Titel:
Subsidiärer Schutz wegen drohender Einziehung zum Nationaldienst in Eritrea
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
VwGO § 92 Abs. 3
AsylG § 3
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Leitsatz:
Zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bei Rückkehr nach Eritrea durch die drohende Einziehung in den Nationaldienst. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eritrea, teilweise Klagerücknahme, subsidiärer Schutz wegen drohender Einziehung zum Nationaldienst, Reueerklärung, Nationaldienst, Diaspora-Status
Fundstelle:
BeckRS 2024, 10657
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. Mai 2023 (Gz. ...) in Nrn. 3 bis 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den subsidiären Schutz zuzuerkennen.
III. Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage zuletzt die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach Eritrea bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat.
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Die am ... 2002 in ... (Eritrea) geborene Klägerin ist eritreische Staatsangehörige mit Volkszugehörigkeit der Tigrinya und christlich-orthodoxem Glauben.
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Ihren Angaben zufolge reiste die Klägerin am 29. September 2022 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie unter dem 13. Januar 2023 Asylerstantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrags gem. § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.
4
Die persönliche Anhörung der Klägerin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 14. Februar 2023. Die Klägerin trug hierbei im Wesentlichen vor, dass sie als Minderjährige am 24. November 2019 Eritrea illegal verlassen habe. Es habe im Land keine Sicherheit gegeben. Ihr Bruder sei Soldat gewesen und sei desertiert. Sie selbst sei im September 2019 für zwei Wochen inhaftiert gewesen und habe in dieser Zeit den Unterricht in der Schule verpasst. Ihr Bruder sei daraufhin zum Militärdienst zurückgekehrt und nach einem kurzen Gefängnisaufenthalt entlassen worden. In Eritrea hätte ihr der Militärdienst gedroht. Drei Monate nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis habe sie Eritrea verlassen. Bei einer Rückkehr nach Eritrea habe sie Angst, erneut inhaftiert zu werden, weil sie ihr Heimatland illegal verlassen habe. Über die Tradition der Genitalbeschneidung bei Frauen (FGM) in Eritrea führte die Klägerin aus, dass sie selbst nicht beschnitten sei und ihr bei einer Rückkehr nach Eritrea auch keine Beschneidung drohe. Genitalbeschneidung in Eritrea sei gesetzlich verboten. Weiter führte die Klägerin an, zehn Jahre lang die Schule besucht zu haben. In Eritrea würden neben ihren Eltern noch drei Schwestern, ein Bruder und die Großfamilie leben. Ihre Mutter würde eine eigene Landwirtschaft besitzen. In der Bundesrepublik Deutschland habe sie keine Verwandte. Für den weiteren Vortrag der Klägerin wird auf die über die persönliche Anhörung gefertigte Niederschrift des Bundesamts verwiesen.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 22. Mai 2023 (Gz. ...) wurden die Anträge der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf Asylanerkennung abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass der Klägerin auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor (Nr. 4 des Bescheids). In Nr. 5 des Bescheids wird die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde der Klägerin die Abschiebung nach Eritrea bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 des Bescheids ordnet das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristet es auf 30 Tage Monate ab dem Tag der Abschiebung.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorlägen. Die Klägerin sei kein Flüchtling i.S.d. § 3 AsylG. Aus den Ausführungen der Klägerin ergebe sich, dass sie ihr Heimatland nicht aufgrund einer konkret gegen sie gerichteten beachtlichen politisch motivierten Verfolgung verlassen habe. Dies gelte auch in Bezug auf die angebliche Verhaftung für die Dauer von 14 Tagen im September 2019. Kurzfristige Festnahme, unbestimmte Drohungen lägen unterhalb der Schwelle eines asylrechtlich erheblichen Verfolgungseingriffs. Bezüglich der illegalen Ausreise fehle es an einem Verfolgungsgrund gem. §§ 3, 3b AsylG. Der Klägerin drohe im Falle der Rückkehr nach Eritrea auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Beschneidung. Auch soweit die Klägerin befürchte, zum Nationaldienst einberufen zu werden, führe dies nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylG. Es lägen keine Anhaltspunkte für eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung im Falle der Rückkehr nach Eritrea vor. Die Klägerin habe Eritrea im Alter von 16 Jahren verlassen und damit vor Erreichen des dienstpflichtigen Alters. Dies beginne erst mit dem Volljährigkeitsalter von 18 Jahren. