Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 06.02.2024 – AN 4 E 24.235
Titel:

Verstoß gegen Gebot der staatlichen Neutralität durch Oberbürgermeister - Androhung eines Zwangsgeldes

Normenkette:
BGB § 1004 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Amtliche Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verletzung des Neutralitätsgebots kommt insbesondere dann in Betracht, wenn staatliche Organe negative Werturteile über Ziele und Betätigung einer Partei äußern. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Neutralitätsgebot, wehrhafte Demokratie, öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Äußerungsbefugnis eines Bürgermeisters, Oberbürgermeister, Aufruf auf Facebook, correctiv, Repräsentationsrecht, Geheimplan für Deutschland
Fundstelle:
BeckRS 2024, 11099

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat es bei Vermeidung eines auf Antrag des Antragstellers vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 10.000,00 Euro zu unterlassen, durch ihren Oberbürgermeister öffentlich erklären zu lassen:
„Die Enthüllungen des Rechercheteams von correktiv [sic!] sind erschreckend, aber nicht überraschend. Schon lange ist klar, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Nun liegt es schwarz auf weiß vor: Die Alternative für Deutschland plant gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremen, Funktionären der CDUnahen Werteunion und einer Gruppe von Unternehmen die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder (Anmerkung: gemeint ist hier ergänzend „ohne“) deutschen Pass.“
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Äußerung des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin, die dieser im Rahmen eines Demonstrationsaufrufs auf Facebook getätigt hat.
2
1. Der Antragsteller ist der örtliche Kreisverband der auch im Stadtrat der Antragsgegnerin vertretenen Partei Alternative für Deutschland (AfD).
3
Am 10. Januar 2024 wurde auf dem Portal correctiv ein Bericht mit dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ unter der Rubrik „Neue Rechte“ veröffentlicht. In dem Bericht ging es inhaltlich über ein Treffen in Potsdam, an dem ausweislich der Berichterstattung auch hochrangige Vertreter der Partei des Antragstellers sowie Rechtsextreme (Neonazis, Identitäre, etc.) teilgenommen haben. Inhaltlich ging es nach dem Bericht um „Remigration“. Die Herkunft des Begriffes wird zurückgeführt auf das Buch eines als Neonazi bezeichneten Autors sowie die Veröffentlichung eines „AfD-Spitzenkandidaten“. Mit dem Begriff ist demnach die Revision von Staatsbürgerschaften und die Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund verbunden.
4
Unter dem Reiter „Über Uns“ beschreibt sich correctiv als gemeinwohlorientiertes Medienhaus, das Demokratie stärkt.
5
In der Folgezeit zu dieser Presseberichterstattung ist es zu Demonstrationen in ganz Deutschland gekommen, die insbesondere auch die Partei des Antragstellers und deren politische Arbeit zum Thema hatte.
6
Auf dem sozialen Netzwerk Facebook wurde unter dem Namen des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin ein Demonstrationsaufruf mit u.a. folgendem Inhalt gepostet:
„Die Enthüllungen des Rechercheteams von correctiv sind erschreckend, aber nicht überraschend. Schon lange ist klar, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist.
Nun liegt es schwarz auf weiß vor: Die Alternative für Deutschland plant gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremen, Funktionären der CDUnahen Werteunion und einer Gruppe von Unternehmern die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder ohne deutschem Pass. Mut macht in diesen Zeiten, dass tausende Menschen in Deutschland aufstehen und auf großen Kundgebungen für Rechtsstaat, Demokratie und Freiheit eintreten. Auch in … ist eine solche Kundgebung geplant. Sie findet am Freitag, den … ab 16:00 Uhr auf dem … statt. … ist offen aus Tradition und wir erleben die Vielfalt unserer Stadtgesellschaft jeden Tag als Bereicherung. Zeigen wir das auch!“
Die Facebook-Seite wird unter dem Klarnamen des Oberbürgermeisters „…“ geführt und enthält weiter den Zusatz „Politiker“ und „Aktuelle Informationen von und mit dem … OB“. Als Kontaktmailadresse wird … angegeben. Die angegebene externe Homepage „…“ leitet auf die Homepage der Antragsgegnerin … weiter.
