Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 04.01.2024 – AN 17 K 22.30629, AN 17 K 22.30630, AN 17 K 22.30631
Titel:

unbegründeter Asylantrag (Venezuela)

Normenketten:
AsylG § 3, § 3b Abs. 1, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Schutzgelderpressungen in Mafia-Art durch marodierende Banden rechtfertigen nicht die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG, denn es ist nicht erkennbar, dass diese Überfälle seitens des Staates in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale nach § 3b Abs. 1 AsylG verübt, veranlasst oder geduldet werden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die schlechte wirtschaftliche und humanitäre Lage in Venezuela stellt sich noch nicht allgemein als derart prekär dar, dass auch für gesunde, gut ausgebildete und gut organisierte Personen im Falle der Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit zu erwarten ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylbewerber aus Venezuela, Lage in Venezuela (Bandenkriminalität staatliches Handeln), unglaubhafter Vortrag, Asyl, Venezuela, Schutzgelderpressung, Bandenkriminalität, wirtschaftliche Lage
Fundstelle:
BeckRS 2024, 10889

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten der Verfahren.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der 1968 geborene Kläger zu 1) und die 1982 geborene Klägerin zu 2) sind miteinander verheiratet und die Eltern des 2012 geborenen Klägers zu 3) und der 2003 geborenen Klägerin zu 4). Sie sind venezolanische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit. Die Kläger zu 1) und zu 2) besitzen darüber hinaus die syrische Staatsangehörigkeit. Die Kläger zu 2) bis 4) sind in V. geboren, der Kläger zu 1) in Syrien. Sie haben zuletzt in …, Venezuela gelebt. Sie reisten im Juli 2021 aus Venezuela aus und über die Türkei, Spanien und Frankreich Ende Juli 2021 nach Deutschland ein, wo sie am 31. August 2021 Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stellten.
2
Der Kläger zu 1) gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 11. Oktober 2021 an, Syrien 1999 verlassen und aus Arbeitsgründen nach Venezuela gegangen zu sein. Die venezolanische Staatsangehörigkeit habe er 2004 erworben. In Syrien habe er als Grundschullehrer gearbeitet, in Venezuela als Großhändler. Es sei geplant gewesen, nach Syrien zurückzukehren, dann sei es aber 2011 zum Kriegsausbruch in Syrien gekommen. Während er zuvor als Händler gependelt sei, habe er 2017 ein Geschäft aufgemacht. Es gebe in Venezuela organisierte Banden, die auch vom Regime unterstützt würden. Eine dieser Mafia-Bande habe sich nach der Geschäftseröffnung auf ihn konzentriert und ihn erpresst. Als er im Mai 2017 abgelehnt habe, die Forderung zu bezahlen, habe man ihm gedroht, seine Frau und sein Kind zu entführen. Es sei im Mai 2017 auch zu einem Entführungsversuch seiner Frau gekommen. Dieser sei fehlgeschlagen, weil seine Frau laut geschrien hätte. Er sei aus einer Telefonzelle (mit unbekannter Nummer) bedroht worden. Im August 2018 sei man hinter ihm hergefahren und habe alles aus dem Auto geräumt, als er das Auto verlassen habe. Er habe dann versucht, sich mit den Leuten zu versöhnen, was eine gewisse Zeit erfolgreich gewesen sei. Im Februar 2020 sei die Forderung viel höher gewesen als vereinbart. Sie seien am 17. Februar 2020 zu ihm gekommen, kurz bevor das Geschäft geschlossen