Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 04.04.2024 – Au 2 K 22.2432
Titel:

Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts, hier: Zuerkennung einer besoldungsrechtlichen Zulage für luftfahrttechnisches Prüfpersonal und freigabeberechtigtes Personal

Normenketten:
VwVfG § 48 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4
BBesG § 42 Abs. 1 S. 1
Vorbemerkung zu den Besoldungsordnungen A und B (Anlage 1 zum BBesG) Nr. 6a
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Aus dem in der Bundestagsdrucksache 19/13396 verankerten Willen des Gesetzgebers geht hervor, dass die Zulageberechtigung nach § 42 Abs. 1 S. 1 BBesG iVm Nr. 6a der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B sowie Anlage IX des BBesG nur den Ultraschallprüfern für zerstörungsfreie Werkstoffprüfung zugesprochen werden soll, wenn zugleich der Prüfer über die höchste dafür vorgesehene Qualifikation, die sog. Stufe 3 nach der DIN EN 4179 "Luft- und Raumfahrt–Qualifizierung und Zulassung des Personals für zerstörungsfreie Prüfungen", verfügt. (Rn. 17) (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vor Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts zu erfolgende Ermessensausübung ist nicht zu beanstanden, wenn die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach der BHO beachtet wurden, wonach die Stellenzulage nur für die Dauer der Wahrnehmung der herausgehobenen Funktion gewährt werden darf, und die Rücknahme zu dem Zeitpunkt erfolgte, als der Begünstigte die Änderung der Zentralen Dienstvorschrift kannte und damit die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kennen musste. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stellenzulage, Recht der Bundesbeamten, Bewilligungsbescheid, rechtswidriger Verwaltungsakt, Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit und für die Zukunft, Ermessensentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 10993

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Aberkennung einer Zulage für Personal für zerstörungsfreie Werkstoffprüfung von Luftfahrzeugen, Luftfahrtgeräten und Zusatzausrüstungen.
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Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 1. Januar 2020 mit Bescheid vom 4. Juni 2020 eine Zulage für die Verwendung gemäß Nr. 6a Abs. 1 Unterpunkt 5 der Vorbemerkung zu den Besoldungsordnungen A und B (Anlage 1 zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesG)).
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Mit Bescheid vom 18. Oktober 2022 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid mit Wirkung ab dem 15. Juli 2022 auf. Die Zulage könne gemäß AR A-1454/1, Nr. 3007 nur gewährt werden, wenn und solange Soldatinnen und Soldaten die höchste dafür vorgesehene Zertifizierung der sogenannten Stufe 3 nach DIN EN 4179 haben. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen wegen Änderung der A-1454/1, Nr. 3007 zum 15. Juli 2022 nicht mehr vor. Gemäß Schriftsatz der Beklagten vom 20. März 2024 handelt es sich hierbei um einen Schreibfehler im Bescheid. Es müsse A-1454/1, Nr. 7003 heißen.
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Der Kläger legte am 2. November 2022 gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2022 Verwaltungsbeschwerde ein. Der Kläger trug vor, die Aberkennung sei aus seiner Sicht nicht gerechtfertigt, da in der Vorbemerkung Nr. 6a der Besoldungsordnungen A und B Abs. 1 im Unterpunkt 5 die Gewährung der Zulage nicht an die Ausbildungshöhe gebunden sei. Des Weiteren sei in der AR A-1454/1, Nr. 7003 das Wort „ferner“ enthalten, dies impliziere, dass nun auch Personen der Stufe 3 die Zulage erhalten sollen, aber nicht ausschließlich diese. Außerdem sei hierdurch das Personal der Bundeswehr, welches zerstörungsfreie Prüfungen durchführt gegenüber anderen Bundesbeamten, welche die gleiche Tätigkeit ausführen und nicht im Geschäftsbereich BMVg beschäftigt seien, benachteiligt. Mit Beschwerdebescheid vom 22. November 2022 wies die Beklagte die Beschwerde zurück.