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Die wichtigste Methode der Rekrutierung zum Nationaldienst stelle das Schulsystem dar. Möglichst viele Schülerinnen und Schüler sollten die Schule bis zur 12. Klasse besuchen, um im Anschluss vor dem Nationaldienst rekrutiert zu werden. Dies stelle die reguläre Art der Rekrutierung dar. Da sich die Klägerin nicht im eritreischen Schulsystem befinde und auch im Falle einer Rückkehr nach Eritrea altersbedingt nicht mehr in das Schulsystem zurückkehren werde, sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin auf diesem Wege zum Nationaldienst einberufen werde. Auch eine Rekrutierung zum Nationaldienst außerhalb des Schulsystems durch die lokale Verwaltung sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Auch herrsche in Eritrea aktuell kein innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Abschiebungsverbote zugunsten der Klägerin lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Eritrea führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Die allgemein schwierige Wirtschafts- und Versorgungslage in Eritrea begründe für die Klägerin derzeit kein Abschiebungsverbot. Bei der Klägerin handle es sich insbesondere um keine vulnerable Person. Die Klägerin habe die Schule in Eritrea bis zur 10. Klasse besucht. Überdies verfüge sie über verwandtschaftliche Beziehungen in ihrem Heimatland, sodass davon auszugehen sei, dass sie das Existenzminimum erreichen könne. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Klägerin sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Auch die Verletzung anderer Menschrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe der Klägerin schließlich auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei gem. § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen, da die Klägerin im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen verfüge, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen seien.
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Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 22. Mai 2023 wird ergänzend verwiesen.
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Der vorbezeichnete Bescheid wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 1. Juni 2023 bekanntgegeben.
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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15. Juni 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und zunächst beantragt,
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I. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass sie die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass für sie Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG bestehen.
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II. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. Mai 2023, adressiert an die Klägerin unter Gz., wird aufgehoben, als er der o.g. Verpflichtung entgegensteht.
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Eine Begründung der Klage wurde nicht vorgelegt.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin den ursprünglich gestellten Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) nicht weiterverfolgt und die Klage insoweit zurückgenommen.
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Das Bundesamt ist für die Beklagte der Klage mit Schriftsatz vom 20. Juni 2023 entgegengetreten und beantragt,
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Zur Begründung wurde auf die mit der Klage angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Februar 2024 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Mit weiterem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. April 2024 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung bewilligt.
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Am 29. April 2024 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der die Klägerin informatorisch angehört wurde, wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage der Klägerin verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2024 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 29. April 2024 form- und fristgerecht geladen worden.
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1. Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2024 teilweise zurückgenommen wurde, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Nach teilweiser Klagerücknahme verbliebener Gegenstand des Verfahrens ist damit nur mehr der Anspruch der Klägerin auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG bzw. hilfsweise auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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2. Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2024 aufrechterhalten wurde, ist sie zulässig und begründet. Die Klägerin besitzt einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Insoweit war der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 22. Mai 2023 in den Nrn. 3 bis 6 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, zugunsten der Klägerin den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylG zuzuerkennen (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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3. Die Klägerin besitzt nach Überzeugung des Gerichts einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
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a) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Dabei ist es stets Sache des Ausländers, seine Gründe für die Befürchtung des Eintritts eines ernsthaften Schadens in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor dem Eintritt eines ernsthaften Schadens begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren.
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b) Nach Überzeugung des Gerichts bestehen stichhaltige Gründe im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 AsylG für die Annahme, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Eritrea durch die drohende Einziehung in den Nationaldienst mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) droht.
