Titel:
Einkommensgrenze für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Ehegatten
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 5
BBhV § 4 Abs.1, § 6 Abs. 2 S. 1, S. 2, Abs. 8, § 51
Leitsätze:
Aufwendung für gemäß § 4 Abs. 1 BBhV berücksichtigungsfähige Personen sind nur dann nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BBhV beihilfefähig, wenn die Einkommensgrenze im Jahr der Beantragung oder im zweiten Kalenderjahr vor der Beantragung der Beihilfe unterschritten war. Auf die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen kommt es nicht an.
1. Aufwendungen für gemäß § 4 Abs. 1 BBhV berücksichtigungsfähige Personen sind nur dann beihilfefähig, wenn die Einkommensgrenze im zweiten Kalenderjahr vor der Beantragung der Beihilfe unterschritten war oder im Kalenderjahr des Entstehens der Aufwendungen unterschritten wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der Fürsorgepflicht des Art. 33 Abs. 5 GG können sich ohne einfachgesetzliche Konkretisierung grundsätzlich keine Leistungsansprüche ergeben. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ausnahmsweise kommen unmittelbare Leistungsansprüche aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nur in Betracht, wenn diese in ihrem Wesenskern verletzt wäre; den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfeleistungen, berücksichtigungsfähige Ehegattin, Einkommensgrenze überschritten, Beihilfefähigkeit der Aufwendungen, Beamter, Beihilfe, berücksichtigungsfähige Angehörige, beihilfefähige Aufwendungen, Einkommensgrenze, Kalenderjahr, Antragstellung, Entstehen der Aufwendungen, Vollversicherung, Fürsorgepflicht, Wesenskern, unzumutbare Belastung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 01.12.2023 – RN 12 K 22.2381
Fundstellen:
BeckRS 2024, 10867
NVwZ-RR 2024, 694
LSK 2024, 10867
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. Dezember 2023 – RN 12 K 22.2381 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 185,37 € festgesetzt.
Gründe
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Der Kläger begehrt die Bezahlung von Beihilfeleistungen in Höhe von 185,37 Euro für ärztliche (am 18.2. und 22.3.2021 durchgeführte) und physiotherapeutische (am 15.11., 17.11., 22.11., 24.11., 29.11. und 1.12.2021 erbrachte) Behandlungen seiner Ehefrau.
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Die Beklagte wies den Kläger zuletzt mit Schreiben vom 9. Februar 2021 darauf hin, dass gemäß § 6 Abs. 2 BBhV Ehegattinnen und Ehegatten von Beihilfeberechtigten beihilferechtlich berücksichtigt werden können, wenn der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) oder vergleichbarer ausländischer Einkünfte im zweiten Kalenderjahr vor Beantragung der Beihilfe 20.000 Euro nicht übersteigt und dass für den Zeitraum der Beantragung von Aufwendungen seiner Ehefrau vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 die Einkünfte seiner Ehefrau aus dem Kalenderjahr 2019 maßgebend seien (Bl. 59 f. der Beihilfeakte).
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Die Beklagte hatte den Kläger schon in einem Schreiben vom 27. Dezember 2018 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Prüfung des Einkommens von berücksichtigungsfähigen Ehegattinnen und Ehegatten immer auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt wird, unabhängig zu welchem Zeitpunkt die Aufwendungen entstanden sind. Dadurch sei ein Schieben der entstandenen Aufwendungen in das Folgejahr möglich. § 54 Abs. 1 BBhV (Antragsfrist) sei zu beachten (VwV zu § 4 Abs. 1 BBhV) (Bl. 73 der Beihilfeakte).
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Mit Beihilfebescheid vom 19. Juni 2021 setzte die Beklagte u.a. für einen Rechnungsbetrag von 29,67 Euro hinsichtlich einer Rechnung vom 6. April 2021 für die Ehefrau des Klägers eine Erstattung von 20,77 Euro fest. Um welche Rechnung es sich dabei gehandelt hat, lässt sich der übersandten Beihilfeakte nicht entnehmen.
