Titel:
Eigenständiger Anspruch des berufsmäßigen Ergänzungspflegers auf Aufwendungsersatz
Normenketten:
FamGKG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 24 Nr. 2, § 26 Abs. 2
BGB § 1808 Abs. 3, § 1813 Abs. 1, § 1879
VBVG § 1 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Bei dem Anspruch eines berufsmäßigen Ergänzungspflegers auf Aufwendungsersatz handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch. (Rn. 14 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Erklärung zur Übernahme der Kosten einer Ergänzungspflegschaft wird bereits angenommen, wenn der Veräußerer eines Grundstücks in der notariellen Urkunde die Kosten der Beurkundung und des Vollzugs übernimmt und für die Durchführung des Grundstücksgeschäfts die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig war. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erklären die Erziehungsberechtigten in einer notariell beurkundeten Erklärung über eine Schenkung, dass sie als Veräußerer die Kosten der Ergänzungspflegschaft und der familiengerichtlichen Genehmigung tragen und teilen sie dies dem Gericht mit, beinhaltet die Übernahmeerklärung aus Gründen des Schutzes des Minderjährigen, dass die Erziehungsberechtigten damit einverstanden sind, auch im Außenverhältnis (alleinige) Schuldner des Anspruchs des Ergänzungspflegers auf Erstattung seiner Vergütung und Aufwendungen zu werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Vertretung eines Kind beim Abschluss notarieller Überlassungsverträge erfordert eine umfassende rechtliche Prüfung der Verträge, so dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gerechtfertigt erscheint. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ergänzungspflegschaft, Kostenfestsetzung, Vergütungsanspruch, Kostenübernahmeerklärung, anwaltsspezifische Tätigkeit, Gegenstandswert, Mittellosigkeit
Vorinstanz:
AG Ebersberg, Beschluss vom 04.04.2024 – 055 F 394/23
Fundstellen:
FamRZ 2024, 1384
BeckRS 2024, 11360
LSK 2024, 11360
Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, dass die Beschwerde nach Aktenlage zulässig ist, in der Sache jedoch keine Aussicht auf Erfolg verspricht.
2. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den nachfolgenden Hinweisen sowie die Beschwerdeführer gegebenenfalls Rücknahme der Beschwerde binnen 2 Wochen.
Entscheidungsgründe
1
Die Beschwerdeführer L. und ... sind die Eltern des Kindes ..., geboren am …2008. Die Beschwerde richtet sich gegen die Festsetzung der Ergänzungspflegervergütung.
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Mit Beschluss vom 06.07.2023 ordnete das Amtsgericht E. für das Kind ... Ergänzungspflegschaft an. Der Wirkungskreis umfasst die Vertretung beim Abschluss der Überlassungsverträge des Notariats A. hinsichtlich des im Grundbuch des Amtsgerichts M. von U. Blatt … unter FlNr. … gebuchten Grundbesitzes und eines 1/2-Miteigentumsanteils an dem Grundstück gebucht im Grundbuch des Amtsgerichts E. von Z. Blatt …. Als Ergänzungspflegerin wurde Frau Rechtsanwältin ... bestellt, die die Ergänzungspflegschaft berufsmäßig ausübt. Mit Beschluss vom 14.11.2023, Ziffer 2, bestimmte das Amtsgericht, dass der Beteiligte ... die Kosten des Verfahrens trägt.
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Mit notarieller Urkunde vom 10.07.2023 des Notars .... (UVZ-Nr. …) wurde durch die Beteiligte L. N. an das Kind ..., vertreten durch die Ergänzungspflegerin, der Grundbesitz, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts M. von U. Blatt … unter FlNr. … überlassen. Unter Ziffer 15.1 der notariellen Urkunde ist bestimmt, dass der Veräußerer u.a. die Kosten der Ergänzungspflegschaft und der familiengerichtlichen Genehmigung trägt. Der Wert des Grundbesitzes beträgt ohne Abzug eines Nießbrauchs 936.740,00 Euro.
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Mit weiterer notarieller Urkunde vom 10.07.2023 des Notars ... (UVZ-Nr. …) überließ der Beteiligte ... an das Kind ..., vertreten durch die Ergänzungspflegerin, 1/2-Miteigentumsanteil an dem Grundstück gebucht im Grundbuch des Amtsgerichts E. von Z. Blatt …77. Der Veräußerer übernahm unter Ziffer 15.1 der notariellen Urkunde die Kosten der Ergänzungspflegschaft und der familiengerichtlichen Genehmigung. Der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils beträgt 376.513,50 Euro.