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Das Bild der Beurteilung der für nach Eritrea zurückkehrende Ausländer drohenden unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung ist allerdings in der Rechtsprechung heterogen. Während einige Entscheidungen unter Hinweis darauf, dass es den Betroffenen möglich und zumutbar sei, einen ggf. drohenden Schaden durch Erlangung des sog. Diasporastatus abzuwenden, eine beachtlich wahrscheinlich drohende unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung verneinen (vgl. OVG MV, U.v. 17.8.2023 – 4 LB 145/20 OVG – juris Rn. 54 ff.; OVG Hamburg, U.v. 27.10.2021 – 4 Bf 106/20.A – juris Rn. 65 ff.), sehen andere Entscheidungen in dem Umstand, dass nach Eritrea Zurückkehrende unmittelbar nach Ankunft zur Überprüfung ihres Nationaldienststatus mehrere Tage inhaftiert werden und in der Haft Folter und entwürdigende Behandlung zu erwarten haben, für sich genommen als ausreichende Grundlage für die Annahme einer drohenden unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung (NdsOVG, U.v. 18.7.2023 – 4 LB 8/23 – juris Rn. 101 f.). Andere Gerichte wiederum sehen die unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung (auch) in der drohenden Bestrafung, die einem eritreischen Staatsbürger bei Rückkehr nach Eritrea droht, wenn er im nationaldienstfähigen Alter illegal aus Eritrea ausgereist ist (VG Gelsenkirchen, U.v. 17.5.2017 – 1a K 1931/16.A – juris Rn. 33; VG Magdeburg, U.v. 25.5.2023 – 6 A 219/21 MD – juris Rn. 73 ff.; VG Regensburg, U.v. 11.8.2020 – RO 2 K 19.32345 – juris Rn. 63). Insoweit berichten die Erkenntnisquellen davon, dass jedenfalls dann, wenn ein Betroffener (illegal) ausreist, um dem Nationaldienst zu umgehen – was nach den klägerischen Angaben unzweifelhaft der Fall ist – willkürliche Bestrafungen drohen, die von einer Belehrung bis hin zu Haftstrafen unter unwürdigen Bedingungen reichen können (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea, 3. Januar 2022, S. 22 f.).
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aa) Als 21-jährige eritreische Staatsangehörige unterliegt die Klägerin der Pflicht zur Ableistung des Nationaldienstes, der zum Teil in einer unmenschlichen Art und Weise umgesetzt ist.
29
Gemäß der Proklamation Nr. 82/1995 über den Nationaldienst (Proclamation on National Service No. 82/1995) vom 23. Oktober 1995 sind in Eritrea Männer und Frauen vom achtzehnten bis zum vierzigsten Lebensjahr nationaldienstpflichtig („active national Service“) und gehören bis zum fünfzigsten Lebensjahr der Reservearmee („reserve military service“) an (Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH Länderanalyse vom 30.6.2017, S. 4). Nach abweichenden Angaben soll sich das Höchstalter für den Wehr- und Nationaldienst seit 2009 für Männer auf 50 bzw. 57 und für Frauen auf 27 bzw. 47 Jahre belaufen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 3.1.2022 (Stand: November 2021), S. 14; Amnesty International (AI) an VG Magdeburg vom 2.8.2018). Der Nationaldienst unterteilt sich in einen aktiven Dienst von offiziell achtzehn Monaten und in einen Reservistendienst. Der aktive Nationaldienst besteht aus einer sechs Monate dauernden militärischen Ausbildung und einem sich daran anschließenden zwölfmonatigen Militärdienst oder einer entsprechend langen Verwendung im Bereich von Tätigkeiten zur Landesentwicklung. Ungeachtet der in der Proklamation Nr. 82/1995 festgelegten Dauer der Dienstpflicht und der vorgesehenen Altersobergrenzen ist der Nationaldienst in Eritrea in der Praxis jedoch grundsätzlich unbefristet und dauert oftmals mehrere Jahre (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 3.1.2022, Stand: November 2021, S. 14). Im Jahr 2002 verlängerte die eritreische Regierung die Nationaldienstpflicht faktisch auf unbestimmte Zeit. Diese Maßnahme wurde bislang mit der proklamierten „no war no peace“-Situation im Verhältnis zu Äthiopien begründet und trotz mehrfacher Bekundungen, die Dauer des Nationaldienstes wieder auf 18 Monate zu beschränken, weiter aufrechterhalten (vgl. European Asylum Support Office (EASO), Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 40 f.).
