Titel:
Anforderungen an den titelersetzenden Vollstreckungsauftrag bei elektronischer Übersendung
Normenkette:
JBeitrG § 7
Leitsatz:
Materielle Voraussetzung für einen den Titel ersetzenden Vollstreckungsauftrag ist bei elektronischer Übersendung das Vorliegen einer qualifizierten elektronischen Signatur. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollstreckungsauftrag, Justizbeitreibungsgesetz, Anforderungen, qualifizierte elektronische Signatur
Vorinstanz:
AG Traunstein, Beschluss vom 20.07.2022 – 42 M 914/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9950
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Traunstein vom 20.07.2022 wird zurückgewiesen.
2. Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Der Gläubiger erteilte mit Schreiben vom 20.04.2022 dem zuständigen Obergerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag nach den Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes wegen eines Anspruchs gegenüber dem Schuldner in Höhe von 516,50 €. Der Obergerichtsvollzieher wurde beauftragt, eine gütliche Erledigung der Sache zu versuchen, eine Vermögensauskunft des Schuldners einzuholen; ggf. wurde der Erlass eines Haftbefehls beantragt. Der Vollstreckungsauftrag bezeichnete den Namen der Rechtspflegerin. Die elektronische Übersendung enthielt als Absender die Staatsanwaltschaft Traunstein. Eine qualifizierte Signatur lag nicht vor. Der Obergerichtsvollzieher wies mit Schreiben vom 22.04.2022 darauf hin, dass der Antrag nicht den Anforderungen des § 130b ZPO entspreche, da er nicht ordnungsgemäß signiert worden sei. Es fehle an einer qualifizierten elektronischen Signatur. Der Gläubiger wandte mit Schreiben vom 26.04. und 12.05.2022 ein, dass die elektronische Übersendung im Wege des Dokumentenversandes in web.sta einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a Abs. 4 Nr. 3 ZPO darstelle und damit gemäß § 130 a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO eine einfache Signatur, also die bloße Eingabe des Namens unterhalb des Textes im Dokument genüge. Seitens der Staatsanwaltschaft könne derzeit noch keine qualifizierte Signatur erstellt werden.
2
Mit Schreiben vom 17.06.2022 lehnte der Obergerichtsvollzieher die beantragte Amtshandlung ab. Hiergegen erhob der Gläubiger mit Schreiben vom 24.06.2022 Erinnerung. Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO genüge eine einfache Signatur. Der Obergerichtsvollzieher half der Erinnerung mit Schreiben vom 15.07.2022, ergänzend begründet mit Schreiben vom 20.07.2022, nicht ab. Es handle sich bei einem Auftrag nach § 7 JBeitrG auf Abgabe der Vermögensauskunft nicht nur um einen einfachen Antrag, sondern um einen sogenannten Titelersatz, über dessen Echtheit keine Zweifel bestehen dürften. Das von dem Gläubiger genannte JMS vom 11.02.2022 stelle keine ausdrückliche Regelung oder Anweisung dar, da es klar zum Ausdruck bringe, dass im Zweifelsfall die Gerichte hierüber zu entscheiden haben. Verwiesen wurde auf die Entscheidung des BGH vom 30.03.2022, Az. XII ZB 311/21. Das Amtsgericht Traunstein wies die Erinnerung des Gläubigers mit Schreiben vom 20.07.2022 zurück. Hiergegen legte der Gläubiger mit Schreiben vom 26.07.2022 sofortige Beschwerde ein, der das Amtsgericht Traunstein mit Beschluss vom 28.07.2022 nicht abhalf.
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1. Die zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Traunstein vom 20.07.2022 ist nicht begründet, da der zuständige Obergerichtsvollzieher den Vollstreckungsauftrag des Gläubigers mangels qualifizierter elektronischer Signatur zutreffend abgelehnt hat.
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Die elektronische Übersendung des Vollstreckungsauftrages erfolgte über web.sta und somit über einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 Nr. 3 ZPO. Die Übermittlung des Antrags erfolgte damit formell ordnungsgemäß im Sinne von § 130d Satz 1 ZPO.
