Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 21.03.2023 – Au 8 K 21.1678
Titel:

Erfolgloser PKH-Antrag für Klage gegen Haltungsverbot für bestimmte Hundearten

Normenkette:
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer sicherheitsrechtlichen Anordnung ist der Zeitpunkt der Gefahrenprognose (Anschluss an VG Würzburg BeckRS 2013, 52858). (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen die nicht ausbruchssicher untergebracht sind geht in der Regel eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter aus (Anschluss an VGH München BeckRS 2018, 30636). (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine umfassende Untersagung der Haltung von Hunden ist bei gravierenden Eignungsmängeln des Hundehalters gerechtfertigt (Anschluss an VG Bayreuth BeckRS 2019, 45633). (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewährung von Prozesskostenhilfe, Hundehaltungsverbot für Kampfhunde und sog. große Hunde, Haltungsuntersagung, Hund, Kampfhund, entscheidungserheblicher Zeitpunkt, Gefahrenprognose, Eignungsmangel des Halters
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9948

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen eine sicherheitsrechtliche Anordnung eines Haltungsverbotes für große Hunde mit über 40 cm Schulterhöhe sowie sog. Kampfhunde.
2
Nach Angaben der Beklagten hat der Kläger keinen festen Wohnsitz, keinen Beruf und war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides Halter des Hundes „M.“, bei dem es sich wohl um einen schwarzen Hütehundmischling mit einer Schulterhöhe von 56 cm handelt.
3
Die Beklagte wurde seitens der zuständigen Polizeiinspektion mit Schreiben vom 1. Juni 2021 unter anderem über nachfolgende Vorgänge informiert:
4
- Vom 15. Januar bis mindestens Juni 2021 Einleitung eines Verfahrens wegen einer Ordnungswidrigkeit nach der Hundesteuersatzung der Beklagten aufgrund fehlender steuerlicher Erfassung des Hundes „M.“ trotz Aufforderung.
5
- Vorfall am 15. Januar, bei dem ein Geschädigter sich meldete, wonach eine männliche Person mit schwarzem Hund ihn beleidigt und bedroht habe. Im Zuge der Fahndung wurde der Kläger ermittelt, welcher eine AAK von 1,06 mg/l aufwies und sich verbal aggressiv zeigte.
6
- Am 4. Februar 2020 beobachtete eine Zeugin wie der Kläger seinem unangeleinten Hund mehrfach Tritte versetzte. In Folge ließ sich der Hund zunächst nicht mehr Anleinen. Bei Ansprache hierauf trat der Kläger verbal aggressiv auf und zeigte sich erheblich alkoholisiert. Ein Atemalkoholtest verweigerte er. Im Hinblick auf die Tritte äußerte er sich dahingehend, dass diese das Kommando „Bei Fuß“ bedeuteten.
7
- Am 13. März 2020 beleidigte der Kläger den anwesenden Ordnungsdienst. Sein unangeleinter Hund zeigte sich während des Vorfalls aggressiv gegenüber Letzterem in Form von Anbellen, Anknurren sowie Distanzverringerung. Der Kläger leinte seinen Hund erst nach Androhung eines Einsatzes mit Reizstoffsprühgerät an. Im Hinblick auf die erfolgte Beleidigung erging eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
8
- Am 18. März 2020 verhinderte der Hund des Klägers Erste-Hilfe-Maßnahmen zugunsten seines Halters, welcher bewusstlos auf dem Boden lag.
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- Am 14. April 2020 beleidigte der Kläger den anwesenden Ordnungsdienst, wobei der Hund des Klägers den Mitarbeiter des Ordnungsdienstes hierbei ansprang.
10
- Am 21. Juni 2020 verhinderte der nicht angeleinte Hund des Klägers Erste-Hilfe-Maßnahmen zu dessen Gunsten. Der Kläger wurde wegen Trunkenheit schlafend oder bewusstlos aufgefunden.
11
- Drei Monate später am 4. September 2020 näherte sich eine Polizeistreife dem auf dem Boden schlafenden Kläger. Der Hund des Klägers stellte sich bellend zwischen diesen und die Streife. Zu diesem Zeitpunkt war eine Leine am Halsband des Hundes befestigt, welche jedoch nicht gesichert war.
