Inhalt

LG München I, Endurteil v. 18.04.2024 – 7 O 4318/23
Titel:

Patentverletzungsklage betreffend ein deutsches Patent - Verdrängerpumpen

Normenkette:
PatG § 9, § 139
Leitsätze:
Ein in einer Fremdsprache abgefasster Internetauftritt weist jedenfalls dann einen für ein Anbieten nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG erforderlichen Inlandsbezug auf, wenn kumulativ feststeht, dass es sich (1.) um eine für den relevanten Markt gängige Fremdsprache handelt, ein maßgeblicher Interessentenkreis im Inland sitzt und (2.) der Betreiber der Internetseite im Inland bereits anderweitige Angebotshandlungen vorgenommen hat. Abweichendes gilt allenfalls dann, wenn deutlich darauf hingewiesen wird, dass eine Lieferung ins Inland nicht erfolgt. (Rn. 45 – 46)
Eine Patentbenutzung liegt auch dann vor, wenn nur in Ausnahmefällen eine Verwirklichung aller Merkmale gegeben ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Passsitz, Typenbezeichnung, Werbeträger, Wirtschaftsprüfer, Klagepatent, Verdrängerpumpe, Wettbewerb, Ausgestaltung, Nutzfahrzeug-Fachmesse, Bundespatentgericht, Querkräfte, Hochschulstudium, Fördermedium, Fliehkräfte, Volumenvergrößerung, Belastung, Beschaffenheit, Zahnkranz, Vertragsangebot, Internetauftritt, Fördermenge, Patentschriften, Kraftstoffeinspritzpumpe, Patentverletzung, Fremdsprache
Fundstellen:
MittdtPatA 2024, 558
GRUR-RS 2024, 11662
LSK 2024, 11662

