angebots von den Vergabeunterlagen festgestellt wurden.
78
(2) Aus der unter (1) zitierten Rechtsprechung lässt sich nicht schlussfolgern, dass das Angebot der Beigeladenen deshalb auszuschließen wäre, weil sie zwischenzeitlich neue technische Hilfsmittel einsetzt und damit der im Jahr 2024 vorgesehene Arbeitsablauf von der Beladung des LKW am Standort … bis zur Übergabe der Speisen in der Anker-Einrichtung bzw. deren Dependancen nicht in allen Details dem Vorgehen entspricht, das die Beigeladene – in einem anderen Vergabeverfahren – im ersten Aufklärungsschreiben vom 26. Juli 2022 geschildert hat. So soll die Kühlung der Speisen im LKW mittels einer anderen Technik sichergestellt werden, es entfällt die Umladung der GN-Bleche während der Fahrt, es bedarf damit nur noch höchstens eines (statt mehrerer) Stopps, bei dem eine Temperaturkontrolle stattfindet und das Regenerierprogramm gestartet wird, und am Zielort erfolgt generell eine Übergabe der GN-Bleche in vorgeheizte TP anstelle einer Ausladung von „Towern“.
79
Aus dieser Rechtsprechung kann nicht gefolgert werden, die Beigeladene habe ihr im Februar 2023 abgegebenes Angebot durch die Angaben im Aufklärungsschreiben vom 6. April 2023, in dem sie auf frühere Bestätigungen aus dem Jahr 2022 verweist, in Bezug auf sämtliche im Schreiben vom 26. Juli 2022 genannten Details unwiderruflich festgelegt, weswegen jede nachfolgend mitgeteilte Abweichung von diesen Erläuterungen als unzulässige Änderung des Angebots zu werten sei. Abfragen des öffentlichen Auftraggebers zu Personal, Geräten, Produktionsablauf und anderen Details dienen vorrangig (und für die Bieter erkennbar auch hier) der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen, störungsfreien Ablaufs bei der Vertragsdurchführung. Bei eng begrenzten Fragestellungen zur beabsichtigten Leistung, wie etwa bei einer Nachfrage, welches konkrete Produkt geliefert werden soll, mag die diesbezügliche Erklärung des Bieters regelmäßig die berechtigte Erwartung des öffentlichen Auftraggebers begründen, die Leistung werde exakt wie erklärt auch durchgeführt. Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren wie auch in den Parallelverfahren betrifft die Aufklärung allerdings einen vielschichtigen und komplexen Produktions- und Transportvorgang im Vorfeld der unmittelbaren Leistung. Zudem ist das Catering über einen Zeitraum von mehreren Jahren tagtäglich durchzuführen. Dass es hierbei nicht im Laufe der Zeit zu einem Wechsel im Fahrzeug-, Geräte- oder Personalstand oder auch zu gewissen Fortentwicklungen im technischen Ablauf kommt, ist fernliegend. Würde man der Argumentation der Antragstellerin folgen, dürfte ein Bieter ein im Zuge einer Aufklärung benanntes Fahrzeug, das in Reparatur ist oder durch einen Schaden unbrauchbar wird, nicht durch ein baugleiches oder sogar qualitativ besseres, verfügbares Fahrzeug ersetzen. Ebenso wenig wäre ihm erlaubt, ein defektes Gerät, dessen Funktionsweise er vorab gegenüber dem Auftraggeber dargelegt hat, auszutauschen. Gleiches würde für Mitarbeiter gelten, die erkrankt sind oder das Unternehmen zwischenzeitlich verlassen haben. Auch dort wäre dem Bieter versagt, auf vergleichbar oder noch besser qualifiziertes Personal zurückzugreifen. Eine derart starre Bindung ist weder durch den Sinn und Zweck der Aufklärung gerechtfertigt, noch entspricht sie der Interessenlage der Beteiligten, noch lässt sie sich aus einer begründeten Erwartungshaltung des Auftraggebers ableiten. Auch aus dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz folgt nichts anderes, eher im Gegenteil. Die Problematik einer möglichen Festlegung auf eine bestimmte Vorgehensweise stellt sich nur für den Bieter, der infolge eines Aufklärungsverlangens nach Angebotsabgabe nähere Details zum Ablauf darzulegen hat, während derjenige, der ohne Aufklärung den Zuschlag erhält, mangels Vorgabe eines bestimmten Produktions- oder Lieferverfahren über den gesamten Leistungszeitraum frei entscheiden kann, auf welche Art und Weise er die Leistung erbringt, solange diese vertragskonform ist.
80
Die von der Antragstellerin zuletzt im Schriftsatz vom 5. April 2024 vorgebrachte Argumentation, das Konzept, das die Beigeladene nunmehr umsetzen wolle, sei in jeglicher Hinsicht ein aliud gegenüber dem Konzept, das sie ursprünglich angeboten oder kalkuliert habe, gebietet es nicht, korrigierend in das Vergabeverfahren einzugreifen. Der Senat folgt dieser Ansicht aus den in den heutigen Senatsbeschlüssen (Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e) jeweils unter II. 1. b) bb) (2) dargelegten Gründen nicht. Den Angeboten liegt nach wie vor ein und dasselbe Konzept zugrunde: die Beigeladene beabsichtigt, die am Standort … vorgegarten und gekühlten Speisen abzuholen, diese gekühlt zu transportieren, während der Fahrt zu regenerieren und anschließend in heißem Zustand beim AnkerZentrum zum Zwecke der Ausgabe an die Heimbewohner auszuliefern. Der Umstand, dass sie technische Hilfsmittel durch neuere Gerätschaften ersetzt, mit denen die Vorgaben der Leistungsbeschreibung ebenso einhalten werden, wie mit der ursprünglich vorgesehenen und im Zuge einer Aufklärung näher beschriebenen Ausstattung, rechtfertigt nicht die Annahme einer unzulässigen Änderung des Angebotsinhalts, mag der konkrete Ablauf auch geringfügig anders sein. Weder die Art noch der Inhalt der Leistung ändert sich dadurch, dass die Beigeladene nur noch einen Stopp benötigt, sie GN-Bleche nicht mehr von einem Gerät zum anderen umladen muss und vor Ort generell GN-Bleche in vorgeheizte Geräte umlädt (und nicht einen „Tower“ auslädt). Gleiches gilt für die neue Kühltechnik und den nunmehrigen Ablauf des Regenerierprogramms und der Temperaturkontrolle. Auch bei wertender Betrachtung sind die vorgesehenen Modifikationen in der technischen Umsetzung nicht von einem Gewicht, als dass sich das Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ als ein anderes darstellt als ursprünglich angeboten.
81
Soweit die Antragstellerin – rein vorsorglich – geltend macht, (auch) das nunmehrige Konzept stehe nicht im Einklang mit den Vorgaben der Vergabeunterlagen, ist die Prüfung des Antragsgegners noch nicht abgeschlossen. Es wird jedoch auf die Ausführungen in den heutigen Senatsbeschlüssen Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e jeweils unter II. 1. b) ff) bis ii) hingewiesen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu Aspekten, die die noch nicht abgeschlossene Prüfung durch den Antragsgegner betreffen, ist nicht geboten. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter 4. verwiesen.