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Am 21. Dezember 2022 ließ der Kläger Klage erheben. Er beantragt,
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die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Zulage für die Verwendung gemäß Vorbemerkung Nr. 6a Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz (Zulage für luftfahrttechnisches Prüfpersonal und freigabeberechtigtes Personal) weiterhin zu gewähren und den Bescheid des S* D* H* vom 18. Oktober 2022 in Gestalt des Beschwerdebescheides des K* H* vom 22. November 2022 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
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Der Kläger nimmt Bezug auf die Beschwerdebegründung vom 2. November 2022 und trägt zudem mit Schriftsatz vom 20. Februar 2023 folgendes vor: Die in der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide herangezogene DIN EN 4179 enthalte einen Übersetzungsfehler im betroffenen Absatz. In der englischen Version der DIN EN 7149 werde der Begriff „Examiner“ verwendet. Dieser sei mit dem deutschen Wort „Prüfer“ übersetzt worden. Diese Übersetzung treffe den Sinn des Wortes „Examiner“ nicht gänzlich. Ein „Examiner“ sei jemand der Überwachungsaufgaben wahrnehme. Der „Prüfer“ in der Vorbemerkung Nr. 6a Bundesbesoldungsgesetz meine jedoch den Prüfer, welcher Prüfungen an Luftfahrzeugen oder Luftfahrzeuggerät durchführe. Die DIN EN 4179 diene zur Feststellung, wie ZfP-Personal auszubilden und zu qualifizieren sei. Es regele nicht die Durchführung von Prüfungen an Luftfahrzeugen oder Luftfahrzeuggeräten. Dies sei in Abschnitt sechs der DIN so auch beschrieben. Abschnitt drei der DIN definiere Begriffe im Rahmen der Qualifikation und Zulassung für Prüfpersonal. In diesem Zusammenhang müsse auch der Begriff Prüfer gesehen werden. Die DIN meine hier den Prüfer, der im Rahmen einer formalen Prüfung nach einem entsprechenden Lehrgang die Prüfung durchführe und den zu prüfenden Lehrgangsteilnehmer bewerte. Der Kläger sei gemäß der DIN ausgebildet worden und habe sowohl die zivilen als auch die bundeswehreigenen Voraussetzungen erfüllt und sei sowohl von der Bundeswehr als auch im zivilen Bereich als Ultraschallprüfer zugelassen.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 1. März 2023,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte begründet dies wie folgt: Der Begriff des Prüfers sei in Ziffer 3.10 der DIN EN 4179 legaldefiniert. Prüfer im Sinne der DIN EN 4179 und damit auch im Sinne der Vorbemerkung Nr. 6a der Besoldungsordnungen A und B sei eine zertifizierte Person der Stufe 3 nach dieser Norm, die von dem Verantwortlichen der Stufe 3 ernannt worden sei, den gesamten oder einen Teil des Qualifikations- und Zertifizierungsprozesses mit den ZfP-Verfahren durchzuführen, für das sie zertifiziert sei. Die Stellenzulage stehe demzufolge lediglich Beamten oder Soldaten zu, die „zertifizierte Person der Stufe 3“ seien, also über die Qualifikation der Stufe 3 nach der DIN EN 4179 verfügen. Dies habe der Gesetzgeber so auch ausdrücklich in der Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/13396, S. 118, erklärt. Dort heiße es: „Die Zulage ist für Personal vorgesehen, dessen Hauptaufgabe in der Prüfung von Luftfahrzeugen, Luftfahrtgerät und zugehörigen Ausrüstungsteilen besteht und das über die höchste dafür vorgesehene Qualifikation, die sog. Stufe 3 nach der DIN EN Norm 4179 „Luftund Raumfahrt-Qualifizierung und Zulassung des Personals für zerstörungsfreie Prüfungen“, verfügt.“ Ein Zulagenanspruch ergebe sich – entgegen der klägerseitigen Auffassung – auch nicht aus einem vermeintlichen Übersetzungsfehler. Das Argument gehe in Anbetracht des eindeutigen Wortlautes und dem in der Gesetzesbegründung unmissverständlich zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers an der Sache vorbei. Auf den Wortsinn des Begriffs „Prüfers“ komme es hier überhaupt nicht an. Der Gesetzgeber habe den in der deutschen Übersetzung der DIN EN 4179 verwendeten Begriff „Prüfer“ aufgegriffen und damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Zulage nur dem in Ziffer 3.10 legaldefinierten „Examiner“ / „Prüfer“ zustehen solle.
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Der Kläger ließ daraufhin mit Schreiben vom 31. März 2023 erwidern: Der Kläger sei kein „Prüfer im Sinne der DIN EN 4179“, sondern „Prüfer für zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen“ im Sinne der Vorbemerkung Nr. 6a der Besoldungsordnungen A und B. Sofern die Beklagte auf die von ihr zitierte Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 19/13396, S. 118 Bezug nehme, so beziehe sich diese lediglich auf einen Gesetzesentwurf. Eine entsprechende Regelung hierzu sei der BBesO nicht zu entnehmen.