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren,
zu unterlassen,
Verdrängerpumpen, insbesondere verstellbare Verdrängerpumpen, mit einem auf einer Welle angeordneten Läufer, wobei der Läufer eine Bohrung zur Aufnahme der Welle aufweist und zwischen der Welle und dem Läufer eine Verzahnung vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Verzahnung der Welle und des Läufers unterschiedlich lang ist; dass sich die Verzahnung des Läufers wenigstens annähernd über die gesamte Länge der Bohrung erstreckt; dass zu beiden Seiten der kürzeren Verzahnung ein Passsitz zwischen dem Läufer und der Welle vorgesehen ist; dass die Welle zu beiden Seiten ihrer Verzahnung Bereiche mit einem kreisförmigen Querschnitt aufweist; dass der Kopfkreis der Verzahnung des Läufers und die Welle in den Bereichen ihres kreisförmigen Querschnitts wenigstens annähernd den gleichen Durchmesser aufweisen,
– DE 10 2006 012 868 B4, Anspruch 1 –
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in elektronischer Form vollständig darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1.1 bezeichneten Handlungen seit dem 14.08.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei die Beklagte Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen hat;
3. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in elektronischer Form vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1.1 bezeichneten Handlungen seit dem 14.08.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
4. die vorstehend zu Ziffer 1.1 bezeichneten, seit dem 14.08.2021 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse
a. aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 10 2006 012 868 B4 erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird, und
b. aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung dieser Erzeugnisse beim jeweiligen Besitzer auf Kosten der Beklagten veranlasst;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer 1.1 bezeichneten, seit dem 14.08.2021 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist in Ziffer 1.1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,00 EUR, in den Ziffern I.2. und I.3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR, in Ziffer I.4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,000 EUR und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Verletzung des deutschen Patents 10 2006 012 868 betreffend eine Verdrängerpumpe in Anspruch.
2
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2006 012 868 (Anlage ... 1, nachfolgend: Klagepatent“). Das Klagepatent wurde am 21.03.2006 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 27.09.2007, die Bekanntmachung der Patenterteilung am 04.02.2021. Am 20.07.2023 hat die Beklagte Nichtigkeitsklage eingereicht (Az. ..., Anlagenkonvolut B4). Der Hinweisbeschluss nach § 83 Abs. 1 PatG erging am 07.03.2024 (Anlage ... 9).
3
Der geltend gemachte Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:
„Verdrängerpumpe (10), insbesondere verstellbare Verdrängerpumpe (10), mit einem auf einer Welle (12) angeordneten Läufer (11), wobei der Läufer (11) eine Bohrung (20) zur Aufnahme der Welle (12) aufweist und zwischen der Welle (12) und dem Läufer (11) eine Verzahnung (13, 21) vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Verzahnung (13, 21) der Welle (12) und des Läufers (11) unterschiedlich lang ist;
dass sich die Verzahnung (13, 21) des Läufers (11) wenigstens annähernd über die gesamte Länge der Bohrung (20) erstreckt;
dass zu beiden Seiten der kürzeren Verzahnung (13, 21) ein Passsitz zwischen dem Läufer (11) und der Welle (12) vorgesehen ist;
dass die Welle (12) zu beiden Seiten ihrer Verzahnung Bereiche (14, 15) mit einem kreisförmigen Querschnitt aufweist;
dass der Kopfkreis der Verzahnung (21) des Läufers (11) und die Welle (12) in den Bereichen (14, 15) ihres kreisförmigen Querschnitts wenigstens annähernd den gleichen Durchmesser aufweisen.“
4
Die Klägerin ist ein mittelständischer, international tätiger Automobilzulieferer und stellt insbesondere Lenkhelf- und Getriebepumpen her. Im Markt tritt sie unter ihrer Marke „...“ auf.
5
Die Beklagte ist ein ... Automobilzulieferer. Die Parteien sind Wettbewerber unter anderem im Bereich der Flügelzellenpumpen, die insbesondere für Servolenkungen in Pkw und Lkw eingesetzt werden.
6
Die Klägerin wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen das Anbieten und das Inverkehrbringen der von den Beklagten vertriebenen Flügelzellenpumpen, insbesondere der Pumpe „...“. Diese hat die Beklagte auf der Nutzfahrzeug-Fachmesse „IAA TRANSPORTATION“ in Hannover im Zeitraum 20. bis 25. September 2022 zur Schau gestellt. Die Beklagte bietet die angegriffene Ausführungsform auch mit anderen Volumina und Abregelmengen an, wobei sich diese Verdrängerpumpen in Bezug auf die Ausgestaltung der Welle und des Läufers nicht unterscheiden. Die nachfolgend einblendeten – Blatt 18/19 der Klageschrift entnommenen – Lichtbilder zeigen den Messestand der Beklagten und die angegriffene Ausführungsform:
...
Abb. 9: Messestand der Beklagten auf der IAA TRANSPORTATION 2022 in Hannover
...
7
Die Beklagte zeigt zudem auf ihrer englischsprachigen Internetseite ... ihre Lenkhilf-Pumpen („Steering Pump“), d.h. Verdrängerpumpen, zum Einbau in Kraft- und Nutzfahrzeugen diverser internationaler Nutzfahrzeug- und Automobilhersteller. Auf der Webseite befinden sich Bezugnahmen u.a. auf Marken und Fabrikate deutscher Hersteller wie ..., wie sich aus dem folgenden, auf Blatt 20 der Klageschrift befindlichen Screenshot ergibt:
...
8
Auf der von der Beklagten betriebenen Webseite findet sich unter anderem folgender Text:
„.... It is specializing in developing and manufacturing power steering pump applying to heavy duty trucks, light duty buses and passenger cars. [...] Now the annual production capacity is ... steering gear boxes.
[...] Excellent systems guarantee the company to be excellent OE supplier to [...] ... [...]. ... will provide steering system with good design, reliable quality and competitive price to both local and international market.“
9
