Titel:
Klage des Insolvenzverwalters gegen den Insolvenzschuldner auf Herausgabe einer von einem Drittschuldner im vorläufigen Insolvenzverfahren erbrachten Leistung
Normenketten:
InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 24 Abs. 1, § 80, § 81, § 92, § 148 Abs. 2
BGB § 816 Abs. 2
Leitsätze:
1. Leistet ein Drittschuldner an den späteren Insolvenzschuldner, obwohl das Insolvenzgericht einen Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO angeordnet und der vorläufige Insolvenzverwalter dieser Leistung an den Insolvenzschuldner nicht zugestimmt hat, war der Insolvenzschuldner zur Annahme der Leistung nicht mehr berechtigt im Sinne des § 816 Abs. 2 BGB. In der Erhebung der Klage auf Herausgabe der empfangenen Leistung durch den Insolvenzverwalter gegen den Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann eine Genehmigung der Annahme der Leistung liegen, die diese wirksam werden lässt. (Rn. 53 – 56)
2. Zur Geltendmachung des Anspruchs auf Herausgabe des Geleisteten gegen den Insolvenzschuldner ist der Insolvenzverwalter nach § 80 InsO aktivlegitimiert. (Rn. 44)
3. Der Insolvenzverwalter ist prozessführungsbefugt, da er den Anspruch für die Insolvenzmasse geltend macht. Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, wenn auf das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners zugegriffen werden soll. (Rn. 33 – 39)
Schlagworte:
Insolvenzverwalter, Insolvenzschuldner, Klage, Herausgabe, Drittschuldner, Leistung, vorläufiges Insolvenzverfahren, Genehmigung, Aktivlegitimation, Prozessführungsbefugnis
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 03.03.2023 – 19 O 4671/22
Fundstellen:
ZIP 2024, 2480
ZVI 2024, 424
ZIP 2024, 2263
MDR 2024, 939
ZInsO 2024, 1874
NZI 2024, 715
LSK 2024, 11675
FDInsR 2024, 011675
ZRI 2024, 498
BeckRS 2024, 11675
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.03.2023, Az. 19 O 4671/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das vorbezeichnete Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 12.350,58 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten von diesem die Rückzahlung vereinnahmter Gewinne aus einer gewerblichen Untervermietung für den Zeitraum der gegen den Beklagten angeordneten vorläufigen Insolvenzverwaltung.
2
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Fürth vom 27.11.2019 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. D. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 27.05.2021 wurde dieser auf eigenen Antrag entlassen und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
3
Bereits vor der Insolvenzeröffnung war zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Fürth vom 05.08.2019 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und Rechtsanwalt Dr. D. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. In dem Beschluss war u.a. angeordnet worden, dass der vorläufige Insolvenzverwalter ermächtigt wird, insbesondere Forderungen des Schuldners auf ein von ihm zu errichtendes Treuhandkonto einzuziehen, und dass Drittschuldner nur an den vorläufigen Insolvenzverwalter leisten dürfen, es sei denn, dieser stimmt der Leistung an den Schuldner zu. Weiterhin hatte das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, und dass unter diese Anordnung auch die Einziehung von Außenständen fällt.
4
Der Beklagte vermietet unter der Bezeichnung „SE.“ ein Anwesen in Sch. berechtigt gewerblich unter. Während des Zeitraums der vorläufigen Insolvenzverwaltung erzielte er dadurch Einnahmen in Höhe von 22.550,01 Euro brutto. Ausgaben entstanden in Höhe von 8.699,35 Euro.
5
Obwohl der Beklagte von der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und dem angeordneten Zustimmungsvorbehalt wusste, teilte er die Einkünfte aus gewerblicher Untervermietung zunächst dem Insolvenzverwalter nicht mit.
6
Die Erstattung der Differenz von Einnahmen und Ausgaben abzüglich der vom Beklagten am 04.01.2021 zur Insolvenzmasse geleisteten Zahlung über 1.500 Euro, damit 12.350,58 Euro brutto, macht der Kläger nun mit der Klage geltend.
7
Die gewerbliche Untervermietung als selbständige Tätigkeit des Beklagten wurde vom Insolvenzverwalter für die Zeit ab 01.01.2020 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Einkünfte aus der Zeit vor dem 01.01.2020 waren davon ausdrücklich ausgenommen. Weiterhin wurde mit Schreiben vom 20.05.2020 die selbständige Tätigkeit des Beklagten als Transportunternehmer und mit Schreiben vom 06.10.2020 die selbständige Tätigkeit des Beklagten als Fliesenleger freigegeben. Seit dem 01.06.2020 ist der Schuldner außerdem bei der Fa. ..., N., als Kraftfahrer, Prokurist und Verkehrsleiter beschäftigt.