werde. Sie seien zu viert im Geschäft gewesen, was zeige, dass sie sein Geschäft beobachtet hätten. Vier bewaffnete Männer seien gekommen und hätten die Tür des Geschäftes zugemacht. Diesen Moment werde er nie vergessen. Er habe richtig Angst gehabt, auch um seine Frau und seine Kinder. Seine Frau sei gefesselt worden. Die Männer hätten gesagt, dass sie beim nächsten Mal die Kinder mitnähmen und dass das die letzte Warnung sei. Da habe er sich zur Ausreise entschieden. Am 15. März 2020 sei dann aber der Flugverkehr coronabedingt bis Januar 2021 eingestellt worden. Das Geschäft sei seitdem die ganze Zeit geschlossen gewesen, obwohl es aufgrund der Coronaregelung jede zweite Woche hätte geöffnet sein dürfen. Er habe andere Menschen beauftragt, ihm Waren aus seinem Geschäft zu bringen. Dass er so spät ausgereist sei, habe auch den Grund gehabt, dass man vollständig habe geimpft sein müssen. Er habe die erste Möglichkeit zur Ausreise nach der vollständigen Impfung genutzt und Venezuela am 16. Juli 2021 verlassen. Einen Tag nach dem Vorfall, am 18. Juli 2020, habe er bei der Polizei Anzeige erstattet. Hierzu legt der Kläger die Kopie eines entsprechenden Dokuments vor. Er habe auch noch eine ältere Anzeige von 2017, als Gegenstände aus dem Auto geklaut worden seien. Die Polizei habe von ihm die Namen haben wollen. Die Nennung von Namen sei aber gefährlich. Er kenne die Namen nicht und habe sie nicht genannt, hätte sie aber auch nicht erwähnt, wenn er sie gewusst hätte. Er habe die Anzeige in der Hoffnung auf allgemeinen Schutz erstattet bzw. für den Fall, dass ihnen etwas geschehe, damit die Polizei sie in Schutz nehme, also aus Prävention. Die Polizei habe Patrouillen zu seinem Geschäft, das genau im Zentrum der Stadt gelegen habe, geschickt. Weitere Maßnahmen habe die Polizei nicht unternommen, weil er dies nicht verlangt habe. Das wäre noch gefährlicher gewesen. Er wisse, dass die Banden von der Regierung selbst unterstützt würden. Seitens der syrischen Botschaft habe man ihm nicht helfen können, weil er Regimekritiker sei. Weitere Bedrohungen habe es seit der Anzeige 2020 nicht gegeben. Er habe aber auch darauf geachtet, das Haus nicht zu verlassen und seine Telefonnummer geändert. Die Tochter sei nur noch in Begleitung ihrer Mutter irgendwohin gegangen. Anrufe mit unbekannter Nummer habe er nicht entgegengenommen. Er habe schon darüber nachgedacht, in eine andere Stadt zu gehen. Dies sei aufgrund der Coronaeinschränkungen aber untersagt gewesen. Die Banden seien auch befugt herauszufinden, wo er sich gerade aufhalte, sie hätten ihre Augen und Spione überall. Er habe damals mit drei Partnern in verschiedenen Städten zusammengearbeitet und habe sich von daher gut ausgekannt. Er habe deshalb ein Unsicherheitsgefühl gehabt. Mit der Polizei sei er in Kontakt gewesen. Sie hätten ständig angerufen und sich nach seinem Zustand erkundigt. Die Polizisten seien auch Freunde gewesen. Den polizeilichen Schutz habe er nur für eine gewisse Zeit beantragt, bis er die Ware aus dem Geschäft losgeworden sei. Die Polizei schütze einen nicht überall, z.B. nicht, wenn man unterwegs sei oder die Kinder auf dem Schulweg seien. Bei der Ausreise habe er keine Probleme gehabt. Wenn er nach Venezuela zurückkehre, wäre sein Leben in Gefahr und er würde in Ängsten leben und könnte eine psychische Störung bekommen. Er sei gesund und leide nicht an Krankheiten.