7
Im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens wendete sich der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. Januar 2024 an die Antragsgegnerin, in dem die Unterlassung einer Wiederholung der inkriminierten Äußerung verlangt wird. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
8
2. Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2024 wendet sich der Antragsteller an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach und beantragt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes:
9
Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines auf Antrag des Antragstellers vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro untersagt, durch ihren Oberbürgermeister öffentlich erklären zu lassen:
„Die Enthüllungen des Rechercheteams von correctif [sic!] sind erschreckend, aber nicht überraschend. Schon lange ist klar, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Nun liegt es schwarz auf weiß vor: Die Alternative für Deutschland plant gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremen, Funktionären der CDUnahen Werteunion und einer Gruppe von Unternehmen die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder (Anmerkung: gemeint ist hier ergänzend „ohne“) deutschen Pass.“
insbesondere, wenn dies geschieht wie auf der Homepage des Oberbürgermeisters bezüglich eines Aufrufs zu einer Kundgebung auf dem … in … am … Der Antragsteller lässt vortragen, dass Amtsträger, wie den Oberbürgermeister der Antragsgegnerin, die Pflicht zur politischen Neutralität treffe. Diese sei durch die inkriminierte Äußerung missachtet worden. Für den Hoheitsträger gelte das Gebot der strikten Zurückhaltung mit parteipolitischen Äußerungen. Dieses Gebot gelte nicht nur in Wahlkampfzeiten. Herr … sei in diesem Fall ganz offensichtlich als Oberbürgermeister der Antragsgegnerin aufgetreten. Deswegen sei auch der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Ein Oberbürgermeister trete hoheitlich auf, wenn er in dieser Eigenschaft öffentlich spricht oder postet. Etwas anderes möge gelten, wenn er als Parteipolitiker und erkennbar losgelöst von seinem kommunalen Wahlamt als Privatmann spricht. In diesem Fall wären die Äußerungen zivilrechtlich zu prüfen.
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Vorliegend könne offenbleiben, ob die von correctiv erhobenen Vorwürfe sachlich überhaupt zutreffen. Hieran bestünden erhebliche Zweifel. Bis heute liege kein Wortprotokoll und keine Zeugenaussage bezüglich der angeblichen Geheimkonferenz in Potsdam vor, wie das sonst bei Presseberichten auf Nachfrage nachgewiesen werde. Mehrere Teilnehmer des Treffens hätten öffentlich erklärt, dass die „massenhaften Deportationen von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder ohne deutschen Pass“ nicht Gegenstand der Diskussion gewesen sei. Käme es hierauf an, wäre die Antragsgegnerin im Übrigen darlegungs- und beweisbelastet.
11
Ein Anordnungsgrund liege vor, da auch in den nächsten Wochen derartige Demonstrationen angekündigt seien. Auch der Antrag auf Androhung eines Ordnungsmittels sei begründet. Zwar gelte der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung. Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin hätte jedoch die Entscheidung in der Streitsache „…“ kennen müssen und ignoriere offensichtlich das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. März 2023.
12
Der Antragsteller nimmt mit Schreiben vom 6. Februar 2024 ergänzend zur Frage des Handelns in amtlicher Eigenschaft durch den Oberbürgermeister der Antragsgegnerin Stellung. Weiter weist er darauf hin, dass es für den Oberbürgermeister einen zweiten, privaten Account gebe.