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Inwieweit die jüngsten Entwicklungen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Eritrea und Äthiopien zu Veränderungen beim Nationaldienst, insbesondere bei der unbefristeten Dienstpflicht, führen werden, lässt sich nach gegenwärtiger Erkenntnisquellenlage nicht verlässlich beurteilen. Der Nationaldienst kann sich jedenfalls oftmals über mehrere Jahre erstrecken, wobei die Dienstverpflichteten entweder für eine zivile oder eine militärische Verwendung eingeteilt werden. Ebenso kommt es vor, dass Wehrpflichtige bereits nach Ableistung des achtzehnmonatigen Wehrdienstes nicht nur aus dem Militär-, sondern auch aus dem Nationaldienst insgesamt entlassen werden, etwa um dem Dienstpflichtigen bei guten schulischen Leistungen einen frühzeitigen Zugang zu weiterführenden Bildungseinrichtungen zu ermöglichen. Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär- bzw. aus dem Nationaldienst entlassen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 3.1.2022 (Stand: November 2021), S. 15). Generell ausgenommen vom Nationaldienst sind lediglich Personen, die ihre Dienstpflicht bereits vor Inkrafttreten der Proklamation Nr. 82/1995 erfüllt haben, sowie ehemalige Unabhängigkeitskämpfer (Art. 12 der Proklamation Nr. 82/1995). Gesundheitliche Beeinträchtigungen führen in der Regel nur dazu, dass die militärische Ausbildung oder der aktive Nationaldienst erlassen sind (Art. 13 ff. der Proklamation Nr. 82/1995), nicht jedoch die Dienstverpflichtung als solche. Ein Recht auf Wehrdienstverweigerung bzw. einen Ersatzdienst gibt es nicht (zur Nationaldienstverpflichtung insgesamt EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 32 ff.; EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Eritrea: Nationaldienst und illegale Ausreise, November 2016, S. 11 ff.; EASO, Eritrea, National Service, exit and return, Country of Origin Information Report, September 2019, S. 22 ff.).
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bb) Dies zugrunde gelegt, unterliegt die inzwischen 21-jährige Klägerin als eritreische Staatsangehörige wegen ihres Alters in ihrem Heimatland der Nationaldienstpflicht. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin im Falle einer zwangsweisen Rückkehr in ihr Heimatland dort mit zumindest beachtlicher Wahrscheinlichkeit zum Nationaldienst herangezogen werden würde.
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Unter Auswertung der Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass die Klägerin im Falle der zwangsweisen Rückführung nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zunächst inhaftiert und einer Überprüfung im Hinblick auf den Nationaldienststatus unterzogen werden würde und anschließend mit Blick darauf, dass sie den Nationaldienst in Eritrea bislang nicht angetreten hat, in den Nationaldienst einberufen werden würde. EASO berichtet unter Hinweis auf überwiegend aus dem Sudan über die Landesgrenze stattgefundenen Rückführungen, dass die meisten Betroffenen unmittelbar nach ihrer Ankunft in Eritrea inhaftiert, insbesondere einem unterirdischen Gefängnis bei T.zugeführt und dort auf den Nationaldienststatus überprüft würden. Die weitere Behandlung hänge von dem Profil des Betroffenen ab: Personen, die – wie die Klägerin – noch nicht in den Nationaldienst eingezogen wurden, müssten eine militärische Ausbildung absolvieren und sodann ihren Dienst bei einer Militäreinheit aufnehmen (vgl. EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, Herkunftsländer-Informationsbericht, September 2019, S. 69). Laut Amnesty International bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass jeder, der im (annähernd) dienstfähigen Alter nach Eritrea zurückgeführt wird, willkürlicher Festnahme ohne Anklage unterliege und Folter und anderen Misshandlungen begegne. Ziel sei der Informationsgewinn darüber, wie und in wessen Begleitung die Personen das Land verlassen haben. Anschließend würden diese Personen – erstmalig oder erneut – dem Nationaldienst zugeführt. Aufgrund der zum Teil unmenschlichen Art und Weise der Umsetzung des eritreischen Nationaldienstes sowie der prekären Lebensbedingungen im Nationaldienst (so auch NdsOVG, U.v. 18.7.2023 – 4 LB 8.23 – juris Rn. 31 ff.; BayVGH, U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris Rn. 35, 55), droht der Klägerin daher eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung.