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Mit Antrag vom 5. April 2022 machte der Kläger Aufwendungen für seine Ehefrau geltend (Rechnungen vom 6.4.2021 über 29,67 Euro und vom 24.1.2022 über 258,50 Euro für physiotherapeutische Leistungen einschließlich verschiedener Behandlungstermin im Jahr 2022). Die Beklagte lehnte die Erstattung dieser Aufwendungen mit Bescheid vom 13. April 2022 ab, da die Ehefrau im Jahr 2020 Einkünfte von mehr als 20.000 Euro erzielt habe.
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Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2022 zurück. Die Ehefrau sei im Jahr 2022 nicht mehr berücksichtigungsfähig, da sie seit 2020 die Einkommensgrenze überschreite.
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Die Klage gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 1. Dezember 2023 abgewiesen. Aus der Bundesbeihilfeverordnung ergebe sich, dass hinsichtlich des Überschreitens der Einkommensgrenze nicht auf zwei Jahre vor der Erbringung der Leistung, sondern auf zwei Jahre vor Beantragung der Beihilfe abzustellen sei. Im Jahr 2020 sei die Einkommensgrenze überschritten gewesen. Ziffer 51.3.6 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhVVwV) sei nicht anwendbar und könne ohnehin die Rechtsfolgen aus der Beihilfeverordnung nicht ändern.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt. Er macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da die dort vertretene Auffassung zu einer unzumutbaren Verteilung der Beihilfelasten führe, indem sie eine unmögliche Rückversicherung unabschätzbarer Risiken vom Beihilfeberechtigten verlange. Zudem sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es dem Versorgungsberechtigten zumutbar sei, im Fall der durch die gesetzliche Konstruktion des § 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 BBhV entstehenden Versicherungslücke auf den Abschluss einer privaten Krankenversicherung verwiesen zu werden und ob solche Aufwendungen, die bei einer Behandlung entstanden seien, welche in einem Jahr erfolgte, in dem die Einkünfte der berücksichtigungsfähigen Person im zweiten Kalenderjahr vor der Behandlung 20.000 Euro nicht überstiegen, aber in einem Jahr durch den Leistungserbringer abgerechnet wurden, in dem die Einkünfte der berücksichtigungsfähigen Person im zweiten Kalenderjahr vor der Rechnungslegung 20.000 Euro überstiegen, nach § 6 Abs. 2 S. 1 BBhV direkt oder in analoger Anwendung beihilfefähig seien. Zur Begründung wird ausgeführt, es liege ein Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften und den Fürsorgegrundsatz vor. Durch die Regelung entstünden erhebliche Versorgungslücken, die nicht versicherbar seien. Durch die allgemeine Krankenversicherungspflicht solle gewährleistet werden, dass niemand ohne Schutz sei. Dem widerspreche § 6 Abs. 2 Satz 1 BBhV. Ein Kostenaufwand aus einer zeitlichen Phase, in der eine Überversorgung vorliege (zum Beispiel 70% Beihilfe + 100% private Krankenversicherung) würde angesichts des Subsidiaritätscharakters der Beihilfe (§ 9 Abs. 1 BBhV) allein zu Lasten der privaten Krankenversicherung gehen, das stelle einen Verstoß gegen das Bereicherungsverbot aus § 200 Versicherungsvertragsgesetz dar.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), ergeben sich die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) nicht.
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1. Dabei kann offen bleiben, ob dem Kläger für die Klage auf Erstattung von 70 Prozent der Rechnung vom 6. April 2021 schon das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, da bezüglich dieser Rechnung möglicherweise schon mit Beihilfebescheid vom 19. Juni 2021 eine Erstattung festgesetzt und danach ausbezahlt worden ist. Denn der Antrag auf Zulassung der Berufung hat aus den nachstehenden Gründen ohnehin keinen Erfolg.
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2. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche Zweifel liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453.12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Solche Zweifel können der Antragsbegründung nicht entnommen werden.
