Titel:
Zulässigkeit der Feststellungsklage des Versicherungsnehmers bei noch möglichem Sachverständigenverfahren
Normenketten:
ZPO § 256 Abs. 1
VVG § 28
AB-Sach 08 § 12 Abs. 1
VB-Geschäft 08 § 9 Nr. 2 lit. b, Nr. 3 S. 1, § 10 Nr. 1 lit. h, lit. g, Nr. 2
Leitsätze:
1. Einer auf Feststellung der Eintrittspflicht eines Versicherers gerichteten Klage eines Versicherungsnehmers kann grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den Versicherungsbedingungen die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Klärung der Schadenhöhe vorgesehen ist, das der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers in Gang bringen kann (Anschluss an BGH BeckRS 2022, 8566 Rn. 17). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. An der Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer das Sachverständigenverfahren ohne Zustimmung des Versicherers in Gang bringen kann, fehlt es aber dann, wenn - wie hier gem. § 12 Abs. 1 AB-Sach 08 - Versicherungsnehmer und Versicherer "nach Eintritt des Versicherungsfalles vereinbaren [können], dass die Höhe des Schadens im Sachverständigenverfahren festgestellt wird", eine solche Vereinbarung jedoch nicht zustande gekommen und auch nicht zu erwarten ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Darlegungs- und Beweislast für Schadensumfang und Schadenshöhe liegt in der Einbruchdiebstahlversicherung grundsätzlich beim Versicherungsnehmer. Soweit diesem die Darlegung unmöglich ist, welche Sachen entwendet wurden, steht dies – vorbehaltlich bestimmter von der Rspr. anerkannter Darlegungserleichterungen – dem Erfolg einer entsprechenden Leistungsklage im Umfang der fehlenden Darlegung entgegen. Daran ändert sich durch einen vorausgegangenen Feststellungsausspruch nichts, weshalb unter diesem Gesichtspunkt eine Feststellungsklage nicht zur Streitbeilegung beitragen kann. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zur Leistungsfreiheit des Versicherers wegen vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheit, ihm bei Eintritt des Versicherungsfalles auf Verlangen alle zu führenden Geschäftsbücher und -unterlagen zur Verfügung zu stellen, dienliche Auskünfte zu erteilen und erforderliche Belege beizubringen. (Rn. 45 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geschäftsversicherung, Einbruchdiebstahl, Feststellungsklage, Sachverständigenverfahren, Stehlgutliste, Obliegenheitsverletzung, Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit, Geschäftsbücher
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 29.10.2021 – 12 O 17699/20
Fundstellen:
r+s 2025, 212
LSK 2024, 10533
BeckRS 2024, 10533
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29.10.2021, Az. 12 O 17699/20, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.692,19 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.11.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger, der ein Uhrengeschäft betreibt, unterhält bei der Beklagten eine Geschäftsversicherung gemäß Nachtrag vom 20. Oktober 2017 (Anlage B 1). Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen 2008 für die Sachversicherung der Beklagten (fortan: AB-Sach 08; in Anlage K 10) und die VA.-Bedingungen 2008 für die Geschäftsversicherung (fortan: VB-Geschäft 08; in Anlagen K 10 und B 3).
2
Am 30. Oktober 2017 brachen unbekannte Täter in das Geschäft des Klägers ein. Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils entwendeten sie „aus den Regalen und Schränken unter anderem Uhren, Furnituren und Uhrmacherwerkzeug“. Bei Ortsterminen mit dem von der Beklagten beauftragten Schadenregulierer am 2. und 8. November 2017 konnte der Kläger zur Schadenshöhe keine Angaben machen. Auf mehrfache Aufforderung legte er der Beklagten schließlich eine Stehlgutliste (Anlage B 5) vor, die er als unvollständig bezeichnete. Die Beklagte erinnerte an die Erledigung der vollständigen Aufstellung. Unter Bezugnahme auf die vorgelegte Stehlgutliste ließ der Kläger im Mai und September 2018 Forderungsaufstellungen (Anlagen B 9 und K 16) übermitteln. Er teilte im Februar 2019 mit, eine vollständige Auflistung der verbliebenen Waren sei ihm aufgrund der Vielzahl von Einzelteilen nicht möglich; er bat um Kostenübernahme für eine professionelle Inventur (Anlage B 17). Die Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 31. März 2021 mit, sie werde keine Vereinbarung zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens treffen.