12
- Am 14. September 2020 wollte ein Geschädigter das Wohlergehen des Klägers überprüfen, als dieser regungslos auf dem Boden lag. Es kam zum Streit, in welchem der Hund des Klägers den Geschädigten in das Gesäß bzw. in den hinteren Oberschenkel biss. Eine Verletzung entstand nicht, Strafantrag wurde nicht gestellt, jedoch erlitt der Geschädigte Schmerzen.
13
- Am 16. September 2020 lag der Kläger stark alkoholisiert auf der Straße. Der unangeleinte Hund des Klägers verhinderte ein Herantreten durch den Rettungsdienst. Bei jeglicher Annäherung durch Einsatzkräfte reagierte der Hund aggressiv. Aufgrund der massiven Alkoholisierung des Klägers konnte dieser die Versorgung des Tieres nicht mehr gewährleisten, weshalb der Hund an einen Bekannten des Klägers übergeben werden musste.
14
- Auch am 22. Oktober 2020 musste der Hund aufgrund massiver Alkoholisierung des Klägers anderweitig untergebracht werden. Der Hund wurde durch die Berufsfeuerwehr ins Tierheim verbracht und der Kläger wurde in polizeilichen Gewahrsam genommen, da dieser weder für sich selbst noch für seinen Hund mehr Sorge tragen konnte. Zuvor kam es durch den nicht angeleinten Hund des Klägers zu unerwünschten Kontakten zwischen dem Hund und Passanten.
15
- Am 7. November 2020 fanden Beamte den Kläger auf dem Boden liegend. Der Hund des Klägers bellte lautstark und stellte sich zwischen diesen und die Beamten. Erst auf laute Ansprache hin, erwachte der Kläger, welcher augenscheinlich unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand.
16
- Am 11. November 2020 wurde der Hund des Klägers ohne Leine und Aufsicht auf einem stark frequentierten Platz aufgefunden. Beim Zugehen einer Polizeibeamtin auf eine bewusstlose Person rannte der Hund des Klägers gezielt und mit hoher Geschwindigkeit auf diese zu. Beim Ausweichen fiel die Beamtin zu Boden und zog sich eine Verletzung zu. Der Hund hielt vor der Beamtin an, bellte und fletschte die Zähne. Erst nach Androhung von Schusswaffengebrauch wurde der Hund gesichert.
17
- Am 26. April 2021 wurde der Kläger sichtlich betrunken aufgefunden, wobei festgestellt wurde, dass dieser sich zunächst nicht selbst fortbewegen konnte. Der Kläger war ansprechbar, aber äußert aggressiv und konnte nach einer Weile dem ausgesprochenen Platzverweis nachkommen.
18
- Am 27. April 2021 wurde der Kläger erneut nicht ansprechbar aufgefunden. Im Zuge des Einsatzes biss der Hund des Klägers den anwesenden Hundeführer der Polizei zweimal massiv in die Hand und einmal ins Knie. Der Kläger musste zur Entgiftung ins zuständige Universitätsklinikum verbracht werden, weshalb sein Hund ins Tierheim verbracht werden musste. Aufgrund des Verhaltens des Hundes war ein Anlegen eines Maulkorbes nicht möglich.
19
- Am 29. April 2021 besuchte die Amtsveterinärin der Stadt den Kläger. Diese stellte fest, dass sich der Hund trotz der Haltungsbedingungen in einem guten Pflege- und Ernährungszustand befand, aufgrund der Alkoholisierung des Klägers konnte dieser jedoch keine Fragen zur Fütterung und tiermedizinischen Versorgung beantworten. Die Amtsveterinärin belehrte den Kläger zum aggressiven Verhalten seines Hundes und den Rauschmittelkonsum des Klägers im Hinblick auf seine Eignung als Hundehalter. Der Kläger teilte mit, dass er erwarte, dass ihn sein Hund beschütze und verließ das Gespräch vorzeitig.