82
cc) Ganz allgemein ist zur Prüfung des Leistungsversprechens eines Bieters Folgendes festzustellen:
83
Der öffentliche Auftraggeber darf grundsätzlich ohne Widerspruch zu § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. September 2022, 15 Verg 8/22, juris Rn. 29; BayObLG, Beschluss vom 3. Juni 2022, Verg 7/22, juris Rn. 63; Beschluss vom 9. November 2021, Verg 5/21, juris Rn. 107; Beschluss vom 9. April 2021, Verg 3/21, juris Rn. 65; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, Verg 20/19, juris Rn. 70; KG, Beschluss vom 21. November 2014, Verg 22/13, juris Rn. 36). Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft erscheint, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens bzw. die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen (OLG Schleswig, Beschluss vom 6. Juli 2022, 54 Verg 4/22, juris Rn. 51; BayObLG, Beschluss vom 9. November 2021, Verg 5/21, juris Rn. 107; OLG Naumburg, Beschluss vom 1. März 2021, 7 Verg 1/21, juris Rn. 45; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, Verg 20/19, juris Rn. 70; Beschluss vom 26. Juli 2018, Verg 23/18, juris Rn. 71).
84
Bei der Überprüfung des Leistungsversprechens ist der öffentliche Auftraggeber in der Wahl seiner Mittel grundsätzlich frei. Er ist im Interesse einer zügigen Umsetzung der Beschaffungsabsicht und eines raschen Abschlusses des Vergabeverfahrens und aus Gründen seiner begrenzten Ressourcen und administrativen Möglichkeiten nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein. Der öffentliche Auftraggeber ist nur dann auf ein bestimmtes Mittel der Verifizierung zu verweisen, wenn dieses das einzige geeignete Mittel der Überprüfung der Bieterangaben darstellt und dem öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung steht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, Verg 20/19, juris Rn. 73 m. w. N.).
85
dd) Die von der Antragstellerin vorgebrachten grundsätzlichen Einwände in Bezug auf die Darlegungen der Beigeladenen sowie die vorgelegten Bestätigungen bzw. Bescheinigungen greifen nicht durch.
86
(1) Der Umstand, dass Bescheinigungen von Unternehmen auf Anfrage der Beigeladenen ausgestellt worden sind, macht diese weder unverwertbar noch lässt sich damit der pauschale Verdacht rechtfertigen, es handele sich um „Gefälligkeitsbestätigungen“. Es ist die Regel, dass ein Bieter im Zuge einer Aufklärung von ihm erholte Bescheinigungen Dritter vorlegt, um seine Darlegungen zu untermauern. Der Grundsatz, dass den Angaben eines Bieters nicht grundlos zu misstrauen ist, gilt in gleicher Weise für Erklärungen Dritter, auf die er sich stützt. Ebenso wenig besteht Veranlassung, in Zweifel zu ziehen, dass die I. GmbH, ein unabhängiges Prüflabor, hinreichend sachkundig ist, Bestätigungen zur Einhaltung von DIN-Normen im Bereich der Lebensmittelsicherheit und Hygiene auszustellen. Die Tatsache, dass das Institut ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Akkreditierungsurkunde vorrangig Tests im mikrobiologischen Bereich durchführt, besagt nicht, dass es nur und ausschließlich für solche Tests qualifiziert ist. Vielmehr lässt der in der Akkreditierung umschriebene Tätigkeitsbereich auf besondere Erfahrung und eine spezifische fachliche Qualifikation in Bezug auf lebensmittelrechtliche und hygienische Fragen – auch soweit es um einschlägige DINNormen geht – schließen. Den Bestätigungen der I. GmbH darf der Antragsgegner mithin erhebliches Gewicht bei der Prüfung der Frage zumessen, ob das Konzept der Beigeladenen im Einklang mit lebensmittelrechtlichen DIN-Normen steht.
87
(2) Gleiches gilt für die vorliegenden Bescheinigungen von Fachbehörden. Grundsätzlich darf sich eine Vergabestelle auf die Beurteilung von Fachbehörden verlassen, es zählt insbesondere nicht zu ihren Aufgaben, erteilte Genehmigungen rechtlich in Frage zu stellen (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 2018, Verg 2/18, juris Rn. 99 f.). Weder entwertet die Tatsache, dass eine Behörde üblicherweise Kontrollen ankündigt, deren Bestätigung, das Unternehmen halte sich an die rechtlichen Vorgaben, noch ist erforderlich, dass die Fachbehörde eine detaillierte „Checkliste“ zu ihrer Prüfung beilegt oder tagelange „Live-Tests“ vornimmt. Ebenso wenig kann der Antragstellerin darin gefolgt werden, dass die Bestätigungen nur dann aussagekräftig wären, wenn sie eine „systematische oder lückenlose Überprüfung der Einhaltung aller DIN-Normen“ belegten. Vielmehr ist festzustellen, dass die Bescheinigungen, wonach bei behördlichen Kontrollen des Betriebs und des Konzepts der Beigeladenen keine Verstöße gegen Regelungen zum Lebensmittelrecht oder zu Hygienevorschriften festgestellt worden sind, sehr wohl geeignet sind, den Vortrag der Beigeladenen objektiv zu untermauern, wonach weder in ihrem Betrieb noch beim Transport in Bezug auf Kühlung und Regenerierung von Lebensmitteln von einschlägigen Vorschriften oder DIN-Normen abgewichen wird.
88
(3) Der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht sichergestellt, dass genau das Fahrzeug oder die Gerätschaften überprüft worden seien, die beim fraglichen Auftrag zum Einsatz kommen sollen, beseitigt ebenfalls nicht die Eignung der Bescheinigungen, etwaige Zweifel am Leistungsversprechen der Beigeladenen zu zerstreuen. Es genügt, dass die Beigeladene über eine technische Ausstattung verfügt, die von den Fachbehörden geprüft und als unbedenklich beurteilt worden ist, um daraus den Schluss zu ziehen, dass auch bei der Durchführung des anstehenden Auftrags eine Leistung mit einer im Einklang mit rechtlichen Vorschriften stehenden Ausstattung erbracht werden wird.
89
(4) Schließlich vermag die Antragstellerin nicht mit ihrer Forderung durchzudringen, der Antragsgegner sei wegen der Vorgaben der Leistungsbeschreibung, insbesondere der darin enthaltenen allgemeinen Regelungen zur Einhaltung von DINNormen, Gesetzen und sonstigen Regelwerken, verpflichtet, eine „lückenlose und umfassende eigene Nachprüfung des Konzepts der Beigeladenen“ dahingehend vorzunehmen, ob sämtliche Vorschriften und Verpflichtungen bei Durchführung des Konzepts eingehalten werden. Die von der Antragstellerin geforderte Prüfungstiefe geht weit über das hinaus, was von der Vergabestelle im Zusammenhang mit der Überprüfung des Leistungsversprechens eines Bieters zu verlangen ist. Wie dargelegt, kann der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein Bieter die Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und will. Dies gilt auch für vorgelegte Bescheinigungen und Bestätigungen. Nur dann, wenn Zweifel aufgrund konkreter Anhaltspunkte gerechtfertigt sind, besteht Anlass zur weiteren Aufklärung. Zu erinnern ist weiterhin daran, dass der Auftraggeber im Falle der Aufklärung bei der Wahl seiner Mittel grundsätzlich frei ist. Er ist im Interesse einer zügigen Umsetzung der Beschaffungsabsicht und einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens und aus Gründen seiner begrenzten Ressourcen und administrativen Möglichkeiten nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein.