8
Der Kläger ist der Meinung, er habe spätestens mit Klageerhebung die Einziehung der Untermieten durch den Beklagten konkludent genehmigt. Der Beklagte als Nichtberechtigter sei daher dem Kläger als Berechtigtem zur Herausgabe des Geleisteten nach § 816 Abs. 2 BGB verpflichtet. Er, der Kläger, sei als Insolvenzverwalter aktivlegitimiert, da er einen Zahlungsanspruch zur Anreicherung der von ihm verwalteten Insolvenzmasse mit der Klage geltend mache. Die Gewinne aus dem Untermietverhältnis seien auch für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung vom Insolvenzbeschlag erfasst und würden der Masse zustehen. Die Klage richte sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Beklagten, das aufgrund der Freigabe mehrerer selbständiger Tätigkeiten des Beklagten hier auch vorhanden sei. Dieses unterliege nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Gemäß § 148 InsO habe der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz zu nehmen. Der Insolvenzschuldner sei daher verpflichtet, dieses herauszugeben.
9
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und bringt vor, es sei davon auszugehen, dass eine Genehmigung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Einziehung der Untermieten vorgelegen habe, da dieser die Untermieten nicht gesichert, sondern dem Insolvenzschuldner belassen habe. Die Untermieter hätten damit schuldbefreiend an den Beklagten leisten können. Überdies habe er, der Beklagte, den Gewinn aus der Untervermietung für seine private Krankenversicherung und den eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt seiner Familie verbraucht.
10
Der Beklagte vertritt die Auffassung, der Insolvenzverwalter könne keine Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner selbst geltend machen. Ein solcher Anspruch würde sich nicht in das System der Insolvenzordnung einfügen. Der Anspruch könne auch nicht durchgesetzt werden, da das pfändbare Vermögen des Insolvenzschuldners schon zur Masse gehöre. Vermögen aus einer freigegebenen Tätigkeit stehe nur Neugläubigern zur Verfügung. Ein vor Insolvenzeröffnung entstandener Zahlungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner müsse vielmehr zur Tabelle angemeldet werden. Überdies sei nur pfändbares Vermögen vom Insolvenzbeschlag erfasst, nicht aber Gewinne.
11
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des Ersturteils (Bl. 65-67 d.A. LG) verwiesen.
12
Mit Endurteil vom 03.03.2023 hat das Landgericht den Beklagten zur Rückzahlung des aus der Untervermietung erzielten Gewinns in Höhe von 12.350,58 Euro an den Kläger nebst Zinsen verurteilt und die Klage lediglich hinsichtlich eines früheren Zinsbeginns teilweise abgewiesen.
13
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei aktivlegitimiert. Forderungen aus einer selbständigen Tätigkeit, die vor Freigabe der Tätigkeit entstanden seien, würden zur Insolvenzmasse gehören. Die Klageforderung sei eine Masseverbindlichkeit, so dass sich die Aktivlegitimation aus § 80 InsO ergebe. Für den Fall des Zustimmungsvorbehalts des vorläufigen Insolvenzverwalters verweise § 24 Abs. 1 InsO auf § 82 InsO. Für den Fall des Freiwerdens des gutgläubigen Drittschuldners von der Leistungspflicht gegenüber der Insolvenzmasse setze das Gesetz ungeschrieben voraus, dass ein entsprechender Ausgleichsanspruch der verkürzten Insolvenzmasse gegen den Schuldner bestehe, da anderenfalls ein Zustimmungsvorbehalt wirkungslos bliebe. Hiervon würde auch die Kommentarliteratur ausgehen, da bei fehlender Gutglaubenswirkung nach § 82 InsO die Genehmigung der Zahlungen der Drittschuldner nach § 182 Abs. 2 S. 1 InsO diskutiert werde. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter mache sich schadensersatzpflichtig, wenn er durch die Genehmigung eine Erfüllungswirkung herbeiführe, ohne dass der Masse ein entsprechender Abschöpfungsanspruch gegen den bereicherten Schuldner zustünde. Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Genehmigungsmöglichkeit des vorläufigen und erst recht des Insolvenzverwalters anerkannt. Nach dem Gesetzeszweck solle die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung gerade Vermögensverluste durch Handlungen des Insolvenzschuldners verhindern. Nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit im eröffneten Insolvenzverfahren sei eine Geltendmachung im Prozessweg durch den Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzschuldner in der Rechtsprechung anerkannt. Der Anspruch entstehe mit Wirkung ex tunc und stelle daher eine Insolvenzforderung dar, keine insolvenzfreie Neuforderung. Dass der Insolvenzschuldner regelmäßig nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung des geltend gemachten Anspruchs verfüge, rechtfertige nicht die Ablehnung des Anspruchs.