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3. Mit Schreiben vom 5. Februar 2024 erwidert die Antragsgegnerin und beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
14
Die streitgegenständliche Äußerung sei von dem Oberbürgermeister der Antragsgegnerin als Privatperson und nicht in amtlicher Eigenschaft getätigt worden. Daher sei der Verwaltungsrechtsweg unzulässig. Nach den äußeren Umständen handele es sich um eine private Meinung des Oberbürgermeisters. Die Facebook-Seite werde von ihm persönlich und nicht von der Pressestelle der Antragsgegnerin gepflegt und es würden weiter ganz private bzw. politische Inhalte gepostet. Es würden keinerlei Symbole verwendet und die Bezeichnung Oberbürgermeister, die auch außerhalb des Dienstes verwendet werden dürfe, tauche zwar auf, werde jedoch nicht verwendet. Ferner ändere der Link auf die Homepage der Antragsgegnerin nichts.
15
Die Antragsgegnerin nimmt auf gerichtlichen Hinweis mit Schreiben vom 6. Februar 2024 ergänzend Stellung und verweist darauf, dass es sich im Fall des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs um einen offiziellen Account gehandelt habe.
16
4. Auf der Homepage der Bundespartei der Alternative für Deutschland wurde mit Datum vom 31. Januar 2024 eine Pressemitteilung veröffentlicht und sinngemäß ausgeführt, dass die von der AfD verwendete Vorstellung von der politischen Gestaltung einer „Remigration“ mit den Grundvorstellungen des Grundgesetzes übereinstimmt.
17
Nach Medienberichten hat correctiv den ursprünglich dem Treffen zugeschriebenen Begriff der Deportation aus seinem Bericht gestrichen. Auf der Homepage von … nehmen die Journalisten zu diesen Medienberichten Stellung und führen aus, dass in dem Text zwar von deportieren gesprochen und ein historischer Bezug hergestellt werde, der Begriff der Deportation aber nicht in dem Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ selbst verwendet worden sei, sondern im Zusammenhang mit einer Buchveröffentlichung im correctv-verlag. Dort sei der Begriff zwischenzeitlich ersetzt worden.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die vorgelegten Unterlagen verwiesen.
II.
A.
19
Für die vorliegende Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.
I.
20
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtswegs ist die Rechtsnatur des Streitgegenstandes (BVerwG, B.v. 28.10.2019 – 10 B 21/19 – juris Rn. 7). Nach dem herrschenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ist der Streitgegenstand der prozessuale Anspruch, der bestimmt wird einerseits durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck gebrachte konkrete Rechtsfolge bzw. den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch (Klageanspruch) und andererseits durch den zur Begründung vorgetragenen tatsächlichen Lebenssachverhalt (Klagegrund) (BVerwG, B.v. 8.9.2020 – 1 B 31/20 – juris Rn. 14; B.v. 24.10.2011 – 9 B 12/11 – juris Rn. 17; B.v. 24.10.2006 – 6 B 47/06 – juris Rn. 13; Ehlers/Schneider in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 40 Rn. 202). Entscheidend für die Frage, ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, ist nicht die vorgetragene Anspruchsgrundlage, sondern ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zu beurteilen ist (BGH, U.v. 25.2.21993 – III ZR 9/92 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 12.4.2013 – 9 B 37/12 – juris Rn. 6).