3
Der Kläger hat beantragt, die Haftung der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag für Schäden aus dem Schadensereignis vom 30. Oktober 2017 dem Grunde nach festzustellen. Ferner hat er die Zahlung eines Teilbetrags von 1.692,19 € für die Reparatur einer beschädigten Tür nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme der Rechtsanwaltskosten stattgegeben.
4
Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2023 (Bl. 149/155 d. A.) hat der Kläger die Klage erweitert und begehrt, die Beklagte zur Zahlung von 240.164,28 € nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen zu verurteilen sowie die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen für Schäden betreffend das Ereignis vom 30. Oktober 2017.
5
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 29. Oktober 2021, Geschäftszeichen 12 O 17699/20, die Klage abzuweisen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
7
Weiter beantragt der Kläger:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 240.164,28 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2017, hilfsweise in Höhe von 4% zu bezahlen.
II. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadenersatz zu zahlen für die Schäden, betreffend das Schadenereignis (Einbruch/Diebstahl) vom 30.10.2017.
III. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.509,19 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
8
Hierzu beantragt die Beklagte,
unter Zurückweisung der Anschlussberufung vom 27.07.2023 die Klage auch in ihrer geänderten Fassung abzuweisen.
9
Auf das angefochtene Urteil wird wegen der tatsächlichen Feststellungen und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Ergänzend wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 28. November 2023 (Bl. 258/261 d. A.), in welcher der Kläger informatorisch angehört worden ist.
10
Die Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg. Keinen Erfolg hat die Anschlussberufung des Klägers.
11
Die zulässige Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg (vgl. bereits Hinweis vom 28. Juni 2023, Bl. 133/137 d. A.). Sie führt zur Abweisung der vor dem Landgericht erhobenen Feststellungsklage unter Abänderung des angefochtenen Urteils. Keinen Erfolg hat die Berufung, soweit die Beklagte zur Zahlung von Reparaturkosten für eine Tür verurteilt worden ist.
12
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Klage sei zulässig und überwiegend begründet.
13
Für den Feststellungsantrag verfüge der Kläger über das notwendige Feststellungsinteresse. Eine Leistungsklage sei dem Kläger nicht unschwer möglich; er sei derzeit nicht in der Lage, seinen Schaden zu beziffern, sondern müsste hierzu eine aufwendige und zeitintensive Inventur durchführen (Urteil des Landgerichts, S. 5). Ein Feststellungsurteil sei auch nicht deshalb unzulässig, weil hier auch die Anspruchshöhe zwischen den Parteien streitig ist; ein arglistiges Verhalten des Klägers liege nicht nahe (aaO S. 5 f). Die Feststellungsklage sei auch deshalb zulässig, weil hier ein Sachverständigenverfahren nach § 12 Abs. 1 AB-Sach 08 durchgeführt werden könne; die Beklagte verweigere treuwidrig ihre Zustimmung hierzu (Urteil, S. 6).
14
Die Feststellungsklage sei begründet. Ein Versicherungsfall gemäß § 2 Nr. 1 lit. b VB-Geschäft 08 sei unstreitig (Urteil, S. 6 f). Auch zum Ersatz der Reparaturkosten für die beschädigte Tür sei die Beklagte gemäß § 3 Nr. 3 lit. a VB-Geschäft 08 zu verurteilen (Urteil, S. 7). Kein Anspruch bestehe auf die Erstattung der Rechtsanwaltskosten (aaO).
15
2. Erfolg hat die Berufung gegen die Feststellung, die Beklagte hafte dem Kläger dem Grunde nach aus dem Versicherungsvertrag für Schäden aus dem Schadensereignis vom 30. Oktober 2017. Die Feststellungsklage ist unzulässig.
16
a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde. Ein solches Interesse ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn dem konkreten, vom Feststellungsantrag betroffenen Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und der erstrebte Feststellungsausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 9. November 2022 – VIII ZR 272/20, NJW 2023, 1567 Rn. 30 mwN). Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm regelmäßig das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (BGH, Urteil vom 13. April 2022 – IV ZR 60/20, VersR 2022, 817 Rn. 16 mwN).
17
b) Eine allgemeine Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage besteht aber nicht. Trotz möglicher Leistungsklage kann das Feststellungsinteresse bejaht werden, wenn schon ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird. So kann von einem beklagten Versicherer erwartet werden, dass er auf ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil hin seinen rechtlichen Schadensersatzverpflichtungen nachkommt, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (BGH, Urteil vom 13. April 2022, aaO mwN).