14
Der klägerische Anspruch folge aus § 816 Abs. 2 BGB. Den Drittschuldnern sei es mit Beschluss vom 05.08.2019 verboten gewesen, ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters an den Insolvenzschuldner zu leisten. Hinsichtlich der behaupteten Zustimmung des Insolvenzverwalters durch aktives Tun sei der Beklagte beweisfällig geblieben. Ein bloßes Unterlassen stelle noch keine Einwilligung in diesem Sinne dar. Die Leistungen seien durch die Genehmigung des Klägers wirksam geworden. Die Genehmigung sei konkludent in der Klage enthalten.
15
Der Beklagte könne sich nicht erfolgreich auf eine Entreicherung berufen. Bei der Befreiung von Verbindlichkeiten bestehe die Bereicherung fort. Das Schuldnervermögen werde lediglich umverteilt. Außerdem sei § 819 Abs. 1 BGB anzuwenden, da der Beklagte Kenntnis von dem Beschluss des Insolvenzgerichts gehabt habe.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tenor und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 67-74 d.A. LG) Bezug genommen. Ergänzend wurde im Berufungsrechtszug festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Fürth vom 05.08.2019 am 06.08.2019 öffentlich bekannt gemacht und dem Beklagten am 10.08.2019 zugestellt wurde.
17
Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 06.03.2023 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 03.04.2023 (Bl. 1 d.A. OLG) Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 08.05.2023 (Bl. 4-16 d.A. OLG), eingegangen am selben Tag, begründet.
18
Der Beklagte führt in der Berufung aus, der Kläger verlange die Rückzahlung von Überschüssen, für die die Vorschrift des § 816 Abs. 2 BGB nicht gelte. Außerdem sei der Beklagte Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift gewesen, da der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb und damit auch die Einziehung der Mieten konkludent genehmigt habe.
19
Jedenfalls liege eine Entreicherung vor, da der Beklagte sich die Notwendigkeit erspart habe, anderweitig auf Ressourcen zurückzugreifen. Im Rahmen der Billigkeit sei überdies zu berücksichtigen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nicht von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, die Mieten selbst einzuziehen. Die Anwendung des § 819 Abs. 1 BGB scheide aus, da es an einer Nichtberechtigung fehle.
20
Insbesondere die Aktivlegitimation des Klägers sei nicht gegeben. Es sei bereits kein Übergang des Anspruchs vom damaligen auf den jetzigen Insolvenzverwalter dargelegt worden. Weiterhin handele es sich nicht um Mietforderungen, sondern um die Forderung eines Überschusses. Die Mietforderungen seien auch schon erfüllt und bei Insolvenzeröffnung nicht mehr vorhanden gewesen. Sie könnten daher von § 35 InsO nicht mehr erfasst werden. § 80 InsO führe nicht zu einer Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters, sondern beinhalte nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis für Ansprüche des Insolvenzschuldners. Eine Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners könne nur durch Anmeldung zur Tabelle geltend gemacht werden.
21
Ein ungeschriebener Ausgleichsanspruch bestehe nicht. Die Einziehungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters sei schon nicht gesetzlich geregelt. Sie könne daher nicht Grundlage dafür sein, dass ein angeblich im Gesetz angelegter Ausgleichsanspruch konstruiert werde. Der Insolvenzverwalter müsse von der Einziehungsbefugnis Gebrauch machen, wenn er eine zweckwidrige Verwendung des Insolvenzschuldners befürchte. Wenn er dies pflichtwidrig unterlasse, mache er sich vielleicht schadensersatzpflichtig. Einen Erstattungsanspruch begründe dies aber nicht automatisch. Die Herausgabeverpflichtung des Insolvenzschuldners beruhe gerade auf der Massezugehörigkeit des geleisteten Gegenstandes. Wenn sich der Wert nicht in der Masse befinde, werde der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Verfügung nicht genehmigen und die Leistung stattdessen vom Drittschuldner fordern. Ein Ausgleichsanspruch sei daher nicht erforderlich.
22
Ansprüche des Insolvenzschuldners gegen sich selbst könne der Insolvenzverwalter wegen der Identität von Anspruchsberechtigtem und -verpflichtetem nicht geltend machen. Die Anerkennung eines Ausgleichsanspruchs würde dazu führen, dass der Insolvenzschuldner im Zeitraum der vorläufigen Insolvenz ohne Entgelt gearbeitet hätte.
23
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 08.05.2023 (Bl. 4 – 16 d.A. OLG) Bezug genommen.
24
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. 19 O 4671/22, vom 03.03.2023 die Klage abzuweisen.
die Zurückweisung der Berufung.
26
Der Kläger meint, der Anspruch ergebe sich aus § 816 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift sei auch anwendbar, da er keine Überschüsse geltend mache, sondern nur weniger als die vereinnahmten Mieten herausverlange. Der Beklagte sei aufgrund des Beschlusses vom 05.08.2019 zur Einziehung der Untermieten nicht berechtigt gewesen. Eine konkludente Zustimmung liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht entreichert, da er nur Ausgaben erspart habe, die er sonst auch gehabt hätte. Eine Entreicherung hätte nur im Hinblick auf betriebliche Ausgaben bestanden, die aber bei der Klageforderung schon abgezogen seien. Jedenfalls sei § 819 Abs. 1 BGB anwendbar, da der Beklagte bösgläubig gewesen sei.