21
Vorliegend wird ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht. Dieser teilt regelmäßig die Rechtsnatur des Handelns, gegen das er sich richtet und dessen Kehrseite er ist (BVerwG, B.v. 29.4.1985 – 1 B 149/84 – juris Rn. 8; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 80; Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 453; Wysk in ders., VwGO, 3. Aufl. 2020, § 40 Rn. 132), sodass es auf die Rechtsnatur der Äußerung ankommt, deren Unterlassung der Kläger begehrt. Ob eine Äußerung eines Amtsträgers in amtlicher oder nichtamtlicher Funktion getätigt wird, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen (BVerfG, U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – NVwZ 2015, 209 Rn. 56; ThürVerfGH, U.v. 8.6.2016 – VerfGH 25/15 – NVwZ 2016, 1408 Rn. 57 f.). Eine amtliche Äußerung liegt vor, wenn ausdrücklich auf das Amt Bezug genommen wird, die Äußerung ausschließlich Maßnahmen oder Vorhaben des Amtes zum Gegenstand hat oder der Amtsinhaber sich durch amtliche Verlautbarungen etwa in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen oder auf offiziellen Internetseiten seines Geschäftsbereichs erklärt. Auch aus äußeren Umständen, wie der Verwendung von Staatssymbolen und Hoheitszeichen oder der Nutzung der Amtsräume, sowie aus dem äußerungsbezogenen Einsatz sonstiger Sach- oder Finanzmittel, die dem Amtsträger aufgrund seines Amtes zur Verfügung stehen, kann sich ein spezifischer Amtsbezug ergeben. Schließlich ist eine Äußerung als amtlich einzustufen, wenn ein Amtsträger sich im Rahmen einer Veranstaltung äußert, die von der Behörde ausschließlich oder teilweise verantwortet wird, oder wenn die Teilnahme an einer Veranstaltung ausschließlich aufgrund seines Amtes erfolgt (BVerfG, U.v. 9.6.2020 - 2 BvE 1/19 „Seehofer“ – NJW 2020, 2096 Rn. 59 f.; U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 „Schwesig“ – NVwZ 2015, 209 Rn. 57 f.). Keine amtliche Äußerung liegt hingegen vor, wenn die Äußerung nur „bei Gelegenheit“ der Amtstätigkeit erfolgt, im Übrigen aber so sehr Ausdruck einer persönlichen Meinung oder Einstellung des Amtsträgers ist, dass das persönliche Gepräge überwiegt und den Zusammenhang mit der Amtsführung völlig zurückdrängt (grundlegend BGH, B.v. 19.12.1960 – GSZ 1/60 – BGHZ 34, 99 – juris Rn. 19; sich anschließend BVerwG, B.v. 27.12.1967 – VI B 35.67 – BeckRS 1967, 31301743; OVG NW, B.v. 17.12.2009 – 2 ME 313/09 – juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 2.11.1998 – 9 S 2434/98 – juris Rn. 5; Unruh in Fehling/Kastner/ Störmer, VwGO, 5. Aufl. 2001, § 40 Rn. 141; Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 425).
II.
22
Auf Basis dessen ist die inkriminierte Äußerung auf der Seite unter dem Namen „…“ im sozialen Netzwerk „Facebook“ öffentlich-rechtlicher Natur und der Antragsgegnerin als Handeln ihres Oberbürgermeisters zuzurechnen. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Erklärung hat diese einen amtlichen Bezug.
23
Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin tritt auf der entsprechenden Seite zunächst mit Klarnamen auf, was auf den Oberbürgermeister als Privatperson hindeutet. Der Steckbrief beschreibt die Seite mit dem Begriff „Politiker“ und weiter mit „Aktuelle Informationen von und mit dem … OB“. Während Politiker an sich auch eher auf eine Privatperson hindeutet, hat der Teil der Informationen mit dem … OB einen Amtsbezug, unabhängig von dem Recht, die Amtsbezeichnung auch privat zu tragen (Art. 76 Abs. 3 Satz 1 HS. 2 BayBG), da die in Aussicht gestellten Informationen auf die Arbeit als Amtsträger Bezug nehmen. Sowohl die angegebene Mailadresse als auch die angeführte Homepage sind auf die Webseite der Antragsgegnerin verlinkt. Inhaltlich betreffen die Posts, soweit ersichtlich, fast ausschließlich die Arbeit als Oberbürgermeister. Vollkommen private Posts, also mit Familie oder Verwandtschaft, sind nicht erkennbar. Regelmäßig werden Pressemitteilungen der Antragsgegnerin gepostet oder die Beitragsreihe „Aktuelles aus dem Rathaus“ bzw. sonstige Informationen auf den youtube-account der Antragsgegnerin oder auf deren Homepage verlinkt.