Die Klägerin trägt vor, die angegriffene Ausführungsform verletze Anspruch 1 des Klagepatents unmittelbar und wortsinngemäß. Sowohl die Präsentation auf der Messe als auch die konkrete Ausgestaltung des Internetauftritts seien jeweils als ein Anbieten und damit eine Benutzungshandlung nach § 9 S. 2 PatG anzusehen.
10
Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1.1.1.1.1.1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren,
zu unterlassen,
Verdrängerpumpen, insbesondere verstellbare Verdrängerpumpen, mit einem auf einer Welle angeordneten Läufer, wobei der Läufer eine Bohrung zur Aufnahme der Welle aufweist und zwischen der Welle und dem Läufer eine Verzahnung vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Verzahnung der Welle und des Läufers unterschiedlich lang ist; dass sich die Verzahnung des Läufers wenigstens annähernd über die gesamte Länge der Bohrung erstreckt; dass zu beiden Seiten der kürzeren Verzahnung ein Passsitz zwischen dem Läufer und der Welle vorgesehen ist; dass die Welle zu beiden Seiten ihrer Verzahnung Bereiche mit einem kreisförmigen Querschnitt aufweist; dass der Kopfkreis der Verzahnung des Läufers und die Welle in den Bereichen ihres kreisförmigen Querschnitts wenigstens annähernd den gleichen Durchmesser aufweisen,
– DE 10 2006 012 868 B4, Anspruch 1 –
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
2.2.2.2.2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in elektronischer Form vollständig darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1.1 bezeichneten Handlungen seit dem 14.08.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei die Beklagte Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen hat;
3.3.3.3.3.3.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in elektronischer Form vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 14.08.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
4.4.4.
die vorstehend zu Ziffer 1.1 bezeichneten, seit dem 14.08.2021 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse
a. aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 10 2006 012 868 B4 erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird, und
b. aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung dieser Erzeugnisse beim jeweiligen Besitzer auf Kosten der Beklagten veranlasst;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer 1.1 bezeichneten, seit dem 14.08.2021 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
11
Die Beklagte beantragt,
1.
die Klage als unbegründet abzuweisen,
2.
hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die von der Beklagten am 20. Juli 2023 eingereichten Nichtigkeitsklage (Az.: ...) auszusetzen.
3.
weiter hilfsweise: der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
4.
weiter hilfsweise: die Zwangsvollstreckung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs unter Wirtschaftsprüfervorbehalt zu stellen.
12
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
13
Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe das Klagepatent nicht verletzt, da jedenfalls Merkmal 1.6 und Merkmal 1.8 nicht erfüllt seien. Auch habe sie die angegriffene Ausführungsform im Gebiet der Bundesreplik Deutschland weder veräußert noch sonst in Verkehr gebracht. Insbesondere habe sie keine Belieferung in Deutschland ansässiger Automobilhersteller vorgenommen. Weder das Zurschaustellen der Pumpe „...“ auf der Nutzfahrzeug-Fachmesse noch der allgemeine Internetauftritt der Beklagten begründeten einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die von der Klägerin geltend gemachte Patentverletzung.
14
Jedenfalls aber sei der Gegenstand des Klagepatents weder neu noch erfinderisch. Das vorliegende Verfahren sei auf Grund der weit überwiegenden Erfolgsaussichten im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht nach § 148 ZPO auszusetzen.
15
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffene Ausführungsform macht nach zutreffender Auslegung (A.I.) von der Lehre des Klagepatents unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch (A.II.). Sowohl das Ausstellen auf der Fachmesse als auch die Präsentation auf der Internetseite stellen jeweils eine Benutzungshandlung im Sinne von § 9 S. 2 PatG dar (A.III.). Das Verfahren war ferner nicht gemäß § 148 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht auszusetzen (B.).
A.
16
I. Das Klagepatent betrifft eine Verdrängerpumpe, wobei der Rotor der Pumpe aus einem Läufer besteht, der mit einer Welle verzahnt ist (Abs. [0001]).
17
1. Zum Stand der Technik erläutert das Klagepatent, dass hinsichtlich der Verzahnung von Welle und Läufer in Verdrängerpumpen zwei Ausführungsformen bekannt seien.
18
Bei einer ersten vorbekannten Ausführungsform erstrecke sich eine Kerbverzahnung über die gesamte Länge des Läufers, wobei der verzahnte Abschnitt der Welle kürzer sein könne. Bei dieser Ausführungsform bestehe ein Spalt zwischen dem Kopfkreis der Verzahnung des Läufers (d.h. den Endabschnitten der Zähne) und einem nicht verzahnten Bereich der Welle. Bei dieser Ausführungsform müssten von der Verzahnung hohe Querkräfte aufgenommen werden, die während des Pumpvorgangs entstünden. Das relativ hohe, fertigungsbedingte Spiel zwischen der Verzahnung des Läufers und der Verzahnung der Welle habe einen unerwünscht hohen Verschleiß sowie störende Geräusche zur Folge (Abs. [0002]).
19
Bei der zweiten Ausführungsform, die aus der DE 37 32 223 C2 und der DE 27 60 391 C2 bekannt sei, erstrecke sich die Verzahnung des Läufers nicht über seine gesamte Breite. Ein auf einer Seite der Verzahnung des Läufers vorhandener nicht verzahnter Bereich diene als Passsitz zur Aufnahme der Querkräfte. Die Teilverzahnung des Läufers sei jedoch aufwändig herzustellen. Durch den einseitigen Passsitz könne es infolge der Querkräfte zu auf den Läufer wirkenden Kippmomenten kommen. Auch diese Ausführungsform habe die Nachteile, dass es zu erhöhtem Verschleiß und störenden Geräuschen komme (Abs. [0003]).
20
2. Hieraus ergibt sich die objektiv zu bestimmende Aufgabe, die Konzentrizität des Läufers und der Welle zu optimieren (Abs. [0004]).
21
3. Als Lösung stellt das Klagepatent den hier geltend gemachten Anspruch 1 vor, der sich gemäß dem Vorschlag der Klägerin wie folgt gliedern lässt:
1 Verdrängerpumpe (10), insbesondere verstellbare Verdrängerpumpe (10),