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Auch insoweit besteht kein Anlass, korrigierend in das Vergabeverfahren einzugreifen. Der Antragsgegner muss weder die von der Antragstellerin geforderten „Live-Tests“ durchführen noch sich sämtliche Abläufe unter Realbedingungen über mehrere Tage mit verschiedenen Speisenfolgen zeigen lassen, auch wenn das Konzept der Beigeladenen innovativ ist. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang nicht, was die Antragstellerin selbst für ausreichend oder überzeugend hält. Würde man die Anforderungen der Antragstellerin zugrunde legen, würde dies die dargelegten Grundsätze ins Gegenteil verkehren; nur der Bieter, dem der Nachweis gelänge, dass er sich unter jedem nur denkbaren Gesichtspunkt bei der Leistungserbringung vertrags- und gesetzeskonform verhalten werde, dürfte den Zuschlag erhalten.
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Auch aus dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (v. 4. Dezember 2003, Az. C-448/01), wonach der öffentliche Auftraggeber Angebote nur dann objektiv und transparent bewerten kann, wenn er in der Lage ist, anhand der von den Bietern gelieferten Angaben und Unterlagen effektiv zu überprüfen, ob ihre Angebote die Zuschlagskriterien auch erfüllen, folgt nichts anderes. Insbesondere ergibt sich aus der Entscheidung nicht, dass der Auftraggeber das Leistungsversprechen eines Bieters einer derart lückenlosen, praktisch kaum leistbaren Überprüfung unterziehen müsste, wie dies die Antragstellerin fordert.
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e) Bei der nach der Entscheidung der Vergabekammer vom Antragsgegner – gegebenenfalls – noch vorzunehmenden Prüfung des Ausschlusses der Beigeladenen wegen der nachweislichen Begehung einer schweren Verfehlung (§ 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB) ist im weiteren Verfahren Folgendes zu beachten:
aa) „Schwere Verfehlungen“ im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB sind erhebliche Rechtsverstöße, die geeignet sind, die Zuverlässigkeit eines Bewerbers grundlegend in Frage zu stellen. Sie müssen nachweislich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. November 2018, Verg 31/18, juris Rn. 80) und schuldhaft begangen worden sein und erhebliche Auswirkungen haben. Maßgeblich sind sowohl objektive Faktoren wie Anlass und Auswirkungen als auch der Verschuldensgrad (Summa in jurisPKVergaberecht, 6. Aufl. Stand: 13. Februar 2023, GWB § 124 Rn. 67), der eine gewisse Schwere erreichen muss (EuGH, Urt. v. 13. Dezember 2012, C-465/11 – Forposta, NZBau 2013, 116 Rn. 33; BayObLG, Beschluss vom 13. Juni 2022, Verg 6/22, juris Rn. 101). Daher liegt nicht in jeder nicht ordnungsgemäßen, ungenauen oder mangelhaften Erfüllung eines Vertrags eine schwere Verfehlung (J. Ley in Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 4. Aufl. 2018, GWB § 124 Rn. 66). Eine schwere Verfehlung muss bei wertender Betrachtung vom Gewicht her den zwingenden Ausschlussgründen des § 123 GWB zumindest nahekommen. Der Begriff „Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit“ umfasst jedes fehlerhafte Verhalten, das Einfluss auf die berufliche Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Unternehmens hat, und nicht nur Verstöße gegen berufsethische Regelungen im engen Sinne des Berufsstands, dem dieser Wirtschaftsteilnehmer angehört (EuGH, Urt. v. 18. Dezember 2014, C470/13 – Generali-Providencia Biztosító, NZBau 2015, 569 Rn. 35 m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 13. Juni 2022, Verg 6/22, juris Rn. 101; Beschluss vom 9. April 2021, Verg 3/21 juris Rn. 40; Stolz in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, GWB § 124 Rn. 20). Voraussetzung ist stets, dass die Verfehlung eine solche Intensität und Schwere aufweist, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf (J. Ley in Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, GWB § 124 Rn. 73). Bei der diesbezüglichen Prüfung handelt es sich um eine Bewertung mit prognostischem Charakter, bei der dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zusteht (BayObLG, Beschluss vom 13. Juni 2022, Verg 6/22, juris Rn. 101; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Mai 2018, 11 Verg 5/18, juris Rn. 58; Summa in jurisPK-VergabeR, GWB § 124 Rn. 69). Darüber hinaus kommt dem öffentlichen Auftraggeber auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen zu, das nur einer eingeschränkten Prüfung durch die Nachprüfungsinstanzen unterliegt (BayObLG, Beschluss vom 13. Juni 2022, Verg 6/22, juris Rn. 101; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Dezember 2020, 15 Verg 4/20, juris Rn. 53; OLG Celle, Beschluss vom 13. Mai 2019, 13 Verg 2/19, juris Rn. 57; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. November 2018, Verg 31/18, juris Rn. 74).
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Entgegen der Ansicht des Antragsgegners und der Beigeladenen kann auch die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen eine schwere Verfehlung darstellen, sofern diese eine solche Intensität und Schwere aufweist, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf (BayObLG, Beschluss vom 13. Juni 2022, Verg 6/22, juris Rn. 101; Friton in BeckOK Vergaberecht, 31. Ed. Stand 1. Mai 2023, § 124 Rn. 31; Hausmann/von Hoff in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 124 Rn. 38; wohl auch OLG Celle, Beschluss vom 9. Januar 2017, 13 Verg 9/16, juris Rn. 22 und Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 124 GWB Rn. 60; unklar Pauka/Krüger in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, GWB § 124, der einerseits in Rn. 22 § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB als „lex specialis“, andererseits in Rn. 23 § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB als „Auffangtatbestand“ bezeichnet). Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB. Vertragsverstöße lassen sich ohne Weiteres als „Verfehlung“ „im Rahmen der beruflichen Tätigkeit“ qualifizieren. Ferner geht die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/6281, S. 105) explizit davon aus, dass eine schwere Verfehlung auch bei der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen „z. B. auch bei der Verletzung von Ausführungsbedingungen in früheren Aufträgen“ in Betracht kommt, sofern die Verfehlung eine solche Intensität und Schwere aufweist, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf.
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Entgegen der Ansicht von Antragsgegner und Beigeladener sowie eines Teils der Literatur (Stolz in Ziekow/Völlink, § 124 GWB Rn. 19; Opitz in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB, 4. Aufl. 2022, § 124 Rn. 23; J. Ley in Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, GWB § 124 Rn. 74) ergibt sich aus der Zusammenschau mit § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nichts anderes. Schon der Systematik des Gesetzes lässt sich nicht entnehmen, dass § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gegenüber § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB die speziellere Regelung wäre. Auch führt die Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB auf vertragliche Verstöße nicht zu
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Wertungswidersprüchen. Zwar ist zutreffend, dass § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB für den Ausschluss außer der vertraglichen Verfehlung voraussetzt, dass diese zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB setzt keine derartige Folge voraus. Anstelle dessen kommt ein Ausschluss aber, anders als im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, nur in Betracht, wenn die Verfehlung von einer Intensität und Schwere ist, durch die die Integrität des Unternehmens in Frage gestellt wird. Dies zeigt, dass beide Tatbestände unterschiedliche Anwendungsvoraussetzungen und Zielrichtungen haben. Damit ist auch nicht zu befürchten, dass durch die Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB auf vertragliche Verfehlungen die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB umgangen oder ausgehöhlt würden.