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cc) Die Klägerin kann der Nationaldienstpflicht auch nicht durch die Erlangung eines sogenannten Diasporastatus entgehen. Das Gericht schließt sich ausdrücklich der Beurteilung des Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2023 an (NdsOVG, U.v. 18.7.2023 – 4 LB 8.23 – juris). Das Oberverwaltungsgericht kommt nach umfassender Auswertung zahlreicher Erkenntnismittel zu der Beurteilung, dass einem eritreischen Staatsangehörigen im nationaldienstfähigen Alter bei einer zwangsweisen Rückführung nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Inhaftierung mit anschließender Einberufung in den Nationaldienst droht und das Aufgebot in den Nationaldienst auch nicht durch Erlangung des sogenannten Diasporastatus abgewendet werden kann. Die Gegenauffassung (vgl. OVG MV, U.v. 17.8.2023 – 4 LB 145/20 OVG – juris) vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.
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Die Erlangung des Diaspora-Status kommt im Falle der zwangsweisen Rückführung nach Eritrea von vornherein nicht in Betracht (NdsOVG, U.v. 18.7.2023 – 4 LB 8.23 – juris Rn. 54). Die Klägerin kann aber auch nicht darauf verwiesen werden, die aus einer zwangsweisen Rückführung resultierende Gefahr der Inhaftierung und Einberufung in den Nationaldienst durch freiwillige Ausreise und Rückkehr nach Eritrea abzuwenden. Da eine freiwillige Ausreise und Rückkehr nach Eritrea für die Klägerin aufgrund ihrer illegalen Ausreise nicht zumutbar ist, ist diese Möglichkeit bei der Gefahrenprognose nicht in den Blick zu nehmen, um die Gefahr der Inhaftierung, verbunden mit der Überprüfung des Nationaldienststatus und der Einberufung in den Nationaldienst, abzuwenden.
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Passlose nationaldienstverpflichtete Exil-Eritreer wie die Klägerin können nur dann freiwillig aus- und unbehelligt nach Eritrea einreisen, wenn sie im Bedarfsfall zuvor eine „Reueerklärung“ unterzeichnet haben. Zu Verhören und Inhaftierungen kommt es, wenn die Einreisedokumente unvollständig sind, etwa bei Fehlen der eritreischen Identitätskarte, des Nachweises der Entrichtung der Diaspora-Steuer oder der Reueerklärung oder bei Anzeichen regierungspolitischer Aktivitäten oder politischem Dissens (vgl. EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, Herkunftsländer-Informationsbericht, September 2019, S. 61). Das „Reueformular“ muss von allen Eritreern unterzeichnet werden, die das Land illegal verlassen haben, ohne den Nationaldienst abzuschließen. EASO stellt im Hinblick auf den Vorwurf der Dienstpflichtverletzung unmissverständlich klar, dass von dem Erfordernis der Unterzeichnung des Reueformulars nur Personen befreit seien, die vom Nationaldienst ausgenommen sind oder die den Dienst bereits abgeschlossen haben (EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, Herkunftsländer-Informationsbericht, September 2019, S. 60 f.). Soweit es in der Praxis in Einzelfällen vorkommen sollte, dass bei eritreischen Staatsangehörigen für die Inanspruchnahme konsularischer Leistungen auf die Unterzeichnung des „Reueformulars“ verzichtet worden ist, rechtfertigt dies keine Rückschlüsse auf die regelmäßige Vorgehensweise der eritreischen Auslandsvertretungen.