24
Vorliegend tritt nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht nur eine öffentlich sichtbare Privatperson auf, die zugleich ein Amt innehat, sondern es werden die Autorität des Amtes und, durch Bezugnahme auf die Homepage der Antragsgegnerin, auch Ressourcen des Amtes in Anspruch genommen. Das gilt unabhängig davon, ob der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin die Seite auch privat betreut, was vor dem Hintergrund der fotografischen Qualität der Bilder und der Texte nach außen nicht erkennbar ist (in einem vergleichbaren Fall vgl. HessVGH, B.v. 11.7.2017 – 8 B 1144/17 – Rn. 27).
B.
25
Der zulässige Antrag ist begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Unterlassen der streitgegenständlichen Äußerung sowie die Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Anordnung glaubhaft gemacht.
26
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl der Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz begehrt, als auch der Anordnungsgrund, der sich insbesondere aus der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Anordnung ergibt, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
I.
27
Das Unterlassungsbegehren geht vorliegend einheitlich auf die Wiederholung der auf Facebook durch den Oberbürgermeister getätigten Äußerung, ungeachtet dessen, dass diese Äußerung in mehrere Teilaspekte, namentlich die Aspekte „rechtsextrem“ und „plant Deportation“ und/oder „plant Deportation auch von Deutschen“ aufgespalten werden könnte.
28
Der Streitgegenstand wird durch den Antrag vorgegeben. Unter dem Aspekt des Wiederholens kann der Antragsteller daher die Unterlassung einer Äußerung insgesamt auch dann verfolgen, wenn die Äußerung aus mehreren selbständigen Teilaspekten besteht. Konsequenterweise verstößt dann allerdings auch nur das Wiederholen der Äußerung mit all ihren Elementen gegen eine möglicherweise erstrittene Verfügung. Vor diesem Hintergrund ist eine möglicherweise übermäßige Belastung der Antragsgegnerin nicht ersichtlich, so dass der Antrag insgesamt statthaft ist.
II.
29
Es ist ein Anordnungsanspruch gegeben, da der Antragsteller den in dem Tenor formulierten Anspruch auf Unterlassen gegen die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht hat.
30
1. Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftiges Unterlassen einer getätigten Äußerung wurzelt in § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, der über das in der Norm genannte Eigentum hinausgeht. Er setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass amtliche Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben (BayVGH, B.v. 6.7.2012 – 4 B 12.952 – juris Rn. 18 f.).
31
Als geschützte Rechtsposition steht hier konkret das Gebot der staatlichen Neutralität im Raum, das sowohl auf dem Mitwirkungsrecht politischer Parteien an der öffentlichen Willensbildung nach Art. 21 Abs. 1 GG als auch auf dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb fußt. Eine Verletzung des Neutralitätsgebots kommt insbesondere dann in Betracht, wenn staatliche Organe negative Werturteile über Ziele und Betätigung einer Partei äußern (BVerfG, U.v. 10.6.2014 – 2 BvE 4/13 – juris Rn. 25).
32
Die erforderliche Wiederholungsgefahr, also die Prognose, dass weitere Eingriffe drohen, kann grundsätzlich angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Denn im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahme für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 62 m.w.N.).
33
2. Die streitgegenständliche Äußerung ist rechtswidrig mit Blick auf das dem Antragsteller zustehende Neutralitätsgebot.
34
a) Sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach der Bayerischen Verfassung ist das Gebot der parteipolitischen Neutralität zu beachten (BayVerfGH, E.v. 11.3.1994 – Vf. 22-VI-92). Das Bundesverfassungsgericht hat zu ihm ausgeführt, dass sich aus der chancengleichen Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes ergibt, dass Staatsorgane im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität zu wahren haben. Das Recht, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung teilzunehmen, wird entsprechend regelmäßig verletzt, wenn Staatsorgane als solche zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern auf den Wahlkampf einwirken. Die Willensbildung des Volkes und die Willensbildung in den Staatsorganen vollziehen sich zwar in vielfältiger und tagtäglicher Wechselwirkung. So sehr vom Verhalten der Staatsorgane Wirkungen auf die Meinungs- und Willensbildung der Wählerinnen und Wähler ausgehen, so sehr ist es den Staatsorganen in amtlicher Funktion aber verwehrt, durch besondere Maßnahmen darüber hinaus auf die Willensbildung des Volkes bei Wahlen und in ihrem Vorfeld einzuwirken und dadurch Herrschaftsmacht in Staatsorganen zu erhalten oder zu verändern. Staatsorgane haben als solche allen zu dienen und sich neutral zu verhalten. Einseitige Parteinahmen während des Wahlkampfs verstoßen gegen die Neutralität des Staates gegenüber politischen Parteien und verletzen die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen (BVerfG, zuletzt U.v. 15.6.2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 – juris Rn. 73; m.w.N.). Der Antragsteller steht als Kreisverband einer Partei im politischen Wettbewerb, etwa zur Wahl des Stadtrats der Antragsgegnerin.