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Die Ergänzungspflegerin beantragte mit Schriftsatz vom 19.02.2024 die Kostenfestsetzung gegen Frau L. N. in Höhe von 8.051,18 Euro, ausgehend von einem Gegenstandswert von 1.000.000,00 Euro, der Geltendmachung einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,00 Euro und der gesetzlichen Umsatzsteuer. Mit Schriftsatz vom 19.03.2024 beantragte sie hilfsweise die Festsetzung der Vergütung über 8.051,18 Euro gegen Frau L. N. und Herrn ... als Gesamtschuldner sowie wiederum hilfsweise die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 5.716,33 Euro gegen Frau L. N. und in Höhe von 2.334,84 Euro gegen Herrn ...
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Durch das Amtsgericht wurde der Beteiligten L. N. der Kostenfestsetzungsantrag der Ergänzungspflegerin vom 07.03.2024 mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Hierauf erhob der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten L. N., unter Vorlage einer auf die Beteiligten L. und ... ausgestellten Vollmacht, mit Schreiben vom 12.03.2024 Einwände.
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Mit Beschluss vom 04.04.2024 wurde durch das Amtsgericht E. die Vergütung gegen die Beteiligte L. N. in Höhe von 5.716,33 Euro und gegen den Beteiligten ... in Höhe von 2.334,84 Euro bewilligt und festgesetzt.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten L. und ... vom 04.04.2024, eingegangen beim Amtsgericht E. am selben Tag.
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Die Beschwerdeführer wenden ein, dass der Beschluss bereits rechtswidrig sei, weil den Beteiligten kein rechtliches Gehör zur Stellungnahme der Ergänzungspflegerin gegeben worden sei. Ein Vergütungsanspruch bestehe lediglich gegenüber dem Kind. Die Kostenübernahmeregelung im notariellen Vertrag gelte nur inter partes, ein Fall des § 24 Nr. 2 FamGKG sei nicht gegeben. Eine anwaltsspezifische Tätigkeit sei nicht erforderlich gewesen, da sich die Tätigkeit der Ergänzungspflegerin auf eine bloße Plausibilitätskontrolle mit kleineren Anmerkungen beschränkt habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass für den Pflegling ... sowie dessen Schwester dieselbe Vertragssituation gegolten und die Ergänzungspflegerin für dieselbe Prüfung doppelt abgerechnet habe. Auch sei der Streitwertansatz des § 49 RVG zu beachten, da der Pflegling ... als Kostenschuldner der Ergänzungspflegschaft mittellos sei. Aufgrund des Nießbrauchsvorbehalts sowie des vertraglich vorgesehenen Rückforderungsrechts habe die Grundbesitzübertragung zu keiner verwertbaren Vermögensmehrung des Pfleglings geführt. Letztlich sei hinsichtlich der Übertragung durch die Beteiligte L. N. ein Wert von maximal 400.000,00 Euro anzusetzen, da bei den Verträgen auf die Einhaltung der Freibeträge nach § 16 ErbStG geachtet worden sei.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.04.2024 der Beschwerde nicht abgeholfen.
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Die Beschwerde ist gemäß § 58 ff. FamFG zulässig, hat jedoch nach derzeitiger Würdigung in der Sache keinen Erfolg.
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Die Ergänzungspflegerin hat einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen gegenüber den Beschwerdeführern gemäß §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB in der vom Amtsgericht festgesetzten Höhe.
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Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht gegeben. Die Stellungnahme der Ergänzungspflegerin vom 19.03.2024 wurde am 04.04.2024 an den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer hinausgegeben, so dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zwischenzeitlich nachgeholt wurde.
14
Das Amtsgericht hat die Vergütung zutreffend gegen die Beschwerdeführer festgesetzt. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob der Anspruch des berufsmäßigen Ergänzungspflegers auf Vergütung und Aufwendungsersatz als Teil der Verfahrenskosten zu qualifizieren ist (so das Amtsgericht Ebersberg in der angegriffenen Entscheidung sowie die hM), oder ob es sich um einen eigenständigen Anspruch des berufsmäßigen Ergänzungspflegers handelt, der nach Maßgabe von §§ 168d, 292 Abs. 1, 3-6 FamFG gegen den Mündel bzw. einen Dritten, der die Schuld übernommen hat, festzusetzen ist.