18
Mit dieser Begründung kann im Streitfall jedoch die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht bejaht werden. Die genannte Erwartung ist hier nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte ausdrücklich die Zulässigkeit der Feststellungsklage in Abrede stellt, die Ansprüche der Höhe nach bestreitet (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. April 2022, aaO) und sogar Einwände gegen den Anspruchsgrund und die Feststellbarkeit des Schadensumfangs erhebt (vgl. etwa Berufungsbegründung vom 2. Februar 2022, Bl. 116/127 d. A., S. 4 f, 7 ff).
19
c) Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer auf Feststellung der Eintrittspflicht eines Versicherers gerichteten Klage eines Versicherungsnehmers grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den Versicherungsbedingungen die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Klärung der Schadenhöhe vorgesehen ist (BGH, Urteil vom 13. April 2022 – IV ZR 60/20, VersR 2022, 817 Rn. 17 mwN; vom 18. Januar 2023 – IV ZR 465/21, NJW 2023, 684 Rn. 12). Ein solches nach bestimmten Regeln durchzuführendes Sachverständigenverfahren endet mit verbindlichen Feststellungen für die Parteien des Versicherungsvertrages, wenn nicht nachgewiesen wird, dass die Feststellungen offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen. Ein weiterer Prozess zur Höhe der zu leistenden Entschädigungen ist demnach gerade nicht die typische Folge des Feststellungsurteils trotz unentschieden gelassenen Streits über die Höhe der versicherten Schäden (BGH, Urteil vom 13. April 2022, aaO). Mit Rücksicht auf ein in den Versicherungsbedingungen vorgesehenes Sachverständigenverfahren, das der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers in Gang bringen kann, braucht sich der Versicherungsnehmer nicht auf eine Leistungsklage verweisen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2022, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. April 1986 – IVa ZR 210/84, VersR 1986, 675 unter 1.b; OLG Hamm, r+s 1992, 61, 62; OLG Frankfurt, Urteil vom 9. März 2022 – 7 U 133/20, juris Rn. 33).
20
An der Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer das Sachverständigenverfahren ohne Zustimmung des Versicherers in Gang bringen kann, fehlt es im Streitfall. Gemäß § 12 Abs. 1 AB-Sach 08 können Versicherungsnehmer und Versicherer „nach Eintritt des Versicherungsfalles vereinbaren, dass die Höhe des Schadens im Sachverständigenverfahren festgestellt wird“. Eine solche Vereinbarung ist nicht zustande gekommen und auch nicht zu erwarten; die Beklagte hat mitgeteilt, sie werde keine Vereinbarung zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens treffen. Die Ankündigung der Beklagten ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil (S. 6) – nicht treuwidrig, sondern Ausfluss einer der Beklagten vertraglich eingeräumten Dispositionsbefugnis. Für einen darin liegenden Rechtsmissbrauch gibt es keine Anhaltspunkte; im Gegenteil hat die Beklagte sich darauf berufen, Schadensumfang und Schadenshöhe seien – mangels ausreichender Nachweise – auch in einem Sachverständigenverfahren nicht zu klären.
21
d) Es sind keine anderen Umstände erkennbar, aus denen sich ergeben würde, dass der vom Kläger erstrebte Feststellungsausspruch geeignet wäre, die Gefahr der Unsicherheit für einen etwaigen versicherungsvertraglichen Leistungsanspruch des Klägers zu beseitigen. Vielmehr liegt zutage, dass ein Feststellungsurteil nicht geeignet wäre, den Streit der Parteien beizulegen.
22
Der Feststellungsausspruch im angefochtenen Urteil beruht lediglich auf der Feststellung, dass am 30. Oktober 2017 unbekannte Täter in das versicherte Geschäft des Klägers einbrachen und aus den Regalen und Schränken Uhren, Furnituren und Uhrmacherwerkzeug entwendeten, was zu einer Leistungspflicht der Beklagten gemäß § 2 Nr. 1 lit. b der (unstreitig) vereinbarten VB-Geschäft 08 führe (vgl. Urteil des Landgerichts, S. 6 f). Die Tatsachen, die das Landgericht insoweit zugrunde gelegt hat, sind ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils (S. 2) unstreitig. Streitig ist aber bereits, ob überhaupt solche Sachen entwendet wurden, die der Kläger als gestohlen meldete (vgl. Berufungsbegründung, S. 8). Erst recht ist die Schadenshöhe streitig. Durch das angefochtene Feststellungsurteil wird – folgerichtig – keiner dieser streitigen Punkte geklärt. Es klärt auch keine etwaigen zwischen den Parteien umstrittenen Rechtsfragen, welche den Anspruch selbst betreffen, sondern geht insoweit nur auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage ein. Das Feststellungsurteil leistet im Streitfall keinen maßgeblichen Beitrag zur Beilegung der Streitigkeit.
