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VG Würzburg, Urteil v. 15.01.2024 – W 8 K 23.50
Titel:

Versagungsgegenklage, Aufstockungsklage, Direktzahlungsprogramm, DZP, Flächenmonitoringsystem, FMS, automatisierte Beobachtung und Auswertung der Flächennutzung über Sentinel-Satellitendaten, Vor-Ort-Kontrolle, Flächenabzug, Sanktion, Nichteinhaltung der Mindesttätigkeit, unterlassenes Mulchen, defektes Mulchgerät, anderweitiges Arbeitsaufkommen wegen Christbaumkulturen, keine höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände, keine Ausnahmegenehmigung, Verhältnismäßigkeit

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5
DirektZahlDurchfV § 2
VO (EU) 1306/2013 Art. 2 Abs. 2
VO (EU) 1307/2013 Art. 32
Delegierte VO (EU) 640/2014 Art. 4
Delegierte VO (EU) 640/2014 Art. 19a Abs. 1
Schlagworte:
Versagungsgegenklage, Aufstockungsklage, Direktzahlungsprogramm, DZP, Flächenmonitoringsystem, FMS, automatisierte Beobachtung und Auswertung der Flächennutzung über Sentinel-Satellitendaten, Vor-Ort-Kontrolle, Flächenabzug, Sanktion, Nichteinhaltung der Mindesttätigkeit, unterlassenes Mulchen, defektes Mulchgerät, anderweitiges Arbeitsaufkommen wegen Christbaumkulturen, keine höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände, keine Ausnahmegenehmigung, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 1149

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Voll-streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung bzw. Ablehnung landwirtschaftlicher Subventionen für das Jahr 2022, konkret gegen die Kürzung von Direktzahlungen in Höhe von 565,84 EUR für das Förderjahr 2022 im vorliegenden Verfahren sowie gegen die Ablehnung der Ausgleichszulage für 2022 in Höhe von 315,86 EUR im Verfahren W 8 K 23.51.
2
Mit Mehrfachantrag vom 11. April 2022 beantragte der Kläger für das Förderjahr 2022 die Direktzahlungen gemäß Titel III der VO (EU) 1307/2013 sowie die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gemäß Art. 31 und 32 VO (EU) 1305/2013. Er beantragte dabei insbesondere das Feldstück (FS) 302 „M. … *“ neben anderen Feldstücken mit dem Nutzungscode (NC) 591 (Ackerland aus der Erzeugung genommen) mit insgesamt 0,9056 ha.
3
Im Wege der automatisierten Beobachtung und Auswertung der Flächennutzung über Sentinel-Satellitendaten im Rahmen des Flächenmonitoringsystems (FSM) sowie bei einer physischen Vor-Ort-Kontrolle durch schnelle Feldbegehung stellte der Prüfdienst am 21. November 2022 fest, dass für das FS 302 die geforderte Mindesttätigkeit nicht erfüllt gewesen sei. Das Prüfteam codierte die Flächen in Höhe der ermittelten Gesamtfläche von 0,9256 ha (beantragt 0,9056 ha) von NC 591 „Ackerland aus der Erzeugung genommen“ auf NC 990 „nicht landwirtschaftlich genutzte Fläche“ um.
4
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2022 gewährte das Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) S. dem Kläger für das Jahr 2022 Direktzahlungen aus den Mitteln der EU in Höhe von 508,37 EUR. Dabei berücksichtigte es die Abweichung der Fläche in Höhe von 0,9056 ha sowie eine 1,5-fache Sanktion der Fläche und reduzierte den Auszahlungsbetrag entsprechend um 565,84 EUR.
5
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2022 lehnte das AELF S. den Antrag des Klägers auf Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten in Höhe von 315,86 EUR ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger nach Feststellung der Prüfer mit seinem Betrieb nicht mehr mindestens 3,0 ha landwirtschaftliche Fläche (LF) in benachteiligten Gebieten Bayerns bewirtschafte.
6
Einen Tag nach Klageerhebung (Klageeingang 12.1.2023) legte der Kläger Widerspruch gegen beide Bescheide ein (Widerspruchseingang 13.1.2023) und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Flächen, die tatsächlich landwirtschaftlich genutzt würden, würden nicht anerkannt. Dies sei völlig unverhältnismäßig. Denn nur, weil eine Fläche nicht gemulcht worden sei, resultierten daraus Forderungen bzw. ein finanzieller Schaden für ihn von ca. 6.000,00 EUR. Im Jahr 2020 habe er die Fläche mit einer eigenen Wildackermischung (Sonnenblumen, Klee und diverse Blumenmischungen) eingesät. Sonnenblumen als Deckung für Wild und Winteräsung im Winter für Vögel. Klee als Deckung für Niederwild und Bodenbrüter und als Äsung für Niederwild und Insekten (Blüte). Blühsaaten als Nahrung und Lebensraum für Insekten. Er habe die Fläche mulchen wollen, doch leider sei das dafür vorgesehene Mulchgerät der GJR-R. von September bis Oktober in Reparatur gewesen. Des Weiteren sei der Hauptbestandteil seines landwirtschaftlichen Betriebes die Produktion von Christbäumen, was bedeute, dass er ab Mitte Oktober ein erhöhtes Arbeitsaufkommen habe, um seine Saison vorzubereiten und durchzuführen. Dies habe es ihm unmöglich gemacht, die Fläche zu mulchen. Er habe gedacht, da er nun letztlich mit den Saatmischungen auch ein Biotop geschaffen habe, werde dies sicher jeder verstehen, warum er nicht pünktlich gemulcht habe. Des Weiteren stelle er einen Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme von der jährlichen Mulch- bzw. Mähverpflichtung auf aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommenen Flächen gemäß § 2 Abs. 2 der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung (DirektZahlDurchfV). Jetzt habe er die Flächen gemulcht.
7
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Bescheid vom 15. März 2023 wegen Unzulässigkeit zurück (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 3 AGVwGO).
II.
8
1. Schon mit Schreiben vom 11. Januar 2023, bei Gericht eingegangen am 12. Januar 2023, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des AELF S. vom 12. Dezember 2022 betreffend die Direktzahlungen gemäß Titel III der VO (EU) 1307/2013 und erklärte, er sei nicht damit einverstanden, dass man ihm die Fläche nicht anerkenne.
9
Mit Schreiben vom 22. März 2023 teilte der Kläger mit, er warte noch auf Rückmeldung vom AELF, was nun mit den KULAP-Rückforderungen von über 4.000,00 EUR für 2018 bis 2021 sei. Dieser Bescheid sei der Hauptgrund für die Klage.
10
Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2023 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten zur Klagebegründung im Wesentlichen ausführen: Der Kläger habe der Landwirtschaftsverwaltung gegenüber glaubhaft machen können, dass ihm rechtzeitiges Mulchen der streitgegenständlichen Fläche zeitlich nicht möglich gewesen sei; zum einen wegen der Reparatur des Mulchgeräts, zum anderen aufgrund seiner Christbaumkultur (saisonbedingt kurz vor Weihnachten). Weiter müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger auf der streitgegenständlichen Fläche eine Wildackermischung angesät gehabt habe, die dem Naturschutz und Tierschutz gerade in den Herbst- und Wintermonaten zugutegekommen sei. Die Fläche sei erst nachträglich vom Kläger gemulcht worden. Dies könne ihm nicht zu seinem finanziellen Nachteil ausgelegt werden. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass er letztlich durch seine 12 ha umfassende Christbaumkultur weitere landwirtschaftliche Flächen vorhalte, so dass er letztlich nicht unter die 3 ha-Grenze falle. Schließlich habe der Kläger noch einen Antrag auf Ausnahme der jährlichen Mulch- und Mähverpflichtung gestellt, nach dem ein Mulchen im zweijährigen Turnus ausreichend wäre. Der Antrag sei bislang nicht weiter berücksichtigt worden, obwohl es möglich gewesen wäre. Insgesamt verstoße der Bescheid insbesondere gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies gelte umso mehr, wenn man die weitere geplante Vorgehensweise der Landwirtschaftsverwaltung im Hinblick auf die mit der Streichung der Ausgleichszulage in Verbindung stehende Rückforderung der KULAP-Prämien in Höhe von insgesamt ca. 5.000,00 EUR betrachte.