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Die zuletzt genannte Auffassung erscheint zutreffend. Der Begriff der Gerichtskosten ist abschließend in § 1 Abs. 1 FamGKG definiert. Der Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Ergänzungspflegers gehört nicht zu den in Teil II der Anlage zu § 3 Abs. 2 FamGKG genannten gerichtlichen Auslagen, die nach Maßgabe des Kostenrechts und der gerichtlichen Kostengrundentscheidung von den Beteiligten zu tragen sind. Zwar sieht die Vorbemerkung zu Teil 2 Abs. 3 des Kostenverzeichnisses vor, dass unter den Bedingungen der Vorbemerkung zu Teil I Abschnitt 1 Vorbemerkung 1.3.1. Abs. 2 Auslagen von vermögenden Minderjährigen erhoben werden können. Die an den Ergänzungspfleger zu zahlende Vergütung gehört aber nicht zu den in Teil II abschließend aufgeführten Auslagen. Vielmehr handelt es sich um einen eigenen Anspruch, der gem. §§ 168d, 292 FamFG festgesetzt werden kann. Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, für das im Grundsatz wiederum Kosten nach dem FamGKG anfallen. Umgekehrt können diese Kosten nicht durch den Kostenbeamten an den Ergänzungspfleger ausgezahlt und der Erstattungsanspruch sodann durch Kostenansatz gem. § 18 FamGKG gegen den Mündel bzw. den Übernahmeschuldner geltend gemacht werden. Schließlich zeigt sich dies auch an der Verweisung von §§ 1813, 1808 Abs. 2 BGB auf § 1879. Danach erwirbt im Fall der Mittellosigkeit des Mündels der Ergänzungspfleger einen Anspruch auf Aufwendungsersatz subsidiär gegen die Staatskasse, der ebenfalls gem. §§ 168d, 292 FamFG festzusetzen ist, aber keinen Auslagentatbestand auslöst.
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Gemäß §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB bestimmen sich die Ansprüche des berufsmäßig tätigen Vormunds bzw. Ergänzungspflegers auf Vergütung und Aufwendungsersatz nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 VBVG kann der Vormund/Ergänzungspfleger Vergütung und Aufwendungsersatz (nur) vom Mündel verlangen.
17
Folgt man der Auffassung, dass es sich bei dem Anspruch des berufsmäßigen Ergänzungspflegers auf Aufwendungsersatz um Kosten des Pflegschaftsverfahrens handelt, gilt die Vorschriften des § 24 Nr. 2 FamGKG unmittelbar. Diese bestimmt als weiteren Kostenschuldner denjenigen, der die Kosten durch eine vor Gericht abgegebene oder dem Gericht mitgeteilte Erklärung übernommen hat. Gemäß § 26 Abs. 2 FamGKG haftet der Übernahmeschuldner vorrangig gegenüber den anderen Kostenschuldnern. Es bestehen dementsprechend keine Bedenken, die Kosten gegen den Übernahmeschuldner direkt festzusetzen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.04.2010 – I-3 Wx 7/10, FamRZ 2011,141; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.08.2016 – 1 WF 139/16, MDR 2016, 1339).
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Vorliegend haben sowohl die Beteiligte L. N. als auch der Beteiligte ... in den notariellen Urkunden jeweils die Kostenübernahme für die Ergänzungspflegschaft erklärt. Diese Kostenübernahmeerklärung genügt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer den Anforderungen des § 24 Nr. 2 FamGKG. Eine Übernahmeerklärung wird bereits angenommen, wenn der Veräußerer eines Grundstücks in der notariellen Urkunde die Kosten der Beurkundung und des Vollzugs übernimmt und für die Durchführung des Grundstücksgeschäfts die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig war (OLG Braunschweig, a.a.O.). Vorliegend wurden die Kosten der Ergänzungspflegschaft sogar ausdrücklich in den notariellen Urkunden vom 10.07.2023 erwähnt, so dass an der Übernahmebereitschaft der Beschwerdeführer kein Zweifel besteht. Dies wird auch darin deutlich, dass die Regelung zur Kostentragung in den verschiedenen an das Amtsgericht übersandten Entwürfen mehrfach hinsichtlich des Umfangs der durch die Beschwerdeführer übernommenen Kosten erweitert wurde.
