Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 01.02.2024 – 207 StRR 13/24
Titel:

Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch bei fehlender Erörterung eines möglichen Rücktritts vom Versuch

Normenketten:
StPO § 318
StGB § 24 Abs. 1, 223 Abs. 1, 255 Abs. 1
Leitsatz:
Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 318 StPO) ist unter anderem unwirksam, wenn auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen eine Straffreiheit wegen Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder der im Falle des Rücktritts noch bestehende Schuldspruch den angefochtenen Strafausspruch nicht zu tragen vermag. Letzteres ist anzunehmen, wenn im Fall des Rücktritts nur noch eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung statt wegen versuchter räuberischer Erpressung vorliegen würde. (Rn. 3 – 4) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Berufungsbeschränkung, Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch, Erörterungsmangel, Rücktritt vom Versuch, unwirksame Beschränkung, versuchte räuberische Erpressung
Vorinstanzen:
LG München I, Urteil vom 09.10.2023 – 18 NBs 271 Js 200718/22
AG München, Urteil vom 04.04.2023 – 842 Ls 271 Js 200718/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 1098

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 9. Oktober 2023 samt den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.

Gründe

1
Die zulässige Revision hat bereits mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht, so dass ein Eingehen auf die Verfahrensrüge nicht mehr geboten war.
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1. Die Revision erweist sich in vollem Umfang als begründet, da die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch nicht wirksam erfolgt ist, was der Senat von Amts wegen zu überprüfen hatte (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 318 Rdn. 33).
3
a) Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 318 StPO) ist unter anderem unwirksam, wenn die Feststellungen des Erstgerichtes zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für den Schuldspruch und/oder die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 318 Rdn. 16 m. w. N.). Dies ist auch dann der Fall, wenn auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen eine Straffreiheit wegen Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 StGB in Betracht kommt (BayOblG, Beschluss vom 03.07.2023, 202 StRR 34/23, zitiert nach juris, dort Rdn. 6) oder der im Falle des Rücktritts noch bestehende Schuldspruch den angefochtenen Strafausspruch nicht zu tragen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1996, 1 StR 51/96, NJW 1996, 2663, 2665).
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b) So liegt es auch im vorliegenden Fall, weil auf der Grundlage der (im angefochtenen Urteil wiedergegebenen) Feststellungen des Amtsgerichts im Urteil vom 4. April 2023 ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Dieser würde zum Wegfall des Schuldspruchs wegen versuchter räuberischer Erpressung führen. Der dann ggf. noch bestehende Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung trägt die verhängte Freiheitsstrafe von 2 Jahren schon angesichts des dann deutlich niedrigeren Strafrahmens nicht.
5
Eine Strafbarkeit wegen versuchter (räuberischer) Erpressung ist zwar bereits dann gegeben, wenn der Täter zur Nötigungshandlung unmittelbar ansetzt (vgl. Leipziger Kommentar zum StGB/Vogel-Burchard, 13. Aufl., § 253 Rdn. 58). Mangels jeglicher Feststellungen des Amts- und Landgerichts dazu, warum die weitere Ausführung der Tat unterblieben ist und welche Vorstellungen der Täter zum maßgeblichen Zeitpunkt vom Fortgang derselben hatte (vgl. hierzu im Einzelnen BayObLG aaO Rdn.10ff.), kann der Senat aber nicht beurteilen, ob der Versuch beendet oder unbeendet oder gar bereits fehlgeschlagen (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 22.03.2012, 4 StR 541/11, zitiert nach juris, dort Rdn. 10f.) war. Im Fall des unbeendeten Versuchs würde zur Straflosigkeit wegen versuchter räuberischer Erpressung jedoch bereits das Absehen von der weiteren Tatausführung genügen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB; vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 24 Rdn. 26f.).
6
b) Da das Landgericht keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch wegen versuchter räuberischer Erpressung getroffen hat, entbehrt dieser somit einer tatsächlichen Grundlage. Die Aufhebung erfasst auch den (für sich genommen rechtsfehlerfreien) tateinheitlichen Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung.
7
2. Das Urteil war daher gemäß § 349 Abs. 4 StPO samt den zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 StPO) aufzuheben und gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückzuverweisen.
8
Die nunmehr mit der Sache befasste Kammer wird Gelegenheit haben, die gebotenen Feststellungen zum Tatplan des Angeklagten und zum Fortgang des Geschehens nach den (bisher festgestellten) Körperverletzungshandlungen zu treffen, um auf dieser Grundlage die Frage des Rücktritts vom Versuch prüfen zu können.