1.1

mit einem auf einer Welle (12) angeordneten Läufer (11),

1.2

wobei der Läufer (11) eine Bohrung (20) zur Aufnahme der Welle (12) aufweist und

1.3

zwischen der Welle (12) und dem Läufer (11) eine Verzahnung (13, 21) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet,

1.4

dass die Verzahnung (13) der Welle (12) und des Läufers (11) unterschiedlich lang ist;

1.5

dass sich die Verzahnung (21) des Läufers (11) wenigstens annähernd über die gesamte Länge der Bohrung (20) erstreckt;

1.6

dass zu beiden Seiten der kürzeren Verzahnung (13) ein Passsitz zwischen dem Läufer (11) und der Welle (12) vorgesehen ist;

1.7

dass die Welle (12) zu beiden Seiten ihrer Verzahnung (13) Bereiche (14, 15) mit einem kreisförmigen Querschnitt aufweist;

1.8

dass der Kopfkreis der Verzahnung (21) des Läufers (11) und die Welle (12) in den Bereichen (14, 15) ihres kreisförmigen Querschnitts wenigstens annähernd den gleichen Durchmesser aufweisen.

22
4. Diese Lehre bedarf hinsichtlich der Merkmale 1.6 und 1.8 der näheren Erläuterung. Die Kammer legt dabei das Verständnis des Fachmanns, eines Ingenieurs mit abgeschlossenem Hochschulstudium der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Hydraulikpumpen, zu Grunde.
23
a. Flügelzellenpumpen sind eine Unterkategorie der Verdrängerpumpen. Eine verstellbare Verdrängerpumpe wird hauptsächlich für die Beförderung von Flüssigkeiten verwendet, wobei Fördermenge und Druck der geförderten Flüssigkeit reguliert werden. Solche Verdrängerpumpen werden insbesondere in der Automobilindustrie eingesetzt. Beispielsweise können sie als Lenkungspumpen in Pkw und Lkw zur Versorgung eines Lenkgetriebes mit Öl eingesetzt werden. Auf der einen Seite der Pumpe wird mittels Unterdrucks das Fördermedium, z.B. ein Hydrauliköl, angesaugt (sog. „Saugseite“). Auf der anderen Seite wird das Fördermedium durch einen von der Pumpe erzeugten Überdruck herausgepresst (sog. „Druckseite“).
24
Das Kernstück einer Flügelzellenpumpen ist ein Gehäuse, in dem sich ein von einer Welle angetriebener Rotor befindet. Der Hohlraum zwischen Rotor und der Innenwand des Gehäuses definiert ein Innenvolumen. Der Rotor ist exzentrisch in dem Gehäuse angeordnet. Durch die exzentrische Anordnung sind die Abstände zwischen dem Rotor und der Innenwand des Gehäuses auf unterschiedlichen Seiten des Rotors unterschiedlich groß.
25
Auf der Außenseite des Rotors befinden sich Schlitze, in die rechteckige Scheiben, sogenannte Flügel, eingeschoben sind. Die Flügel sind in den Schlitzen verschiebbar, sodass sie, wenn sich der Rotor dreht, durch die Fliehkräfte nach außen getrieben werden und bündig an der Innenwand des Gehäuses anliegen. Auf diese Weise werden mehrere Kammern gebildet, deren Volumen mit dem Fördermedium befüllt wird. Die nachfolgende, aus S. 7 der Klageschrift entnommene, Abbildung stellt die Funktionsweise einer Flügelzellenpumpe schematisch dar:
26
Durch die exzentrische Anordnung des Rotors verändert sich das Volumen jeder Kammer im Laufe einer Umdrehung. Während einer ersten halben Drehung vergrößert sich das Kammervolumen. Währenddessen passiert die Kammer die Ansaugöffnung auf der Saugseite (links im Bild). Durch die Volumenvergrößerung entsteht ein Unterdruck, sodass das Fördermedium in die Pumpe gesaugt wird. Während der zweiten halben Drehung verkleinert sich das Kammervolumen, wodurch ein Überdruck entsteht. An der Austrittsöffnung auf der Druckseite (rechts im Bild) wird das Fördermedium dadurch aus der Pumpe gedrückt.
27
b. Bei der klagepatentgemäßen Verdrängerpumpe befindet sich das rotierende Laufrad (auch „Läufer“) 11 auf einer Welle 12. Läufer und Welle müssen verbunden sein, damit die Energie, die von der Welle ausgeht, auf den Läufer übertragen wird und so den Pumpvorgang ermöglicht. Diese Verbindung kann durch eine Verzahnung realisiert sein, was eine formschlüssige Verbindung beider Teile ermöglicht. Der Anspruch lässt offen, um welche Art der Verzahnung es sich handelt, wobei in den Absätzen [0014] und [0015] verschiedene Verzahnungsarten vorgeschlagen werden. Die nachstehende eingelichteten Figuren 1 und 2 aus dem Klagepatent zeigen die Verzahnung 21 der Welle 12 und des Läufers bzw. innenliegend in der Bohrung 20 des Läufers 11 (Hervorhebungen in Anlehnung an die Beklagte):
28
Auf beiden Seiten der Verzahnung 13 der Welle 12 befinden sich Bereiche mit einem kreisförmigen Querschnitt (14, 15), die zusammen mit der Verzahnung 21 des Läufers 11 einen Passsitz bilden. Die Beschreibung des Klagepatents definiert den Begriff „Passsitz“ nicht. Das ist auch nicht notwendig, da die Fachperson auf Grundlage des allgemeinen Fachwissens verschiedene Ausgestaltungen eines solchen Passsitzes kennt und für über Wellen zu schiebende Zahnräder eine Spielpassung auswählen würde (vgl. Rn. 19 der Klageerwiderung).