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Die Klägerin hat nach ihren durchaus glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung Eritrea illegal verlassen. Nach Art. 10 Abs. 1 der Proklamation Nr. 24/1992 kann keine Person Eritrea über andere Stellen verlassen als über die vom Sekretär für innere Angelegenheiten genehmigten. Nach Art. 11 der Proklamation Nr. 24/1992 kann niemand Eritrea verlassen, wenn er nicht im Besitz eines gültigen Reisedokuments, eines gültigen Ausreisevisums und eines gültigen internationalen Gesundheitszeugnisses ist. Die vorgenannten Voraussetzungen für eine legale Ausreise muss jede Person, unabhängig von dem Alter, erfüllen. Da die Klägerin die Voraussetzungen einer legalen Ausreise nicht erfüllt, liegt eine illegale Ausreise vor.
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Die Klägerin wäre somit im Fall einer Rückkehr zur Abgabe einer Reueerklärung verpflichtet. Eine solche ist ihr aber zur Überzeugung des Gerichts nicht zumutbar, da die Abgabe der „Reueerklärung“ wegen der darin enthaltenen Selbstbezichtigung mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen nicht vereinbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2022 – 1 C 9.21 – juris Rn. 26). Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts erfolgten zwar in Anwendung ausländerrechtlicher Vorschriften über die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer, sind aber auf die Zumutbarkeit der Abgabe einer Reueerklärung im Asylverfahren übertragbar. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Abgabe einer Reueerklärung mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen vereinbar ist. Nur dann kann von einem Betroffenen die vom Herkunftsstaat geforderte Mitwirkungshandlungen verlangt werden. Angesichts der dem eritreischen Staat attestierten gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der willkürlichen Strafverfolgung kann ein Eritreer gegen seinen Willen auf die Unterzeichnung einer Selbstbezichtigung mit bedingungsloser Akzeptanz einer wie auch immer gearteten Strafmaßnahme nicht verwiesen werden (so auch NdsOVG, U.v. 18.7.2023 – 4 LB 8.23 – juris Rn. 78). Angesichts der Willkürherrschaft des eritreischen Staates ist eine Unterzeichnung einer Reueerklärung der Klägerin nicht zumutbar.
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dd) Es erscheint auch beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin alsbald nach Einberufung in den Nationaldienst Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ausgesetzt sein wird. Bereits die zeitlich unbefristete Dauer des Nationaldienstes stellt für sich genommen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar (ebenso NdsOVG, U.v. 18.7.2023 – 4 LB 8.23 – Rn. 53; VG Münster, U.v. 11.2.2020 – 9 K 1564/17.A – juris Rn. 57). Darüber hinaus sind die Arbeitsbedingungen sowohl im militärischen als auch im zivilen Teil des Dienstes extrem hart, die Arbeitstage dauern bis zu 12 Stunden, ein Urlaubsanspruch scheint nicht geregelt, Feiertage oder Urlaub werden willkürlich und nur selten gewährt. Besoldung, Bekleidung, Lebensmittel- und medizinische Versorgung sind schlecht und ermöglichen den Betroffenen und ihren Familien keine menschenwürdige Existenz (VG Bremen, U.v. 4.5.2021 – 7 K 1409/19 – juris). Immer wieder kommt es beim Militärdienst zudem zu Menschenrechtsverletzungen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 3.1.2022, Stand November 2021, S. 15).