11
2. Der Beklagte, vertreten durch die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) L., trat der Klage mit Schriftsatz vom 2. Februar 2023 entgegen und brachte weiter vor: Der Streitwert betrage nach ihren Berechnungen im Bereich der Direktzahlungen 565,84 EUR und für die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten 315,86 EUR.
12
Mit Schriftsatz vom 25. August 2023 führte die FüAk zur Begründung der Klageerwiderung im Wesentlichen aus: Bei der Mehrfachantragstellung (MFA) habe der Kläger versichert, von den Verpflichtungen oder Hinweisen Kenntnis genommen zu haben, die unter anderem in den Broschüren „Umsetzung der EU-Agrarreform in Deutschland Ausgabe 2015“ und „Cross Compliance 2022“, im Merkblatt zum Mehrfachantrag, in den Merkblättern zu den beantragten Einzelmaßnahmen sowie in der Anleitung zum Ausfüllen des Flächen- und Nutzungsnachweises (FNN) genannt seien. Weiter habe der Kläger versichert, die sich daraus ergebenden Verpflichtungen einzuhalten und die Fördervoraussetzungen zu erfüllen. Er habe zudem bestätigt, dass seine in dem Antrag und in den Anlagen enthaltenen Angaben richtig und vollständig seien sowie seine Erklärungen im Antrag eingehalten würden.
13
Unter Abschnitt C auf Seite 4 des Merkblatts zum MFA 2022 werde darauf hingewiesen, dass ein Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände dem AELF innerhalb von 15 Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt, ab dem der Antragsteller hierzu in der Lage sei, schriftlich mitzuteilen sei. Nicht nur im Rahmen der Direktzahlungen, wo eine Mindesttätigkeit gefordert werde, sondern auch im Rahmen der Ausgleichszulage seien Flächen nur förderfähig, wenn sie entsprechend genutzt würden, vgl. Merkblatt zum MFA, Abschnitt D Nr. 2.1 erstes Tiret und Nr. 5 viertes Tiret. Beihilfefähig sei eine landwirtschaftliche Fläche, die für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt werde. Zur landwirtschaftlichen Tätigkeit zähle auch die Erhaltung von aus der Erzeugung genommenen Flächen im guten landwirtschaftlichen ökologischen Zustand, in dem der Aufwuchs jährlich mindestens einmal vor dem 16. November gemäht und das Mähgut abgefahren oder der Aufwuchs zerkleinert und ganzflächig verteilt werde. Auf Antrag könne aus Natur-/Umweltschutzgründen ein zweijähriger Rhythmus genehmigt werden. Nach Abschnitt D Nr. 2.1 drittes Tiret des Merkblattes seien Christbaumkulturen im FNN anzugeben, gehörten jedoch nicht zur landwirtschaftlichen Fläche und seien daher auch nicht beihilfefähig. Weiterhin sei im Abschnitt D Nr. 5 viertes Tiret des Merkblattes zum MFA 2022 festgehalten, dass die AGZ nur Betriebsinhabern mit Betriebssitz in Bayern erhalten könnten, die mindestens 3 ha LF in benachteiligten Gebieten in Bayern bewirtschafteten.
14
Zur Ablehnung AGZ: Gemäß Nr. 4 der Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (AGZ) gemäß der Verordnung (EU) 1305/2013 vom 1. März 2019 – im Folgenden: AGZ-Richtlinie – müsse der Zuwendungsempfänger eine landwirtschaftliche Fläche (LF) von mindestens 3 ha in benachteiligten Gebieten in Bayern bewirtschaften (Förderkriterium). Mit Antrag vom 11. April 2022 habe der Kläger Flächen in Höhe von insgesamt 3,7114 ha für die Ausgleichszulage beantragt. Nach Aberkennung des FS 302 mit 0,9056 ha seien nur noch landwirtschaftlich genutzte Flächen (LF) in Höhe von 2,8058 ha für eine Förderung berücksichtigungsfähig gewesen, womit der Kläger unter die von der AGZ-Richtlinie geforderte 3 ha-Grenze gefallen sei. Der Antrag sei wegen Nichterfüllung der Förderkriterien abzulehnen. Auf die entsprechenden Fundstellen im Merkblatt zum MFA 2022 werde hingewiesen. Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b) VO (EU) 1306/2013 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. e) VO (EU) 1307/2013 seien landwirtschaftliche Flächen alle Flächen, die als Ackerland, Dauergrünland oder Dauerweideland oder Dauerkulturen genutzt würden. Flächen mit Christbaumkulturen erfüllten diese Voraussetzungen nicht. Im Merkblatt zum MFA 2022 würden Christbaumkulturen explizit als nicht beihilfefähig bezeichnet. Sie könnten damit auch nicht der 3 ha-Grenze angerechnet werden. Auch unter Nr. 3.1 der Anleitung zum Ausfüllen des Flächen- und Nutzungsnachweises werde dargestellt, dass Christbaumkulturen keine landwirtschaftlich genutzten Flächen seien. Der Nutzungscode 983 für Christbaumkulturen sei auch nicht in der Anleitung zum Ausfüllen des FNN unter den Nutzungscodes für FS mit Acker-, DG-, Dauerweideland- oder Dauerkulturstatus aufgeführt. Christbaumkulturen würden seit dem Jahr 2014 nicht mehr zur landwirtschaftlich genutzten Fläche gerechnet.