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Der Klägerbevollmächtigte verzichtete mit Schreiben vom 20. Februar 2023 auf mündliche Verhandlung. Mit Schreiben vom 29. Juni 2023 verzichtete die Beklagte auf mündliche Verhandlung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist nicht begründet. Der Aufhebungsbescheid vom 18. Oktober 2022 sowie der Beschwerdebescheid vom 22. November 2022 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Der Aufhebungsbescheid in der Fassung, die er durch den Beschwerdebescheid erhalten hat, findet seine Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bescheid vom 4. Juni 2020, mit dem dem Kläger die Stellenzulage gemäß Nr. 6a Abs. 1 Unterpunkt 5 der Vorbemerkung zu den Besoldungsordnungen A und B ab 1. Januar 2020 bewilligt worden war, ist rechtswidrig.
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a) Rechtsgrundlage für die Bewilligung einer Stellenzulage ist § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG i.V. m. Nr. 6a der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B sowie Anlage IX des BBesG. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG können für herausgehobene Funktionen Amts- und Stellenzulagen vorgesehen werden. Eine Stellenzulage nach Anlage IX des BBesG erhalten gemäß Nr. 6a Absatz 1 Unterpunkt 5 der Vorbemerkung zu den Besoldungsordnungen A und B Beamte und Soldaten, wenn sie die Berechtigung als Prüfer für zerstörungsfreie Prüfungen von Luftfahrzeugen, Luftfahrtgeräten und Zusatzausrüstungen mit Zertifizierung nach DIN EN 4179, Ausgabe März 2017, in Verbindung mit den für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung geltenden Zulassungsvorschriften besitzen und entsprechend der Qualifikation verwendet werden.
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b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Dem Kläger fehlt die Zulageberechtigung. Zwar ist er als Ultraschallprüfer Prüfer für zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, jedoch fehlt ihm die höchste dafür vorgesehene Qualifikation, die sog. Stufe 3 nach der DIN EN 4179 „Luft- und Raumfahrt – Qualifizierung und Zulassung des Personals für zerstörungsfreie Prüfungen“. Die Vorbemerkung Nr. 6a Abs. 1 Unterpunkt 5 zu den Besoldungsordnungen A und B ist dahingehend auszulegen, dass die höchste dafür vorgesehene Qualifikation, die sog. Stufe 3 nach der DIN EN 4179 „Luft- und Raumfahrt – Qualifizierung und Zulassung des Personals für zerstörungsfreie Prüfungen“ vorausgesetzt wird (vgl. Tintelott in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand Februar 2021, Vorb. Nr. 6a zu Anlage I BBesG Erläuterungen, Rn. 3 und 8).
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Aus dem Wortlaut der Vorbemerkung ist nicht eindeutig erkennbar, ob sich die Berechtigung als Prüfer auf den in 3.10 DIN EN 4179 legal definierten Prüfer oder nur allgemein auf eine Prüfberechtigung nach DIN EN 4179 bezieht. Das Vorbringen des Klägers, dass die DIN EN 4179 einen Übersetzungsfehler im betroffenen Absatz (3.10) enthalte und in der englischen Version der DIN EN 4179 der Begriff „Examiner“ verwendet werde, kann hier jedoch nicht greifen. Unabhängig vom Begriff wollte der Gesetzgeber an die in der Legaldefinition geregelten Voraussetzungen anknüpfen. Auch mag hier das Vorbringen des Klägers, dass die DIN EN 4179 zur Feststellung diene, wie ZfP-Personal auszubilden und zu qualifizieren sei und nicht die Durchführung von Prüfungen an Luftfahrzeugen oder Luftfahrzeuggeräten regele, zwar zutreffen. Jedoch steht es dem Gesetzgeber frei, selbst wenn die DIN EN 4179 in ihrer Legaldefinition den Prüfer meine, der im Rahmen einer formalen Prüfung nach einem entsprechenden Lehrgang die Prüfung durchführe und den zu prüfenden Lehrgangsteilnehmer bewerte, hieran anzuknüpfen. Auch Definitionen in anderen Rechtsgebieten können bei Verweis auf diese als Legaldefinition verwendet werden.
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Der Sinn und Zweck der Norm liegt darin, einem weiteren Personenkreis eine Zulage zu gewähren, dessen Tätigkeit durch den Umgang mit Fluggerät und die dadurch bedingte erhöhte Verantwortung und Belastung gekennzeichnet ist. Dem entspricht es, die Zulage nur bei höchster dafür vorgesehener Qualifikation zu gewähren. Das Personal der Stufe 3 muss in der Lage sein, die technische Verantwortung für die ZfP-Einrichtung und das ZfP-Personal zu übernehmen. Damit ist insbesondere dieses Personal mit erhöhter Verantwortung und Belastung konfrontiert.