29
Bei der klagepatentgemäßen Verdrängerpumpe sind die Verzahnungen der Welle und des Läufers unterschiedlich lang, Merkmal 1.4.
30
Zu beiden Seiten der kürzeren Verzahnung ist ein Passsitz zwischen Läufer und Welle vorgesehen, Merkmal 1.6. Da die kürzere Verzahnung zwischen den beiden Passsitzen angeordnet ist, wird die Konzentrizität der Welle und des Läufers deutlich verbessert. Die Querkräfte werden durch den Passsitz übertragen. Merkmalsgemäß sind zumindest derartige Spielpassungen zwischen Welle und Läufer ausgeschlossen, bei denen Querkräfte im Betrieb gar nicht mehr übertragen werden können, da ein Kraftfluss zwischen Läufer und Welle nach Abs. [0005] in den Teilbereichen neben der Verzahnung mit dem beanspruchten Passsitz zwingend ist. Ein Passsitz liegt auch nicht vor, wenn zwischen dem Kopfkreis der Verzahnung des Läufers und dem nicht verzahnten Bereich der Welle ein Spalt besteht, da in diesem Fall die Querkräfte von der Verzahnung aufgenommen werden müssen, was zu einem hohen Verschleiß führt. Dies wird auch aus Abs. [0002], (Mitte des Absatzes) deutlich, der diese aus dem Stand der Technik bekannte Ausgestaltung als nachteilig bewertet.
31
Demgegenüber wird das Drehmoment über die ineinander eingreifenden Zähne der Verzahnung übertragen. Die Querkraft- und die Drehmomentenübertragung sind also voneinander getrennt. Die Belastung auf die Zahnflanken der Verzahnung resultiert aus der Drehmomentenübertragung und ist dadurch geringer, wodurch der Verschleiß der Verzahnung deutlich reduziert wird. Außerdem werden durch die Konzentrizität der Welle und des Läufers störende Geräusche aus der Verdrängerpumpe minimiert (Abs. [0005], [0022]). Daher sind Presspassungen ausgeschlossen, die die angestrebte Trennung von Querkraft- und Drehmomentenübertragung behindern, da sich sonst der angestrebte Erfolg nicht einstellen könnte.
32
Der Kopfkreis der Verzahnung des Läufers und die Welle in den Bereichen ihres kreisförmigen Querschnitts weisen wenigstens annähernd den gleichen Durchmesser auf, Merkmal 1.8. Dies ermöglicht einen zuverlässigen Passsitz (Abs. [0009]). Daraus wird deutlich, dass Merkmal 1.6 funktional in engem Zusammenhang mit Merkmal 1.8 steht. Der erfindungsgemäße Passsitz ist auch in Figur 4 des Klagepatents dargestellt:
Das Klagepatent fordert dabei nicht, dass der Durchmesser des Kopfkreises des Läufers und der Durchmesser der Welle in den Bereichen ihres kreisförmigen Querschnitts exakt gleich sein müssen. Vom Klagepatent sind jedenfalls solche Ausführungsformen nicht erfasst, bei denen der Unterschied zwischen den diesen beiden Durchmessern so groß ist, dass die in Merkmal 1.6 erfasste Funktion, nämlich die Aufnahme der Querkräfte durch den Passsitz, nicht mehr gewährleistet ist. Dem Fachmann ist aber bewusst, dass ein gewisses Spiel gewährleistet sein muss, weil ansonsten der Läufer nicht auf die Welle gesteckt werden könnte.
33
II. Die angegriffene Ausführungsform macht von der patentgemäßen Lehre unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch. Die Merkmale 1.6 und 1.8 sind verwirklicht. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale steht zwischen den Parteien zurecht nicht in Streit.
34
Eine Verwirklichung eines Merkmals liegt vor, wenn die angegriffene Ausführungsform aufgrund ihrer Beschaffenheit und Verwendungstauglichkeit objektiv in der Lage ist, die Merkmale des Patentanspruchs zu erfüllen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 16. Auflage 2024, A. 157). Eine Benutzung besteht auch, wenn nur in Ausnahmefällen eine Verwirklichung aller Merkmale gegeben ist (Haedicke/Timmann, in: Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Auflage 2020, § 12 Rn. 13 m.w.N.; BGH GRUR 2006, 399, 401, Rn. 21 – Rangierkatze). Es wird bei der Bewertung einer Benutzung auf die Gemeinsamkeiten zwischen geltend gemachtem Anspruch und der angegriffenen Ausführungsform geachtet, nicht auf die Unterschiede (Werner, in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage 2020, § 14 Rn. 54 m.w.N.).
35
1. Merkmal 1.6 ist unmittelbar und wortsinngemäß verwirklicht. Unstreitig befinden sich bei der angegriffenen Ausführungsform neben der kürzeren Verzahnung auf der Welle glatte Flächen. Diese bilden mit dem Kopfkreis der Verzahnung des Läufers einen Passsitz. Dabei ist es wie oben ausgeführt unschädlich, dass nach dem unbestrittenen Klägervortrag der Durchmesser des Kopfkreises des Läufers 22,1 mm und der Durchmesser der Welle in den Bereichen ihres kreisförmigen Querschnitts 22 mm beträgt und keine exakte Übereinstimmung der beiden Durchmesser besteht.
36