15
Zur Kürzung DZP: Gemäß Art. 32 Abs. 1 der VO (EU) 1307/2013 werde den Betriebsinhabern eine Stütze gewährt, sofern und soweit Zahlungsansprüche (ZA) mit Direktzahlungen mit beihilfefähiger Fläche aktiviert worden seien. Eine beihilfefähige Fläche sei gemäß Art. 32 Abs. 2 VO (EU) 1307/2013 eine Fläche, die für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt werde oder, wenn die Fläche auch für eine nicht landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt werde, hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt werde. Weiterhin müssten die Flächen nach Art. 32 Abs. 4 VO (EU) 1307/2013 jederzeit während des Kalenderjahres die Begriffsbestimmung für die beihilfefähige Fläche erfüllen, was nicht gegeben gewesen sei. Das FS 302 mit beantragter Fläche in Höhe von 0,9056 ha sei im Jahr 2022 nicht bis mindestens 15. November 2022 gemulcht bzw. genutzt worden, was der Kläger auch eingestanden habe. Auf die entsprechenden Fundstellen im Merkblatt werde hingewiesen. Gemäß Art. 19a Abs. 1 der Delegierten VO (EU) 640/2014 werde bei einer Flächenübererklärung die Beihilfe oder Stützung auf der Grundlage der ermittelten Fläche berechnet und um das 1,5-fache (= Sanktionskarte rot) der festgestellten Differenz (ermittelte zur gemeldeten Fläche) gekürzt, wenn diese Differenz mehr als 3% der ermittelten Fläche oder mehr als 2 ha betrage. Zusätzlich sei unter Art. 19a Abs. 2 der Delegierten VO (EU) 640/2014 Folgendes geregelt: Seien für den Begünstigten keine Verwaltungssanktionen gemäß Abs. 1 wegen Übererklärung von Flächen für die betreffende Beihilferegelung oder Stützungsmaßnahmen verhängt, so werde die in Abs. 1 genannte Verwaltungssanktion um 50% gekürzt (1,5 / 2 = 0,75-fach = Sanktionskarte gelb), wenn die Differenz zwischen der gemeldeten Fläche und der ermittelten Fläche nicht mehr als 10% der ermittelten Fläche betrage (sogenannte gelbe Karte). Für das Jahr 2022 sei die Förderung der Betriebsprämie, Greeningprämie und Umverteilungsprämie insgesamt für 3,5927 ha beantragt worden. Beim Abzug des FS 302 mit 0,9056 ha habe nur noch eine beihilfefähige Fläche in Höhe von 2,6871 ha vorgelegen. Ausgehend von der beihilfefähigen Fläche habe eine relative Abweichung in Höhe von 33,70% vorgelegen, was zur Folge gehabt habe, dass die beihilfefähige Fläche zusätzlich um das 1,5-fache der Abweichung für die Betriebsprämien und Umverteilungsprämien habe gekürzt werden müssen. Die Greeningprämie werde nicht sanktioniert. Damit ergäben sich für die Berechnung der Betriebsprämie und der Umverteilungsprämie jeweils eine beihilfefähige Fläche in Höhe von 1,3287 ha und für die Greeningprämie eine beihilfefähige Fläche in Höhe von 2,6871 ha. Die Berechnung im Bescheid vom 12. Dezember 2022 sei korrekt. Darauf werde verwiesen.
16
Soweit die Klägerseite angebe, dass das Mulchgerät, welches zur Erfüllung der verpflichtenden Mindesttätigkeit bis spätestens 16. November herangezogen hätte werden sollen, defekt gewesen sei und der Kläger über kein eigenes Mulchgerät verfügt habe, sei anzuführen, dass gemäß Art. 4 Delegierten VO (EU) 640/2014 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013 als Fälle „höherer Gewalt“ und „außergewöhnlicher Umstände“ insbesondere folgende Fälle bzw. Umstände anerkannt würden: Tod, Berufsunfähigkeit, Naturkatastrophe, Zerstörung von Stallgebäuden, Seuchen oder Pflanzenkrankheit und Enteignung. Als Ausnahme von der Regel sei der Begriff der höheren Gewalt bzw. der außergewöhnlichen Umstände restriktiv auszulegen, da die in der Verordnung genannten Kategorien sehr schwerwiegend seien und im weiteren Sinn auch eine Existenzgefährdung für den Antragsteller beinhalteten. In Anlehnung an die nicht abschließende Aufzählung seien von der Rechtsprechung Kriterien herausgearbeitet worden. Demnach sei der Begriff der höheren Gewalt bzw. der außergewöhnlichen Umstände nicht auf eine absolute Unmöglichkeit beschränkt, sondern als ungewöhnlicher, vom Willen des Betroffenen unabhängiger und unvorhersehbarer Umstand, der trotz äußerster, nach den Umständen erforderlicher und zumutbarer Sorgfalt von den Beteiligten nicht zu vermeiden gewesen sei, zu verstehen. Unabhängig davon, dass der Kläger eine höhere Gewalt nicht innerhalb von 15 Werktagen gemeldet habe, erfülle ein defektes Mulchgerät nicht die oben dargestellten strengen Voraussetzungen zur Anerkennung eines Falles höherer Gewalt. Defekte Arbeitsgeräte stellten vielmehr eine Alltagssituation dar. Sofern der Kläger nicht über ein eigenes Mulchgerät verfüge, hätte er für einen anderweitigen Ersatz, z.B. bei einem Maschinenring, sorgen müssen, um seiner Pflicht zur Erfüllung der Mindesttätigkeit nachkommen zu können. Für die Förderung und dieses Klageverfahren sei allein maßgeblich, dass das FS 302 nicht als LF habe anerkannt werden können. Auch das erhöhte Arbeitsaufkommen vor der Weihnachtszeit aufgrund der Pflege der Christbaumkulturen sei kein Entschuldigungsgrund, um die mit der Förderung verbundenen Pflichten zu vernachlässigen. Um den Pflichten bei erhöhtem Arbeitsaufkommen nachkommen zu können, hätte beispielsweise eine Aushilfe herangezogen werden können. Auch dies seien ganz alltägliche betriebliche Probleme aus der Lebenswirklichkeit und stellten keinen Fall der höheren Gewalt dar.
17
Die Schaffung eines „Biotop“-Feldstücks durch Einsaat einer eigenen Wildackermischung sei sehr löblich, entbinde den Kläger jedoch nicht von seiner Pflicht der Mindesttätigkeit und der verpflichtenden Nutzung des Feldstücks. Der Kläger habe zwar mit Schreiben vom 12. Januar 2023, eingegangen beim AELF S. am 13. Januar 2023, einen Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme von der jährlichen Mulch- bzw. Mähverpflichtung auf aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommenen Flächen gemäß § 2 Abs. 2 DirektZahlDurchfV gestellt, jedoch hätte die Antragstellung vor dem 15. November 2022 erfolgen müssen, so dass eine Verbescheidung, z.B. Genehmigung, vor den Kontrollen noch möglich gewesen wäre. So habe zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle vom Kläger weder eine Genehmigung des AELF, noch eine mögliche Bestätigung der Unteren Naturschutzbehörde, noch eine mögliche Vereinbarung mit dem Landesjagdverband Bayern e.V. dem Prüfteam vorgelegt werden können, um eine Kürzung zu verhindern. Dass der Antrag vor dem 15. November eines Verpflichtungsjahres, also vor der Kontrolle zu stellen gewesen sei, gehe zwar nicht aus dem Mehrfachantragsformblatt direkt hervor, jedoch stehe die Förderung mit der Mulchverpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt des Antragsjahres im Zusammenhang mit dem Bewirtschaftungszeitraum 2022, welcher in der Regel Mitte November ende. Dass der Antrag bis 15. November zu stellen gewesen sei, sei weiterhin intern geregelt und in der Förderung die gängige Praxis. Weiterhin gelte der auch im Merkblatt zum Mehrfachantrag Unterabschnitt C auf Seite 4 dargestellte Grundsatz, dass Änderungen am Antrag während des Antragszeitraums zwar zulässig seien, nicht jedoch für die Feststellungen, welche vom Prüfteam bereits getroffen worden seien. Ansonsten könnte der Antragsteller möglichen Sanktionen durch Antragsrücknahme oder durch nachträgliche Antragstellung einer Ausnahmegenehmigung zur Mulchverpflichtung einfach entgehen. Die Vor-Ort-Kontrolle sei am 21. November 2022 gewesen. Der Antrag auf Ausnahmegenehmigung von der Mulchverpflichtung sei jedoch erst am 13. Januar 2023 eingegangen. Unabhängig davon, dass im Nachhinein nicht mehr habe festgestellt werden können, ob sich die Fläche in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand befunden habe (die Fläche sei nach Aussage des Klägers bereits gemulcht), was für die Genehmigung vom AELF S. festzustellen gewesen wäre, sei der Antrag bereits wegen Verfristung abzulehnen. Dies sei bisher noch nicht erfolgt.