3
Die Klägerin zu 2) gab bei ihrer Anhörung nach § 25 AsylG vom gleichen Tag an, dass sie ein Zahntechnikstudium begonnen, wegen der Kinder aber nicht fortgesetzt habe und Kurse als Kosmetikerin und Schneiderin belegt und ein Büro gehabt habe, das Hochzeiten und Festivitäten organisiert habe, was sie aber 2018 aufgegeben habe, weil man sie und ihren Sohn habe entführen wollen. Ihr Mann sei von den gleichen Personen bedroht worden. Die Probleme hätten begonnen, als ihr Mann ein Geschäft eröffnet habe. Am Anfang sei nichts passiert, sie habe erst 2017 von den vielen Bedrohungen erfahren, dass die Mafia Geld verlange und mit der Entführung der Kinder drohe. Einmal habe sie mit ihrem Sohn zu einem Geschäft gehen wollen. Man habe versucht, sie zu entführen, als sie aus ihrem Auto ausgestiegen sei. Sie habe die hintere Türe aufgemacht, ihr Sohn sei ausgestiegen, dann sei einer zu ihr gekommen und habe gesagt, sie solle nicht schreien, sonst werde ihr Kind umgebracht. Er habe sie an das Auto gedrückt und die Tür aufgemacht. Sie habe dann geschlagen und geschrien. Er sei dann auf sein Motorrad gestiegen und weggefahren. Sie sei für ca. zwei Stunden im Laden geblieben, bis sie sich beruhigt habe und sei dann mit dem Auto nach Hause gefahren. Das sei im August 2017 gewesen. Die Ladenbesitzer hätten gesagt, dass sie Anzeige erstatten solle, es habe auch eine Kamera gegeben. Sie habe das nicht gewollt, weil sie nicht gekannt werden wollte. Ende 2018 sei ihrem Auto ein Mann in Polizeiuniform gefolgt und habe ihr signalisiert, dass sie anhalten solle. Da sie nicht sicher gewesen sei, ob es ein echter Polizist sei, sei sie weitergefahren und habe erst in einem Zentrum, wo mehrere Menschen gewesen seien, gehalten. Daraufhin sei die Person umgedreht und abgehauen. Im Februar 2020 seien sie alle am Abend im Geschäft gewesen, als vier bewaffnete Personen ins Geschäft eingedrungen seien, sie und ihren Mann gefesselt, den Sohn festgehalten und die Tochter geschlagen hätten. Sie seien mit dem Tod bedroht worden. Von ihrem Mann sei viel Geld verlangt worden, wie viel wisse sie nicht. Ihr Mann habe das nicht bezahlt. Ihr Mann habe erzählt, dass sie vorsichtig sein müssten und kaum aus dem Haus gehen dürften. Danach hätten sie das Geschäft nicht mehr betreten. Sie hätten ausreisen wollen, aber Corona sei dazwischengekommen. Ihr Mann habe eine Anzeige erstattet und dabei seinen syrischen Pass angegeben. Weiter passiert sei nichts, aber sie hätten die Wohnung kaum verlassen. Obwohl sie zuvor an verschiedenen Stellen in Venezuela gewohnt hätten, hätten sie und ihr Mann nicht darüber nachgedacht, in eine andere Region zu ziehen. Ihrer Erinnerung nach habe sie darüber nicht mit ihrem Mann geredet. Ganz Lateinamerika sei unsicher. Sie sei gesund.