Die Beklagte hat die Merkmalsverwirklichung mit dem Argument bestritten, dass nach dem klägerischen Vortrag bei der angegriffenen Ausführungsform ein Spiel von 50 µm auf jeder Seite bestehe. Somit befände sich zu beiden Seiten der kürzeren Verzahnung ein Spalt zwischen Läufer und Welle der angegriffenen Ausführungsform, was nach den Ausführungen der Klägerin nicht anspruchsgemäß sei.
37
Mit diesem Vorbringen kann die Beklagte nicht durchdringen. Das Spiel von lediglich 50 µm auf jeder Seite dient dazu, ein Aufschieben des Läufers auf die Welle zu ermöglichen. Dass dieses Spiel derart groß ist, dass nicht mehr von einem Passsitz zu sprechen wäre, ist nicht ersichtlich. Die Funktion des Merkmals 1.6., nämlich die Querkräfte aufzunehmen, wird durch die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung erfüllt.
38
Die nachfolgende, Blatt 16 der Klageschrift entnommene Abbildung zeigt eine vergrößerte Darstellung der Verzahnung der Welle und der benachbarten Bereiche. Dort sind in den glatten Bereichen die Belastungsspuren zu erkennen, die der passend sitzende Kopfkreis der Verzahnungen des Läufers auf der Welle hinterlassen hat. Daraus ergibt sich, dass sich der Läufer auf dem Außenbereich der Welle abstützt und die Querkräfte nicht vom Zahnkranz abfangen werden müssen. Diese Spuren lassen sich auch nicht als reine Ölspuren erklären, die beim Zusammenfügen von Welle und Läufer entstanden sind, da diese sich auf den verzahnten Bereich des Läufers beschränken und nicht entlang der gesamten Länge des Läufers sichtbar sind.
39
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ansicht der Beklagten ist die Übertragung der Querkräfte nicht nur dann gegeben, wenn das geringstmögliche Spiel zwischen Welle und Läufer gewählt wird. Gerade im Hinblick auf die mit einer geringeren Toleranz (und damit höheren Präzision) einhergehenden höheren Fertigungskosten ist es geboten, das Spiel so groß wie möglich und so fein wie nötig zu konstruieren. Also einen Kompromiss zwischen einer einfacheren Fertigung und einer dennoch dauerhaft gut möglichen praktischen Nutzbarkeit herzustellen. In diesem Zusammenhang ist auch dem von der Klagepartei vorgetragenen Argument zuzustimmen, dass der Bereich des Passsitzes bei der angegriffenen Ausführungsform mit erhöhtem Aufwand bearbeitet, nämlich poliert ist, wobei die Oberseite des Zahnkranzes wie auch die jeweiligen Zahnbögen unbehandelt geblieben sind. Dies ist mit der dem Bereich des Passsitzes zukommenden Funktion in Einklang zu bringen.
2.Damit ist auch Merkmal 1.8 unmittelbar und wortsinngemäß verwirklicht, zumal der Unterschied von 0,1 mm zwischen dem Durchmesser des Kopfkreises des Läufers und dem Durchmesser der Welle in den Bereichen ihres kreisförmigen Querschnitts zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Pumpe erforderlich ist.
III.
40
1. Die angegriffene Ausführungsform ist von der Beklagten auf der Messe „IAA TRANSPORTATION“ im Sinne von Art. 64 EPÜ i.V.m. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG angeboten worden.
41
Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen (OLG Düssseldorf, GRUR-RS 2016, 21218, Rn. 61). Ein Anbieten liegt vor, wenn eine im Inland begangene Handlung nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbare Art und Weise zum Erwerb zur Verfügung stellt (BGH, GRUR 2006, 927, Rn. 14 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2014, 16067, Rn. 33 – Sterilcontainer). Das Ausstellen eines Verletzungsgegenstandes auf einer Verkaufsmesse stellt problemlos ein Anbieten (an die unbestimmte Vielzahl der Messebesucher) dar (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2014, 16067 – Sterilcontainer; OLG Düssseldorf, GRUR-RS 2016, 21218, Rn. 62). Das Ausstellen von Waren auf einer inländischen Fachmesse ist ein Anbieten im Sinne des § 9 PatG, soweit es sich nicht ausnahmsweise um die Teilnahme an einer reinen Leistungsschau handelt. Auf einer Fachmesse verfolgen die Aussteller mit ihren Präsentationen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie von den Messebesuchern nachgefragt werden. Das Ausstellen ist bestimmt und dazu geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (OLG Düssseldorf, GRUR-RS 2016, 21218, Rn. 63; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2014, 16067, Rn. 34 f. – Sterilcontainer). Da § 9 PatG dem Patentinhaber zum einen ein Alleinnutzungsrecht gewähren und zum anderen effektiven Rechtsschutz sicherstellen will, kann ein Anbieten nicht erst dann angekommen werden, wenn der Anbietende ein wirksames Vertragsangebot im Sinne von § 145 BGB unterbreitet. Maßgeblich ist nur, ob mit der konkreten Handlung ein Interesse an dem patentverletzenden Gegenstand geweckt werden kann, das mit dem Angebot zu befriedigen in Aussicht gestellt wird (OLG Düssseldorf, GRUR-RS 2016, 21218, Rn. 62).
