Titel:
Präklusion, Klagebegründungsfrist, Anwendung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes auf Individualklagen, Planänderungsbeschluss, Auffangvorschrift, Relevanz der UVP-Pflichtigkeit bei Individualklagen
Normenketten:
VwGO § 101 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 2
UmwRG § 1
UmwRG § 6
Schlagworte:
Präklusion, Klagebegründungsfrist, Anwendung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes auf Individualklagen, Planänderungsbeschluss, Auffangvorschrift, Relevanz der UVP-Pflichtigkeit bei Individualklagen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 11843
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke mit den FlNrn. … und …/1 Gmkg. … und wendet sich gegen die Änderung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses. Der streitgegenständliche Planfeststellungsänderungsbeschluss hat den Neubau eines Kreisverkehrs zum Gegenstand, der ca. 1,2 km entfernt von den klägerischen Grundstücken entstehen soll.
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Mit Planfeststellungsbeschluss vom 22. September 2011 stellte die Regierung von Oberbayern den Plan für die St …, Umfahrung westlich O. … mit zahlreichen Nebenbestimmungen fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Sachverhalt des Urteils des VG München vom 10. Juli 2012 (Az.: M 2 K 11.5776) verwiesen. Dieser Planfeststellungsbeschluss ist bestandskräftig. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das aufhebende Urteil des VG München geändert und die Klage abgewiesen (U.v. 30.9.2014 – 8 B 13.72 – juris); die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, geführt vom Vater der Klägerin, hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen (BVerwG, B.v. 25.6.2015 – 9 B 12/15 – juris; siehe auch BayVerfGH, E.v. 16.1.2018 – Vf. 52-VI-15 – juris).
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Das staatliche Bauamt Freising beantragte am 8. Februar 2020 die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vom 22. September 2011. Gegenstand des Änderungsverfahrens ist der (vorzeitige) Neubau einer im Gesamtvorhaben vorgesehenen Kreisverkehrsanlage durch Umgestaltung der vorhandenen Einmündung. Zu dem Antrag hatte sich das Bauamt veranlasst gesehen, weil der Planfeststellungsbeschluss aus 2011 in seiner Gesamtheit bisher noch nicht vollzogen habe werden können, da das durch die Planung betroffene Überschwemmungsgebiet des S.-bachs neu ermittelt und zuletzt im Juli 2019 vorläufig gesichert worden sei. Durch diese veränderten wasserwirtschaftlichen und wasserrechtlichen Gegebenheiten hätten sich diverse Planänderungen ergeben, die noch in einem gesonderten Änderungsverfahren behandelt werden müssten. Davon unabhängig sei es schon jetzt erforderlich, die im Gesamtverfahren enthaltene Kreisverkehrsanlage zur Verknüpfung der St … mit dem nördlichen Beginn des Neubaus der St … und der bestehenden Gemeindeverbindungsstraße R.-straße aus Richtung E. vorgezogen herzustellen.
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Mit Planfeststellungsbeschluss vom 4. Juni 2020 wurde der Planfeststellungsbeschluss vom 22. September 2011 geändert.
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Am … Juni 2020 ließ die Klägerin durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt Klage dagegen erheben (M 2 K 20.2812). Dabei blieben die Antragstellung und die Klagebegründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Der Eingang der Klage wurde der Klagepartei am 30. Juni 2020 mitgeteilt und diese aufgefordert, die Klage binnen vier Wochen zu begründen. Am 5. August 2020 beantragte die Klagepartei bei Gericht Akteneinsicht, um die Klage begründen zu können. Die Klagepartei erhielt am 10. August 2020 Einsicht in die der Prozessvertretung des Beklagten am 29. Juli 2020 und durch diese an das Gericht übermittelte Behördenakte durch Übersendung einer CD. Mit Schreiben vom 2. November 2020 forderte das Gericht die Klagepartei zur Begründung der Klage bis zum 22. November 2020 auf. Am 23. November 2020 (Eingang bei Gericht) wurde die Klage schriftsätzlich begründet.
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Es wurde vorgetragen, wegen der neuen wasserrechtlichen und wasserwirtschaftlichen Situation könne der Planfeststellungsbeschluss von 2011 insgesamt keinen Bestand haben und deswegen auch nicht geändert werden. Es hätte ein neues Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müssen. Außerdem sei der Baubeginn nicht rechtzeitig erfolgt, sodass der Planfeststellungsbeschluss auch aus diesem Grund nicht mehr in Kraft sei. Die Realisierung des Kreisverkehrs mache alleine keinen Sinn und dürfe nicht umgesetzt werden, ehe nicht die Realisierbarkeit des Gesamtvorhabens feststeht. Beantragt wurde,
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den Planfeststellungsbeschluss vom 4. Juni 2020 aufzuheben oder hilfsweise festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss außer Kraft ist.