27
Die Aktivlegitimation bestehe. Der Kläger sei Partei kraft Amtes; der Wechsel in der Person sei daher unerheblich. Die Mieteinnahmen würden dem Insolvenzbeschlag unterliegen, auch wenn sie tatsächlich nicht zur Insolvenzmasse gekommen seien. Verfügungsverbote würden den gesamten Vermögenserwerb während des Eröffnungsverfahrens erfassen, wenn er später zur Insolvenzmasse gehören würde. Gemäß § 148 InsO habe der Insolvenzschuldner sein zur Masse gehörendes Vermögen herauszugeben. Die Klage richte sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners. Das sei hier vorhanden, da die selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners freigegeben worden sei.
28
Der Ausgleichsanspruch ergebe sich aus § 816 Abs. 2 BGB. Wenn der Berechtigte die Zahlung genehmige, könne er das Erlangte vom Nichtberechtigten herausverlangen. Hier sei die Genehmigung konkludent durch Klageerhebung erfolgt.
29
Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 26.05.2023 (Bl. 19-36 d.A. OLG) Bezug genommen.
30
Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.03.2023 ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
31
Zu Recht hat das Landgericht der Klage – bis auf einen späteren Zinsbeginn – in voller Höhe stattgegeben. Der Senat schließt sich den umfassenden und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts vollinhaltlich an.
32
1. Die Klage ist zulässig.
33
a) Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Er macht den Zahlungsanspruch als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten und damit als Partei kraft Amtes zur Anreicherung der von ihm verwalteten Masse geltend.
34
Eine Übertragung des Anspruchs von dem zunächst bestellten (vorläufigen) Insolvenzverwalter auf den Kläger, wie die Berufung meint, ist nicht erforderlich. Vielmehr prozessiert der Insolvenzverwalter für und gegen die Insolvenzmasse im eigenen Namen kraft amtlicher Verfügungsgewalt in gesetzlicher Prozessstandschaft über fremde Rechte und Pflichten (Schellhammer in Schellhammer, Zivilprozess, 16. Auflage, Rn. 1207). Ein Wechsel in der Person des Insolvenzverwalters ist ohne Belang.
35
b) Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
36
Ein einfacherer Weg, das Klageziel zu erreichen, folgt nicht aus § 148 Abs. 2 InsO. Diese Vorschrift erfasst nur körperliche Gegenstände, nicht dagegen Rechte oder Forderungen (von Bodungen in BeckOK Insolvenzrecht, 34. Edition, § 148 Rn. 10).
37
Überdies betrifft der durch § 148 Abs. 2 S. 1 InsO eröffnete Vollstreckungszugriff nur das vom Insolvenzbeschlag erfasste Vermögen des Schuldners (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 206/20 –, juris Rn. 13). Die Klage bezieht sich ausdrücklich auf das insolvenzfreie und damit nicht vom Insolvenzbeschlag erfasste Vermögen des Beklagten. Der Kläger begehrt die Rückgängigmachung einer infolge der Entgegennahme der Untermieten durch den Beklagten eingetretenen Masseverkürzung. Eine Verkürzung der Masse kann nicht durch einen Zugriff auf (andere) Massebestandteile rückgängig gemacht werden. Vielmehr bedarf es des Zugriffs auf das Vermögen eines Dritten. Soll – wie hier – der Schuldner selbst die Verkürzung der Masse rückgängig machen, muss auf dessen insolvenzfreies Vermögen zugegriffen werden (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 206/20 –, juris Rn. 16).
38
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch nicht deshalb, weil eine Vollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen des Beklagten von vornherein ausgeschlossen wäre. Denn insolvenzfreies Vermögen des Insolvenzschuldners, auf das mit dem begehrten Leistungstitel zugegriffen werden könnte, kann auch schon während des laufenden Insolvenzverfahrens entstehen, wenn der Verwalter einzelne Bestandteile der Masse oder die selbständige Tätigkeit des Schuldners (§ 35 Abs. 2 S. 1 InsO) freigibt (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 206/20 –, juris Rn. 17).
39
Unstreitig wurden drei selbständige Tätigkeiten des Beklagten vom Insolvenzverwalter freigegeben, woraus der Beklagte Einnahmen erzielt hat bzw. noch erzielt.
40
2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung an die Insolvenzmasse in Höhe von 12.350,58 Euro aus § 816 Abs. 2 BGB zu.
41
a) Der Kläger ist aktivlegitimiert.