42
Nach diesen Gesichtspunkten ist ein Ausstellen auf einer Fachmesse regelmäßig als Anbieten zu bewerten. Das Ausstellen der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe „IAA TRANSPORT 2022“ stellt schon deshalb ein tatbestandsmäßiges Anbieten dar, weil es sich bei der Messe „IAA TRANSPORT“ um eine Verkaufsmesse und nicht nur eine Leistungsschau handelt. Es kann dahingestellt bleiben, ob es der Beklagten darum ging, auf der Messe konkrete Verträge zu schließen und Angebote zu unterbreiten. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung soll jedenfalls ein Interesse an den ausgestellten Produkten geweckt werden. Dabei ist es unerheblich, ob für den Besucher der Messe durch Zeigen von technischen Details oder dem Innenleben der angegriffenen Ausführungsform erkennbar ist, welche technische Detaillösung die angegriffene Ausführungsform aufweist.
43
Wie aus der oben eingeblendeten Abbildung verdeutlicht wird, konnte die Verdrängerpumpe auf dem Messestand der Beklagten besichtigt werden. Eines zwingenden Verkaufsgesprächs mit einem der Mitarbeiter der Beklagten bedurfte es offenbar nicht. Zudem ist es bei lebensnaher Betrachtung ohnehin unwahrscheinlich, dass verbindliche Vereinbarungen unmittelbar auf einer Messe geschlossen werden. Vielmehr dient eine Messe typischerweise der Anbahnung von Geschäften und einem ersten Kennenlernen. In aller Regel werden sich dann Verhandlungen anschließen, die auch erforderlich sind, um den komplexen Strukturen von Zulieferbeziehungen gerecht zu werden, bei denen neben dem Preis und dem Produkt auch Aspekte wie Liefersicherheit und Kontinuität eine wesentliche Rolle spielen. Anderweitiges behauptet auch die Beklagte nicht.
44
Nachdem die Beklagte auch nicht in unmittelbarer Nähe zu der ausgestellten Pumpe in einer glaubhaften und nicht nur vorgeschobenen Weise deutlich darauf hinweisen hat, dass sie nicht in der Bundesrepublik Deutschland erhältlich ist, hat sie bereits durch das bloße Ausstellen eine auch auf das Inland bezogene Nachfrage nach dem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt, die zu befriedigen in Aussicht gestellt wird.
45
2. Darüber hinaus stellt auch der Internetauftritt der Beklagten eine eigenständige Benutzungshandlung dar. Der Beklagten ist zuzugeben, dass online verfügbare Inhalte nicht schon deswegen schutzrechtsverletzend sind, weil sie vom Inland aus abgerufen werden können, und dass sich aufgrund der Gesamtabwägung aller Umstände ein wirtschaftlich relevanter Bezug zum Inland ergeben muss (so auch Kühnen, a.a.O., A 422). Dieser Bezug kann auch gegeben sein, wenn die Internetseite in einer in Fachkreisen im Inland geläufigen Fremdsprache abgefasst ist (LG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2008, Az. 4b O 280/07 – Geogitter). Auch wenn ein relevanter Interessentenkreis in der Bundesrepublik Deutschland ihren Sitz hat oder hier Geschäftsaktivitäten entfalten, kann der erforderliche Inlandsbezug vorliegen (Kühnen, a.a.O.).
46
Ein in einer Fremdsprache abgefasster Internetauftritt weist jedenfalls dann einen für ein Anbieten nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG erforderlichen Inlandsbezug auf, wenn kumulativ feststeht, dass es sich (1.) um eine für den relevanten Markt gängige Fremdsprache handelt, ein maßgeblicher Interessentenkreis im Inland sitzt und (2.) der Betreiber der Internetseite im Inland bereits anderweitige Angebotshandlungen vorgenommen hat. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn deutlich darauf hingewiesen wird, dass eine Lieferung ins Inland nicht erfolgt.
47
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die ... Beklagte richtet ihren englischsprachigen Internetauftritt an internationale Kunden und dabei insbesondere an größere Firmen, bei denen die Verwendung von Englisch im Geschäftsverkehr den Regelfall darstellt. Die Beklagte bietet sehr spezielle Produkte an, bei denen es weltweit nur eine überschaubare Anzahl an Abnehmern gibt. Bei diesen Abnehmern handelt es sich regelmäßig um Automobilhersteller oder Zulieferer, sodass Deutschland weltweit einen wichtigen Markt darstellt. Darüber hinaus wirbt die Beklagte auf ihrer Internetseite gerade mit den Namen deutscher Partner wie .... Damit erweckt sie für den verständigen Betrachter den Eindruck, dass eine Lieferbereitschaft nach Deutschland bestehe. Ob bereits patentverletzende Produkte ins Inland geliefert wurden, ist unerheblich, da bereits der Anschein der Lieferwilligkeit ein Anbieten im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG darstellt.
48