23
Der Kläger hat sinngemäß gemeint, eine Leistungsklage sei ihm nicht möglich oder zumutbar gewesen, weil der Aufwand für die Feststellung der entwendeten Sachen unverhältnismäßig hoch sei. Diese Behauptung kann jedoch unter den vorstehend dargestellten Umständen des Streitfalls nicht zur Zulässigkeit der Feststellungsklage führen. Die Darlegungs- und Beweislast für Schadensumfang und Schadenshöhe liegt grundsätzlich beim Kläger, der eine Versicherungsleistung begehrt. Soweit diesem die Darlegung unmöglich ist, welche Sachen entwendet wurden, steht dies – vorbehaltlich bestimmter von der Rechtsprechung anerkannter Darlegungserleichterungen – dem Erfolg einer entsprechenden Leistungsklage im Umfang der fehlenden Darlegung entgegen. Daran ändert sich durch einen vorausgegangenen Feststellungsausspruch nichts, weshalb unter diesem Gesichtspunkt eine Feststellungsklage nicht zur Streitbeilegung beitragen kann.
24
3. Keinen Erfolg hat die zulässige Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 1.692,19 € nebst Zinsen als Ersatz der Aufwendungen für die Beseitigung von Schäden an einer Tür.
25
Die Beklagte meint, notwendig sei eine eigene Vermögenseinbuße des Klägers, der aber nur Mieter der versicherten Räumlichkeiten gewesen sei (vgl. Berufungsbegründung, S. 10 unter III.4). Es kann dahinstehen, ob dies der Annahme von „notwendigen Aufwendungen“ im Sinne von § 3 Nr. 3 VB-Geschäft 08 entgegenstünde. Jedenfalls hat der von der Beklagten beauftragte Schadensregulierer dem Kläger mit E-Mail vom 5. Dezember 2017 (Anlage K 4) mitgeteilt, von seiner Seite sei die Türreparatur freigegeben, die der Kläger beauftragen müsse; die Kosten seien versichert. Auf diese Erklärung durfte der Kläger vertrauen und entsprechende Aufwendungen tätigen (vgl. Urteil des Landgerichts, S. 7 unter I.3), welche die Beklagte aufgrund ihrer Zusage ersetzen muss.
26
Die zulässige Anschlussberufung des Klägers hat keinen Erfolg. Seine Zahlungsklage ist unbegründet, die Feststellungsklage unzulässig.
27
1. Der Kläger hat eine zulässige Anschlussberufung erhoben.
28
Der mit Schriftsatz vom 27. Juli 2023 (Bl. 149/155 d. A.) erweiterte Klageantrag stellt eine Anschlussberufung (§ 524 ZPO) des Klägers dar (vgl. bereits Hinweis vom 1. August 2023, Bl. 157/158 d. A.). Eine ausdrückliche Erklärung, es werde Anschlussberufung eingelegt, ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als ein Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt. Die Berufungsanschließung kann daher auch konkludent in der Weise erfolgen, dass die Partei ihr Klagebegehren durch Geltendmachung eines weiteren Anspruchs erweitert (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 – I ZR 10/09, GRUR 2011, 831 Rn. 42 mwN). So liegt es hier.
29
Die Anschlussberufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Insbesondere ist die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gewahrt. Dem Kläger war keine Frist zur Berufungserwiderung gemäß § 521 Abs. 2 ZPO gesetzt worden.
30
2. Die Zahlungsklage (Anschlussberufungsantrag zu I) ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung der begehrten Versicherungsleistung verlangen. Er hat weder den Diebstahl versicherter Sachen bewiesen noch den behaupteten Schadensumfang; zudem ist die Beklagte aufgrund von Obliegenheitsverletzungen leistungsfrei.
31
a) Es fehlt schon am erforderlichen Nachweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen.
32
aa) Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast für einen bedingungsgemäßen Diebstahl versicherter Sachen bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter anderem die Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 13 mwN).