4
Die Klägerin zu 4) gab bei ihrer Anhörung am 11. Oktober 2021 an, Abitur zu haben und Kurse in Kosmetik und Medizin gemacht zu haben. Sie machte Angaben zu Problemen mit Banden, die der Vater in seinem Geschäft gehabt habe. 2017 habe man versucht, ihren Bruder und ihre Mutter zu entführen. Einmal in den Ferien, als sie unterwegs gewesen seien, habe man ihnen die Papiere geklaut. 2019 sei sein Vater ständig angerufen und erpresst worden. 2020 seien sie an einem Abend alle im Geschäft gewesen. Sie seien gefesselt worden. Sie selbst sei auch geschlagen und bedroht worden, falls der Vater nicht zahle. Der Vater habe danach das Geschäft geschlossen und die Familie habe massive Probleme gehabt. Es sei kein Leben gewesen wegen der fehlenden Sicherheit. Ihre Eltern hätten sie nicht rausgehen lassen und sie habe sich nicht an der Universität einschreiben können. Zur Klinik sei sie von ihrer Mutter begleitet worden. Zum Abitur sei sie mit dem Auto gefahren worden. Sie sei beruflich sehr erfahren gewesen und habe aus Sicherheitsgründe nur diejenigen Kunden angenommen, die sie gekannt habe. Sie habe über ihre Arbeit auch etwas auf I. veröffentlicht und habe ein Buch geschrieben, das im März 2021 fertiggestellt gewesen sei. Sie hätten immer Angst gehabt. Genaueres könne sie aber nicht sagen, weil der Vater keine Details erzählt habe. Der Überfall im Februar sei gegen 17 Uhr abends gewesen. Es seien vier große, dunkelhäutig, nicht vermummte Personen ins Geschäft gekommen, wo sie manchmal gewesen seien, um dem Vater zu helfen. Sie sei festgehalten und geschubst worden. Auch ihr Bruder sei festgehalten worden. Sie hätten gesagt, dass ihnen die Kehlen durchgeschnitten würden, wenn der Vater nicht zahle. Wie viel Geld gefordert worden sei, wisse sie nicht. Von vorherigen Überfällen auf das Geschäft wisse sie nichts. Es sei zunächst überlegt worden, innerhalb von Venezuela umzuziehen. Die Banden würden eine neue Adresse aber herausfinden, weswegen der Gedanke wieder verworfen worden sei. Sie sei gesund.
5
Die Kläger legten u.a. folgende Dokumente vor:
6
1. Eine Bescheinigung der Mitteilung durch die Klägerin zu 2) vom 15. August 2017 über den Verlust des Personalausweises der Tochter, der Geburtsurkunde des Sohnes und von Kreditkarten des Ehemannes bei einem Vorfall am 12. August 2017, 14 Uhr in …
7
2. Eine Anzeigeerstattung durch den Kläger zu 1) [Anzeige-Nr. …] vom „(18.) Februar (2020)“, dass er kontinuierlich Opfer von Raubüberfällen in seinem Geschäft „…“ sei und beim letzten Überfall sein acht Jahre alter Sohn gepackt und ihm gesagt worden sei, dass sie umgebracht würden, wenn Anzeige erstattet würde. Der Kläger erhalte Anrufe, bei dem ihm gesagt werde, dass er ihnen „...“ geben solle. Weil dies seiner Gesundheit und seinem Gefühlsleben schade, teile er dies mit. Am Raubüberfall seien vier Personen beteiligt gewesen und es seien seine Frau und seine zwei Kinder, 8 und 17 Jahre alt, da gewesen.
8
3. Eine Bescheinigung bzw. Bestätigung, dass am Dienstag, 18. Februar 2020 um 9 Uhr der Kläger zu 1) bei der Gemeindepolizei erschienen sei und Anzeige über einen bewaffneten Überfall mit Todesdrohung in seinem Betrieb erstattet habe.
9
Mit getrennten Bescheiden vom 28. Juli 2022 erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1), lehnte die Anträge auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus jeweils nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4), drohte den Klägern die Abschiebung – in erster Linie – nach Venezuela an, wenn sie die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens verließen (Ziffer 5) und ordnete Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete diese auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
10
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass angesichts der Tatsache, dass den Klägern nach dem 17. Februar 2020 bis zur Ausreise am 16. Juli 2021 nichts mehr passiert sei, nicht davon ausgegangen werden könne, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Venezuela mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung drohe. Die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des venezolanischen Staates habe in den letzten Jahren zwar stark nachgelassen, vorliegend sei aber staatlicherseits versucht worden zu helfen.
11
Gegen die Bescheide erhoben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten am 15. August 2022 Klagen zum Verwaltungsgericht Ansbach und beantragten,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide des Bundesamts vom 28. Juli 2022 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen,
hilfsweise den subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzusprechen,
hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bis Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen und begründeten diese mit den schlechten humanitären Bedingungen in Venezuela.
12
Die Beklagte beantragte mit Schriftsätzen vom 18. August 2022,
die Klagen abzuweisen.