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a. Soweit der Kläger meint, der Verweis auf den Abschluss einer privaten Krankenversicherung verstoße gegen den Fürsorgegrundsatz, kann dem nicht gefolgt werden. Aus der Fürsorgepflicht des Art. 33 Abs. 5 GG können sich ohne einfachgesetzliche Konkretisierung grundsätzlich keine Leistungsansprüche ergeben. Die Fürsorgepflicht in Krankheitsfällen wird abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert. Dabei ist in § 6 Abs. 8 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) i.d.F. d. Bek. v. 13. Februar 2009 (BGBl I S. 326), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. Dezember 2020 (BGBl I S. 2713; 2021 I 343), eine allgemeine Härtefallregelung vorgesehen, um in Einzelfällen Beihilfe zu gewähren, wenn die beihilfeberechtigte Person in Krankheits- oder Pflegefällen mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten kann (vgl. Köhnen/Schröder/Amelungk/Just, Bundesbeihilfeverordnung, Stand: Juli 2023, zu § 6 BBhV Rn. 437 ff.). Dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt wären, kann dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden.
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b. Ausnahmsweise kommen unmittelbare Leistungsansprüche aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nur in Betracht, wenn diese in ihrem Wesenskern verletzt wäre (Köhnen/Schräder/Amelungk/Just a.a.O. Rn. 443; vgl. ausführlich zur Fürsorgepflicht BayVGH, U.v. 28.9.2023 – 24 B 22.2261 – juris Rn. 20 ff.). Nach ständiger Rechtsprechung können den Wesenskern der Fürsorgepflicht allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 32.12 -juris Rn. 25 m.w.N.). Gemessen daran bestehen keine Zweifel, dass der Ausschluss von Leistungen in Höhe von 185,37 Euro auf Grundlage der Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BBhV nicht gegen den Fürsorgegrundsatz verstößt. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Kläger unverschuldet daran gehindert war, die Aufwendungen rechtzeitig geltend zu machen. Die Ehefrau des Klägers hätte für die bis 1. Dezember 2021 durchgeführten Physiotherapieleistungen eine Zwischenabrechnung anfordern und der Kläger hätte diese zusammen mit der Arztrechnung aus dem März 2021 (soweit diese nicht ohnehin schon mit dem Beihilfebescheid vom 19.6.2021 erledigt worden ist) noch im Jahr 2021 einreichen können. Der Kläger ist von der Beihilfestelle mehrfach darauf hingewiesen worden, dass bei Prüfung des Einkommens von berücksichtigungsfähigen Ehegattinnen und Ehegatten auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt wird, unabhängig zu welchem Zeitpunkt die Aufwendungen entstanden sind. Es musste ihm daher bekannt sein, dass die Rechnungen bis Ende 2021 eingereicht werden mussten.
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Des Weiteren erscheint es auch unproblematisch zumutbar, die ergänzend zur Beihilfe abgeschlossene private Versicherung rechtzeitig auf eine Vollversicherung umzustellen. Dabei ist nach § 199 Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) i.d.F. d. Bek. vom 23. Dezember 2016, vor Antragstellung zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Juli 2021 (BGBl I S. 2754) regelmäßig keine Gesundheitsprüfung erforderlich. Selbst wenn der klägerische Vortrag zutreffen sollte, dass für seine Ehefrau eine neue Gesundheitsprüfung erforderlich war, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese Gesundheitsprüfung wäre ohnehin spätestens zum 1. Januar 2022 durchzuführen gewesen, da die Aufwendungen für die Ehefrau des Klägers ab diesem Zeitpunkt wegen Überschreitens der Einkommensgrenze im Jahr 2020 nach § 6 Abs. 2 BBhV nicht mehr beihilfefähig waren. Es ist deshalb nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es nicht möglich gewesen sein soll, die Versicherung z.B. schon ab 15. Dezember 2021 abzuschließen, damit kein Zeitraum verbleibt, in dem möglicherweise keine rechtzeitige Abrechnung bei der Beihilfestelle mehr möglich gewesen wäre.