33
bb) Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vorher vorhanden und nachher unauffindbar waren.
34
(1) Zwar ist nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils im ersten Rechtszug unstreitig gewesen, dass die unbekannten Einbrecher aus den Regalen und Schränken unter anderem (irgendwelche) Uhren, Furnituren und Uhrmacherwerkzeug entwendeten (was dem Senat im Übrigen Anlass zu einem Vergleichsvorschlag gegeben hat). Die Beklagte hat aber bestritten, dass jedwede vom Kläger in der Schadenaufstellung aufgeführten Gegenstände vor dem in Rede stehenden Einbruchdiebstahl in den versicherten Räumlichkeiten vorhanden waren und unmittelbar anschließend dort nicht wieder aufgefunden wurden (Klageerwiderung vom 23. Februar 2021, Bl. 17/31 d. A., S. 10 Mitte; Berufungsbegründung vom 2. Februar 2022, Bl. 116/127 d. A., S. 8 Abs. 3). Hierauf hat der Senat im Beschluss vom 28. Juni 2023 (Bl. 133/137 d. A., S. 4 Abs. 1 unter 1.d) hingewiesen; auf den fehlenden Beweis ist überdies die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 13. September 2023 (Bl. 215/232 d. A., S. 4 ff unter II.3) ausdrücklich eingegangen.
35
(2) Insoweit hat der Kläger keinen tauglichen Beweis angeboten (vgl. Replik vom 18. März 2021, Bl. 34/43 d. A.; Anschlussberufung vom 27. Juli 2023, Bl. 149/155 d. A.). Er bezieht sich lediglich auf seine Forderungsaufstellung (Anlage K 16), Stehlgutliste (Anlage K 17; vgl. auch Anlage B 5) nebst Fotos (Anlage K 18) und Restbestandsliste (Anlage K 19); zur Anspruchshöhe bietet er Sachverständigengutachten an. Die Richtigkeit der Listen hat die Beklagte bestritten (vgl. Schriftsatz vom 13. September 2023, Bl. 215/232 d. A., S. 7 f unter II.3.e).
36
(3) Die vorgelegten Listen, deren Richtigkeit bestritten ist, genügen dem Senat nicht, um sich von der Wahrheit der klägerischen Behauptung zu überzeugen. Bei den von der Klägerseite erstellten Listen (nebst Fotos) handelt es sich lediglich um Parteivortrag der beweispflichtigen Klagepartei.
37
(4) Eine Überzeugung davon, dass die vom Kläger als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem Einbruch vorhanden und nachher unauffindbar waren, konnte der Senat aus den vorgelegten Dokumenten auch nicht aufgrund der informatorischen Anhörung des Klägers in der Sitzung vom 28. November 2023 (Protokoll Bl. 258/261 d. A.) gewinnen. Der Kläger hat den Senat nicht davon überzeugt, dass seine Stehlgutliste vorher vorhandene und nachher unauffindbare Sachen enthielte.
38
(a) Zum Zustandekommen seiner Stehlgutliste hat der Kläger erklärt, diese habe er „danach erstellen können, wovon ich weiß, dass ich die Sachen habe“. Soviel ändere sich auch nicht; er wisse im Großen und Ganzen, was er habe. Bei Abschluss des Versicherungsvertrags sei der Bestand erfasst worden.
39
(b) Die Angaben des Klägers zum Zustandekommen der Stehlgutliste liefern schon keine nachvollziehbare Darstellung, auf welcher Grundlage und auf welche Weise er diese Liste erstellt haben will. Seine – zudem äußerst allgemein gehaltenen – Angaben betreffen nur den Bestand vor dem Einbruch, setzen sich aber in keiner Weise damit auseinander, welche Sachen bei dem Einbruch abhandengekommen sein sollen, und wie der Kläger festgestellt haben will, welche Sachen fehlten. Darauf, ob die vom Kläger vorgelegte Restbestandsliste oder ob Fotos bei der Auflistung fehlender Sachen herangezogen wurden, ist der Kläger nicht eingegangen. Seine Angaben sind vielmehr vage geblieben und wirkten auf den Senat ausweichend.