13
Im Laufe des Gerichtsverfahrens nahmen die Kläger mehrfach Stellung zu ihrer persönlichen Situation, insbesondere zu den beengten Lebensverhältnissen in der Unterkunft, ihrem beruflichen Engagement und zu gesundheitlichen Aspekten. Sie nahmen Bezug zu ihren Asylgründen und auf die seit 2013 ständig sich verschlechternde Lage in Venezuela.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakten Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

15
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 28. Juli 2022 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16
Den Klägern steht weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Auch im Übrigen stoßen die angegriffenen Bescheide auf keine rechtlichen Bedenken.
17
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Asylanerkennung. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (jeweils näher definiert in § 3b Abs. 1 AsylG) außerhalb seines Herkunftslandes befindet und in dieses nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will, wobei nach § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich ist, ob die verfolgte Person tatsächlich die Merkmale, aufgrund derer sie verfolgt wird, aufweist oder ihr die Merkmale vom Verfolger nur zugesprochen werden. Als Verfolgung in diesem Sinn gelten gemäß § 3a AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen (Nr. 1) oder eine Kumulierung von Maßnahmen, die so gravierend ist, das eine Person in vergleichbarer Weise betroffen ist (Nr. 2). Als Verfolgungshandlungen in Sinn des Abs. 1 sind nach § 3a Abs. 2 AsylG u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden und eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung, anzusehen. Zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylG. Ergänzende Regelungen ergeben sich für die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, aus § 3c AsylG und zu den Akteuren, die Schutz bieten können, aus § 3d AsylG. Kein Schutz wird nach § 3e Abs. 1 AsylG gewährt, wenn der Verfolgte in einem Teil seines Herkunftslandes sicher vor Verfolgung ist und diesen Landesteil sicher und legal erreichen kann, dort aufgenommen wird und eine Niederlassung dort vernünftigerweise erwartet werden kann (inländische Fluchtalternative).
18
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“). Erforderlich ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene bei einer Rückkehr verfolgt werden wird. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – NVwZ 2011, 1463; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936). Dabei ist die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie in Form einer widerlegbaren Vermutung zu beachten, wenn der Asylbewerber bereits Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgungscharakter erlebt hat und sich seine Furcht hinsichtlich einer Rückkehr in sein Heimatland aus einer Wiederholung bzw. Fortsetzung der erlittenen Verfolgung ergibt.
19
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende hinsichtlich asylbegründender Vorgänge in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich der Vorgänge im Herkunftsland für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller und darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen. Es hat sich vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.1977 – 1 C 33/71 – NJW 1978, 2463). Andererseits muss der Asylbewerber von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen, widerspruchsfreien Sachverhalt schildern. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann ihm in der Regel nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – NVwZ 1990, 171).
20
Dies zu Grunde gelegt ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass den Klägern im Falle einer Rückkehr nach Venezuela mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG unterfallende Gefährdung droht.