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Jedenfalls ergibt sich die Notwendigkeit der höchsten dafür vorgesehenen Qualifikation, der sog. Stufe 3 nach der DIN EN 4179, aus dem in der Bundestagsdrucksache 19/13396 verankerten Willen des Gesetzgebers. Die Zulage ist für Personal vorgesehen, dessen Hauptaufgabe in der Prüfung von Luftfahrzeugen, Luftfahrtgerät und zugehörigen Ausrüstungsteilen besteht und das über die höchste dafür vorgesehene Qualifikation, die sog. Stufe 3 nach der DIN EN 4179 „Luft- und Raumfahrt – Qualifizierung und Zulassung des Personals für zerstörungsfreie Prüfungen“, verfügt (vgl. BT-Drs. 19/13396, S. 118). Das Vorbringen des Klägers, dass sich die Bundestagsdrucksache lediglich auf einen Gesetzesentwurf beziehe, greift nicht. Der Bundestag hat am Donnerstag, 24. Oktober 2019, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Modernisierung der Strukturen des Besoldungsrechts und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ (19/13396) (dort S. 24) in der vom Ausschuss für Inneres und Heimat geänderten Fassung (19/14425) gegen die Stimmen der Linken angenommen. Dabei beziehen sich die Änderungen aber nicht auf den hier relevanten Teil des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drs. 19/14425).
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Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg, unter Hinweis auf die Gewährung der Zulage für Beamte außerhalb des Geschäftsbereichs des BMVg, auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG berufen, weil der Zulagenanspruch gesetzlich geregelt ist, so dass es auf eine etwa andersartige Verwaltungs- oder Ermessenspraxis der Beklagten für unterschiedliche Beamten- und Soldatengruppen nicht ankommt. Die Zulagenberechtigung unterliegt voller verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung dahin, ob sie nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG i.V.m. Nr. 6a der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B entweder zusteht oder nicht. Eine Gleichbehandlung im Unrecht kann der Kläger nicht verlangen.
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2. Die Beklagte hatte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Rücknahme des die Zulage bewilligenden Bescheides vom 4. Juni 2020 zu treffen. Da es um die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes ging, waren zunächst die Einschränkungen des § 48 Abs. 2 und Abs. 4 VwVfG zu berücksichtigen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Anhaltspunkte dafür, dass das Vertrauen des Klägers in die ihm rechtswidrig gewährte Stellenzulage nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG weiter schutzwürdig ist, weil er als bisher Begünstigter die gewährten Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die vorzunehmende Abwägung hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 18. Oktober 2022 jedenfalls insofern zutreffend vorgenommen, als sie dem Kläger die Zulage erst ab Änderung der Zentralen Dienstvorschrift A-1454/1, Nr. 7003 am 15. Juli 2022 aberkannte. Der Kläger konnte sich danach wegen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG nicht mehr auf sein Vertrauen berufen, da er nach Änderung der Zentralen Dienstvorschrift die Rechtswidrigkeit kennen musste.
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Auch die Ermessensausübung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Sowohl im Hinblick auf § 42 Abs. 3 Satz 1 BBesG, wonach eine Stellenzulage nur für die Dauer der Wahrnehmung der herausgehobenen Funktion gewährt werden darf, als auch infolge der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die die Beklagte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BHO zu beachten hat, bedurfte es in den angefochtenen Bescheiden keiner weiteren ausführlichen Darlegungen zur Ausübung des Ermessens, das der Beklagten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bei der Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligung der Stellenzulage zustand (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2019 – 2 A 12.17 – juris Rn. 29; NdsOVG, U.v. 24.11.2009 – 5 LC 159/07 – juris Rn. 42).
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Auch die Rücknahmefrist, die gem. § 48 Abs. 4 VwVfG ein Jahr beträgt, wurde gewahrt. § 48 Abs. 4 VwVfG ist auch dann anzuwenden, wenn die Behörde bei der Entscheidung über den aufgehobenen Verwaltungsakt – wie hier – den vollständigen Sachverhalt kannte, aber ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt, sie also den bekannten Sachverhalt nicht ausreichend berücksichtigt oder gewürdigt hat (vgl. BVerwG, B.v. 19.12.1984 – GrSen 1/84, GrSen 2/84 – juris Rn. 8). Kenntnis bestand hier frühestens ab Erlass der A-1454/1, Nr. 7003 am 15. Juli 2022.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.