40
Dass der Kläger (unstreitig) am 2. und 8. November 2017 zur Schadenshöhe nicht einmal ungefähre Angaben machen konnte, während er nunmehr einen hohen sechsstelligen Betrag fordert, hat der Kläger zwar im Ansatz damit erklären können, dass er wegen der Geburt seines ersten Kindes im Oktober 2017 „neben sich stand“. Dies erklärt aber nicht, wie der Kläger im weiteren Verlauf zu einer umfangreichen Auflistung angeblich gestohlener Sachen gekommen ist. Weder aus seinem schriftsätzlichen Vortrag noch aus seinen Angaben bei der informatorischen Anhörung geht hervor, wie die Aufstellung konkret zustande gekommen ist.
41
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 27. November 2023 (Bl. 250/256 d. A., dort S. 1 f) Erklärungen behauptet, die er der Beklagten zurechnen will, unter anderem, dass Fotos und Schätzungen der Werte des Ladenbestands im Versicherungsfall ausreichend seien (vgl. hierzu das Bestreiten der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 29. Dezember 2023, Bl. 262/268 d. A., S. 1-3), kann dahinstehen, ob sich hieraus Beweiserleichterungen für den Kläger ergeben würden. Diese könnten nach den behaupteten Erklärungen allenfalls den Bestand vor dem Versicherungsfall betreffen. Der Kläger bleibt aber den Nachweis schuldig, welche Sachen nach dem Einbruch unauffindbar waren.
42
(c) Der Senat hat zudem Anhaltspunkte für Zweifel an der Redlichkeit des Klägers, dies insbesondere aufgrund widersprüchlicher Angaben. So hat der Kläger noch mit Schriftsatz vom 27. November 2023 (Bl. 250/256 d. A.) vortragen lassen, Eingangs- und Ausgangsrechnungen der letzten fünf Jahre inklusive Ankaufsbelege für Gebrauchtwaren lägen nicht vor; er arbeite mit handschriftlicher Barkasse (aaO S. 4 oben). In der Anhörung gab er sodann an, Herrn B. (für die Beklagte) Rechnungen über einen Wert von ca. 180.000 € übergeben zu haben, was er auf Vorhalt damit erklären wollte, für einen Teil der Ersatzteile gebe es keine Rechnungen, für einen anderen gebe es welche (vgl. Protokoll, S. 3 Mitte). Solche Rechnungen hat im Rechtsstreit weder der Kläger noch die Beklagte vorgelegt. Die Aussage des Klägers widerspricht seiner früheren Antwort an die Beklagte, es lägen keine Rechnungen vor.
43
(5) Vor diesem Hintergrund kommt eine Parteivernehmung des Klägers von Amts wegen gemäß § 448 ZPO nicht in Betracht. Es fehlt an der hiernach erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit für die Wahrheit der klägerischen Behauptungen zur Entwendung bestimmter Sachen.
44
b) In jedem Fall fehlt es am Nachweis des Schadensumfangs, den der Kläger seinem Anspruch zugrunde legt. Wie bereits dargestellt (s.o. unter a) hat die Beklagte bestritten, welche Sachen gestohlen worden sein sollen, und der Kläger hat hierfür keinen geeigneten Beweis angeboten.
45
c) Unabhängig hiervon ist die Beklagte leistungsfrei aufgrund von Obliegenheitsverletzungen des Klägers.
46
aa) Gemäß § 9 Nr. 2 lit. b VB-Geschäft 08 hat der Versicherungsnehmer alle Geschäftsbücher und sonstigen Geschäftsunterlagen (z.B. Wareneingangs- und Warenausgangsbücher, Inventuren, Bilanzen, Gewinn- und Verlust-Rechnungen) nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchhaltung in Übereinstimmung mit handels- und steuerrechtlichen Vorschriften zu führen und alle Geschäftsvorfälle unverzüglich fortlaufend zu verbuchen. Gemäß § 10 Nr. 1 lit. h VB-Geschäft 08 hat der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles dem Versicherer auf Verlangen die gemäß § 9 Nr. 2 lit. b VB-Geschäft 08 zu führenden Bücher und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Daneben hat er gemäß § 10 Nr. 1 lit. g VB-Geschäft 08 dem Versicherer auf Verlangen im Rahmen des Zumutbaren jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten, jede hierzu dienliche Auskunft zu erteilen und die erforderlichen Belege beizubringen. Obliegenheitsverletzungen führen nach Maßgabe von § 9 Nr. 3 Satz 1, § 10 Nr. 2 VB-Geschäft 08 zur Leistungsfreiheit des Versicherers.