18
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im EU-Recht anerkannt. Dementsprechend dürften auch Rückforderungen nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sei. Daher sei im Einzelfall beim Vorliegen besonderer, vom Regelfall abweichender Umstände, die Rückforderung auf ein zumutbares Maß zu beschränken. Als Ausnahme von der Regel dürfe hiervon nur in absoluten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Vorliegend sei die fehlende Mindesttätigkeit nicht unverschuldet. Die Mindesttätigkeit sei nicht vorgenommen worden. Es liege auch keine Ausnahmegenehmigung vor. Die vom Kläger genannten Umstände hätten ihn nicht daran hindern können, ein anderes Arbeitsgerät oder eine Aushilfe zu organisieren. Auch lägen keine weiteren vom Regelfall abweichenden Gründe oder Hinweise vor, weshalb der Kläger von einer Nichtgewährung der Ausgleichszulage, (315,86 EUR) und der Kürzung der Direktzahlungen (565,84 EUR) in seiner Existenz bedroht wäre. Deshalb habe unter Würdigung aller relevanten Gesichtspunkte im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nicht von einer Ablehnung der beantragten Ausgleichszulage und einer Kürzung der DZP-Beihilfen abgesehen werden können. Diese seien unter den gegebenen Umständen zumutbar, geeignet und erforderlich, um die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Fördervollzugs zu gewährleisten und seien auch angemessen, da das private Interesse am Behalt der Zuwendungen dem öffentlichen Interesse an einer vorgabemäßigen Mittelverwendung unterzuordnen sei.
19
Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2024 brachte der Beklagte im Wesentlichen weiter vor: Die Klägerseite habe nicht dargelegt, warum es sich um einen Fall höherer Gewalt handeln sollte. Das im Jahr 2022 eingeführte Flächenmonitoringsystem (FMS) sei ein flächendeckendes kontinuierliches Verfahren auf Grundlage regelmäßiger systematischer Beobachtung der Flächennutzung, der Förderkriterien, Verpflichtungen und sonstigen Auflagen. Im Rahmen des FMS würden Sentinel-Satellitendaten zu den vorhandenen Kulturen und deren Zustand mit einer Auflösung bis 10 m möglichst voll automatisiert ausgewertet. Das FMS habe die Daten des FS 302 automatisiert aufgrund der vorliegenden Sentineldaten zur Kulturartenanerkennung ausgewertet und das FS 302 mit einer „roten Ampel“ markiert, da die Mindesttätigkeit nicht vorgenommen worden sei. Im Rahmen der physischen Vor-Ort-Kontrolle – schnelle Feldbegehung (pVok-sFB) am 21. November 2022 seien die über Satellitendaten automatisiert erkannten Kulturen und deren Zustand (Sentineldaten) auf dem FS 302 lediglich bestätigt worden. Der Kläger trage für das Vorliegen der förderrechtlichen Voraussetzungen für die im streitgegenständlichen Förderjahr 2022 begehrten landwirtschaftlichen Subventionen die Darlegungs- und Beweislast. Ein substantiiertes Bestreiten der Prüffeststellungen lasse sich aus den bisherigen klägerischen Ausführungen nicht entnehmen.
20
3. In der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2024 beantragte der Klägerbevollmächtigte, den Beklagten unter Änderung des Bescheides des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten S. vom 12. Dezember 2022 zu verpflichten, dem Kläger die beantragten Direktzahlungen im Rahmen des Direktzahlungsprogramms (DZP) für das Jahr 2022 in Höhe von weiteren 565,84 EUR zu bewilligen.
21
Die Beklagtenvertreterin beantragte,
die Klage abzuweisen.
22
Die Beteiligten machten Ausführungen zur Sache.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen und die beigezogene Behördenakte sowie auf die Akte des Verfahrens W 8 K 23.51 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24
Die Klage ist zulässig, unbegründet.
25
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbsatz 2 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
26
Die Klage ist unbegründet.
27
Der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) S. vom 12. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von weiteren 565,84 EUR an Direktzahlungen für das Jahr 2022 nicht vorliegen, hat der Beklagte in seinem Bescheid vom 12. Dezember 2022, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend – wenn auch kurz – begründet und in seinen Schriftsätzen vom 25. August 2023 und 9. Januar 2024 sowie in der mündlichen Verhandlung ausführlich vertiefend erläutert.
28
Das Vorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung.
29
Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig. Er ist insbesondere nicht wegen eines Begründungsmangels oder einer unzureichenden Darlegung der Ermessensgründe rechtswidrig.
30
Denn soweit der Kläger bemängelt, dass aus den Bescheiden der direkte Grund für die Nichtanerkennung seiner Flächen nicht ersichtlich sei, liegt kein Begründungsmangel gemäß Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG vor (vgl. auch Art. 39 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG); ein eventueller Begründungsmangel wäre zudem mittlerweile geheilt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BayVwVfG). Das Ermessen wurde – soweit überhaupt geboten – in zulässiger Weise im Klageverfahren ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO).
31
Im Bescheid wurden die einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere Art. 19a Abs. 1 Delegierte VO (EU) 640/2014) genannt und auf die Erkenntnisse der fachbehördlichen Kontrolle hingewiesen.
32
Soweit die Kürzung bzw. Ablehnung im Bescheid nur kurz begründet wurde, ist dies nicht ermessensfehlerhaft, weil zum einen die verfahrensmäßige, teils automatisierte Bewältigung der Förderanträge den Erfordernissen eines Massenverfahrens geschuldet war und zum anderen der Beklagte seine Ermessenserwägungen im Klageverfahren gemäß § 114 Satz 2 VwGO in zulässiger Weise ergänzen konnte. So konnte der Beklagte seine Ermessenserwägungen anknüpfend an die Verwaltungsvorgänge und die erlassenen Bescheide im Klageerwiderungsschriftsatz vom 25. August 2023 sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzen und vertiefen (vgl. VG Würzburg, U.v. 1.12.2023 – W 8 K 23.611 – BeckRS 2023, 37706 Rn. 51; VG Augsburg, U.v. 19.7.2023 – Au 6 K 22.1310, Au 6 K 22.2318 – juris Rn. 92).
33
Der Beklagte hat jedenfalls im gerichtlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen ausführlich dargestellt und damit im Sinne des § 114 S. 2 VwGO ergänzt. Selbst eine erstmalige Stellungnahme zu den Besonderheiten des Einzelfalls durch die Behörde im Prozess kann noch im Rahmen des Ergänzens der Ermessenserwägungen ausreichend sein (vgl. VG Bayreuth, U.v. 14.1.2022 – B 8 K 20.908 – juris Rn. 77).