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Die Kostenübernahmeerklärung wirkt entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer auch nicht nur intern im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander. Denn mit Übersendung der Ausfertigungen der notariellen Urkunden durch den Notar, der gemäß Schreiben vom 23.06.2023 als Bote des Bevollmächtigten der Beschwerdeführer handelte, wurde die Kostenübernahmeerklärung gemäß § 24 Nr. 2 Alt. 2 FamGKG dem Gericht mitgeteilt. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem der Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 31.01.2023 – 15 WF 27/23, NJW-RR 2023, 573) zugrunde liegenden Sachverhalt, da im hiesigen Verfahren eine Mitteilung der Kostenübernahmeerklärung an das Gericht gerade erfolgt ist.
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Aber auch wenn man in dem Anspruch des berufsmäßigen Ergänzungspflegers auf Aufwendungsersatz einen eigenständigen, unmittelbar das Rechtsverhältnis zwischen Mündel und Ergänzungspfleger ausgestaltenden Anspruch sieht, der gem. §§ 168d, 292 FamFG auf Antrag des Ergänzungspflegers festgesetzt werden kann, ist es nicht zu beanstanden, dass der Anspruch direkt gegen die Beschwerdeführer festgesetzt wurde. Zwar sieht § 292 FamFG an sich nur die Festsetzung der Vergütung gegen das Mündel, bzw. bei Mittellosigkeit gegen die Staatskasse vor. Erklären die Erziehungsberechtigten in der notariell beurkundeten Erklärung über eine Schenkung, dass sie als Veräußerer die Kosten der Ergänzungspflegschaft und der familiengerichtlichen Genehmigung tragen und teilen sie dies dem Gericht mit, beinhaltet die Übernahmeerklärung aus Gründen des Schutzes des Minderjährigen, dass die Erziehungsberechtigten damit einverstanden sind, auch im Außenverhältnis (alleinige) Schuldner des Anspruchs des Ergänzungspflegers auf Erstattung seiner Vergütung und Aufwendungen zu werden. Dementsprechend kann analog § 24 Nr. 2 FamGKG auch die Festsetzung gem. § 292 FamFG allein gegen sie erfolgen. Dies verstößt nicht gegen das Verbot, im Verfahren nach § 292 FamFG materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch zu überprüfen (vgl. hierzu BeckOK FamFG/Günter, 49. Ed. 1.2.2024, FamFG § 292 Rn. 8). Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn die Erziehungsberechtigten materielle Einwendungen gegen die von ihnen erklärte Übernahme der Haftung wegen der Kosten erklären, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
21
Ohne Bedeutung für die Frage, gegen wen der Vergütungsanspruch der Ergänzungspflegerin festzusetzen ist, ist die Entscheidung in Ziffer 2 des Beschlusses des Amtsgerichts vom 14.11.2023, wonach der Beteiligten ... die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Denn diese Kostenentscheidung bezieht sich allein auf die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zur Bestellung und Führung der Ergänzungsungspflegschaft, nicht jedoch auf den Vergütungsanspruch der Ergänzungspflegerin.
22
Das Amtsgericht hat die Vergütung der Ergänzungspflegerin auch zu Recht nach anwaltlichem Gebührenrecht festgesetzt.
23
Grundsätzlich erfolgt die Führung der Pflegschaft unentgeltlich, §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB. Eine Vergütung kann in der Regel nur der gemäß § 1 Abs. 1 VBVG berufsmäßig tätige Pfleger verlangen, wobei die Berufsmäßigkeit, wie vorliegend, vom Gericht bei der Bestellung festgestellt werden muss. Erbringt der berufsmäßig tätige anwaltliche Ergänzungspfleger im Rahmen seiner Amtsführung anwaltsspezifische Tätigkeiten, so steht ihm ein Wahlrecht zu, ob er diese im Wege des Aufwendungsersatzes nach anwaltlichen Gebührenrecht abrechnet, §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB, § 4 VBVG oder eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden gemäß §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB, §§ 1 Abs. 3, 3 VBVG beansprucht.
24
Vorliegend hat die Ergänzungspflegerin ihr Wahlrecht zu Recht dahingehend ausgeübt, dass sie ihre anwaltsspezifische Tätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht mit 1,3 Gebühren (Nr. 2300 VV RVG) abrechnet. Eine spezifisch anwaltliche Tätigkeit liegt dann vor, wenn ein Pfleger, der selbst rechtsunkundiger Laie ist, in gleicher Lage zur Erledigung der betreffenden Angelegenheiten berechtigterweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde bzw. wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt (BGH, Beschluss vom 16.12.2020 – XII ZB 410/20, FamRZ 2021, 549).