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bb) Das Unternehmen muss die schwere berufliche Verfehlung „nachweislich“ begangen haben. Dabei soll es dem öffentlichen Auftraggeber überlassen bleiben festzustellen, dass ein schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten vorliegt (vgl. Erwägungsgrund 101 zur Vergaberichtlinie 2014/24/EU; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Juni 2022, Verg 36/21, juris Rn. 62). Nicht zu fordern für den Nachweis ist eine rechtskräftige Feststellung der Pflichtverletzung oder eine Verurteilung. Der Nachweis kann auch durch schriftlich fixierte Zeugenaussagen, sonstige Aufzeichnungen, Belege, Schriftstücke oder andere objektivierte Anhaltspunkte für die fraglichen Verfehlungen geführt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Juni 2022, Verg 36/21, juris Rn. 62; Beschluss vom 14. November 2018, Verg 31/18, juris Rn. 80; OLG Celle, Beschluss vom 9. Januar 2017, 13 Verg 9/16, juris Rn. 24; Friton in BeckOK Vergaberecht, GWB § 124 Rn. 39 f.; Stolz in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, GWB § 124 Rn. 23; Hausmann/von Hoff in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 124 Rn. 40 i. V. m. Rn. 16; Kaufmann in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, GWB § 124 Rn. 30). Nicht einheitlich beurteilt wird in der Literatur und Rechtsprechung, ob für den Nachweis die volle Überzeugung im Sinne persönlicher Gewissheit von einem bestimmten Sachverhalt nötig ist (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Juni 2022, Verg 36/21, juris Rn. 62 unter Verweis auf § 286 ZPO; zustimmend Summa in jurisPKVergaberecht, § 124 GWB Rn. 74.1) oder ob das Beweismaß für die Nachweislichkeit zwischen der Glaubhaftmachung/überwiegenden Wahrscheinlichkeit und dem Vollbeweis nach § 286 ZPO liegt (so OLG Celle, Beschl. 9. Januar 2017, 13 Verg 9/16, juris Rn. 24; zustimmend Opitz in Burgi/Dreher/Optiz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB, § 124 Rn. 46). Bloße Vermutungen oder Verdachtsmomente genügen jedenfalls nicht. Allein die Angabe von Zeugen, die ein unmittelbares oder mittelbares Eigeninteresse am Ausschluss eines Bieters haben, etwa weil sie oder deren Arbeitgeber mit dem Bieter in Konkurrenz stehen, sind deshalb nicht ausreichend, nötig sind vielmehr darüber hinausgehende objektive Belege (OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010, Verg 2/10, juris Rn. 166 zur Nachweislichkeit in § 7 Nr. 5 c VOL/A a. F.).
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Ob im Zeitpunkt des Ausschlusses nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB nachweislich eine schuldhaft schwere berufliche Verfehlung vorlag, betrifft die Tatbestandsebene und ist durch die Nachprüfungsinstanzen voll überprüfbar. Insoweit steht dem Auftraggeber (anders als bei der Prüfung mit prognostischem Charakter, ob die festgestellte schwere Verfehlung die Integrität in Frage stellt und eine positive Vertragserfüllung zu erwarten ist) kein Beurteilungsspielraum zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Juni 2022, Verg 36/21, juris Rn. 64; Summa, a. a. O. Rn. 66). Dies bedeutet indessen nicht, dass der Prüfungsumfang von Vergabekammer und Vergabesenat über denjenigen des Auftraggebers hinausginge. Zu überprüfen ist, ob im Rahmen der auch dem Auftraggeber zumutbaren Aufklärung unter Berücksichtigung der oben aufgeführten objektiven Anhaltspunkte wie schriftlich fixierter Zeugenaussagen, sonstiger Aufzeichnungen, Belege, Schriftstücke oder ähnlichem von einer nachweisbar schweren Verfehlung auszugehen ist. Regelmäßig sind weder der Auftraggeber noch die Nachprüfungsinstanzen verpflichtet, zur Abklärung, ob eine schwere Verfehlung nachweisbar ist, umfassende Beweisaufnahmen durch Zeugenvernehmungen oder Erholung von Sachverständigengutachten durchzuführen. Eine derartig umfangreiche und zeitaufwändige Beweisaufnahme wäre mit dem berechtigten Interesse nicht nur des Auftraggebers, sondern auch der Allgemeinheit an der beschleunigten Deckung des Beschaffungsbedarfs unvereinbar (Opitz in Burgi/Dreher/Optiz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB, § 124 Rn. 46). Sofern unter Berücksichtigung der dem Auftraggeber zumutbaren Aufklärungen Zweifel am Vorliegen einer schweren Verfehlung bleiben, kommt ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB nicht in Betracht, auch wenn die Möglichkeit besteht, dass sich die – von einem Mitbewerber behaupteten – vermeintlichen Verfehlungen durch umfangreiche Zeugenvernehmungen oder Sachverständigengutachten eventuell doch noch bestätigen könnten. In derartigen Fällen sind auch die Nachprüfungsinstanzen nicht zu derartigen Beweisaufnahmen verpflichtet. Ob und in welchem Umfang Auftraggeber und Nachprüfungsinstanzen zu (weiteren) Aufklärungen über vermeintliche Verfehlungen eines Bieters verpflichtet sind, ist letztlich im Einzelfall unter Berücksichtigung der objektiv vorliegenden Anhaltspunkte für eine Verfehlung und deren Schwere zu beurteilen (zur Zumutbarkeit als Grenze für die Aufklärungspflicht des öffentlichen Auftraggebers im Rahmen der Preisprüfung auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018, Verg 19/18, juris Rn. 48).
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cc) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antragsgegner insbesondere zu berücksichtigten, dass die Beigeladene am 25. Oktober 2023 und am 29. Oktober 2023 im Rahmen des Interimsauftrags Anker-Dependance E Bewohner zur Auftragserfüllung eingesetzt hat. Hinsichtlich weiterer nachweislicher und schuldhafter Verfehlungen der Beigeladenen wird ergänzend auf die Ausführungen in den heutigen Senatsbeschlüssen (Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e) jeweils unter II. 1. c) cc) Bezug genommen.
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Den Sachverhalt hat die Beigeladene unter Vorlage von Unterlagen dazu eingeräumt. Ausgehend hiervon geht der Antragsgegner im Vergabevermerk vom 31. Januar 2024 von folgendem Sachverhalt aus: Am 25. Oktober 2023 erkrankte ein Mitarbeiter der Beigeladenen kurzfristig. Auf Bitten von zwei Mitarbeiterinnen der Beigeladenen vor Ort halfen zwei Bewohner der Anker-Dependance für ca. eine Stunde insbesondere beim Geschirrabräumen und der Müllentsorgung. Entgelt dafür wurde ihnen weder versprochen noch bezahlt. Der Einsatz der Bewohner war mit der Geschäftsführung der Beigeladenen nicht abgesprochen. Am 29. Oktober 2023 gab es mehrere Krankheitsfälle bei der Beigeladenen. Ein Mitarbeiter der Beigeladenen vor Ort nahm sodann Kontakt mit der Mitarbeiterin der Beigeladenen auf, die den Bereitschaftsdienst für das Wochenende innehatte. Der Mitarbeiter vor Ort fragte an, ob er zwei Personen zur Aushilfe finden solle für zwei Tage gegen „etwas Geld“. Die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst stimmte dem zu. Daraufhin sprach der Mitarbeiter vor Ort zwei Bewohner der Anker-Dependance an, erklärte ihnen, die Tätigkeit sei erlaubt und versprach ihnen jeweils 50 bis 70 € pro Tag. Die angesprochenen Bewohner halfen sodann von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr bzw. von 11:30 Uhr bis 20:00 Uhr am 29. Oktober 2023 in der Kantine beim Brotverteilen, Abspülen und der Endreinigung vor Ort aus. Die versprochene Vergütung wurde ihnen allerdings nicht ausgezahlt. Die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst erklärte später, sie habe gedacht, es gehe um Bekannte des anfragenden Mitarbeiters, nicht um Bewohner der Einrichtung. Der Einsatz der Bewohner war nicht mit der Geschäftsführung der Beigeladenen abgesprochen. Diese erteilte nach Bekanntwerden der Vorfälle der Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst eine Abmahnung, kündigte den Mitarbeitern vor Ort, die die Bewohner um Mithilfe gebeten hatten, fristlos und sandte am 30. Oktober 2023 den Bezirksleiter sowie einen weiteren Mitarbeiter einer anderen Einrichtung vorübergehend in die Anker-Dependance, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Zudem wurde die Überarbeitung des internen Organisationskonzepts, die Aufstockung des abrufbaren Personals, Schulungen und Sensibilisierung des Personals sowie die Ausweitung des internen Kontrollsystems angekündigt.