34
Aus dem Vorbringen des Beklagten, sowohl in den Bescheiden als auch in den weiteren Ausführungen, lässt sich erkennen, dass er Ermessen ausgeübt hat und jedenfalls ein Ermessenausfall nicht vorliegt. Der Beklagte hat sich darüber hinaus, ausgehend von den Förderrichtlinien und der Verwaltungspraxis, für einen entsprechend intendierten Regelfall entschieden. Bei einer solchen Entscheidung bedarf es grundsätzlich keiner Darstellung von weiteren Ermessenserwägungen (vgl. VGH BW, U.v. 13.7.2023 – 14 S 2699/22 – juris Rn. 90). Darüber hinaus hätte es hier ausgehend von den haushaltsrechtlichen und europarechtlichen Grundsätzen besonderer, hier nicht vorliegender Gründe bedurft, um eine von der intendierten Ermessenausübung abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. In dieser Fallkonstellation versteht sich das Ergebnis der Abwägung im Rahmen der richtliniengeleiteten und ständig geübten Förderpraxis ohne weitere Begründung von selbst (vgl. allgemein VG Würzburg, U.v. 1.12.2023 – W 8 K 23.611 – juris Rn. 64 f.; jeweils mit Verweis auf VG Leipzig, U.v. 27.7.2023 – 5 K 547/21 – juris Rn. 37; VG Hamburg, U.v. 13.6.2023 – 16 K 1847/22 – juris Rn. 40).
35
Zudem könnte ein Begründungsmangel im Bescheid ohnehin nicht dazu führen, eine in der Sache nicht zustehende landwirtschaftliche Subvention gleichwohl zu erhalten (vgl. VG Würzburg, U.v. 21.3.2022 – W 8 K 21.1488 – juris Rn. 78; auch U.v. 1.12.2023 – W 8 K 23.338 – juris Rn. 75; jeweils m.w.N.).
36
Der streitgegenständliche Bescheid ist auch sonst materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
37
Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Förderung ist Art. 32 VO (EU) 1307/2013 (vgl. im Einzelnen auch zum Nachfolgenden NdsOVG, U.v. 6.6.2023 – 10 LC 85/22 – juris Rn. 34). Danach wird eine Stütze durch Direktzahlungen bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs mittels Anmeldung je beihilfefähiger Hektarfläche, die für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird und die jederzeit während des Kalenderjahres diese Begriffsbestimmung erfüllt, gewährt. Gemäß § 2 Abs. 1 DirektZahlDurchfV liegt eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von 4 Abs. 1 Buchst. c Unterbuchst. ii oder iii VO (EU) 1307/2013 auf einer landwirtschaftlichen Fläche, die während des gesamten Jahres, für das ein Antrag auf Direktzahlung gestellt wird, nicht für eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. c Unterbuchst. i VO (EU) 1307/2013 genutzt wird, vor, wenn der Betriebsinhaber einmal vor dem 16. November des Jahres entweder den Aufwuchs mäht und das Mähgut abfährt (Nr. 1) oder den Aufwuchs zerkleinert und ganzflächig verteilt (Nr. 2). Die Ausübung der Mindesttätigkeit gemäß § 2 DirektZahlDurchfV ist relevant für das Vorliegen einer landwirtschaftlichen Tätigkeit und damit für die Beihilfefähigkeit der landwirtschaftlichen Fläche (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 18 Rn. 19). Die Mindesttätigkeit ist erforderlich für die Heranziehung landwirtschaftlicher Flächen zur Aktivierung von Zahlungsansprüchen (Busse in Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht, 4. Auflage 2020, § 26 Agrarrecht, Rn. 179). Die Fläche muss das ganze Jahr über beihilfefähig sein und bleiben; Verschulden spielt beim Vorliegen eines abweichenden Zustandes der Fläche keine Rolle (Busse in Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht, 4. Auflage 2020, § 26 Agrarrecht, Rn. 201).
38
Die Beweislast für das Vorliegen einer beihilfefähigen Fläche trifft den Kläger, da er hieraus eine für ihn günstige Rechtsfolge ableiten will (VG Würzburg, U.v. 17.4.2023- W 8 K 21.735 – juris Rn. 105; VG Ansbach, U.v.12.4.2023 – AN 14 K 20.190 – BeckRS 2023, 11207 Rn. 29; jeweils mwN).
39
Der Kläger wurde bei Antragstellung ausdrücklich auf seine Verpflichtung zur Mindesttätigkeit hingewiesen und hat die Einhaltung dieser zwingenden Fördervoraussetzung versichert (vgl. Merkblatt zum MFA 2022, S. 5, Abschnitt D Nr. 2.1 erstes Tiret, wonach zur landwirtschaftlichen Tätigkeit auch die Erhaltung von aus der Erzeugung genommenen Flächen in guten landwirtschaftlichen ökologischen Zustand, in dem der Aufwuchs jährlich mindestens einmal vor dem 16. November gemäht und das Mähgut abgefahren oder der Aufwuchs zerkleinert und ganzflächig verteilt wird, zählt).
40
Der Kläger hat das FS 302 mit beantragter Fläche in Höhe von 0,9056 ha unstreitig nicht bis mindestens 15. November 2022 gemulcht.
41
Der Beklagte hat dazu mit Schriftsatz vom 9. Januar 2024 näher erläutert: Das im Jahr 2022 eingeführte Flächenmonitoringsystem (FMS) sei ein flächendeckendes kontinuierliches Verfahren auf Grundlage regelmäßiger systematischer Beobachtung der Flächennutzung, der Förderkriterien, Verpflichtungen und sonstigen Auflagen. Im Rahmen des FMS würden Sentinel-Satellitendaten zu den vorhandenen Kulturen und deren Zustand mit einer Auflösung bis 10 m möglichst voll automatisiert ausgewertet. Das FMS habe die Daten des FS 302 automatisiert aufgrund der vorliegenden Sentineldaten zur Kulturartenanerkennung ausgewertet und das FS 302 mit einer „roten Ampel“ markiert, da die Mindesttätigkeit nicht vorgenommen worden sei. Im Rahmen der physischen Vor-Ort-Kontrolle – schnelle Feldbegehung (pVok-sFB) am 21. November 2022 seien die über Satellitendaten automatisiert erkannten Kulturen und deren Zustand (Sentineldaten) auf dem FS 302 lediglich bestätigt worden.
42
Dazu hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass die so automatisiert gewonnenen Erkenntnisse, einschließlich der roten Markierung des FS, dem Kläger frühzeitig (mehrere Monate vor dem 16.11.) zur Möglichkeit der Kenntnisnahme in iBALIS (integriertes Bayerisches Landwirtschaftliches Informationssystem) bereitgestellt worden waren.
43
Der Kontrolleur hat zwar in der mündlichen Verhandlung – ehrlich – angegeben, er sei sich nicht sicher, dass er bei der physischen Vor-Ort-Kontrolle tatsächlich auf dem richtigen Feldstück gewesen sei. Er habe zwar den Kläger auf den Nachbarfeldstück gesehen, aber er könne nicht sagen, ob er tatsächlich bei dem streitgegenständlichen Feldstück FS 302 des Klägers gewesen sei. Dies ist aber letztlich unerheblich, weil der Kläger aufrichtig das Unterlassen des rechtzeitigen Mulchens ausdrücklich eingeräumt hat.
44
Abgesehen davon sind die vorstehend referierten Erkenntnisse über die Sentineldaten des Beklagten von der Klägerseite nicht qualifiziert angegriffen worden.
45
Das Gericht kann seiner Überzeugungsbildung die landwirtschaftlichen Feststellungen der Fachbehörde zugrunde legen (BayVGH, B.v.19.10.2023 – 6 ZB 23.1430 – juris Rn. 29; VG Würzburg, U.v. 17.4.2023 – W 8 K 21.735 – juris Rn. 102).