21
Eine Vorverfolgung im o.g. Sinne haben die Kläger nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere kann ihnen der Vorfall vom 17. Februar 2020 in keiner Weise geglaubt werden. Insofern machten die Kläger, vor allem der Kläger zu 1), extrem pauschale und unkonkrete und auch unplausible Angaben, die sich untereinander teilweise auch deutlich unterschieden. Auch wichen die Angaben bei der Anhörung durch das Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung voneinander ab. Der Kläger zu 1) konnte die Angreifer in der mündlichen Verhandlung nicht näher beschreiben, bezeichnete sie nur mit Allgemeinplätzen wie „normal“, „eher kräftig“ und „robuster“, den einen „etwas größer als den anderen“ und als „normal gekleidet“. Auch das Vorgehen der Männer beschrieb der Kläger zu 1) nicht näher, sondern gab nur ohne jegliche Substantiierung an, dass er und seine Frau gefesselt worden seien, die Tochter geschlagen und der Sohn bedroht worden sei, in dem man ihm eine Waffe an den Kopf gehalten habe. Die Klägerinnen verwendeten nahezu die gleichen Formulierungen und haben das Geschehen ebenso wenig substantiiert, sondern gaben ebenfalls Zusammenfassungen und Wertungen ab. Die Klägerin zu 2) gab auf Frage des Gerichts z.B. an, dass die Bedrohung „dringlich“ und „in manipulierender Form“ erfolgt seien, konkretisierte aber ihre Sachverhaltsangaben nicht. Trotz des erheblichen und schockierenden Vorfalls waren die Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch sehr sachlich gehalten und wurden ohne jede emotionelle Anteilnahme vorgebracht. Der heute 11-jährige Kläger zu 3), dem nach der Schilderung seiner Eltern bei dem Angriff am 17. Februar 2020 eine Waffe an den Kopf gehalten worden sein soll, langweilte sich in der mündlichen Verhandlung ersichtlich; es kann auch deshalb ausgeschlossen werden, dass der damals 8-jährigen einen solchen Angriff wirklich erlebt hat. Der Kläger zu 1) lieferte zu dem angeblich Erlebten in der mündlichen Verhandlung wiederholt und unaufgefordert Erklärungen, Interpretationen und Schlussfolgerungen – etwa, dass die Angreifer von der Regierung geschickt bzw. unterstützt worden seien, weil die Kläger der Opposition nahegestanden hätten oder dass die Angreifer nur Befehle der Oberen ausgeführt hätten. Er wich den Fragen und der Aufforderung nach der Sachverhaltsschilderung damit deutlich aus und machte ersichtlich zielorientierte, asyltaktische Angaben. Die Schilderungen in der mündlichen Verhandlung waren zum Teil auch nur schwer nachvollziehbar und stellten im Vergleich zu den Angaben beim Bundesamt teilweise auch eine deutliche Steigerung zum vorherigen Vortrag dar. So war eine oppositionelle Tätigkeit bzw. Einstellung der Kläger gegen das venezolanische Regime zuvor nicht erwähnt worden, im Gegenteil bezeichnete der Kläger die Sicherheitskräfte beim Bundesamt sogar als Freunde. Konkrete gerichtliche Nachfragen zum Sachverhalt beantwortete der Kläger zu 1) nur zögerlich, einsilbig oder gar nicht. Insbesondere blieb der Kläger zu 1) trotz mehrfacher Nachfrage der Einzelrichterin die Antwort schuldig, ob er auf die Drohung bzw. den Vorfall hin, das geforderte Geld gezahlt habe. Hierzu äußerte er, die Frage in keiner Weise beantwortend, nur, dass das die letzte Warnung gewesen sei. Während die Klägerin zu 4) angab, dass alle vier Angreifer bei dem Überfall Waffen getragen und aus dem Hosenbund gezogen hätten, berichtete der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung nur von zwei Angreifern mit Waffen.
22
Selbst wenn es am 17. Februar 2021 tatsächlich zu einem Übergriff auf die Kläger in ihrem Laden gekommen sein sollte und es dabei – oder bei anderer Gelegenheit – zu einer Schutzgelderpressung in Mafia-Art gekommen sein sollte, rechtfertigt dies nicht die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG. Dass die Überfälle seitens des Staates in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale nach § 3b Abs. 1 AsylG verübt, veranlasst oder geduldet worden sind, ist nämlich nicht erkennbar.
23
Nachfluchtgründe sind von ihnen nicht geltend gemacht worden und nicht ersichtlich.
24
2. Den Klägern steht auch der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG nicht zu. Insbesondere rechtfertigt die Lage in Venezuela den subsidiären Schutz für die Kläger nicht.
25
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG).