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Die Antragstellerin bestreitet, dass es als Auslöser tatsächlich Krankheitsfälle gegeben habe, die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst davon ausgegangen sei, es gehe nicht um Bewohner, sondern um Bekannte des Mitarbeiters vor Ort, und dass die von der Beigeladenen angeblich getroffenen Maßnahmen nachgewiesen seien. Insoweit konnte der Antragsgegner die Ausführungen der Beigeladenen in ihrem Schreiben vom 11. Dezember 2023 samt der ausweislich des Vergabevermerks vom 31. Januar 2024 mit übersandten Anlagen heranziehen. Insbesondere hat ausweislich des Vergabevermerks die stellvertretende Verwaltungsleiterin der UnterkunftsDependance durch Gespräche mit den beiden Bewohnern bestätigt, dass sich die Vorfälle wie geschildert ereigneten. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene bezüglich des Anlasses, der Einschätzung der Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst und der tatsächlich getroffenen Maßnahmen unwahre Angaben gemacht hätte, liegen nicht vor.
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Des Weiteren erklärt die Antragstellerin, es werde bestritten, dass die Geschäftsführung von den Vorfällen keine Kenntnis gehabt und den Einsatz von Bewohnern der Anker-Einrichtung für einen Tageslohn von 50 € bis 70 € nicht toleriert habe. Auch insoweit konnte sich der Antragsgegner auf die Angaben der Beigeladenen, die Vorfälle seien der Unternehmensleitung nicht bekannt gewesen und derartige Vorfälle würden in keiner Weise toleriert, verlassen. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene hierzu unzutreffende Angaben gemacht hätte, sind nicht erkennbar. Die Ansicht der Antragstellerin, es widerspreche „jeglichen Denkgesetzen“, dass die Geschäftsführung keine Kenntnis gehabt habe, da Krankmeldungen gegenüber dem Arbeitgeber erfolgen müssten, erschließt sich nicht. Dass die Krankmeldung eines einfachen Mitarbeiters vor Ort unmittelbar und sofort an die Geschäftsleitung geleitet wird, ist keinesfalls zwingend. Ebenso wenig überzeugt der Verweis der Antragstellerin darauf, dass Personalentscheidungen nur von der Geschäftsführung getroffen werden dürften. Dies schließt in keiner Weise aus, dass bei einem kurzfristig auftretenden Personalengpass vor Ort ein Mitarbeiter der Beigeladenen eigenmächtig und unbefugt versucht, den Engpass durch Einsatz von Bewohnern zu beheben. Die Schlussfolgerung der Antragstellerin, es gebe eine generelle Freigabe der Geschäftsführung, bei Engpässen auch Bewohner heranzuziehen und gegebenenfalls dafür zu vergüten, ist mangels konkreter objektiver Anhaltspunkte dafür eine bloße Unterstellung. Insbesondere wäre bei Vorliegen einer solchen Freigabe unverständlich, weshalb der Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst eine Abmahnung ausgesprochen wurde, wenn es sich um ein von der Geschäftsführung gebilligtes Vorgehen gehandelt hätte.
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Unbehelflich ist das Bestreiten der Antragstellerin, dass es keine weiteren derartigen Vorfälle gegeben habe. Zwar verweist die Antragstellerin zutreffend darauf, dass laut Vergabevermerk vom 31. Januar 2024 die stellvertretende Verwaltungsleiterin in E angedeutet habe, sie hätte „von verschiedenen Quellen vor Ort Informationen“ erhalten, dass „seit etwa einer Woche unterschiedliche Asylbewerber in der Küche gearbeitet hätten“. Indessen ist der Antragsgegner dieser Aussage nachgegangen. Aufgrund der weiteren Überprüfungen stellte sich ausweislich des Vergabevermerks vom 31. Januar 2024 heraus, dass es über die genannten Vorfälle hinaus keine Anhaltspunkte für weitere derartige Vorfälle nicht nur in der Anker-Dependance E, sondern auch in den sonstigen, von der Beigeladenen belieferten Unterkünften gab. Dabei hat sich der Antragsgegner nicht mit Erkundigungen bei der Regierung von A begnügt, sondern umfassend auch bei anderen Regierungen als Betreiber von Unterkünften nachgefragt .
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Der Einsatz der Bewohner begründet eine Vielzahl objektiver Verstöße gegen vertragliche Verpflichtungen, wie die Antragstellerin vorträgt und wovon der Antragsgegner zutreffend ausgeht. Insbesondere wurde entgegen den Vorgaben in den Vergabeunterlagen Personal ohne Einweisung, Anmeldung, Sicherheitsüberprüfung und Hygieneschulung, ohne gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis eingesetzt und ohne vorherige Meldung beim Auftraggeber sowie ohne Vorlage der Nachweise und Unterlagen eingesetzt. Eine Zurechnung des Einsatzes der Bewohner über § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, § 123 Abs. 3 GWB an die Beigeladene erscheint hingegen kaum möglich. Weder die vor Ort handelnden Personen noch die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst sind für die Leitung des Unternehmens verantwortlich, wovon der Antragsgegner nachvollziehbar ausgeht. Insbesondere hatte auch die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst keine Befugnis, Personalentscheidungen zu treffen. Ein Organisationsverschulden der Geschäftsführung ist insoweit ebenfalls nicht nachweisbar, wie der Antragsgegner im Vergabevermerk vom 31. Januar 2024 zutreffend annimmt. Insoweit hat die Beigeladene dargelegt, welche Vorgaben der Geschäftsleitung es gab und wie bei Personalausfall die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst hätte reagieren müssen, um weiteres Personal, das einspringen könnte, zu organisieren. Diese Vorgaben umfassten jedoch nicht den Einsatz von Bewohnern der Unterkunft oder Bekannten eines Mitarbeiters vor Ort. Soweit die Antragstellerin meint, die Geschäftsführung müsse für einen „ausreichenden Pool an Einsatzkräften“ sorgen, ist dies unbehelflich. Selbst wenn ein solcher zur Verfügung stand, änderte dies nichts an der eigenmächtigen Vorgehensweise der Mitarbeiter vor Ort bzw. der Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst. Unproblematisch ist die Zurechnung dieser Verstöße an die Beigeladene nur bei entsprechender Anwendung des § 278 BGB. Die Verfehlungen erfolgten durch ein fahrlässiges Verhalten von Mitarbeitern der Beigeladenen im Rahmen und zur Erfüllung von deren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem
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Antragsgegner. Allerdings ist fraglich, ob im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB für Vertragsverstöße § 278 BGB oder § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GWB Anwendung findet. Zum Teil wird in der Literatur vertreten, § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, § 123 Abs. 3 GWB finde keine Anwendung, soweit es sich um vertragliche Pflichtverletzungen handele, diese seien über § 278 BGB dem Unternehmen zuzurechnen (so Opitz in Burg/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB § 124 Rn. 41; für die Anwendung von § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GWB wohl Friton in BeckOK Vergaberecht, GWB § 124 Rn. 88 und Paula/Krüger, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, GWB § 124 Rn. 25). Hierfür spricht, dass zivilrechtlich ein Unternehmen als Vertragspartner für Pflichtverletzungen seiner Mitarbeiter in Ausführung des Auftrags gemäß § 278 BGB in jedem Fall haftet, unabhängig davon, ob die fraglichen Mitarbeiter sich in leitender Funktion befinden. Auch im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, in dem es gerade um die mangelhafte Erfüllung vertraglicher Pflichten geht, findet § 123 Abs. 3 GWB keine Anwendung. Allerdings differenziert § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GWB nicht danach, ob eine vertragliche Pflichtverletzung oder eine sonstige Verfehlung vorliegt. Der Wortlaut der Norm könnte mithin dafür sprechen, dass auch vertragliche Pflichtverletzungen nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, § 123 Abs. 3 GWB einen Ausschluss zu rechtfertigen vermögen. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob eine Zurechnung zumindest über § 278 BGB erfolgen kann. Selbst unter dieser Annahme bedarf es keines korrigierenden Eingreifens durch den Senat (siehe unten ee]).