46
Mangels landwirtschaftlicher Mindesttätigkeit ist die gemeldete Fläche nicht beihilfefähig, sodass eine sogenannte „Übererklärung“ vorliegt. Die Folgen regelt Art. 19a Delegierte VO (EU) 640/2014 (vgl. dazu Nds OVG, U.v. 6.6.2023 – 10 LC 85/22 – juris Rn. 53 ff.). Danach wird bei einer Flächenübererklärung die Beihilfe oder Stützung auf der Grundlage der ermittelten Fläche berechnet und zusätzlich um das 1,5-fache (= Sanktionskarte rot) der festgestellten Differenz (ermittelte zur gemeldeten Fläche) gekürzt, wenn diese Differenz – wie hier – mehr als 3% der ermittelten Fläche beträgt, und zwar konkret 33,70% (gemeldet und beantragt, 3,5927 ha, ermittelt: 2,6871 ha [= 3,5927 ha – 0,9056 ha]). Das 1,5-fache der Abweichung von 0,9056 ha ist 1,3584 ha, sodass beihilfefähig nur noch 1,3287 ha (= ermittelte 2,6871 ha minus 1,5-fache Abweichung 1,3584 ha) sind.
47
Bei einer Übererklärung ist – ohne Sanktion (hier: Greenigprämie) – die ermittelte beihilfefähige Fläche gemäß Art. 17 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 6 Delegierte VO (EU) 640/2014 der Berechnung zugrunde zu legen. Demgegenüber ist mit Art. 19 a Delegierte VO (EU) 640/2014 für die in der Überschrift genannten Beihilfen und Stützungszahlungen (hier: Betriebsprämie und Umverteilungsprämie) ein System mit im Vergleich zu Art. 19 Delegierte VO (EU) 640/2014 verringerten Sanktionen bei einer – wie hier – erstmaligen geringfügigen Übererklärung eingeführt worden (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 19a Rn. 2).
48
Damit ergeben sich – laut Beklagtem – für die (sanktionierten) Betriebsprämie und die Umverteilungsprämie jeweils eine beihilfefähige Fläche in Höhe von 1,3287 ha und für die (nicht sanktionierte) Greeningprämie eine beihilfefähige Fläche in Höhe von 2,6871 ha.
49
Die Berechnung wird nicht bestritten. Sie ist nach dem Vorstehenden auch plausibel.
50
Die Flächen der Christbaumkulturen sind irrelevant. Denn Christbaumkulturen zählen – sowohl im Bereich des Direktzahlungsprogramms als auch bei der Ausgleichszulage – nicht zu den förderfähigen landwirtschaftlich genutzten Flächen, selbst wenn eine landwirtschaftliche Tätigkeit auf den Flächen ausgeübt wird (BVerwG, U.v. 15.10.2021 – 3 C 13/20 – juris LS und Rn. 14 ff.; OVG Saarl, B.v. 25.10.2023 – 1 A 50/21 – juris Rn. 23 ff.), wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat (vgl. Merkblatt zum MFA 2022, S. 6, Abschnitt D Nr. 2.1 drittes Tiret sowie Nr. 3.1 der Anleitung zum Ausfüllen des FNN).
51
Des Weiteren liegen auch keine höhere Gewalt oder keine außergewöhnlichen Umstände wegen des defekten Mulchgeräts oder des Arbeitsaufkommens für die Christbaumkulturen vor.
52
Der Beklagte hat in seiner Klageerwiderung vom 25. August 2023 schon zutreffend ausgeführt, dass gemäß Art. 4 Delegierte VO (EU) 640/2014 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013 als Fälle „höherer Gewalt“ und „außergewöhnlicher Umstände“ als Beispiele (Regelbeispiele) insbesondere Tod, Berufsunfähigkeit, Naturkatastrophe, Zerstörung von Stallgebäuden, Seuche oder Pflanzenkrankheit und Enteignung genannt sind, die offenkundig nicht vorliegen. In Anlehnung an die nicht abschließende Aufzählung sind von der Rechtsprechung Kriterien herausgearbeitet worden, wonach der Begriff der höheren Gewalt bzw. der außergewöhnlichen Umstände nicht auf eine absolute Unmöglichkeit beschränkt ist, sondern als ungewöhnlicher, vom Willen des Betroffenen unabhängiger und unvorhersehbarer Umstand, der trotz äußerster, nach den Umständen erforderlicher und zumutbarer Sorgfalt von den Beteiligten nicht zu vermeiden gewesen ist, zu verstehen ist (vgl. zuletzt etwa EuGH, U.v. 23.11.2023 – C-213/22 – juris Rn. 38; U.v. 7.9.2023 – C-169/22 – juris Rn. 39; jeweils m.w.N.).
53
Unter „höherer Gewalt“ sind danach ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat, und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Der Begriff höhere Gewalt umfasst ein objektives und ein subjektives Merkmal, wobei sich ersteres auf ungewöhnliche, außerhalb der Sphäre des Wirtschaftsteilnehmers liegende Umstände bezieht und letzteres darauf, dass der Wirtschaftsteilnehmer ihm zumutbare Vorkehrungen treffen und zumutbare Bemühungen anstellen muss, um sich gegen die Folgen ungewöhnlicher Ereignisse abzusichern bzw. auf diese angemessen zu reagieren (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 4 Rn. 3 m.w.N.).
54
Als Ausnahme von der Regel ist der Begriff der höheren Gewalt bzw. der außergewöhnlichen Umstände restriktiv auszulegen, da die in der Verordnung genannten Kategorien sehr schwerwiegend sind und im weiteren Sinn auch eine Existenzgefährdung für den Antragsteller beinhalten (EuGH, U.v. 23.11.2023 – C-213/22 – juris Rn. 38; a.A. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 4 Rn. 5, da es um die Verhinderung der Existenzbedrohung gehe).
55
Der Beweis des Vorliegens höherer Gewalt obliegt dem Kläger (Nds OVG, U.v. 6.6.2023 – 10 LC 85/22 – juris Rn. 45; U.v. 14.2.2023 – 10 LB 100/22 – juris Rn. 53). Das Gleiche gilt für eine drohende Existenzgefährdung.
56
Die Voraussetzungen für die Annahme höherer Gewalt und damit für die Gewährung der streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Subventionen trotz fehlender Mindesttätigkeit sind nicht erfüllt.
57
Der Kläger hat eine höhere Gewalt schon nicht innerhalb von 15 Werktagen ab dem Zeitpunkt, ab dem er hierzu in der Lage war, der Behörde unter Beifügung der erforderlichen Nachweise gemeldet, wie Art. 4 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 640/2014 ausdrücklich vorschreibt (vgl. auch Merkblatt zum MFA 2022, S. 4, Abschnitt C einundzwanzigstes Tiret). Dass der Kläger zu einer entsprechenden Mitteilung nicht in der Lage gewesen wäre, hat er weder vorgebracht, noch sind sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich (Nds OVG, U.v. 6.6.2023 – 10 LC 85/22 – juris Rn. 46). Die begründeten Widerspruchsschreiben vom 12. Januar 2023 gegen die Bescheide vom 12. und 13. Dezember 2022 (laut Kläger erhalten am 18.12.2022 bzw. 11.1.2023) gingen am 13. Januar 2023 beim AELF ein, einen Tag nach noch unbegründeter fristwahrender Klageerhebung.