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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. März 2021
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beantragt und mit Schriftsatz der Regierung von Oberbayern vom 2. Februar 2021 zur näheren Begründung ausgeführt. Die Klage sei insbesondere unzulässig, da die Klägerin durch den Planänderungsbeschluss nicht in ihren Rechten verletzt sei. Ihre Grundstücke würden durch die Planänderung nicht in Anspruch genommen. Eine Lärmbetroffenheit scheide wegen der Entfernung von etwa einem Kilometer zur geplanten Kreisverkehrsanlage aus. Eine Betroffenheit wegen Hochwassergefahr scheitere daran, dass der klägerische Grundbesitz ca. 6 m höher als die geplante Kreisverkehrsanlage liege.
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Mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 gab das Gericht den Beteiligten Gelegenheit, zur Anwendbarkeit und den Auswirkungen der Anwendung des § 6 UmwRG auf das vorliegende Verfahren Stellung zu nehmen. Der Beklagte äußerte sich daraufhin mit Schreiben vom 9. November 2021 und vertrat die Ansicht, das planfestgestellte Verfahren unterfalle dem Umweltrechtsbehelfsgesetz. Die Klage genüge nicht den Anforderungen des § 6 UmwRG und sei deshalb unbegründet. Der Klägerbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom *. Dezember 2021 aus, dass § 6 UmwRG auf den hiesigen Streitfall nicht anwendbar sei. Dies sei nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c UmwRG nur bei Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen anzuwenden, bei denen nach landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Eine solche Verpflichtung gäbe es hier wegen Art. 37 Nr. 3 BayStrWG nicht. Mit Schriftsatz vom *. Mai 2022 wurde weiter vorgetragen, maßgeblich für die Prüfung eines Planfeststellungsbeschlusses sei der Zeitpunkt seines Erlasses, soweit nicht spätere Änderungen den vormaligen Rechtsverstoß entfallen ließen. Im Jahr 2011 seien das UVPG und das Umweltrechtsbehelfsgesetz noch nicht in Kraft gewesen. Ungeachtet dessen falle der Kreisverkehrsplatz als eigenständiges Vorhaben betrachtet nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG, denn diese sei keine Auffangvorschrift für andere als in den vorstehenden Nummern genannte Vorhaben. Der Kreisverkehr sei kein derartiges anderes Vorhaben sondern Teil des Gesamtprojekts. Er könne nicht willkürlich als Einzelteil herausgegriffen und der Nummer 5 unterstellt werden. Darüber hinaus wäre ohnehin nur Vortrag zur Sache präkludiert. Die Klage sei ausreichend begründet, da sich aufgrund der Einwendungen im Rahmen der Anhörung keine wesentlichen Änderungen im Plan ergeben hätten; es wäre daher eine reine Wiederholung von bereits vorgebrachten Argumenten gewesen.
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Auf Bitte des Gerichts verzichtete der Beklagte mit Schreiben vom 28. März 2022 und die Klagepartei mit Schriftsatz vom … März 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Zum 1. August 2022 wurde die 28. Kammer für das Verfahren zuständig (M 28 K 20.2812).
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Mit Schriftsatz vom … Februar 2024, in dem der Klägerbevollmächtigte sich nach entsprechender gerichtlicher Aufforderung u.a. zur Einschlägigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG äußerte, erklärte er für die Klägerin, diese stimme einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht zu.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Inhalts der Schriftsätze wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte über die Klage ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO damit einverstanden erklärt haben. Der einmal erklärte Verzicht ist nicht anfechtbar und grundsätzlich unwiderruflich (BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 57/13 – NVwZ-RR 2014, 657/659f.). Es steht im Ermessen des Gerichts, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet (BVerwG, B.v. 1.3.2006 – 7 B 90.05 – juris Rn. 14). Die Kammer ist der Auffassung, dass im Interesse der Verfahrensbeschleunigung, welche das schriftliche Verfahren bezweckt, bei Wahrung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör eine Entscheidung ohne mündliche Anhörung ergehen konnte. Die Klagepartei hat nicht dargetan, weshalb sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht länger einverstanden ist. Sie machte weder eine wesentliche Änderung der Prozesslage noch die Notwendigkeit der mündlichen Erörterung des Prozessstoffs geltend und konnte sich zu den hauptsächlich entscheidungserheblichen Rechtsfragen mehrfach schriftsätzlich äußern.