5
Nach Ansicht der Kammer wendet der zuständige Obergerichtsvollzieher aber zutreffend ein, dass für den vorliegenden Vollstreckungsauftrag, der auf die Abnahme der Vermögensauskunft gerichtet ist, § 7 JBeitrG gilt und damit der Antrag an den Gerichtsvollzieher gemäß § 7 Satz 2 JBeitrG den vollstreckbaren Schuldtitel ersetzt. Der Vollstreckungsauftrag hat damit eine Doppelfunktion, indem er zugleich den Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme und den hierfür erforderlichen Vollstreckungstitel beinhaltet.
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Der Bundesgerichtshof hat derartige titelersetzende Vollstreckungsaufträge über das formelle Schriftformerfordernis hinaus einem materiellen Schriftformerfordernis unterworfen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2014, Az. I ZB 27/14). Der Bundesgerichtshof führt in der zitierten Entscheidung aus, dass ein unterschriebener und mit Dienstsiegel versehener Vollstreckungsauftrag erforderlich ist, wenn der Antrag die alleinige Voraussetzung für die Anordnung von staatlichem Zwang bis hin zu einer Freiheitsentziehung und damit die einzige Urkunde ist, die der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht erhalten. Demnach sind Vollstreckungsaufträge nicht nur „einfach-schriftlich“ zu stellen, sondern sie müssen schriftlich erteilt werden und eine Unterschrift sowie das Dienstsiegel tragen.
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Materielle Voraussetzung für einen den Titel ersetzenden Vollstreckungsauftrag ist bei elektronischer Übersendung das Vorliegen einer qualifizierten elektronischen Signatur, da die der Originalunterschrift gleichwertige elektronische Form nach Auffassung der Kammer nur durch hierdurch gewahrt werden kann. Auch in Fällen der elektronischen Übermittlung von titelersetzenden Vollstreckungsaufträgen muss der Antrag angesichts des erheblichen Grundrechtseingriffs weiterhin jedenfalls einer konkreten und identifizierbaren Person in der Behörde zugeordnet werden können (vgl. LG Bonn, Beschluss vom 30.01.2023, Az. 4 T 13/23, DGVZ 2023, 81). Die Einhaltung des § 130a ZPO macht die darüber hinaus geltenden Formerfordernisse des materiellen Rechts für titelersetzende Vollstreckungsaufträge nicht entbehrlich, da § 130a ZPO nur das Schriftformerfordernis ersetzt, nicht aber die weitergehenden Voraussetzungen für einen wirksamen titelersetzenden Vollstreckungsauftrag (vgl. LG Bonn, a.a.O., LG Essen, Beschluss vom 17.10.2022, Az. 7 T 272/2231, BeckRS 2022, 33955, LG Limburg, Beschluss vom 26.10.2022, Az. 7 T 124/22, BeckRS 2022, 30138, AG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2022, Az. 666 M 1788/22, BeckRS 2022, 41045).
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Ausweislich des Prüfungsvermerks vom 20.04.2022, der der Übersendung des Vollstreckungsauftrages zugrunde liegt, wird als Absender die Staatsanwaltschaft Traunstein geführt und damit keine individuell bezeichnete Person. Der Vollstreckungsauftrag kann damit zwar der Staatsanwaltschaft Traunstein rechtssicher zugeordnet werden. Eine spezifische Personenzuordnung ist durch die Übermittlung über web.sta aber nicht gewährleistet. Es ist – ohne qualifizierte elektronische Signatur – nicht sichergestellt, dass die Person, die als Urheber des Vollstreckungsauftrages bezeichnet wird, das Dokument tatsächlich bereits unterzeichnet und für seinen Inhalt Verantwortung übernommen und dieses wissentlich und willentlich versandt hat. Es ist auch nicht auszuschließen, dass es sich bei dem übermittelten Dokument um einen unautorisierten Entwurf handelt und dieser nicht mit Wissen und Wollen des Verantwortenden dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2022, Az. XII ZB 311/21, NJW 2022, 2415). Zur Schaffung hinreichenden Vertrauens muss eine überprüfbare Übernahme der Verantwortung durch eine identifizierbare Einzelperson gegeben sein (vgl. LG Essen, a.a.O.).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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3. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.