26
Die politische, wirtschaftliche und soziale Lage stellt sich in Venezuela nach den zum Verfahren beigezogenen Erkenntnisquellen wie folgt dar:
27
Nach der Gesetzeslage stellt sich Venezuela als präsidiale, föderative Demokratie mit Ein-Kammern Parlament dar, faktisch ist die demokratische Ordnung im Land jedoch weitgehend ausgehöhlt und seit der Regierungszeit von H. Ch. ab 1999 und seit 2013 fortgesetzt durch seinen Nachfolger im Präsidentenamt N. M. von Autoritarismus bzw. einer Diktatur sozialistischer und marxistischer Prägung („Cha...“) gekennzeichnet (Auswärtiges [AA], Venezuela: Steckbrief und Venezuela: Politisches Porträt, Stand jeweils 24.2.2023, abgerufen zuletzt am 13.10.2023, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Venezuela, Gesamtaktualisierung vom 31.3.2023, S. 7). Demokratische Strukturen wie politische Teilhabe durch freie Wahlen, Gewaltenteilung, unabhängige Justiz, Einflussmöglichkeiten der Opposition und Freiheitsrecht wie Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, sind – mit Ausnahme der Religionsfreiheit, die im Allgemeinen respektiert wird (BFA, S. 25, Freedom House [FH], Freedom in the World Venezuela vom 3.5.2023, S. S. 9) – nicht oder schlecht ausgebildet; Freedom House kommt seiner Beurteilung auf 15 von 100 Punkten und dem Gesamturteil „nicht frei“(FH, S. 1). Medien und Nichtregierungsorganisationen berichten von verbreiteter Korruption (BFA, S. 10 und 15), Straflosigkeit bei Verfehlungen der Sicherheitskräfte (BFA, S.14; Amnesty International [AI], Venezuela 2022 vom 28.3.2023, S. 5) und harten und lebensbedrohenden Haftbedingungen (BFA, S. 23; AI, S. 5). Politische Gegner laufen Gefahr, von willkürlicher Inhaftierung, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen bis hin zu außergerichtlichen Hinrichtungen betroffen zu sein (BFA, S. 21; AI, S.3). Es kommt zu Gewalttaten und Einschüchterungsversuche auch gegenüber der Zivilbevölkerung (BFA, S. 9). Das repressive M.-Regime stützt sich insbesondere auf das Militär, paramilitärische Kräfte und undurchsichtige Unterstützung aus dem verbündeten sozialistischen Ausland (BFA, S. 9).
28
Die Kriminalitätsrate, ausgehend auch von organisierten Banden, ist sehr hoch (BFA, S. 10). Insbesondere im Grenzgebiet zu Kolumbien und Brasilien besteht eine hohe Gefahr, Opfer organisierter Kriminalität mit Entführungen und Gewaltverbrechen zu werden. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 11.081 gewaltsame Todesfälle, was einem Durchschnitt von etwa 40,9 auf 100.000 Einwohner entspricht, verzeichnet (BAMF, Briefing Notes Zusammenfassung, Venezuela – Januar bis Juni 2022 vom 1.7.2022, S. 1). Für das zweite Quartal 2023 führt das Austrian Centre of Country of Origin & Asylum Research and Documentation (ACCORD) in seiner Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project vom 6. September 2023 117 Todesfälle in 692 Vorfällen an.
29
Über die schlechte politische Lage und Sicherheitslage hinaus herrscht in Venezuela auch eine tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Krise mit angespannter humanitärer Lage. Das Land befindet sich nach einer lang andauernden und starken Rezession zuletzt zwar wieder im Wirtschaftswachstum (BFA, S. 32 f.), aber weiterhin in einer massiven Wirtschafskrise mit Hyperinflation, Versorgungsengpässen, Ernährungsunsicherheit und zunehmender Verarmung der Bevölkerung (AA, Venezuela: Politisches Porträt sowie Venezuela: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 13.10.2023; AI, S. 3; BFA S. 33). Die Arbeitslosenquote betrug 2021 6,41% (BFA, S. 33). Das Gesundheitssystem ist in schlechtem Zustand und durch Mängel an Verbrauchsmaterial, Geräten und Personal geprägt (BAMF, Länderkurzinformation Venezuela, Gesundheitssystem und medizinische Lage, Stand 8/2023, S. 2; BFA, S. 35).
30
Eine Gefahr i.S.v. § 4 AsylG besteht in Venezuela trotz dieser schwierigen politischen, wirtschaftlich und sozialen Lage aber für die Bevölkerung nicht allgemein und nicht landesweit. Es besteht kein innerstaatlicher Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Die in Venezuela existierende hohe (Banden-)Kriminalität erreicht keine Größenordnung, dass sie generell eine extreme Gefahr für die gesamte Bevölkerung darstellen würde. Dass die Kläger in den Fokus einer kriminellen Bande gerückt sind und für sie individuell deshalb eine höhere Gefahr besteht, haben sie – wie dargelegt – nicht glaubhaft gemacht (vgl. zur Lagebeurteilung und Gefahrendichte im Hinblick auf die Kriminalität ebenso VG Leipzig, U.v. 30.1.2024 – 7 K 996/22.A – juris Rn. 25-31; VG Chemnitz, U.v. 24.2.2022 – 5 K 502/20.A, wonach Personen, die der Kriminalität durch regelmäßig nur regional tätigen Colectivos ausgesetzt sind, sich auch durch Verlassen der Heimatregion schützen können – inländische Fluchtalternative). Bei entsprechend vorsichtigem wirtschaftlichen und persönlichen Agieren wäre eine Wiederholung gegebenenfalls erlebter organisierter Kriminalität auch vermeidbar, Lebens- und Leibesgefahren wären – auch nach Darlegung der Kläger – gegebenenfalls durch Schutzgeldzahlungen abwendbar. Schutzgelderpressungen stellen zwar illegale Methoden und erhebliche Straftaten dar, aber erreichen selbst und per se noch nicht die Schwelle des § 4 AsyG. Im Übrigen gilt auch im Rahmen von § 4 AsylG, dass nur staatlicherseits drohende Gefahren maßgeblich sind. Bei von privater Seite ausgehenden Gefahren greift § 4 AsylG nur ein, wenn der Staat nicht schutzfähig oder nicht schutzwillig wäre, was angesichts des klägerischen Vortrags gerade nicht angenommen werden kann. Gegen die kriminellen Übergriffe haben die Kläger nämlich Unterstützung seitens der Sicherheitsorgane erhalten. Ihnen war, wie auch die vorgelegten Unterlagen belegen, insbesondere eine Anzeigenerstattung möglich. Wie das Bundesamt in den angegriffenen Bescheiden zu Recht ausgeführt hat, kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger im Falle eines (erneuten) Übergriffs auf sich allein gestellt wären und keinen staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könnten.
31
3. Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist eine Abschiebung unzulässig, wenn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit den Kläger bei einer Rückkehr nach Venezuela vorliegt. Auch dies ist trotz der schlechten wirtschaftlichen und humanitären Lage in Venezuela für die Kläger nicht der Fall. Die Lage stellt sich noch nicht allgemein als derart prekär da, dass auch für die gesunden, gut ausgebildeten und gut organisierten Kläger im Falle der Rückkehr ein nicht menschenwürdiges Dasein zu erwarten ist. Sie sind prognostisch insbesondere in der Lage, durch eigene Berufstätigkeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und ihr Überleben zu sichern (vgl. zum Nichtvorliegen eines Abschiebungsverbotes aufgrund der allgemeinen Lage in Venezuela auch VG Chemnitz, U.v. 24.2.2022 – 5 K 502/20.A; VG Leipzig, U.v. 30.1.2024 – 7 K 996/22.A – juris Rn. 35 ff.).
32
4. Die in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Ausreiseaufforderungen und Abschiebungsandrohungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die den Abschiebungsandrohungen entgegenstünden, sind nicht vorgetragen und erkennbar.
33
5. Gleiches gilt für die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mit Befristung in Ziffer 6 der Bescheide gemäß §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 75 Nr. 12 AufenthG. Die Befristung steht dabei im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, womit das Gericht die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf – im vorliegenden nicht vorgetragene und erkennbare – Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).
34
6. Nach alledem waren die Klagen mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, wobei Gerichtskosten gemäß § 83b AsylG nicht erhoben werden.