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Soweit die Antragstellerin meint, die Beigeladene habe auch gegen eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften verstoßen, insbesondere gegen Normen des Schwarzarbeitergesetzes, des Mindestlohngesetzes, des Arbeitszeitgesetzes, des Nachweisgesetzes sowie §§ 263, 266a StGB, ist der Antragsgegner dem zutreffend nicht gefolgt. Die Antragstellerin stützt ihre diesbezüglichen Ausführungen auf die Annahme, die Geschäftsführung der Beigeladenen habe vom Einsatz der Bewohner entweder im konkreten Fall Kenntnis gehabt und ihn gebilligt, oder jedenfalls eine generelle Freigabe zum Einsatz von Bewohnern erteilt. Dabei handelt es sich, wie oben ausgeführt, um eine Unterstellung, für die es an objektiven Anhaltspunkten fehlt. Dass das Verhalten der Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst – selbst wenn diese gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen hätte – jedenfalls der Beigeladenen nicht über § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, § 123 Abs. 3 GWB zuzurechnen wäre, wurde bereits ausgeführt.
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Soweit die Antragstellerin im Schriftsatz vom 5. April 2024 behauptet, die Vorfälle am 25. und 29. Oktober 2023 belegten, dass es bei der Beigeladenen kein Personaleinsatzkonzept oder eine klare Delegation an die Mitarbeiter gegeben habe, handelt es sich um eine bloße Unterstellung, für die sich keine objektiven Anhaltspunkte finden. Nicht zuletzt wurde der Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst aufgrund des Vorfalls am 29. Oktober 2023 eine Abmahnung ausgesprochen. Dies ist jedenfalls ein erhebliches Indiz dafür, dass es gerade Vorgaben zu den einzuhaltenden Abläufen gegeben und die Mitarbeiterin dagegen eigenmächtig verstoßen hatte.
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dd) Aus dem Vortrag der Antragstellerin bezüglich der Befragung des A. lässt sich dagegen keine nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB zu berücksichtigende Verfehlung ableiten. Hinsichtlich weiterer Vorwürfe, die entweder nicht nachweisbar oder nach § 126 GWB nicht mehr zu berücksichtigen sind, wird ergänzend auf die Ausführungen in den heutigen Senatsbeschlüssen (Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e) jeweils unter II. 1. c) dd) Bezug genommen.
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Die Antragstellerin behauptet, ein von der Beigeladenen beauftragter Detektiv habe ihrem ehemaligen Mitarbeiter A. 2.000 € angeboten, wenn er Fragen zum Betrieb der Antragstellerin beantworte. Dabei habe es sich um Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin gehandelt. Die Beigeladene hat zwar nicht die Befragung durch den Detektiv in Abrede gestellt. Sie hat aber bestritten, dass sie den Detektiv beauftragt habe, unter Missachtung von Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin Informationen zu erlangen. Ferner habe der Detektiv eigenmächtig eine Vergütung für die Beantwortung der Fragen angeboten. Die Einschätzung des Antragsgegners im Vergabevermerk vom 16. Februar 2024, eine nachweislich schwere Verfehlung scheide aus, unter anderem sei schon die Zurechnung des Verhaltens an die Beigeladene nicht nachgewiesen, ist nicht zu beanstanden. Eine Zurechnung des Verhaltens des Detektivs an die Beigeladene nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, § 123 Abs. 3 GWB käme nur in Betracht, wenn eine für die Leitung der Beigeladenen verantwortliche Person den Detektiv beauftragt oder ihm zumindest gestattet hätte, eine Bezahlung für die Beantwortung der Fragen anzubieten. Dies hat die Beigeladene bestritten. Ein Nachweis hierfür lässt sich, wovon der Antragsgegner zutreffend ausgeht, nicht führen. Selbst wenn der Detektiv Fragen genau zu den Punkten stellte, die der Beigeladenen im Rahmen einer Akteneinsicht nicht zugänglich gemacht wurden, rechtfertigt dies nicht zwingend den Schluss, die Beigeladene habe den Detektiv beauftragt oder ihm gestattet, einem ehemaligen Mitarbeiter Geld für die Beantwortung der Fragen anzubieten.
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Die bloße Befragung des Herrn A. durch den Detektiv kann angesichts der Gesamtumstände aber nicht als Verfehlung nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB genügen, auch wenn es sich um Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin handelte. Die Antragstellerin und die Beigeladene sind erbitterte Konkurrentinnen am Markt, die in einer Vielzahl von Nachprüfungsverfahren um die Erteilung öffentlicher Aufträge streiten. Dabei versucht auch die Antragstellerin, möglichst viel über die Methoden und Abläufe der Beigeladenen zu erfahren. Auch die Antragstellerin hat Detektive beauftragt. Diese haben heimlich Fotos von den Lastwagen der Beigeladenen samt den auf der Ladefläche befindlichen Geräten gefertigt. Diese Fotos hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren als Beweise vorgelegt. Zudem hat die Antragstellerin Aussagen ehemaliger Mitarbeiter der Beigeladenen zitiert und als Anlagen beigefügt. Auf welche Weise sie an diese schriftlichen Erklärungen gekommen ist, legt sie nicht offen. Schließlich rief ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihres ehemaligen Mitarbeiters A. dieser, nachdem er von dem Detektiv angesprochen worden war, bei der Antragstellerin an und hielt Rücksprache mit Herrn L. Anschließend sei Herr A. zu dem Parkplatz des Krankenhauses gefahren, habe sich zunächst die Fragen angehört und dann auch versucht, auf diese zu antworten. Völlig unklar bleibt indessen, weshalb Herr A. einerseits mit der Antragstellerin Rücksprache hielt, im Anschluss dann aber die Fragen des Detektivs beantwortete. Dass zum Zeitpunkt des Telefonats die konkreten Fragen des Detektivs noch unklar waren, ist irrelevant. Aufgrund der Gesamtumstände war auch aus Sicht von Herrn L. äußerst naheliegend, dass ein von der Beigeladenen beauftragter Detektiv dem ehemaligen Mitarbeiter der Antragstellerin nicht 2.000 € für eine Auskunft über allgemein bekannte und zugängliche Tatsachen anbieten würde. Dennoch tragen weder die Antragstellerin noch der ehemalige Mitarbeiter A. in seiner eidesstattlichen Erklärung vor, was Herr L. dem ehemaligen Mitarbeiter A. am Telefonat mitteilte. Insbesondere behauptet die Antragstellerin selbst nicht, Herr L. habe versucht, das Gespräch zwischen Herrn A. und dem Detektiv zu verhindern, oder habe Herrn A. auch nur gebeten, die Fragen nicht zu beantworten oder zuerst noch eine Rücksprache mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin zu halten. Mithin erscheint naheliegend, dass Herr A. das Gespräch mit dem Detektiv nicht gegen den Willen der Antragstellerin führte. Ob es sich um eine „Gestattung“ nach § 3 Abs. 2 GeschGehG handelte (was die Antragstellerin im Schriftsatz vom 5. April 2024 in Abrede stellt), ist für die Bewertung im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB nicht ausschlaggebend.