42
Der Kläger macht geltend, die Drittschuldner hätten entgegen dem vom Insolvenzgericht angeordneten Zustimmungsvorbehalt auf Forderungen des Beklagten, die zur Insolvenzmasse gehören, geleistet. Die Entgegennahme der Leistungen durch den Beklagten sei daher unwirksam gewesen, aber mit Klageerhebung konkludent genehmigt worden. Der Beklagte sei daher nach § 816 Abs. 2 BGB zur Herausgabe der empfangenen Leistungen verpflichtet.
43
aa) In einer vergleichbaren Fallkonstellation, bei der der Insolvenzschuldner Einnahmen aus einer Untervermietung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielte, hat der Bundesgerichtshof die Frage der Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters kritisch gesehen, letztlich aber mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen. In der Entscheidung ist ausgeführt, bei dem geltend gemachten Anspruch könne es sich um ein Recht der Masse handeln. In diesem Fall ergäbe sich die Sachbefugnis des Insolvenzverwalters aus § 80 Abs. 1 InsO. Es könne sich aber auch um eine insolvenzfreie Neuforderung der von der Masseverkürzung betroffenen Gläubiger handeln. Eine (gesetzliche) Befugnis des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs könnte in diesem Fall nur aus § 92 InsO folgen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 206/20 –, juris Rn. 20).
44
bb) Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts an, wonach sich die Aktivlegitimation des Klägers im vorliegenden Fall aus § 80 InsO ergibt.
45
(1) Die Untermietforderungen des Beklagten wären mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse gefallen.
46
Zwar existiert vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keine Insolvenzmasse. Allerdings sind §§ 81, 82 InsO bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 24 Abs. 1 InsO entsprechend anzuwenden.
47
Allgemeine Verfügungsverbote oder Zustimmungsvorbehalte erfassen das gesamte gegenwärtige Vermögen des Schuldners einschließlich mit Aussonderungs- oder Absonderungsrechten belasteter Gegenstände sowie sämtlichen Vermögenserwerb während des Eröffnungsverfahrens, sofern dieses Vermögen später zur Insolvenzmasse gehören würde (Kopp in BeckOK, Insolvenzrecht, 33. Edition, § 21 Rn. 37).
48
Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Einnahmen während des Eröffnungsverfahrens erzielt. Diese Einnahmen aus der Untervermietung wären nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch in die Insolvenzmasse gefallen. Denn Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt, gehören in vollem Umfang, ohne einen Abzug für beruflich bedingte Ausgaben, zur Insolvenzmasse (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 – IX ZA 19/17 –, juris Rn. 9). Dies gilt auch für Mieteinnahmen und Betriebskostenzahlungen, wenn ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – IX ZR 146/15 –, juris Rn. 15).
49
Zum insolvenzfreien Vermögen des Beklagten gehörten die Einnahmen aus der Untervermietung während des vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht, da der Insolvenzverwalter diese selbständige Tätigkeit erst ab dem 01.01.2020 und ausdrücklich nicht rückwirkend aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat.
50
(2) Trotz Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung bestanden die Ansprüche gegen die Drittschuldner auch fort.
51
Denn Miet- und Pachtverträge erlöschen bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht (Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 22 Rn. 54).
52
Aufgrund der Anordnung des Amtsgerichts Fürth in dem Beschluss vom 05.08.2019 hätten die Drittschuldner aber nicht mehr an den Beklagten als Insolvenzschuldner leisten dürfen, sondern sie hätten an die Masse bzw. den vorläufigen Insolvenzverwalter zahlen müssen.
53
(3) Leistet ein Drittschuldner trotz des im vorläufigen Insolvenzverfahren angeordneten Zustimmungsvorbehalts nicht an die Insolvenzmasse bzw. den vorläufigen Insolvenzverwalter, sondern an den Insolvenzschuldner, ist die Entgegennahme der Zahlungen seiner Untermieter durch den Insolvenzschuldner wegen Verstoßes gegen den Zustimmungsvorbehalt absolut unwirksam nach §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 24 Abs. 1, 81 InsO. Der Drittschuldner wird nicht von seiner Leistungspflicht frei, soweit er nicht gutgläubig im Sinne des § 82 InsO ist, und bleibt weiterhin gegenüber der Insolvenzmasse bzw. dem vorläufigen Insolvenzverwalter zur Zahlung an die Haftungsmasse verpflichtet.
54
Der (vorläufige) Insolvenzverwalter ist jedoch nach allgemeiner Meinung berechtigt, im Insolvenzverfahren die Erfüllungswirkung einer nach § 82 InsO unwirksamen Leistung des Drittschuldners an den Schuldner oder einen Dritten nachträglich herbeizuführen, indem er die Leistung nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB genehmigt (BGH, Urteil vom 8. Juli 2021 – IX ZR 121/20 –, juris Rn. 30; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 – IX ZR 216/13 –, juris Rn. 3; Vuia in Münchener Kommentar zur InsO, 4. Auflage, § 81 Rn. 6; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 82 Rn. 82). Die Leistung an den Schuldner wird dann nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB mit Wirkung ex tunc wirksam und der Leistende von seiner Leistungspflicht befreit (Kruth in Römermann, InsO, 48. EL Mai 2023, § 82 Rn. 3; Sternal in Karsten Schmidt, InsO, 20. Auflage, § 82 Rn. 11).