58
Ein Fall von höherer Gewalt im Sinne der zitierten EuGH-Rechtsprechung liegt auch in der Sache nicht vor, weil die Nichtbewirtschaftung von Flächen im Verantwortungsbereich des Landwirts liegt und von seinem Willen abhängig ist (VG Würzburg, U.v. 12.10.2020 – W 8 K 20.296 – juris Rn. 21). Er hätte die rechtzeitige Durchführung der erforderlichen Mindesttätigkeit organisieren können und müssen. Denn ein defektes Mulchgerät (der Gemeinschaftsjagdgenossenschaft – GJR – R.*) erfüllt nicht die oben dargestellten strengen Voraussetzungen für die Anerkennung eines Falles höherer Gewalt. Defekte Arbeitsgeräte stellen vielmehr eine Alltagssituation dar. Sofern der Kläger – wie hier – nicht über ein eigenes Mulchgerät verfügte, hätte er für einen anderweitigen Ersatz, z.B. bei einem Maschinenring, sorgen müssen, um seiner Pflicht zur Erfüllung der Mindesttätigkeit nachkommen zu können. Er hatte auch genügend Zeit, sich auf die Situation einzustellen und auch mit der anstehenden Pflege seiner Christbaumkulturen zu koordinieren. Das Mulchgerät, das bei einem Einsatz durch den Kläger kaputtgegangen war, war schon seit September 2022 (bis Oktober) zur Reparatur. Der Kläger hätte zudem etwa auch einen anderen Landwirt im Wege der Nachbarschaftshilfe um Unterstützung bitten können. Auch das erhöhte Arbeitsaufkommen vor der Weihnachtszeit aufgrund der Pflege der Christbaumkulturen ist kein Entschuldigungsgrund, um die mit der Förderung verbundenen Pflichten zu vernachlässigen. Um den Pflichten bei – wie hier absehbarem – erhöhtem Arbeitsaufkommen nachkommen zu können, hätte beispielsweise eine Aushilfe herangezogen werden können. Auch dies sind alltägliche betriebliche Probleme aus der Lebenswirklichkeit und stellen keinen Fall der höheren Gewalt dar. Denn liegen Ereignisse im Rahmen der üblichen Geschäftsrisiken, so ist das Vorliegen „höherer Gewalt“ regelmäßig zu verneinen (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 4 Rn. 7). Eine drohende Existenzgefährdung ist erst recht nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet.
59
Auch das Vorbringen des Klägers, dass er ein Biotop geschaffen und daher eine Ausnahmegenehmigung nach § 2 Abs. 2 § 2 Abs. 2 DirektZahlDurchfV beantragt habe, führt zu keinem anderen Ergebnis.
60
Die – behauptete – Schaffung eines „Biotop“-Feldstücks durch Einsaat einer eigenen Wildackermischung auf dem FS 302 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Als Beleg wurde lediglich ein undatiertes Foto eines Sonnenblumenfeldes aus dem Jahr 2020 vorgelegt. Das Prüfteam der Vor-Ort-Kontrolle am 21. November 2022 hat – mangels Anlass – ebenfalls keine weiteren dahingehenden Feststellungen getroffen, sondern den Nutzungscode 990 für eine Nicht-LF vergeben, also eine nichtlandwirtschaftliche Fläche.
61
Weder die formellen noch die materiellen Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 2 Abs. 2 DirektZahlDurchfV betreffend einen zweijährigen statt eines einjährigen Rhythmus der Mindesttätigkeit liegen vor.
62
Der Kläger hat den Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme von der jährlichen Mulch- bzw. Mähverpflichtung der aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommenen Flächen gemäß § 2 Abs. 2 DirektZahlDurchfV schon nicht rechtzeitig vor dem 15. November 2022 gestellt, sondern erst mit Schreiben vom 12. Januar 2023, eingegangen beim AELF S. am 13. Januar 2023. Der Beklagte hat in seiner Klageerwiderung vom 25. August 2023 dazu nachvollziehbar ausgeführt: Dass der Antrag vor dem 15. November eines Verpflichtungsjahres, also vor der Kontrolle zu stellen gewesen sei, gehe zwar nicht aus dem Mehrfachantragsformblatt direkt hervor, jedoch stehe die Förderung mit der Mulchverpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt des Antragsjahres im Zusammenhang mit dem Bewirtschaftungszeitraum 2022, welcher in der Regel Mitte November ende. Dass der Antrag bis 15. November zu stellen gewesen sei, sei weiterhin intern geregelt und in der Förderung die gängige Praxis. Weiterhin gelte der auch im Merkblatt zum Mehrfachantrag Unterabschnitt C auf Seite 4 dargestellte Grundsatz, dass Änderungen am Antrag während des Antragszeitraums zwar zulässig seien, nicht jedoch für die Feststellungen, welche vom Prüfteam bereits getroffen worden seien. Ansonsten könnte der Antragsteller möglichen Sanktionen durch Antragsrücknahme oder durch nachträgliche Antragstellung einer Ausnahmegenehmigung zur Mulchverpflichtung einfach entgehen (vgl. z.B. Merkblatt zum MFA 2022, S. 4, Abschnitt C zwölftes Tiret „Mit dem Endtermin 31. Oktober ist somit bis kurz vor der Auszahlung die Möglichkeit von entsprechenden Korrekturen gegeben.“).
63
Für die vom Beklagten dargelegte Verwaltungspraxis und gegen eine nachträgliche Genehmigung spricht, dass sich ein Landwirt wie der Kläger sonst ohne Konsequenzen in Widerspruch zu seiner explizit eingegangenen Verpflichtung betreffend die Mindesttätigkeit setzen könnte. Jeder Landwirt könnte selbst – ohne nachweisbare Abstimmung mit Naturschutzbehörde oder dem AELF – abweichende Kriterien entwickeln und behaupten, er würde auch damit das Förderziel erreichen. Dies widerspräche aber der Fördersystematik und der Förderpraxis und wäre gerade bei der vorliegenden Massenerscheinung im landwirtschaftlichen Förderwesen nicht effizient. Eine nachträgliche Überprüfung der Einhaltung der eigenmächtig geänderten Förderkriterien im Einzelfall wäre zeitaufwändig und nicht praktikabel (VG Würzburg, U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 103 f.).
64
Ein weiteres Indiz für Richtigkeit der Auffassung des Beklagten ist die Formulierung des auch vom Kläger verwendeten Antragsformulars. Dort heißt es zur Durchführung der Mindesttätigkeit vor dem 16. November explizit: „Anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise eine zweijährliche Mulch- bzw. Mähverpflichtung zugelassen ist.“ (Bl. 50) Danach muss die Ausnahmegenehmigung bereits vor dem 16. November tatsächlich erteilt sein und kann nicht nachträglich erfolgen.
65
Im Übrigen ist anzumerken, dass der Kläger nicht schon 2020 eine Ausnahmegenehmigung beantragt hat, als er die Wildackermischung eingesät hat. Vielmehr hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben, jedes Jahr zuvor gleichwohl gemulcht zu haben, sodass die von ihm beschriebenen Vorteile für Wild und Vögel im Winter ohnehin nicht greifen konnten. Dies gilt auch ab dem Mulchen im Januar 2023.