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Letztlich vermag der Senat ebenso wie der Antragsgegner daher eine nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB zu berücksichtigende Verfehlung nicht zu erkennen, zumal unstreitig sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene sich danach im Verfahren vor dem Landgericht Ellwangen geeinigt haben, von einer Befragung aktueller oder ehemaliger Mitarbeiter künftig abzusehen. Ob die Beigeladene die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG erfüllt hat, kann dahingestellt bleiben.
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ee) Hinsichtlich der vom Antragsgegner in diesem Vergabeverfahren gegebenenfalls noch vorzunehmenden Beurteilung, ob die nachweislichen Verfehlungen der Beigeladenen allein oder in der Summe eine Intensität und Schwere erreichen, die die Integrität der Beigeladenen in Frage stellen, wird auf die Ausführungen in den heutigen Senatsbeschlüssen (Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e) jeweils unter II. 1. c) ee) Bezug genommen.
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Insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von Bewohnern der Anker-Dependance E an zwei Tagen (s. o. unter cc]), bedarf es keines korrigierenden Eingreifens des Senats in das Vergabeverfahren. Die Einschätzung des Antragsgegners im Vergabevermerk vom 31. Januar 2024, der Verstoß genüge nach Schwere und Intensität nicht, die Integrität des Unternehmens in Frage zu stellen und stehe auch einer positiven Prognose nicht entgegen, ist nicht zu beanstanden. Zwar stellt der Einsatz der Bewohner – bei Zurechnung an die Beigeladene entsprechend § 278 BGB – eine vertragliche Verfehlung von erheblichem Gewicht dar. Dies zeigt nicht zuletzt die Vielzahl von vertraglichen Pflichten, gegen die verstoßen wurde. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Anlass hierfür der Versuch war, kurzfristig auftretende Personalengpässe vor Ort zu überbrücken, um die Versorgung der Bewohner der Unterkunft sicherzustellen. Vergleichbare weitere Vorfälle nicht nur in E, sondern auch in anderen von der Beigeladenen belieferten Unterkünften waren für den Antragsgegner nicht feststellbar. Zudem handelten die Mitarbeiter vor Ort und auch die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst eigenmächtig und entgegen den Vorgaben der Geschäftsleitung. Ferner reagierte die Beigeladene umgehend, indem sie den Mitarbeitern vor Ort kündigte und die Mitarbeiterin im Bereitschaftsdienst abmahnte. Auch entsandte die Beigeladene bereits am nächsten Tag den Bezirksleiter sowie einen weiteren Mitarbeiter vorübergehend und kündigte eine Personalaufstockung sowie organisatorische Maßnahmen, Schulungen und eine Sensibilisierung des Personals an. Soweit die Antragstellerin meint, der Einsatz von Bewohnern der Unterkunft habe zu erheblichen Risiken für die Gesundheit der Bewohner geführt, die zudem in einem Abhängigkeitsverhältnis stünden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Am 25. Oktober 2023 wurden die Bewohner ohnehin nur für das Abräumen von Geschirr eingesetzt. Dass es allein infolge des Einsatzes von zwei Bewohnern am 29. Oktober 2023 in der Kantine (beim Brotverteilen, Spülen und der Endreinigung) zu einer Gesundheitsgefährdung für die restlichen Bewohner gekommen wäre, erscheint fernliegend. Konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bewohner sind nach den Feststellungen des Antragsgegners ohnehin in keinem der von der Beigeladenen erfüllten Catering-Aufträgen aufgetreten. Ob tatsächlich eine ausreichende Selbstreinigung der Beigeladenen nach § 125 GWB vorlag, bedarf daher keiner Entscheidung.
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Hinsichtlich der – nicht zu beanstandenden – Einschätzung des Antragsgegners, diese Verfehlung genüge auch in der Zusammenschau mit den weiteren nachweislichen Verfehlungen nach Art und Schwere nicht, die Integrität der Beigeladenen in Frage zu stellen, und stünden einer positiven Prognose nicht entgegen, wird auf die Ausführungen in den heutigen Senatsbeschlüssen (Verg 15/23 e, Verg 16/23 e und Verg 17/23 e) jeweils unter II. 1. c) ee) (2) und (3) Bezug genommen.
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f) Der Einsatz von Bewohnern in der Anker-Dependance E an zwei Tagen (siehe oben e] cc]) gebietet es auch nicht im Hinblick auf § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB, § 42 Abs. 1 VgV, korrigierend in das Vergabeverfahren einzugreifen.
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Der Ansicht der Antragstellerin, die Beigeladene sei auszuschließen, weil sie gegen sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen habe, folgt der Senat nicht. Ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB setzt einen Verstoß des Bieterunternehmens selbst voraus, das im Rahmen eines öffentlichen Auftrags durch seine Organe handelte (OLG Celle, Beschluss vom 13. Mai 2019, 13 Verg 2/19, NVwZ 2019, 1460, [juris Rn. 41]; Pauka/Krüger in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, GWB § 124 Rn. 13; Stolz in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, GWB § 124 Rn. 6). Bisweilen wird außerdem gefordert, dass damit die Integrität des Unternehmens in Frage gestellt wurde (so Pauka/Krüger a. a. O. Rn. 12; Stolz a. a. O. Rn. 10). Ob darüber hinaus ein Ausschluss entsprechend § 123 Abs. 3 GWB auch dann in Betracht kommt, wenn eine für die Leitung des Unternehmens verantwortliche Person selbst wegen entsprechender Verstöße verurteilt wurde (offengelassen von OLG Celle, a. a. O.; für die Anwendung Friton in BeckOK Vergaberecht, GWB § 124 Rn. 90; dagegen Summa in jurisPK-Vergaberecht, GWB § 124 Rn. 13; Opitz in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB § 124 Rn. 24) kann vorliegend dahingestellt bleiben. Jedenfalls vereinzelte Verstöße von Mitarbeitern, die weder Organstellung haben noch sonst die Voraussetzungen des § 123 Abs. 3 GWB erfüllen, vermögen einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht zu rechtfertigen (wohl herrschende Ansicht, vgl. Opitz a. a. O. Rn. 24; Pauka/Krüger a. a. O. Rn. 12; Stolz a. a. O. Rn. 10; Summa a. a. O. Rn. 13). Ein solcher Fall liegt hier aber vor. Wie bereits ausgeführt, erfolgte der Einsatz der Bewohner der Anker-Dependance eigenmächtig durch Mitarbeiter der Beigeladenen. Für die Behauptung der Antragstellerin, die Geschäftsführung der Beigeladenen habe die Beschäftigung der Bewohner gebilligt oder im Vorfeld ein generelles Einverständnis dazu erteilt, fehlen jegliche Anhaltspunkte.