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c. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass sich aus den Verwaltungsvorschriften kein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Aufwendungen ableiten lässt. Nach Nr. 6.2.1 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhVVwV) i.d.F. d. Bek. vom 26. Juni 2017 (GMBl 2017 Nr. 31-33, S. 530), vor Antragseinreichung zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 28. Februar 2022 (GMBl 2022 Nr. 13, S. 286) ist bei der Prüfung des Einkommens berücksichtigungsfähiger Personen nach § 4 Abs. 1 BBhV grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Antragseingangs bei der Festsetzungsstelle abzustellen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Aufwendungen entstanden sind. Die Beklagte hat auch in allen Merkblättern und Hinweisschreiben stets darauf hingewiesen, dass es auf den Zeitpunkt der Beantragung ankommt. Demgegenüber regelt § 51 BBhV das Bewilligungsverfahren und die diesbezüglichen Verwaltungsvorschriften setzen nicht die Regelungen in § 6 Abs. 2 BBhV außer Kraft. Im Übrigen befasst sich Nr. 51.3.6 BBhVVwV mit dem Fall, dass entweder die Beihilfeberechtigung oder die Berücksichtigungsfähigkeit wegfällt. Ein solcher Fall ist hier aber nicht eingetreten, denn die Ehefrau des Klägers ist weiterhin berücksichtigungsfähig nach § 4 Abs. 1 BBhV, nur die Aufwendungen sind wegen Überschreitens der Einkommensgrenze nicht beihilfefähig. Dass die Sachbearbeiter der Beklagten möglicherweise selbst die Vorschriften nicht immer richtig angewendet und eventuell gelegentlich zu Unrecht Beihilfeleistungen gewährt haben, führt nicht dazu, dass diese Praxis entgegen des Wortlauts der Beihilfeverordnung und entgegen den Verwaltungsvorschriften sowie der ausdrücklichen Auskünfte der Beklagten weiter fortgeführt werden müsste, sondern könnte allenfalls bei der Rückforderung schon erbrachter Leistungen zu berücksichtigen sein.
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d. Dieses Ergebnis begründet auch keinen Wertungswiderspruch zum Grundsatz der allgemeinen Krankenversicherungspflicht (§ 193 Abs. 3 VVG). Die gewählte Konstruktion kann es zwar mit sich bringen, dass in zeitlicher Hinsicht eine kurze Übergangsphase entsteht, die mit Kostenrisiken behaftet ist. Es obliegt daher den Angehörigen, rechtzeitig den Wechsel von einer Restkostenversicherung in eine vollwertige Absicherung zu realisieren. Dazu wäre auch die Ehefrau des Klägers in der Lage gewesen. Es besteht kein Anspruch auf eine aus Sicht des Klägers optimale(re) „Mitversicherung“ der Ehefrau.
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Ungeachtet dessen hat sich ein solches Übergangsrisiko beim Kläger auch gar nicht verwirklicht. Die für die Ehefrau im Jahr 2021 aufgewendeten Krankheitskosten hätten bis 31. Dezember 2021 bei der Beihilfestelle eingereicht werden können. Es lag an ihr, bei den Leistungserbringern eine rechtzeitige Rechnungsstellung zu erwirken und die Rechnungen einzureichen. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG für Beihilfeberechtigte mögliche Selbstbehalte durch den vom Beihilfesatz nicht gedeckten Vom-Hundert-Anteil auf den Höchstbetrag von 5.000 Euro begrenzt werden müssen. Die allgemeine Krankenversicherungspflicht erzwingt daher keine vollständige Kostenerstattung, sondern lässt die Möglichkeit eines Selbstbehalts von maximal 5.000 Euro zu, der hier betragsmäßig schon nicht überschritten wird.
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e. Auch die Regelung, dass im Falle einer Überversorgung nach § 9 BBhV keine Beihilfe zu Lasten der öffentlichen Kassen geleistet wird, sondern bestehende Versicherungen in Anspruch genommen werden müssen, die sich im Gegensatz zur Beihilfe nicht aus Steuermitteln, sondern über Beiträge finanzieren, ist kein Grund, die Vorschriften anders auszulegen und stellt keinen Verstoß gegen das Bereicherungsverbot aus § 200 VVG dar, das sich alleine an den Versicherungsnehmer richtet. Die Entscheidung, ob sich die Ehegattin des Klägers zur Vermeidung von Risiken schon vor Ende der Beihilfefähigkeit der für sie getätigten Aufwendungen versichert, ist ihre Entscheidung und unter Fürsorgegesichtspunkten nicht zu beanstanden. Auch hier gilt, dass kein Anspruch auf eine aus Sicht des Klägers optimale(re) „Mitversicherung“ seiner Ehefrau besteht.