55
Nach herrschender Meinung ist der Insolvenzverwalter vor einer Inanspruchnahme der Drittschuldner auf nochmalige Leistung (an die Masse) sogar verpflichtet, die an den Schuldner bewirkte Leistung zur Masse zu ziehen, wobei der Schuldner zur Herausgabe verpflichtet ist, da die Drittschuldner ihm sonst möglicherweise die Arglisteinrede entgegenhalten könnten (Sternal in Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Auflage 2023, § 82 Rn. 8; Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 24 Rn. 12; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 82 Rn. 25; a.A. Vuia in Münchener Kommentar zur InsO, 4. Auflage, § 82 Rn. 10, der eine diesbezügliche Verpflichtung des Insolvenzverwalters verneint).
56
Soweit der Insolvenzschuldner nicht zu einer Herausgabe der empfangenen Leistungen bereit ist, hat der Insolvenzverwalter damit nur die Möglichkeit, diesen Anspruch im Klageweg gegen den Insolvenzschuldner zu verfolgen. Für diesen Fall ist auch anerkannt, dass in der Klageerhebung durch den Insolvenzverwalter die Genehmigung der Leistung an den Nichtberechtigten liegen kann (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 – IX ZR 213/11 –, juris Rn. 16; Sternal in Karsten Schmidt, InsO, 20. Auflage, § 82 Rn. 11).
57
(4) Für die Anerkennung eines solchen Anspruchs gegen den Insolvenzschuldner spricht auch die Funktion des vorläufigen Insolvenzverwalters. Denn Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es nicht nur, Eingriffe der Gläubiger in das Schuldnervermögen zu verhindern, sondern auch sonstige Eingriffe Dritter und massenachteilige Verfügungen des Schuldners selbst. Zu schützen ist die sogenannte Ist-Masse, die Haftungsmasse, die bei Antragstellung vorhanden ist (Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 21 Rn. 1).
58
Diese Schutzfunktion kann der vorläufige Insolvenzverwalter nur dann vollumfänglich erfüllen, wenn er auch Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner geltend machen kann. Könnte er nur gegen die Drittschuldner vorgehen, könnte der Insolvenzschuldner weiter die zukünftige Masse schmälern, ohne dass dies Konsequenzen für ihn hätte. Der Insolvenzverwalter wäre dagegen auf Ansprüche gegen die Drittschuldner beschränkt, die aber im Falle der fehlenden Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – bis zur Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung wird die fehlende Kenntnis nach § 82 S. 2 InsO vermutet und der Insolvenzverwalter muss die Kenntnis beweisen – von der Leistung frei würden bzw. ihm ggf. den Einwand der Treuewidrigkeit entgegenhalten könnten (Vuia in Münchener Kommentar zur InsO, 4. Auflage, § 82 Rn. 6).
59
(5) Bei Geltendmachung des Anspruchs gegen den Insolvenzschuldner durch den Insolvenzverwalter tritt auch keine Konfusion ein. Denn entgegen den Ausführungen in der Berufung macht der Kläger keine Ansprüche gegen die Insolvenzmasse geltend, sondern für die Insolvenzmasse gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners (s. hierzu oben 1.b)).
60
cc) Die von der Berufung zitierte Entscheidung des BGH vom 21.10.2021 (IX ZR 265/20, juris Rn. 8ff, NJW 2022, 242ff), steht der Aktivlegitimation des Klägers nicht entgegen. Zwar ist dort entschieden worden, dass Schadensersatzansprüche der Insolvenzgläubiger gegen den späteren Insolvenzschuldner wegen Vermögensverschiebungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzforderungen darstellen und zur Tabelle angemeldet werden müssen. Der Insolvenzverwalter könne keinen vor der Eröffnung entstandenen Zahlungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner geltend machen, da er selbst keine Forderungen zur Tabelle anmelden könne.
61
Anders als hier war dort aber gerade kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden, sondern die Vermögensverschiebungen erfolgten vor Eröffnung des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens.
62
b) Die Voraussetzungen des § 816 Abs. 2 BGB liegen vor.
63
aa) Es liegen Leistungen der Untermieter an den Beklagten im Zeitraum vom 08.08.2019 bis zum 25.11.2019 vor (s. Übersicht Anlage K4) in Höhe von insgesamt 22.550,01 Euro vor.