35
Personell verpflichtet das Neutralitätsgebot nicht nur für Staatsorgane im engeren Sinn, sondern gilt für alle staatlichen Stellen gleichermaßen (Klein in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, 96. EL November 2021, Art. 21 Rn. 302) und gilt insbesondere auch für kommunale Organe (Kluth in BeckOK GG, 51. Ed. 15.5.2022, Art. 21 Rn. 138.4; vgl. BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 6/16 – juris Rn. 23; OVG NRW, U.v. 4.11.2016 – 15 A 2293/15 – juris Rn. 94).
36
Wann ein politisch gewählter Vertreter sachlich in amtlicher Eigenschaft und nicht nur privat handelt, ist eine Frage des Einzelfalles. In der Seehofer-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein Minister nicht gehindert ist, außerhalb seiner Funktion am politischen Meinungskampf teilzunehmen und eine Beeinträchtigung erst dann angenommen, wenn ein Regierungsmitglied auf die durch das Regierungsamt eröffneten Mittel und Möglichkeiten zurückgreift (BVerfG, U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 54 f.). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat weiter einen Bezug zum Amt der Landtagspräsidentin unter dem Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit angenommen, wenn diese an einer Podiumsdiskussion teilnimmt und dort das Verhalten von Fraktionen im Landtag beschreibt und bewertet (BayVerfGH, E.v. 17.1.2023 – Vf. 3-IVa-21 – juris 43).
37
Zeitlich beschränkt sich das Gebot staatlicher Neutralität nicht auf die Wahlkampfzeit. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität (BVerfG, U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 48). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht es zuletzt ausdrücklich offengelassen, ob in Zeiten des Wahlkampfs das Neutralitätsgebot zu verschärften Anforderungen an das Verhalten staatlicher Organe führt (BVerfG, zuletzt U.v. 15.6.2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 – juris Rn. 74).
38
b) In diesem Sinne verstanden, ist zunächst festzuhalten, dass der erste Bürgermeister der Beklagten sich in amtlicher Eigenschaft oberhalb einer anzunehmenden Bagatellgrenze zu der Partei des Antragstellers geäußert hat. Der Demonstrationsaufruf bezieht sich auch auf die Partei des Antragstellers, hebt diese hervor und betrifft damit ihr Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb.
39
Wie oben bereits dargelegt, hat der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin im konkreten Fall in amtlicher Eigenschaft gehandelt. An dieser Stelle ist zu betonen, dass das Gericht dabei die Schwierigkeiten bei der Trennung zwischen politisch handelnder Privatperson und echter amtlicher Eigenschaft im Einzelfall nicht verkennt. Ein Oberbürgermeister wird beispielsweise zu Veranstaltungen, etwa von Vereinen, zwar als Privatperson eingeladen, aber eben auch gerade wegen seiner amtlichen Funktion. Auf der anderen Seite wäre es gerade bei Verlautbarungen in sozialen Netzwerken schon durch organisatorische Vorkehrungen einfach, eine klare Trennung zwischen Privatperson und Amt herzustellen.