66
Abgesehen davon lässt sich auch im Nachhinein nicht mehr feststellen, ob sich die Fläche in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand befunden hat, weil der Kläger die Fläche nach eigener Aussage bereits gemulcht hatte. Nach dem Merkblatt zum MFA 2022, S. 5, Abschnitt D Nr. 2.1 erstes Tiret kann – entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 1 DirektZahlDurchfV – auf Antrag aus Natur-/Umweltschutzgründen ein zweijähriger Rhythmus genehmigt werden. Flächen, die aus der Erzeugung genommen wurden, sind nur dann beihilfefähig, wenn sie unmittelbar zuvor nachweislich in der landwirtschaftlichen Erzeugung waren. Der Kläger hat weder vor noch bei oder nach der Vor-Ort-Kontrolle eine Bestätigung der Unteren Naturschutzbehörde oder eine Vereinbarung mit dem Landesjagdverband Bayern e.V. vorgelegt. Er hat auch nicht bei der Vor-Ort-Kontrolle oder zeitnah danach vorgebracht, überhaupt einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung stellen zu wollen, sondern erst knapp zwei Monate später nach Erlass der negativen Bescheide. Daher ist auch verständlich, dass mangels konkreten Anlasses bei der Vor-Ort-Kontrolle seitens des Beklagten keine weiteren Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung getroffen wurden.
67
Nachweise für das Vorliegen von naturschutzfachlichen oder umweltschutzfachlichen Gründen hat der Kläger nicht vorgelegt. Es fehlen bis auf seine kurze Angabe, eine Wildackermischung (mit Sonnenblumen, Klee und diversen Wildsorten) im Jahr 2020 angesät zu haben, und bis auf das eine undatierte Sonnenblumenfoto „aus 2020“ (Bl. 51 der Behördenakte bzw. Bl. 67 der Gerichtsakte) jegliche Belege und nähere Angaben. Insofern ist nichts dokumentiert. Durch das Mulchen hat der Kläger zudem eventuelle Vorteile für Naturschutz und Tierwelt nachträglich wieder zunichtegemacht. Eventuelle Naturschutzgründe sind nicht mehr nachprüfbar.
68
Die Beweislast zum Vorliegen der Fördervoraussetzungen sowie auch der Voraussetzungen der Ausnahmegenehmigung liegt beim Kläger. Denn dem Antragsteller und Betriebsinhaber trifft die Beweislast für die Beihilfefähigkeit sowie für die in seinem Antrag angegebene Größe der Antragsflächen. Diese Beweislastverteilung greift zwar erst, wenn der Sachverhalt durch die Behörde unter Anwendung des verwaltungsverfahrensrechtlichen Amtsermittlungsgrundsatzes unter Berücksichtigung der Duldungs- und Mitwirkungspflichten des Betriebsinhabers nach § 31 InVeKoSV nicht vollständig ermittelt werden kann. Die Behörde hat dem Betriebsinhaber substantiiert darzulegen, aufgrund welcher tatsächlicher Feststellungen oder rechtlicher Wertungen die Beihilfefähigkeit einer Fläche ganz oder teilweise nicht anerkannt werden kann (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 18 Rn. 26).
69
Jedoch obliegt es grundsätzlich dem Betriebsinhaber, zeitnah zu den von der Behörde bei einer Vor-Ort-Kontrolle getroffenen Feststellungen eine andere Auffassung zu den tatsächlichen Verhältnissen in geeigneter Weise, gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen, festzustellen und zu dokumentieren, um diese später den behördlichen Feststellungen entgegenhalten zu können. Bestehen Zweifel daran, dass die von einem Betriebsinhaber beantragten Fläche förderfähig ist, ist der Landwirt im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten, möglichst zeitnah eine abschließende Klärung der Förderfähigkeit der Fläche herbeizuführen. Tut er dies nicht, sondern lässt er längere Zeit verstreichen oder verändert er – wie hier – nachträglich den Zustand der Fläche, sodass sich nunmehr der damalige Zustand der Fläche nicht mehr feststellen lässt, trifft ihn die Folge der Nichterweislichkeit (vgl. VG Saarl, U.v. 8.5.2017 – 1 K 43/16 – juris Rn. 39).
70
Die streitgegenständliche Kürzung ist auch nicht unverhältnismäßig.
71
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehört zu den allgemeinen in der Europäischen Union zu beachtenden Grundsätzen. Er verlangt, dass die aufgrund einer nationalen Bestimmung angewandten Mittel geeignet sind, das angestrebte Ziel zu verwirklichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgehen (EuGH, U.v. 23.11.2023 – C-213/22 – juris Rn. 43 mwN). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den vollständigen Verlust des Anspruchs auf die landwirtschaftliche Subvention vorsieht, wenn eine der Voraussetzungen für die Gewährung dieser Subvention nicht erfüllt ist, weil Umstände eingetreten sind, die nicht die Merkmale eines Falles höherer Gewalt aufweisen (EuGH, U.v. 23.11.2023 – C-213/22 – juris Rn. 47).
72
Der Europäische Gerichtshof hat wiederholt betont, wie wichtig es ist, die mehrjährigen Verpflichtungen bis zu ihrem Ablauf zu erfüllen, indem er darauf hingewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe während des gesamten Verpflichtungszeitraums einzuhalten sind. Insbesondere kann die Beihilfe, wenn eine dieser Voraussetzungen auch nur ein einziges Mal nicht erfüllt wird, nicht gewährt werden, ohne dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem entgegenstünde (EuGH, U.v. 7.9.2023 – C-169/22 – juris Rn. 63 mwN).
73
Der Europäische Gerichtshof hat ebenfalls wiederholt festgestellt, dass es sich bei der im Falle der Nichteinhaltung der eingegangenen Verpflichtungen anzuwendenden Sanktion im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, wie die Kürzung oder der Ausschluss von Beihilfen, um ein spezielles Instrument der Verwaltung handelt, das integraler Bestandteil des Systems der Landwirtschaftsbeihilfen ist und die Einhaltung dieser Verpflichtungen fördern soll (vgl. VG Würzburg, U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 127 mwN).
74
Die Kürzung bzw. Ablehnung der Förderung ist bei Nichtvorliegen der Fördervoraussetzungen somit nicht unverhältnismäßig, sondern verfolgt ein legitimes Ziel und ist geeignet, erforderlich und angemessen, um die finanziellen Interessen und Ziele der Europäischen Union auch wegen der abschreckenden Wirkung effizient zu wahren und wirksam zu schützen (vgl. EuGH, U.v. 16.11.2023 – C-196/22 – juris Rn. 52 ff.; U.v. 7.9.2023 – C-169/22 – juris Rn. 64 f.). Sie entspricht zudem dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Vergleich zu anderen Landwirten, die ihre Verpflichtungen und die Fördervorgaben einhalten.
75
Art. 4 Delegierte VO (EU) 640/2014 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013 enthält mit der Bestimmung, bei „höherer Gewalt“ von nachteiligen Konsequenzen von Pflichtverletzungen zu befreien, außerdem schon eine mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz übereinstimmende Regelung (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 4 Rn. 2), sodass umgekehrt bei Nichtvorliegen dieser Ausnahmetatbestände grundsätzlich auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegt.
76
Zudem entspricht die Kürzung der Direktzahlungen statt eines vollständigen Verlustes des Anspruchs schon einem verhältnismäßigen Vorgehen. Das europarechtlich vorgeprägte System der gestuften Sanktionen trägt außerdem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung.
77
Der Beklagte hat zudem in seiner Klageerwiderung vom 25. August 2023 plausibel angemerkt, dass die vom Kläger genannten Umstände ihn schon nicht daran gehindert hätten, ein anderes Arbeitsgerät oder eine Aushilfe zu organisieren. Zudem sei weder vorgebracht, noch sonst ersichtlich, dass eine Existenzgefährdung des Klägers infolge der Nichtgewährung der streitgegenständlichen Förderung drohen würde. Infolgedessen liege auch kein Ausnahmefall vor.
78
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
79
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
80
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.