64
Hiervon hat der Kläger zugunsten des Beklagten die entstandenen Ausgaben bereits abgezogen. Auch wenn der Kläger daher im Ergebnis nur einen Gewinn des Beklagten zurückfordert, ändert dies – anders als die Berufung meint – nichts daran, dass es sich um Leistungen im Sinne des § 816 Abs. 2 BGB handelt.
65
bb) Der Beklagte war zum Zeitpunkt des Eingangs der Zahlungen nicht mehr zum Empfang der Leistungen berechtigt. Die Drittschuldner hätten vielmehr an den vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. die Insolvenzmasse als Berechtigten im Sinne des § 816 Abs. 2 BGB leisten müssen.
66
(1) Durch die Entgegennahme der Zahlungen seiner Untermieter hat der Beklagte gegen den vom Insolvenzgericht angeordneten Zustimmungsvorbehalt verstoßen. Er war nicht zum Einbehalt der Zahlungen berechtigt; seine Verfügung war nach §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 24 Abs. 1, 81 InsO absolut unwirksam.
67
Die Entgegennahme einer Leistung von Drittschuldnern durch den Schuldner oder das Schuldnerunternehmen zum Zwecke der Erfüllung stellt eine Verfügung i.S.v. § 81 InsO dar (Vallender in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 24 Rn. 12).
68
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Fürth vom 05.08.2019 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Beklagten angeordnet und bestimmt, dass Drittschuldner nur an den vorläufigen Insolvenzverwalter leisten dürfen, außer dieser stimmt der Leistung zu.
69
Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts lag eine ausdrückliche Genehmigung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Einziehung der Untermieten durch den Insolvenzschuldner nicht vor.
70
Entgegen dem Vorbringen des Beklagten kann eine konkludente Genehmigung nicht im bloßen Untätigbleiben des vorläufigen Insolvenzverwalters gesehen werden, da nichts dazu vorgetragen wurde, ob dieser zum damaligen Zeitpunkt bereits von den Zahlungen durch die Drittschuldner und dem Einbehalt durch den Beklagten wusste.
71
Überdies kann selbst dann nicht ohne weiteres von einer Genehmigung der Verfügung ausgegangen werden, wenn sich der Verwalter an den Leistungsempfänger wendet und Herausgabe des Leistungsgegenstands verlangt (BGH, Urteil vom 8. Juli 2021 – IX ZR 121/20 –, juris Rn. 31). Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Insolvenzverwalter das Beitreibungsrisiko tragen will; dieses Risiko bleibt beim Leistenden (Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Auflage 2023, § 82 Rn. 11; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 82 Rn. 28).
72
Eine konkludente Genehmigung ist auch nicht in der Freigabe der selbständigen Tätigkeit zur Untervermietung des Anwesens in Sch. zu sehen, da der Insolvenzverwalter den Gewerbebetrieb des Beklagten erst ab 01.01.2020 freigegeben hat, ausdrücklich nicht für die Zeit davor.
73
(2) Wie oben unter a) bb) (2) bereits ausgeführt, waren die Drittschuldner trotz Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung weiterhin zur Zahlung der Untermieten verpflichtet. Sie hätten aber entsprechend der Anordnung des Amtsgerichts Fürth in dem Beschluss vom 05.08.2019 an die Ist-Masse bzw. den vorläufigen Insolvenzverwalter leisten müssen.
74
cc) Die Leistungen wurden durch Genehmigung des Klägers gegenüber dem Berechtigten wirksam.
75
(1) Eine Genehmigung seitens des Berechtigten macht die Annahme einer Leistung, die zunächst nicht befreiend wirkte, wirksam (BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 – VII ZR 211/85 –, juris Rn. 8). Wie oben unter a) bb) (3) ausgeführt, kann daher im Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter die Erfüllungswirkung einer nach § 82 InsO unwirksamen Leistung des Drittschuldners an den Schuldner oder einen Dritten nachträglich herbeiführen, indem er die Leistung nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB genehmigt.
76
(2) Die Genehmigung kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden (Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Auflage 2023, § 82 Rn. 11). In der Klageerhebung kann regelmäßig die Genehmigung der Leistung an den Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 – IX ZR 216/13 –, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 – IX ZR 213/11 –, juris Rn. 16).
77
Vorliegend ist in der Anspruchsbegründung konkludent die Genehmigung der Entgegennahme der Zahlungen der Drittschuldner enthalten. Der Kläger hat dies bereits in erster Instanz und auch in der Berufungserwiderung ausdrücklich klargestellt.
78
dd) Die Leistungen, die er von den Drittschuldnern erhalten hat, muss der Beklagte daher herausgeben. Denn gelangen, wie hier, Leistungen an den Insolvenzschuldner, hat dieser sie an den Insolvenzverwalter herauszugeben (Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 82 Rn. 25).
79
c) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Entreicherung berufen.