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Die Klage ist bereits unzulässig, da die Klägerin nicht klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist. Sie kann sich nicht auf eigene Rechte berufen, deren Verletzung zumindest möglich erscheint.
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Der Planfeststellungsbeschluss vom 22. September 2011, der den Zugriff auf das Grundeigentum der Klägerin eröffnet, ist bestandskräftig. Die Klägerin kann daher Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung, auch wenn sie mit dem ursprünglichen
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Planfeststellungsbeschluss zu einem einzigen Plan verschmelzen, grundsätzlich nur in dem Umfang angreifen, in dem die Änderungen eine eigene Regelung enthalten und sie hierdurch erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird. Das ist bei Planänderungen nach Art. 76 Abs. 2 VwVfG nur dann der Fall, wenn sie geltend machen könnte, dass gerade durch die Änderungen ihre Belange berührt werden (BVerwG, U.v. 28.9.2021 – 9 A 12/20 – NVwZ 2022, 722 m.w.N.). Während das klägerische Grundstück mit der FlNr. 794 von der geplanten Trasse durchschnitten wird, ist eine Betroffenheit durch den Kreisverkehr, welcher mehr als einen Kilometer entfernt errichtet werden soll, nicht erkennbar. Aufgrund fachkundiger Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 22. April 2020 (Bl. 213 der Behördenakte) steht fest, dass aufgrund der topgraphischen Gegebenheiten eine hochwasserbedingte Beeinflussung der höher liegenden Grundstücke der Klägerin durch das geänderte Bauvorhaben sicher ausgeschlossen werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt den fachlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts als der nach Art. 63 Abs. 3 BayWG zuständigen Fachbehörde eine besondere Bedeutung zu, die durch Einschätzungen, welche – wie hier – nicht durch hydrologische Sachverständigenäußerungen untermauert sind, nicht mit Erfolg infrage gestellt werden können (vgl. BayVGH, U.v. 30.9.2014 – 8 B 13.72 – juris Rn. 76 m.w.N.).
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Die Klage wäre wegen Präklusion des klägerischen Vorbringens gemäß § 6 UmwRG darüber hinaus als unbegründet abzuweisen (BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 20; OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 137).
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1. § 6 UmwRG findet in der gegebenen prozessualen Situation und auf das streitgegenständliche Vorhaben Anwendung.
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a. Dass die Vorschriften des UVPG und des UmwRG auf den Planfeststellungsbeschluss von 2011 mangels Geltung noch keine Anwendung finden konnten, hat keine Auswirkungen. § 6 UmwRG ist eine verwaltungsprozessuale Vorschrift, die auf die 2020 erhobene Klage nach der Übergangsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG anzuwenden ist. Da es sich um ein eigenständiges Klageverfahren handelt, ist unerheblich, welche Rechtslage in Bezug auf den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss gegolten hat.
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b. § 6 UmwRG findet seinem ausdrücklichen Wortlaut nach auch auf Rechtsbehelfe von Individualklägern Anwendung (Kritik bei Marquard NVwZ 2019, 1162 und Franzius in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG, UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 6 UmwRG Rn. 3).
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c. Die planfestgestellte Maßnahme wird von der Präklusionsvorschrift erfasst. Sie fällt, wenn auch nicht von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG erfasst, unter die überwiegend so verstandene Auffangvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG, da bzw. auch wenn im behördlichen Verfahren – unstreitig – keine Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung der UVP-Pflicht nach §§ 4 ff. UVPG erfolgt ist und auch nicht durchzuführen gewesen wäre.
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Selbst dort, wo in der Literatur von einem strikten Alternativverhältnis zwischen den Nrn. 1 und 5 des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ausgegangen wird, wird § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 im Bereich des Planfeststellungsrechts regelmäßig für anwendbar gehalten für den Bau und die Änderung bestimmter Straßen nach den Landesstraßengesetzen, die im Einzelfall keiner UVP-Pflicht unterliegen (Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmwR, Stand September 2023, § 1 UmwRG Rn. 114 f.). Dass eine UVP-Pflicht, dahingehend der klägerische Einwand, nicht im Einzelfall, sondern infolge des Art. 37 Nr. 3 BayStrWG wegen der Länge der planfestgestellten Straße von weniger als 10 km von vornherein ausgeschlossen war, verwehrt nicht den Rückgriff auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Klagen gegen Vorhaben, die nicht einmal vorprüfungspflichtig sind, sollen stets nach Nr. 5 zulässig sein, wohingegen das Subsidiaritätsverhältnis – im Übrigen bei Verbandsklagen mit Blick auf § 2 Abs. 4 UmwRG – nur dort einschränkend zur Geltung kommen soll, wo eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung fälschlich nicht oder mit unzutreffendem Ergebnis durchgeführt wurde (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 1 UmwRG Rn. 5). Auch das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Umweltrechtsbehelfsgesetz nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG bereits als anwendbar bei Kleinvorhaben, bei denen aufgrund geringer Größe oder geringer Leistung nicht einmal eine Verpflichtung zu einer Vorprüfung besteht (BVerwG, U.v. 26.9.2019 – 7 C 5/18 – NVwZ 2020, 477/478) sowie neuerlich auch bei Vorhaben, für die eine UVP-Vorprüfung ergeben hat, dass keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind und solche, bei denen eine an sich bestehende UVP-Pflicht oder UVP-Vorprüfungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 LNGG ausgeschlossen ist (BVerwG, U.v. 22.6.2023 – 7 A 9/22 – juris Rn. 27 ff).