47
Diesen Bestimmungen geht hier keine abweichende individualvertragliche Vereinbarung vor. Selbst wenn man die Behauptung des Klägers (vgl. Schriftsatz vom 27. November 2023, Bl. 250/256 d. A., S. 1 f) so verstehen wollte, ihm sei „stets“ und damit auch „bei und vor Abschluss des Versicherungsvertrages“ nur mitgeteilt worden, dass er lediglich Fotos von dem Ladenbestand fertigen und bei nicht mehr vorhandenen Rechnungen die Beträge schätzen solle, wobei die Fotos und die Schätzungen der Werte sodann ausreichend seien, und dies zugunsten des Klägers als wahr unterstellte, ergäbe sich hieraus nicht, dass die Beklagte im Verhältnis zum Kläger die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten zur Führung und Vorlage der Geschäftsunterlagen ausnehmen wollte. Die behaupteten Zusagen betreffen nur praktische Erleichterungen bei der Feststellung des Warenbestands, auf die es hier nicht ankommt (s.o. unter a.bb.(4)).
48
bb) Die Beklagte ist gemäß § 10 Nr. 1 lit. g, lit. h, Nr. 2 VB-Geschäft 08, § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 VVG leistungsfrei, weil der hinreichend belehrte Kläger vorsätzlich bei Eintritt des Versicherungsfalles trotz Verlangens der Beklagten nicht alle zu führenden Geschäftsbücher und -unterlagen zur Verfügung stellte, verlangte dienliche Auskünfte nicht erteilte und verlangte erforderliche Belege nicht beibrachte.
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Auf die Rechtsfolge der vollständigen oder teilweisen Leistungsfreiheit gemäß § 28 Abs. 2 VVG hat die Beklagte den Kläger gemäß § 28 Abs. 4 VVG durch gesonderte Mitteilung in Textform in der Einleitungsniederschrift vom 2. und 8. November 2017 (Anlage B 2) sowie im anwaltlichen Schreiben vom 13. Dezember 2018 (Anlage B 15) hingewiesen. Eine nur pauschal behauptete Richtigstellung der Einleitungsniederschrift durch den Kläger (vgl. Protokoll der Sitzung vom 28. November 2023, S. 3 Mitte) hat dieser nicht vorgelegt; es ist nicht ersichtlich, was der Kläger richtiggestellt haben will.
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Schon mit der Einleitungsniederschrift verlangte die Beklagte vom Kläger unter anderem ein unterschriebenes Verzeichnis der entwendeten Gegenstände, Belege zum Nachweis der Schadenhöhe (Anschaffungsrechnungen u.a.) und den letzten vorliegenden Jahresabschluss. Mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2018 verlangte die Beklagte die Jahresabschlüsse der letzten zehn Jahre und die Restbestandsaufnahme nach dem Einbruch sowie Eingangs- und Ausgangsrechnungen, eine Darstellung der Erlöse und des Wareneinkaufs, die Mitteilung des für die Ware in den Jahresabschlüssen angesetzten Werts, eine Darstellung, welche Ware in Deutschland und welche im Ausland gekauft wurde, die Übermittlung von Einfuhr- und Zollunterlagen hierzu, Unterlagen zur Regulierung eines Vorschadens (ebenfalls Einbruchdiebstahl) vor zehn Jahren, Papiere bzw. Echtheitsnachweise für die als entwendet gemeldeten Rolex-Uhren und die Mitteilung, woher die Ersatzteile stammten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Oktober 2019 (Anlage B 21) wiederholte die Beklagte dieses Verlangen.
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Dem Kläger oblag die Vorlage der angeforderten Unterlagen gemäß § 10 Nr. 1 lit. g, lit. h VB-Geschäft 08. Es handelte sich um für die Untersuchung der Beklagten über Ursache und Höhe des Schadens und den Umfang der Entschädigungspflicht dienliche Auskünfte und erforderliche Belege, deren Vorlage dem Kläger zumutbar war. Soweit es um Geschäftsunterlagen geht (insbesondere Jahresabschlüsse, Eingangs- und Ausgangsrechnungen), würde es den Kläger nicht entlasten, wenn er solche Unterlagen entgegen seinen handels- und steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht geführt hat. § 10 Nr. 1 lit. h VB-Geschäft 08 spricht die „zu führenden Bücher und Unterlagen“ an, was der durchschnittliche Versicherungsnehmer ausgehend vom Wortlaut und erkennbaren Zweck der Bestimmung so verstehen wird, dass pflichtwidrig nicht geführte Geschäftsbücher und -unterlagen spätestens im Schadenfall zu erstellen und vorzulegen sind.