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g) Die Befragung des ehemaligen Mitarbeiters der Antragstellerin durch einen Detektiv (siehe oben e] dd]) gebietet es auch nicht im Hinblick auf § 124 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. b) GWB korrigierend in das Vergabeverfahren einzugreifen.
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Insoweit meint die Antragstellerin, die Beigeladene habe durch die Befragung ihres ehemaligen Mitarbeiters A. jedenfalls versucht, von diesem gegen Bezahlung Geschäftsgeheimnisse zu erlangen, die sie im vorliegenden und künftigen Vergabeverfahren zu ihrem Vorteil nutzen könne. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin fehlt es bereits am Nachweis, dass die Beigeladene den Detektiv beauftragt hätte, Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin gegen Bezahlung zu erfragen. Ein auf die bloße Befragung des ehemaligen Mitarbeiters A. gestützter Ausschluss der Beigeladenen wäre unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zumindest unverhältnismäßig. Die Antragstellerin und die Beigeladene sind erbitterte Konkurrentinnen, die in einer Vielzahl von Nachprüfungsverfahren um die Erteilung öffentlicher Aufträge streiten. Beide versuchen, sich durch Einsatz von Detektiven Kenntnisse über die Durchführung der Aufträge durch die Konkurrentin zu verschaffen. Zudem hielt der ehemalige Mitarbeiter der Beigeladenen A. sogar Rücksprache mit der Antragstellerin, bevor er weiter mit dem Detektiv sprach und letztlich dessen Fragen beantwortete. Dass die Antragstellerin versucht hätte, das Gespräch zu verhindern oder ihren ehemaligen Mitarbeiter zumindest gebeten hätte, keine Auskünfte zu erteilen, trägt sie selbst nicht vor. Schließlich hat die Antragstellerin ebenfalls Detektive beauftragt, die heimlich Fotos unter anderem von den auf dem Lastwagen der Antragstellerin befindlichen Geräten und den Verrichtungen des Fahrers auf der Ladefläche fertigten. Auf diese Erkenntnisse stützt sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren. Auch hat die Antragstellerin sich – auf welche Weise auch immer – selbst Erklärungen ehemaliger Mitarbeiter der Beigeladenen verschafft, die sie zum Beweis vermeintlicher Vertragsverletzungen vorlegt.
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3. Die Gewährung einer weitergehenden Akteneinsicht an die Antragstellerin nach § 175 Abs. 2, § 165 Abs. 1 GWB war nicht veranlasst. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20. Februar 2024 Akteneinsicht beantragt in die Bestätigung der I. GmbH vom 27. Januar 2024, das Schreiben der Firma R. KG vom 12. Dezember (2023), die Bestätigung des Landratsamts Y vom 29. Januar 2024 sowie den ergänzenden Vergabevermerk vom 16. Februar 2024. Diese Unterlagen hat die Antragstellerin zwischenzeitlich in teilgeschwärzter Form erhalten. Soweit die Antragstellerin im Schriftsatz vom 8. März 2024 noch weitergehende Akteneinsicht auch in die geschwärzten Passagen begehrt, war diesem Antrag nicht stattzugeben. Der Senat hat seine Entscheidung maßgeblich nur auf die Teile der genannten Unterlagen gestützt, die auch gegenüber der Antragstellerin offengelegt wurden. Ein Akteneinsichtsrecht besteht aber von vornherein nur bezüglich der entscheidungserheblichen Aktenbestandteile (ausführlich Kus in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 165 Rn. 29 ff.). Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob die Schwärzungen von Antragsgegner und Beigeladener zurecht in dem fraglichen Umfang vorgenommen wurden. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass insbesondere der ergänzende Vergabevermerk vom 16. Februar 2024 ohnehin nur in sehr geringem Umfang Schwärzungen enthält. Unverständlich ist im Übrigen der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht akzeptabel, wenn Informationen geschwärzt würden, die ihr bereits bekannt seien. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Akteneinsicht in Passagen, die der Antragstellerin bereits bekannt sind, besteht nicht.
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4. Die mündliche Verhandlung ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin im Schriftsatz vom 5. April 2024 nicht entsprechend § 156 ZPO wiederzueröffnen. Weder liegt ein zwingender Wiedereröffnungsgrund nach § 156 Abs. 2 ZPO vor, noch erscheint aus sonstigen Gründen eine Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 1 ZPO angezeigt. Soweit die Antragstellerin – wie in den Parallelverfahren auch in diesem Verfahren – meint, die Beigeladene habe sich nicht zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen erklärt, insbesondere nicht zur Kühlung des Laderaums über den Deckenluftleitkanal, die Zulassungen und Prüfungen bezüglich der „Tower“, zur Einhaltung von § 22 StVZO zu Ladungssicherung und zur Gefahrguttransportgenehmigung, verkennt sie den Prüfungsmaßstab für die Vergabestelle und den Senat. Soweit nach Ansicht des Senats Stellungnahmen und Prüfungen der Beigeladenen bzw. des Antragsgegners tatsächlich erforderlich sind, liegen diese vor. Im Übrigen ist es gerade nicht Aufgabe des Nachprüfungsverfahrens, der Antragstellerin bis ins letzte Detail Kenntnis vom Konzept der Beigeladenen und dessen Durchführung zu verschaffen.
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Der Senat folgt auch nicht der Ansicht der Antragstellerin, die mündliche Verhandlung sei wiederzueröffnen, da die Entscheidung des Senats „immense Bedeutung für die gesamte Branche der Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime und sonstigen Einrichtungen in Deutschland und dem jeweiligen Arbeitsmarkt“ habe. Zum einen handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Der Senat befindet nicht über die generelle Zulässigkeit von Catering-Konzepten für die Verpflegung in Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Seniorenheimen oder sonstigen Einrichtungen. Zum anderen setzt die Antragstellerin mit ihrer Anschuldigung, das Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ entspreche weder den einschlägigen DIN-Normen noch den lebensmittelhygienerechtlichen Anforderungen, ihre Einschätzung an die Stelle der Bewertung durch die Vergabestelle.
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5. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der notwendigen Auslagen der Beteiligten beruht auf § 175 Abs. 2 i. V. m. § 71 GWB. Die Antragstellerin hat die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu tragen. Die Beigeladene hat sich am Beschwerdeverfahren schriftsätzlich und durch Antragstellung beteiligt.
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Die Kostenentscheidung der Vergabekammer lässt (Ermessens-) Fehler nicht erkennen, § 182 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 GWB.
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Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt gemäß § 50 Abs. 2 GKG (5% des Bruttoauftragswerts). Basis der Berechnung ist die Bruttoangebotssumme der Antragstellerin. Dass sich der Vertrag nach Ziffer II.2.7) der Bekanntmachung nach Ablauf der festen Grundlaufzeit vom 1. April 2024 bis zum 30. April 2027 verlängern kann, hat der Senat durch einen Abschlag in Höhe von 50% berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2014, X ZB 12/13, juris Rn. 7 und 13; BayObLG, Beschluss vom 5. August 2022, Verg 7/22, juris Rn. 11; Beschluss vom 25. Juli 2022, Verg 6/22, juris Rn. 7).