40
Die im Raum stehende Äußerung liegt oberhalb der Bagatellgrenze. Die Äußerung bedient sich insbesondere dem Begriff der Deportation, nimmt damit sprachlich Anlehnung aus der Zeit des Dritten Reiches und betont damit in besonders scharfer Weise den zuvor aufgestellten Bezug der AfD zum Rechtsextremismus. Damit geht die Äußerung über die einfache Teilhabe staatlicher Funktionsträger an einer öffentlichen Auseinandersetzung hinaus (BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 20).
41
c) Im Ergebnis verletzt im vorliegenden Einzelfall die streitgegenständliche Äußerung das Gebot der parteipolitischen Neutralität und Chancengleichheit auch in Ansehung des Repräsentationsrechts des Oberbürgermeisters.
42
(1) Das Neutralitätsgebot gilt nicht schrankenlos. Zu den Schranken gehört zunächst die verfassungsrechtliche Entscheidung zugunsten einer „streitbaren Demokratie“, die sich im Wesentlichen aus Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 GG herleitet. Das Grundgesetz vertraut aufgrund geschichtlicher Erfahrung nicht allein darauf, die freiheitliche Demokratie werde sich im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ohne weiteres behaupten. Es hat deshalb dem Staat die Aufgabe übertragen, die zentralen Grundwerte der Verfassung durch (repressive) Schutzvorkehrungen zu sichern und zu gewährleisten. Der Staat ist nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitgliedern wertend zu beurteilen, und kann die Grundsätze und Wertvorgaben des Grundgesetzes durch Organe und Funktionsträger des Staates auch mithilfe von Informationen an die Öffentlichkeit und der Teilhabe an öffentlichen Auseinandersetzungen verteidigen (BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 22 unter Bezug auf BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 – juris Rn. 24 f. sowie BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 58; BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – juris Rn. 21). Zu den Schranken gehören ferner die Rechte Dritter, wobei sich die organschaftlichen Rechte des demokratisch gewählten ersten Bürgermeisters verfassungsrechtlich aus dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde (Art. 28 Abs. 2 GG, 11 BV) und dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) herleiten. Im Falle einer Betroffenheit müssen verfassungsrechtlich legitimierte Gründe von einem Gewicht vorliegen, das dem Grundsatz der Chancengleichheit die Waage hält (BVerfG, U.v. 15.6.2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 – juris Rn. 92).
43
Der Oberbürgermeister ist als solcher politisch neutral, aber kein politisches Neutrum. Er ist gewähltes Stadtoberhaupt, das die Gemeinde nach außen repräsentiert, und kann als solcher auch in politischen Debatten Stellung beziehen (für den Fall der Landtagspräsidentin vgl. BayVerfGH, E.v. 17.1.2023 – Vf. 3-IVa-21 – juris Rn. 37; zur Differenzierung der Tätigkeit eines ersten Bürgermeisters bei der Leitung einer Gemeinderatssitzung und einem eigenen Redebeitrag vgl. VG Freiburg, U.v. 25.3.2021 – 4 K 3145/20 – juris Rn. 44). Dabei steht er, anders als etwa der Bundespräsident, im politischen Wettbewerb (vgl. hierzu BVerfG, U.v.10.6.2014 – 2 BvE 4/13 „Spinner“ – Rn. 27), und es ist bei der Gegenüberstellung von Neutralitätsgebot und Repräsentationsbefugnis zu berücksichtigen, dass das Neutralitätsgebot gerade beim Handeln staatlicher Organe zum Tragen kommt und ihm damit grundsätzlich Vorrang zukommt.
44
(2) Vorliegend liegt der im Raum stehende Demonstrationsaufruf jenseits einer Äußerungsbefugnis in politischen Debatten.
45
Selbst wenn man einem Amtsträger vor dem Hintergrund der Grundsätze streitbarer Demokratie und den gerichtlich und behördlich festgestellten rechtsextremen Strömungen in der Partei des Antragstellers (zur Einordnung als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz vgl. VG Köln, U.v. 8.3.2022 – 13 K 326/21) eine weitergehende Befugnis zur Stellungnahme in der aktuellen Debatte zugestehen wollte, überschreitet die inkriminierte Äußerung jedenfalls mit dem Begriff der Deportation die rechtlich aufgestellten Grenzen.