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In Kenntnis der Obliegenheit legte der Kläger die angeforderten Unterlagen nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob entgegen der Behauptung der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 13. September 2023, Bl. 215/232 d. A., S. 13 unter II.4.f.aa) der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 22. September 2020 „die endgültigen Jahresabschlüsse … von den Jahren 2008 bis 2017“ übersandt hat, wie im Schriftsatz des Klägers vom 27. November 2023 (Bl. 250/256 d. A., dort S. 2 Abs. 1) ausgeführt. In jedem Fall hat er die weiteren angeforderten Unterlagen, insbesondere die angeforderten Rechnungen, nicht vorgelegt. Einen Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG hat er nicht erbracht. Damit führt die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung zur Leistungsfreiheit der Beklagten.
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cc) Zusätzlich ist die Beklagte auch deshalb teilweise leistungsfrei geworden, weil der Kläger grob fahrlässig entgegen § 9 Nr. 2 lit. b VB-Geschäft 08 die Geschäftsbücher und sonstigen Geschäftsunterlagen nicht nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchhaltung führte. Mit der Beklagten hält der Senat insoweit unter Berücksichtigung aller Umstände eine Kürzung von 70% für angemessen. Dies wirkt sich im Ergebnis nicht mehr aus, weil die Beklagte – wie dargestellt – schon aus anderen Gründen vollständig leistungsfrei ist.
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dd) Aus demselben Grund kann dahinstehen, ob die Beklagte nach § 10 Nr. 1 lit. c, lit. f, Nr. 2 VB-Geschäft 08 leistungsfrei geworden ist, weil der Kläger ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen erst verspätet bei der Polizei beziehungsweise der Beklagten eingereicht habe (vgl. Schriftsatz vom 13. September 2023, Bl. 215/232 d. A., S. 10-12 unter II.4.b und c).
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3. Mit der Feststellungsklage (Anschlussberufungsantrag zu II) macht der Kläger im Berufungsverfahren eine über den Zahlungsantrag hinausgehende versicherungsvertragliche Haftung der Beklagten geltend. Die Feststellungsklage ist aus den zur Berufung der Beklagten dargestellten Gründen (s.o. unter I.2) unzulässig.
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4. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
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Die Sache ist zur Endentscheidung reif.
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1. Der Senat sieht keinen Grund, die Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.
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a) Insbesondere liegt kein Grund zur Wiedereröffnung gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor.
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Der Kläger macht geltend, er sei in der mündlichen Verhandlung dadurch überrascht worden, dass der Senat ohne vorausgegangenen Hinweis von ihm wissen wollte, wie er zu seiner Stehlgutliste gekommen sei, wobei ihm die Fragestellung des Gerichts erst nach der Verhandlung klar geworden sei. Es liegt weder eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) noch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch sonst ein entscheidungserheblicher und rügbarer Verfahrensfehler (§ 295 ZPO) vor. Der Kläger, der sich zum Beweis seiner Behauptungen zur Entwendung bestimmter Sachen allein auf die von ihm vorgelegten Listen bezogen hat, musste ohne weiteres damit rechnen, in der mündlichen Verhandlung danach gefragt zu werden, wie diese Listen zustande gekommen sind. Es liegt auf der Hand, dass der Senat zur Einschätzung des Beweiswerts der Listen auf entsprechende Angaben des Klägers angewiesen ist. Ein vorheriger Hinweis hierauf war nicht geboten.
61
Der Antrag des Klägers auf Berichtigung des Protokolls ist abgelehnt worden. Auch insoweit liegt kein Verfahrensfehler vor.
62
b) Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätze geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO.
63
Es sind keine nachvollziehbaren Gründe dafür erkennbar, dass die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 23. Januar 2024 (Bl. 274/277 d. A.) nebst der Anlagen zu diesem Schriftsatz nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind. Zudem erscheint das Vorbringen ohnehin nicht geeignet, zu einer anderen Bewertung zu gelangen.
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Der Schriftsatz der Beklagten vom 29. Januar 2024 (Bl. 281/285 d. A.) enthält keine neuen entscheidungserheblichen Ausführungen. Die Entscheidung des Senats stützt sich nicht auf neues Vorbringen in diesem Schriftsatz.
65
2. Soweit die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten, sind diese gemäß § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1, § 709 Satz 2, § 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen.