Titel:
Keine nachteilige rechtliche Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks durch Bestandteilszuschreibung
Normenketten:
BGB § 890, § 1018
GBO § 19
Leitsätze:
1. Die Bestandteilszuschreibung des herrschenden Grundstücks einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrtrechts zu einem anderen Grundstück führt zu keiner nachteiligen rechtlichen Veränderung des Inhalts oder des Umfangs der Dienstbarkeit. (Rn. 17)
2. Die Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks ist für den grundbuchrechtlichen Vollzug der Bestandteilszuschreibung in diesem Fall nicht erforderlich. (Rn. 15)
Bei der Bestandteilszuschreibung bleibt die Dienstbarkeit - wie bei der Vereinigung des herrschenden Grundstücks einer Grunddienstbarkeit mit einem anderen Grundstück - im bisherigen Umfang bestehen, dh, die Berechtigung erstreckt sich zwar formal auf den jeweiligen Eigentümer des Gesamtgrundstücks, sie darf aber auch künftig nur zugunsten des Grundstücksteils ausgeübt werden, das bisher herrschendes Grundstück war. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eintragungsbewilligung, nachteilige Veränderung, Auswirkung auf die Buchposition, Bestandteilszuschreibung, Vereinigung mehrerer Grundstücke, Dienstbarkeit bei Verschmelzung, Dienstbarkeit bei Bestandteilszuschreibung, Ausübung der Dienstbarkeit, Ausübungsbeschränkung
Fundstellen:
FGPrax 2024, 60
NotBZ 2024, 347
RPfleger 2024, 384
LSK 2024, 1018
BeckRS 2024, 1018
MittBayNot 2024, 562
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Laufen – Grundbuchamt – vom 14.11.2023 aufgehoben.
2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag nicht aus den Gründen des aufgehobenen Beschlusses zurückzuweisen.
Gründe
1
Die Beteiligte zu 2 ist im Grundbuch in Bl. 11... als Eigentümerin der Fl.Nr. 70/3 eingetragen. Am 30.3.2022 wurde die Zerlegung des Flurstücks in die Fl.Nrn. 70/3 und 70/7 im Grundbuch eingetragen.
2
Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch in Bl. 4... als Eigentümerin der Fl.Nr. 70 eingetragen. Am 30.3.2022 wurde die Zerlegung von Flurstück 70 in die Fl.Nrn. 70 und 70/6 im Grundbuch eingetragen.
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In Bl. 6... sind zur Fl.Nr. 60 in Abt. II unter den laufenden Nrn. 2 und 5 Geh- und Fahrtrechte für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Blatt 4..., Fl.Nr. 70, eingetragen. In Bl. 4... sind im Bestandsverzeichnis bei Fl.Nr. 70 entsprechende Herrschvermerke eingetragen.
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Mit notariellem Tauschvertrag vom 7.7.2022 vereinbarten die Beteiligten einen Tausch des Grundstücks Fl.Nr. 70/6 an die Beteiligte zu 2 und des Grundstücks Fl.Nr. 70/7 an die Beteiligte zu 1 jeweils mit allen Rechten, Bestandteilen und gesetzlichem Zubehör. In einer Anlage zu dem notariellen Tauschvertrag erklärten die Beteiligten ferner die Auflassung und bewilligten und beantragten die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch. Ferner beantragten sie, die Fl.Nr. 70/6 dem Grundstück Fl.Nr. 70/3 als Bestandteil zuzuschreiben sowie die Fl.Nr. 70/7 dem Grundstück Fl.Nr. 70 als Bestandteil zuzuschreiben.
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Mit Schreiben vom 13.1.2023, eingegangen beim Grundbuchamt am 17.1.2023, reichte der Urkundsnotar gemäß § 15 GBO namens aller Antragsberechtigter die Auflassungsurkunde zur Eigentumsumschreibung ein.
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Mit Schreiben vom 24.8.2023 teilte das Grundbuchamt dem Notar mit, dass eine Bestandteilszuschreibung von Flst. 70/6 zu Flst. 70/3 nicht möglich sei. Aus den Herrschvermerken ergebe sich, dass Flst. 70/6 hinsichtlich zweier Dienstbarkeiten berechtigt sei. Herrschend könne nur ein ganzes Grundstück sein. Denkbar wäre eine Antragsrücknahme hinsichtlich der Bestandteilszuschreibung oder Löschung der Dienstbarkeit. Mit Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks wäre auch eine Erweiterung der Dienstbarkeit theoretisch möglich.
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Mit Schreiben vom 4.9.2023 teilte der Notar mit, dass auch eine weitere Variante möglich sei. Es sei auch zulässig, die Ausübung der Dienstbarkeit zum Vorteil eines realen Teils des herrschenden Grundstücks ohne Verselbständigung dieses Teils zu beschränken. So, wie ohne vertragliche Inhaltsänderung eine „reale Teilflächenbelastung“ bei Dienstbarkeiten möglich sei, sei auf diese Weise eine „reale Teilflächenberechtigung“ bei Dienstbarkeiten möglich. Er bitte daher in der Veränderungsspalte Zug um Zug mit der Eintragung der Bestandteilszuschreibung zu vermerken, dass die bestehende Dienstbarkeit nur dem zugeschriebenen Teil Fl.Nr. 70/6 zum Vorteil gereicht. Die Abgabe erneuter Grundbucherklärungen der Beteiligten sei hierfür nicht erforderlich. Mit weiterem Schreiben legte er eine Stellungnahme des DNotI vor, wonach die beantragte Bestandteilszuschreibung zulässigerweise erfolgen könne, die vom Grundbuchamt vorgebrachten Bedenken bestünden nicht.
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Mit Beschluss vom 14.11.2023 wies das Grundbuchamt den Antrag vom 17.1.2023 zurück. Es sei grundsätzlich möglich, dass die Ausübung der Dienstbarkeit nur der derzeit herrschenden Fläche zum Vorteil gereiche. Da es sich jedoch formalrechtlich um eine Rechtserweiterung handele (auch wenn nur eine Teilfläche einen Vorteil habe, so sei künftig doch auch das Flst. 70/3 herrschend, welches derzeit nicht berechtigt ist), sei – entgegen der Auffassung des Notars – die Bewilligung nach § 19 GBO des Eigentümers des belasteten Grundstücks erforderlich. Dieser erleide durch die Erweiterung einen rechtlichen Nachteil.
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Hiergegen wendet sich der Notar mit seiner für alle Beteiligten eingelegten Beschwerde vom 21.11.2023 unter Hinweis auf sein Schreiben vom 4.9.2023 und das DNotI-Gutachten. Es liege weder eine Rechtserweiterung, noch eine Inhaltsänderung der Dienstbarkeiten vor.
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Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 27.12.2023 nicht abgeholfen. Da nur ein ganzes Grundstück herrschend sein könne, erweitere sich der Umfang der Berechtigung durch die Bestandteilszuschreibung rechtlich auch auf das aufnehmende Grundstück, auch wenn der reale Ausübungsbereich eingeschränkt werde. Dadurch habe der Eigentümer des dienenden Grundstücks einen rechtlichen Nachteil, seine Bewilligung nach § 19 GBO fehle.
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
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1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere ist sie gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrags statthaft, § 71 GBO. Die Beschwerde konnte durch den Urkundsnotar erhoben werden. Nachdem dieser gemäß § 15 Abs. 2 GBO bereits für die Beteiligten die Eintragung beantragt hatte, gilt er auch als ermächtigt, gegen die darauf ergangene Antragszurückweisung für sie Beschwerde einzulegen (Demharter GBO 33. Aufl. § 71 Rn. 74; Schöner/Stöber GBR 16. Aufl. Rn. 189; Bauer/Schaub/Sellner GBO 5. Aufl. § 71 Rn. 17).
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2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Mit den im Beschluss vom 14.11.2023 genannten Gründen kann der Eintragungsantrag nicht zurückgewiesen werden.
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a) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen ist. Ein Recht wird von der Eintragung betroffen, wenn es durch sie im Rechtssinn, nicht nur wirtschaftlich, beeinträchtigt wird oder werden kann (BGH BwNotZ 2001, 89; Demharter § 19 Rn. 49). Es muss sich allerdings um eine nachteilige Veränderung handeln, nicht jegliche rechtliche Auswirkung der Eintragung auf das in Frage stehende Recht ist ausreichend (Bauer/Schaub/Kilian § 19 Rn. 122 f.). Eine „rechtliche Beeinträchtigung“ i.S. des § 19 GBO liegt dann vor, wenn das Recht durch die bewilligte Eintragung unter Umständen eine ungünstigere Gestaltung erfahren kann (Hügel/Holzer GBO 4. Aufl. § 19 Rn. 68). Nicht jede Auswirkung auf die Buchposition ruft die Notwendigkeit einer Bewilligung hervor. Wird die Buchposition nur ausschließlich verbessert oder bleibt sie rechtlich neutral, so bedarf es keiner Bewilligung (Meikel/Böttcher GBO 12. Aufl. § 19 Rn. 43; Bauer/Schaub/Kilian § 19 Rn. 123).
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b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks nicht erforderlich. Dieser erleidet durch eine Bestandteilszuschreibung des Flst. 70/6 zu dem Flst. 70/3 keine nachteilige rechtliche Beeinträchtigung.
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aa) Die Vereinigung samt Verschmelzung mehrerer Grundstücke, von denen bisher nur eines das herrschende Grundstück aus einer Dienstbarkeit ist, ist ohne weiteres zulässig. Die Dienstbarkeit bleibt im bisherigen Umfang bestehen, d.h. sie verbleibt dem Gesamtgrundstück, jedoch unter Beschränkung der Ausübung für den Grundstücksteil, der früher herrschendes Grundstück war (Schöner/Stöber Rn. 639a). Die Vereinigung des herrschenden Grundstücks einer Grunddienstbarkeit mit einem anderen Grundstück lässt den Bestand und den Umfang der subjektiv-dinglichen Berechtigung selbst unberührt (BayObLG Rpfleger 1974, 148/150; Staudinger/Herrler BGB (2019) § 890 Rn. 33). Bei einer Vereinigung des herrschenden Grundstücks mit einem anderen Grundstück erstreckt sich die Berechtigung zwar formal auf den jeweiligen Eigentümer des neuen Gesamtgrundstücks. Die Ausübung der Berechtigung ist aber zu Gunsten des Teils des Gesamtgrundstücks beschränkt, der früher das herrschende Grundstück bildete (BayObLG NJW-RR 2003, 451; Staudinger/Herrler a.a.O.; BeckOGK/Hertel Stand: 15.4.2021 § 890 BGB Rn. 63; BeckOGK/Kazele Stand: 1.11.2023 § 1018 BGB Rn. 140; MüKoBGB/Mohr 9. Aufl. § 1018 Rn. 24). Entsprechendes gilt bei der Bestandteilszuschreibung (Schöner/Stöber Rn. 652).
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bb) Die an dem Grundstück Fl.Nr. 60 bestellten Dienstbarkeiten in Form von Geh- und Fahrtrechten erfahren somit durch die Bestandteilszuschreibung keine nachteilige Veränderung. Weder werden die Geh- und Fahrtrechte räumlich noch sonst inhaltlich verändert. Sie dürfen auch künftig nur zugunsten des Grundtücksteils ausgeübt werden, der bisher herrschendes Grundstück war. Weil die Ausübung der Berechtigung aus der Dienstbarkeit auf das früher herrschende Grundstück beschränkt bleibt, bringt die Grunddienstbarkeit dem durch die Zuschreibung entstehenden Grundstück keinen Vorteil (BayObLG NJW-RR 2003, 451/452). Umgekehrt entsteht dem dienenden Grundstück auch kein Nachteil. Zutreffend ist zwar die Feststellung des Grundbuchamtes, dass künftig das gesamte Grundstück Fl.Nr. 70/3 das herrschende Grundstück darstellt, aufgrund der Ausübungsbeschränkung liegt aber keine nachteilige rechtliche Beeinträchtigung für den Eigentümer des dienenden Grundstücks vor.
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3. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt, weil die Beteiligten diese als Beschwerdeführer zunächst gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen zu tragen haben und ihre diesbezügliche Haftung aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG ebenfalls von Gesetzes wegen erloschen ist. Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.