46
Der vom Oberbürgermeister der Antragsgegnerin verwendete Begriff der Deportation ist ein Vergleich, den die correctiv-Berichterstattung in Bezug auf die im Raum stehenden Ausweisungsüberlegungen aufstellt. Die Ausweisungsdebatte selbst wurde auf dem Treffen unter dem Stichwort „Remigration“ diskutiert. Hierüber wurde in dem Beitrag „Geheimplan gegen Deutschland“ berichtet. Die Plattform correctiv hat sich hierzu klarstellend geäußert und betont, dass der angestellte Vergleich von ihnen stammt.
47
Die Behauptung, die AfD plane eine Deportation, hat damit zwar einen Tatsachenkern, beinhaltet aber zugleich eine verschärfende Wertung, von dem ursprünglichen Bericht als historischer Vergleich angestellt, und vom Oberbürgermeister der Antragsgegnerin als aufgedeckter Plan in den Raum gestellt. Damit enthält die Äußerung einen besonders schweren Vorwurf an die Partei des Antragstellers.
48
3. Darüber hinaus liegt aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles auch Wiederholungsgefahr vor. Wie oben dargelegt, ist diese durch die Rechtswidrigkeit der Äußerung indiziert. Ferner hat sich der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin bereits in der Vergangenheit unter Verletzung des Neutralitätsgebots zu Lasten des Antragstellers bzw. zu Lasten der Partei des Antragstellers geäußert. Und schließlich ist ungeachtet dessen, dass die Demonstration vom … abgeschlossen ist, mit weiteren Veranstaltungen zu rechnen.
III.
49
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht. Ein Anordnungsgrund liegt dann vor, wenn die einstweilige Regelung durch das Gericht notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden. Im konkreten Fall sind diese Nachteile auch so schwerwiegend, dass die geregelte Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt erscheint.
50
Für den Antragsteller ist das Zuwarten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ein wesentlicher Nachteil. Es ist damit zu rechnen, dass gerade in den nächsten Wochen die mit dem Beitrag von correctiv angestoßene Diskussion aktuell bleibt und dementsprechend ein erneuter Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb durch eine Wiederholung der inkriminierten Äußerung zu befürchten ist.
IV.
51
Die Ablehnung des Antrags im Übrigen bezieht sich darauf, dass der Antragsteller darüber hinaus ein Zwangsgeld bis zu 250.000,00 Euro angedroht haben wollte. Es war lediglich eine Androhung bis zu 10.000,00 Euro auszusprechen.
52
Das Ordnungsgeld war vorliegend auf Antrag des Antragstellers nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 72 VwGO anzudrohen. Die maximale Höhe des Ordnungsgeldes war dabei nicht nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 890 Abs. 1 ZPO mit bis zu 250.000,00 Euro zu beziffern, sondern aufgrund § 172 VwGO auf bis zu 10.000,00 Euro. Die Vorschrift des § 172 VwGO ist speziell auf die Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und den Fall einer Vollstreckung gegen die öffentliche Hand ausgerichtet, so dass eine Beschränkung der Höchstbezifferung des angedrohten Ordnungsgeldes auf 10.000,00 Euro als angemessen erscheint (umstritten vgl. Pietzner/Möller in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 44. EL März 2023, § 172 VwGO Rn. 11f.; a.A. Kraft in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. A. 2022, § 172 VwGO Rn. 4).
V.
53
Die Kostenentscheidung basiert auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da das teilweise Unterliegen des Antragstellers in Bezug auf die Ordnungsgeldandrohung nur einen geringen Teil des Gesamtstreits ausmacht.
VI.
54
Die Festsetzung des Streitwerts basiert auf § 52 Abs. 2 GKG. Obwohl die inkriminierte Äußerung vorliegend mehrere selbständige Elemente beinhaltet, wurde vorliegend einheitlich das Unterlassen des Zitates verfolgt.