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Ehegatten oder Lebenspartner, die eine nicht geringfügige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, müssen schon ab einem weitaus geringeren Verdienst (derzeit über 538 Euro monatlich, d.h. 6.456 Euro im Jahr) eigene Krankenversicherungsbeträge bezahlen und Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen (vgl. Köhnen/Schräder/Amelungk/Just, Bundesbeihilfeverordnung, zu § 6 BBhV Rn. 20). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb eine im Fall einer Pflichtversicherung stets eintretende Rechtsfolge, nämlich keine Leistungen im Rahmen der Beihilfe, im Fall einer privaten Krankenversicherung nicht rechtmäßig sein sollte.
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f. Die Kritik des Klägers verkennt im Übrigen ganz grundsätzlich, dass die beihilferechtliche Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen eines Ehegatten nur vor dem Hintergrund fehlender eigener wirtschaftlicher Selbständigkeit erfolgt (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBG) und (nur) insoweit auch Ausdruck der Verpflichtung des Dienstherrn ist, die dem Beamten durch seine Familie entstehenden Unterhaltspflichten realitätsgerecht zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 – juris Rn. 35). Indem der Verordnungsgeber den Zeitpunkt zur Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Ehegatten auf das zweite Kalenderjahr vor Beantragung der Beihilfe festgelegt hat, ermöglicht er faktisch eine bis zu zweijährige „Mitversicherung“ trotz bereits bestehender Leistungsfähigkeit. Ferner ermöglicht er zugleich – für den Fall des erwartbaren Verlusts der Leistungsfähigkeit – durch § 6 Abs. 2 Satz 2 BBhV gleichwohl die Beihilfefähigkeit im laufenden Kalenderjahr. Vor diesem Hintergrund ist schon keine „Versicherungslücke“ ersichtlich, an die verfassungsunmittelbar abgeleitete Ansprüche anknüpfen könnten.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung ist erforderlich, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72). Dem genügt der Berufungszulassungsantrag nicht.
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a. Die aufgeworfene Frage, ob es dem Versorgungsberechtigten zumutbar ist, im Fall der durch die gesetzliche Konstruktion des § 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 BBhV entstehenden Versicherungslücke auf den Abschluss einer privaten Krankenversicherung verwiesen zu werden, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es hat keine Versicherungslücke festgestellt und eine solche lag auch nicht vor. Die Ehefrau des Klägers hat bis 1. Dezember 2021 ärztliche und physiotherapeutische Leistungen in Anspruch genommen und der Kläger hätte bis 31. Dezember 2021 deren Erstattung beantragen können. Selbst wenn man dies als Versicherungslücke bezeichnen wollte, weil die Abrechnung möglicherweise erst später erfolgen, wäre diese alleine auf das Verhalten des Beihilfeberechtigten und seiner Ehefrau zurückzuführen. Die Beihilfestelle hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass es auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt. Es wäre also Sache des Klägers und seiner Ehefrau gewesen, entweder für eine rechtzeitige Abrechnung und Einreichung der Rechnungen zu sorgen oder rechtzeitig eine Krankenversicherung für die Ehefrau abzuschließen, die die Krankheitskosten vollständig deckt.
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b. Die weitere vom Kläger gestellte Frage, ob solche Aufwendungen, die bei einer Behandlung entstanden sind, welche in einem Jahr erfolgte, in dem die Einkünfte der berücksichtigungsfähigen Person im zweiten Kalenderjahr vor der Behandlung 20.000 Euro nicht überstiegen, aber in einem Jahr durch den Leistungserbringer abgerechnet wurden, in dem die Einkünfte der berücksichtigungsfähigen Person im zweiten Kalenderjahr vor der Rechnungslegung 20.000 Euro überstiegen, nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BBhV direkt oder in analoger Anwendung beihilfefähig sind, kann ohne Weiteres anhand der Beihilfeverordnung beantwortet werden und es bedarf dafür nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Aufwendungen nicht beihilfefähig sind, da es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV darauf ankommt, wann die Leistungen beantragt werden (vgl. zur entsprechenden früheren Regelung in § 4 BBhV: BayVGH, B.v. 1.9.2017 – 14 ZB 15.1664 – juris).
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 und § 52 Abs. 3 GKG.
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5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).