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Diese Umstände begründen schon für sich genommen in ihrer Gesamtschau die Annahme, dass die zeitlich unbefristete Dauer des Nationaldiensts – entgegen der offiziellen Begrenzung auf 18 Monat (vgl. dazu BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Eritrea, 26. Februar 2019, S. 12 – die geschilderten Arbeitsbedingungen und die zwangsweise Durchsetzung des Dienstes eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG darstellen (so im Ergebnis neben den bereits Zitierten auch VG Berlin, U.v. 28.2.2019 – 28 K 392.18 A; VG Münster, U.v. 10.9.2019 – 11 K 5924/16.A; VG Hannover, U.v. 23.1.2018 – 3 A 6312/16; VG Gelsenkirchen, U.v. 17.5.2017 – 1a K 1931/16.A; alle juris).
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Besonders dramatisch stellt sich die Situation für weibliche Rekrutinnen dar. Diesen droht im militärischen Teil des Nationaldienst sexuelle Nötigung und Vergewaltigung. Beischlaf wird durch Androhung der Verschärfung der Dienstbedingungen oder der Verweigerung von Heimreisen erzwungen, die Weigerung führt zu Internierung, Misshandlung und Folter, z.B. Nahrungsentzug oder dem Aussetzen extremer Hitze. Diese Praxis ist weitverbreitet (USDOS, Eritrea 2018, Human Rights Report, 19. März 2019, S. 3); eine Bestrafung der Täter findet nicht statt (zu alldem Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand: November 2020, S. 15; ausführlich und mit weiteren Nachweisen zur sexuellen Gewalt gegen Rekrutinnen auch VG Münster, U.v. 23.7.2019 – 11 K 3969/16.A – juris Rn. 82 ff.; VG Bremen, U.v. 24.11.2023 – 7 K 297/22 – juris Rn.37; sowie OVG Hamburg, U.v. 1.12.2020 – 4 Bf 205/18.A – juris Rn. 47). Eine Verbesserung der Situation ist nicht erkennbar; eher ist von einer kontinuierlichen Verschärfung und Verschlechterung der Dienstbedingungen auszugehen (vgl. Bericht von Human Rights Watch vom 9. Februar 2023, „Eritrea: Crackdown on Draft Evaders‘ Families“; Human Rights Report, Eritrea 2022 vom US Department of State; Bericht des Human Rights Council an die General Assembly über die „Situation of human rights in Eritrea” vom 9. Mai 2023; Themenpapier der Länderanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 15. Juni 2023, „Eritrea: Intensivierung der Zwangsrekrutierung in den Nationaldienst“.
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Insgesamt verletzt die Dauer und Ausgestaltung des Nationaldienstes aufgrund der in Eritrea herrschenden Willkürherrschaft ohne unabhängiges Justizwesen, mit willkürlichen Inhaftierungen und körperlichen Misshandlungen nach Auffassung des Gerichts massiv elementare Rechtsgrundsätze und Menschenrechte. Dies erfordert nach Überzeugung des Gerichts die Gewährung subsidiären Schutzes, weshalb der noch aufrecht erhaltenen Klage insoweit stattzugeben war.
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4. Aufgrund der ausgesprochenen Verpflichtung, der Klägerin den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuzuerkennen, sind auch die Ablehnung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die Abschiebungsandrohung nach Eritrea bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 AufenthG) aufzuheben.
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Die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil auch für sie die Voraussetzungen nicht vorliegen. Denn nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AsylG darf eine Abschiebungsandrohung u.a. nur dann erfolgen, wenn der Betroffene – anders als die Klägerin – keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes hat. Entsprechend ist auch die Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 6 des angegriffenen Bescheids rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil nach §§ 75 Nr. 12, 11 Abs. 1 AufenthG mangels Abschiebungsandrohung kein Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgesprochen werden darf.
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5. Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, wobei das Gericht zugrunde gelegt hat, dass die erklärte Klagerücknahme der Klägerin betreffend die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) die Hälfte des ursprünglichen Streitgegenstandes betrifft, während die Klägerin hinsichtlich der weiter aufrechterhaltenen Klage betreffend die Gewährung subsidiären Schutzes vollständig obsiegt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).