Noch deutlicher wird der Inlandsbezug, wenn man sich vor Augen führt, dass die Beklagte auch an der Verkaufsmesse IAA TRANSPORTATION 2022 teilgenommen hat. Weder auf der Verkaufsmesse noch auf der Internetseite fand sich ein Hinweis darauf, dass eine Lieferung nach Deutschland ausgeschlossen wäre. Vor diesem Hintergrund ist Gestaltung des Internetauftritts in englischer Sprache ein Inlandsbezug und damit ein Anbieten nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG gegeben.
49
IV. Demzufolge war die Beklagte wie tenoriert gemäß Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 2, 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB, § 256 ZPO zu verurteilen.
B.
50
Für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO wegen der eingereichten Nichtigkeitsklage besteht vor dem Hintergrund des hierzu erfolgten Vortrags sowie des Hinweisbeschlusses des Bundespatentgerichts kein Anlass.
51
I. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammern des Landgerichts München I (vgl. GRUR-RS 2023, 26656 Rn. 93; GRUR-RS 2019, 31034 Rn. 66; GRUR-RS 2019, 31037 Rn. 63; BeckRS 2018, 41093 Rn. 147) stellen ein Einspruch oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen. Das ist dem Gesetz jedoch fremd. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
52
Aufgrund des Vortrags der Beklagten kann vorliegend nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Widerrufs des Klagepatents ausgegangen werden.
53
II. Die Beklagte macht geltend, die klagepatentgemäße Erfindung sei durch die Entgegenhaltung NK 12 neuheitsschädlich vorweggenommen bzw. im Hinblick auf die Zusammenschau der Anlagen NK 13 und NK 14 oder jedenfalls NK 15 in Kombination mit NK 14 oder allgemeinem Fachwissen zum Prioritätszeitpunkt nicht erfinderisch. Hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen nimmt die Kammer auf den Hinweisbeschluss des Bundespatentgerichts Bezug und macht sich die dortigen Ausführungen zu eigen.
Im Einzelnen:
54
1. Die Beklagte meint, die Entgegenhaltung DE 100 39 347 A1 (= Anlage NK 12) betreffend eine Hydraulikpumpe mit variabler Fördermenge offenbare alle klagepatentgemäßen Merkmale. Insbesondere zeige eine vergrößerte Ansicht der nachfolgend eingelichteten Figur 2 (Hervorhebungen in Anlehnung an die Beklagtenpartei) der NK 12 einen Passsitz zwischen Läufer (25) und Welle (26).
55
Ein Neuheitsschädlichkeit der NK 12 kann die Kammer nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Zum einen ist der in Merkmal 1.6 des Klagepatents beanspruchte Passsitz in der Beschreibung nicht erwähnt. Zudem offenbaren schematische Darstellungen, wie sie üblicherweise in Patentschriften zu finden sind, in der Regel nur das Prinzip der beanspruchten Vorrichtung, nicht aber exakte Abmessungen (BGH GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung). Dass dies vorliegend anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Zudem zeigt eine vergrößerte Abbildung der Figur 3A der NK 12, welche dasselbe Ausführungsbeispiel darstellt, dass bei diesem Ausführungsbeispiel ein Spalt zwischen der Welle 26 und dem Läufer 25 vorgesehen ist. Es handelt sich mithin um eine vorbekannte Gestaltung mit einem Spalt, die in Abs. [0002] des Klagepatents als nachteilig beschrieben wird und von der sich die Erfindung durch das Merkmal 1.6 abgrenzt.
56
2. Die Beklagte trägt vor, der Gegenstand des Anspruchs 1 ergebe sich in naheliegender Weise aufgrund einer Kombination der Offenbarungen der NK 13 und NK14 und aus der Kombination von NK 15 mit NK 14 bzw. dem allgemeinen Fachwissen. Dem kann nicht gefolgt werden, da für den Fachmann kein Anlass bestand oder erkennbar war, die in NK 13 offenbare Kraftstoffeinspritzpumpe mit der in NK 14 thematisierten Welle-Nabe-Verbindung eines CVT-Getriebes zu kombinieren, zumal sich die Welle-Nabe-Verbindungen dieser beiden Baugruppen gravierend voneinander unterscheiden. Auch zu einer Kombination der NK 15 mit NK 14 oder dem allgemeinen Fachwissen bestand kein Anlass.
57
3. Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 28.03.2024 keine Ausführungen dazu gemacht, warum die seitens des Bundespatentgerichts getroffene Einschätzung der Rechtsbeständigkeit des Klagepatents fehlerhaft sein soll. Erst recht hat sie keinen offensichtlichen Mangel des Hinweises dargestellt.
58
III. Demnach übt die Kammer ihr Ermessen gemäß § 148 ZPO dahingehend aus, den Rechtsstreit nicht im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht auszusetzen.
C.
59
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
60
§ 712 ZPO ist nicht anzuwenden, weil die Beklagtenseite einen über die üblichen Nachteile einer Vollstreckung hinausgehenden, nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Vollstreckung nicht dargetan hat.