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2. Das Vorbringen der zur Begründung der Klage dienenden Erklärungen und Beweismittel erfolgte verspätet, was gemeinsam mit den übrigen Voraussetzungen des § 6 UmwRG zum Eintritt der Präklusionswirkung führt.
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a. Die Zehn-Wochen-Frist begann mit Klageeingang am 25. Juni 2020, mithin am 26. Juni 2020 zu laufen und endete gem. § 57 Abs. 2 i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 3. September 2020. Die am 23. November 2020 bei Gericht eingegangene Klagebegründung wahrte diese Frist nicht.
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b. Es bedurfte gegenüber der anwaltlich vertretenen Klägerin keiner ausdrücklichen Belehrung über die Klagebegründungsfrist zusammen mit der Rechtsbehelfsbelehrung, um die Frist in Gang zu setzen (BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – NVwZ 2019, 1202/1204). Die Belehrung über die Klagebegründungsfrist nach § 6 UmwRG gehört nicht zum notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrungnach § 58 Abs. 1 VwGO (BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 46). Ein anwaltlich vertretener Kläger muss auch vor dem Hintergrund des Gebotes des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG und des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG regelmäßig nicht über die Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG belehrt werden (OVG NRW, B.v. 1.2. 2022 – 11 A 2168/20 – juris Rn. 38 ff; B.v. 3.11.2023 – 8 B 1049/23.AK – juris Rn. 72 f.).
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c. Die Zehn-Wochen-Frist war weder bis zur Gewährung der Akteneinsicht am 10. August 2020 gehemmt noch begann sie danach erneut zu laufen. Ein durch den Eingang der Behördenakten bei Gericht oder die Einsichtnahme in diese Akten durch die Klagepartei aufschiebend bedingter oder sonst abhängiger Fristbeginn ist nicht gesetzlich angeordnet. Einen Verlängerungsantrag unter Verweis auf die noch nicht vorgelegten und einsehbaren Behördenakten hatte die Klagepartei vor Fristablauf am 3. September 2020 nicht gestellt. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob für sie in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, eine Möglichkeit der Beteiligung bestand, § 6 Satz 4 UmwRG.
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d. Eine Fristverlängerung kam nach Ablauf der Zehn-Wochen-Frist nicht mehr in Betracht (VG Ansbach, U.v. 8.2.2021 – AN 9 K 19.01265), sodass auch die gerichtliche Aufforderung vom 3. November 2021, die Klage bis 22. November 2020 zu begründen, nicht als solche verstanden werden kann und am vorherigen Fristablauf nichts zu ändern vermochte.
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3. Die Verspätung ist nicht genügend entschuldigt, § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO.
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a. Die Klagepartei kann sich insoweit nicht auf fehlende Kenntnis berufen, weil sie behördlicher- und gerichtlicherseits nicht ausdrücklich auf die Zehn-Wochen-Frist hingewiesen wurde (s.o.). Zudem verweist § 6 Abs. 3 UmwRG gerade nicht auf § 87b Abs. 3 Satz 1 (insbesondere Nr. 3) VwGO.
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b. Im Übrigen wurde ein Entschuldigungsgrund nicht glaubhaft gemacht, § 6 Abs. 1 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO.
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c. Die Präklusion wird auch nicht durch § 6 Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO gehindert, da der Sachverhalt nicht mit geringem Aufwand ohne Mitwirkung der Klagepartei ermittelt werden kann. Aus dem Vortrag und den dem Gericht zur Verfügung stehenden Unterlagen wird schon nicht klar, woraus sich die Rechtsverletzung der Klägerin gerade durch die Planänderung ergeben soll (vgl. oben B.).
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Die Rechtsfolge der Präklusion ist auch für den Hilfsantrag eingetreten, da auch dieser erst verspätet begründet wurde.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
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E. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).