25
Das ist vorliegend der Fall. Die Ergänzungspflegerin hatte ausweislich ihres Aufgabenkreises das Kind beim Abschluss der notariellen Überlassungsverträge zu vertreten. Dies erfordert eine umfassende rechtliche Prüfung der Verträge, weshalb die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gerechtfertigt erscheint. Die Tatsache, dass der notarielle Vertragsentwurf durch den anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführer bereits rechtlich überprüft wurde, ersetzt keine eigene rechtliche Überprüfung durch die Ergänzungspflegerin, da diese gerade aufgrund des bestehenden Interessengegensatzes zwischen den Eltern und ihrem Pflegling bestellt wurde (§ 1629 Abs. 2, 1824 BGB). Eine eigene rechtliche Überprüfung durch die Ergänzungspflegerin wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass der Notar als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Dementsprechend haben auch die Beschwerdeführer selbst zusätzlich zu der Beratung durch den Notar anwaltliche Beratung in Anspruch genommen. Vorliegend hat die Ergänzungspflegerin mit Schriftsatz vom 31.05.2023 auch umfassend Stellung zu den Vertragsentwürfen genommen und Änderungen zu Gunsten ihres Pfleglings, etwa die Abänderung des freien Rückforderungsrechts und die Überprüfung des Mietvertrags, verlangt.
26
Nicht durchgreifend ist des Weiteren der Einwand, dass die Ergänzungspflegerin doppelt abrechne, da für beide Pfleglinge dieselbe Vertragssituation gegolten habe. Denn die Vertretung der Geschwister erfolgte für unterschiedliche Grundbesitzüberlassungen in verschiedenen rechtlichen Verträgen und bedurfte jeweils einer individuellen, auf die Situation des jeweiligen Pfleglings abgestimmten Prüfung. Es handelt sich deshalb um unterschiedliche Angelegenheiten im Sinne des RVG, so dass die Beschränkung des § 7 Abs. 1 RVG nicht greift. Ebenso kann nicht eingewandt werden, dass die Höhe der festgesetzten Kosten nicht durch den Umfang der Tätigkeit der Ergänzungspflegerin gerechtfertigt sei, da die Abrechnung vorliegend anhand des Gegenstandswerts und nicht anhand des zeitlichen Aufwands erfolgt.
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Zutreffend hat das Amtsgericht auch den von der Ergänzungspflegerin geltend gemachten Gegenstandswert über 1.000.000,00 Euro anerkannt. Dieser bemisst sich gemäß §§ 2, 23 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 46 GNotKG nach dem Wert des überlassenen Immobilienbesitzes, der mindestens 1.000.000,00 Euro beträgt. Gemäß §§ 2, 23 Abs. 3 Satz 1 RVG, 38 Satz 1 GNotKG sind Verbindlichkeiten, die auf einer Sache oder einem Recht lasten, bei der Ermittlung des Geschäftswerts nicht in Abzug zu bringen. Demnach ist der Wert eines Nießbrauchs nicht wertmindernd zu berücksichtigen (Hartmann, Kostengesetze, 11/2022, § 38 GNotKG Rz. 2).
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Nicht angezeigt war es ferner, den Streitwertansatz nach § 49 RVG zu bemessen, da das Kind ... aufgrund der Übertragung des Grundbesitzes nicht mittellos ist. Mittellos im Sinne von § 2 VBVG i.V.m. § 1880 BGB ist nur, wenn das nach § 90 SGB XII einsetzbare Vermögen nicht zur Begleichung des Aufwendungsersatzes ausreicht. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Grundbesitz hat einen Gesamtwert von 1.313.253,00 Euro, so dass auch die Belastung dieses Grundbesitzes mit einem Nießbrauchsrecht und das den Übertragenden eingeräumte Rückforderungsrecht das Kind nicht als mittellos im sozialhilferechtlichen Sinn zu betrachten ist.
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Letztlich hat das Amtsgericht den Vergütungsanspruch gegen die Beschwerdeführer zutreffend entsprechend dem jeweiligen Anteil am Gesamtwert des übertragenen Grundbesitzes festgesetzt.
(Anm. Die Beschwerde wurde zurückgenommen).