80
aa) Hinsichtlich der ab 13.08.2019 auf seinem Konto eingegangen Zahlungen war der Beklagte bösgläubig im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB und er kann sich daher auf einen Wegfall der Bereicherung nicht berufen, § 818 Abs. 4 BGB. Denn mit Zustellung des Beschlusses des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Fürth vom 05.08.2019 an den Beklagten am 10.08.2019 hatte er Kenntnis von seiner Nichtberechtigung.
81
bb) Hinsichtlich des Wegfalls der Bereicherung betreffend die Zahlungen am 08.08.2019 ist der Beklagte beweisfällig geblieben, obwohl er hierfür beweisbelastet ist.
82
Denn für das Vorliegen einer Entreicherung und das Vorbringen, dass trotz des Wegfalls des ursprünglich Erlangten keine anderweitige Bereicherung in seinem Vermögen verblieben ist, trägt der Bereicherungsschuldner, hier also der Beklagte, die Beweislast (BGH, Urteil vom 10. Februar 1999 – VIII ZR 314/97 –, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 2. Juni 2015 – XI ZR 327/14 –, juris Rn. 27).
83
Der Beklagte hat lediglich pauschal vorgetragen, er habe die eingegangenen Zahlungen für seine private Krankenversicherung und seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie verbraucht. Für diesen bestrittenen Vortrag hat er drei Schreiben der H. vorgelegt (Anlage B1), aus denen hervorgeht, dass der monatliche Versicherungsbeitrag ab dem 01.01.2021 520,59 Euro beträgt und die H. in den Jahren 2020 und 2021 Erstattungsleistungen erbracht hat. Dass der Beklagte im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung Versicherungsbeiträge (in welcher Höhe?) bezahlt und hierzu die Leistungen vom 08.08.2019 eingesetzt hat, ergibt sich hieraus nicht, was auch der Kläger moniert hat (Bl. 47 d.A. LG). Hinsichtlich der Verwendung der Zahlungen vom 08.08.2019 für den Lebensunterhalt fehlt jeglicher Beweis. Der Beklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, ob er sich eigenen Aufwendungen erspart hat, also eine anderweitige Bereicherung in seinem Vermögen verblieben ist.
84
Überdies stellt die Erfüllung von Verbindlichkeiten (Bezahlung der Krankenversicherungsbeiträge und Erfüllung von Unterhaltspflichten gegenüber der Familie) eine fortbestehende Bereicherung dar, so dass sich der Bereicherungsschuldner nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen kann (Sprau in Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 818 Rn. 45).
85
cc) Ob eine Entreicherung durch die betrieblichen Ausgaben des Beklagten in Höhe von 8.699,35 Euro eingetreten ist, kann dahinstehen, da der Kläger diesen Betrag bei der Klagesumme bereits zugunsten des Beklagten in Abzug gebracht hat.
86
dd) Hinsichtlich der von der Berufung vorgebrachten Billigkeitserwägungen ist schon fraglich, ob solche im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB Anwendung finden können. Jedenfalls greifen diese vorliegend nicht durch, da der Kläger nach wohl herrschender Meinung verpflichtet ist, den Insolvenzschuldner zunächst in Anspruch zu nehmen, da ihm ein Drittschuldner sonst den Einwand der Treuewidrigkeit bzw. die Arglisteinrede entgegenhalten könnte (s. oben a) bb) (3)).
87
Auch ohne Annahme einer Verpflichtung des Insolvenzverwalters, vorrangig den Insolvenzschuldner in Anspruch zu nehmen, ist eine Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter jedenfalls nicht als treuwidrig anzusehen, da er nach allgemeiner Meinung jedenfalls die Möglichkeit hat, die zunächst unwirksame Leistung des Drittschuldners zu genehmigen, wodurch dieser von seiner Leistungspflicht frei wird (s. oben a) bb) (3)).
88
Eine Treuwidrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass es der vorläufige Insolvenzverwalter unterlassen hat, die Einnahmen selbst einzuziehen. Denn es ist nichts dazu vorgetragen, ob dieser zu den Zahlungszeitpunkten bereits von der Untervermietung und den eingehenden Untermietzahlungen wusste.
89
3. Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht, wie vom Landgericht festgestellt, nach §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB aufgrund der konkludenten Genehmigung in der Anspruchsbegründung erst ab deren Zustellung an den Beklagten, hier also ab 31.08.2022.
90
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
91
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.
92
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Soweit ersichtlich gibt es bisher zur Frage der Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung von Ansprüchen aus § 816 Abs. 2 BGB gegen den Insolvenzschuldner bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters bisher keine Entscheidung in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Soweit der Insolvenzverwalter nicht die Drittschuldner, sondern den Insolvenzschuldner selbst in Anspruch nehmen will, stellt sich diese Frage aber für eine Vielzahl von Fällen und bedarf daher der obergerichtlichen Entscheidung.