20
- Am 4. Mai 2021 wurde der Kläger erneut bewusstlos aufgefunden. Annäherungsversuche waren aufgrund des aggressiven Verhaltens des Hundes nicht möglich. Nach Wiedererlangen des Bewusstseins waren beim Kläger massive Gleichgewichtsstörungen zu beobachten. Unbemerkt seitens des Klägers versuchte der Hund aus dem locker sitzenden Halsband zu schlüpfen. Der „Ausbruchsversuch“ wurde lediglich vereitelt, da der Kläger zu Gleichgewichtszwecken einen Ausfallschritt in die entgegengesetzte Richtung tätigte. Der Kläger äußerte sich dahingehend, dass sein Hund alles richtig mache und er erwarte, dass dieser ihn beschütze.
21
- Am 4. Mai 2021, wenige Stunden später, wurde der Kläger im Dämmerzustand aufgefunden. Der Hund des Klägers verhinderte das Herantreten der Einsatzkräfte, indem er bellend auf diese zuging und den Versuch startete zu zwicken. Auch der Kläger selbst zeigte sich aggressiv.
22
- Am 15. Mai 2021 schlug der Kläger seinen Hund in der Öffentlichkeit – nach Zeugenaussagen mindestens sechs Mal – mit der geschlossenen Faust auf Rücken, Kopf und Gesicht des Tieres. Zudem wurden mindestens sechs Tritte mit dem beschuhten Fuß des Klägers in den Bauch des Tieres beobachtet. Der Kläger hielt dabei den Hund an kurzer Leine in seinem Einwirkungsbereich, während er das Tier mit den Worten „du bringst mich auf die Substanz“ sowie „du nervst mich so“ anschrie. Das Tier jaulte bei jeder Misshandlung auf, versuchte sich wegzuducken und zog seine Rute tief unter seinen Körper.
23
Am 3. Juli 2021 wurde der Kläger mindestens aufgrund von Alkoholkonsum erneut zweimal auf dem Gehweg liegend angetroffen. Es bestanden Schwierigkeiten den Kläger zu wecken bzw. nach dessen Erwachen, musste dieser mangels Steh- und Gehfähigkeit in Schutzgewahrsam genommen und in eine Arrestanstalt verbracht werden, weshalb sein Hund durch die Berufsfeuerwehr A. in ein Tierheim verbracht werden musste. Dort verblieb der Hund bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides. Mit Schreiben vom 5. Juli 2021 wurde der Kläger zu den Anordnungen des streitgegenständlichen Bescheides angehört. Das Schreiben wurde ihm am selben Tag persönlich ausgehändigt, mit Frist zur Äußerung bis zum 6. Juli 2021. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids am 7. Juli 2021 äußerte sich der Kläger hierauf nicht.
24
Mit Bescheid vom 7. Juli 2021 ordnete die Beklagte eine unbefristete Untersagung der Haltung von Hunden mit einer Schulterhöhe von über 40 cm (sog. große Hunde) und Hunde, die in § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit aufgeführt sind (sog. Kampfhunde) an (Ziffer 1.1). Der Kläger habe bis spätestens zwei Wochen ab Bekanntgabe des Bescheids Hunde in den genannten Kategorien abzugeben (Ziffer 1.2). Für die Abgabe gehaltener Hunde habe der Kläger einen Nachweis vorzulegen (Ziffer 1.3), wobei der Sofortvollzug hinsichtlich Ziffern 1.1 bis 1.3 angeordnet wurde (Ziffer 2). Für das Zuwiderhandeln gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1.1 und Ziffer 1.2 wurde unmittelbarer Zwang angedroht (Ziffer 3.1). Im Falle einer Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1.3 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR angedroht. Aus Ziffer 4 des Bescheides ergibt sich die Kostenentscheidung.
25
Der Bescheid stütze sich auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG. Es sei zu erwarten, dass der Kläger auch in Zukunft durch die Haltung von sog. großen Hunden sowie sog. Kampfhunden rechtswidrige Taten begehen werde. Die ermittelten Vorgänge, welche im Zusammenhang mit der Haltung seines Hundes gestanden seien, hätten bereits objektiv Straftaten sowie Ordnungswidrigkeiten erfüllt. Es bestehe diesbezüglich die konkrete Gefahr einer Wiederholung. Mangels Stellungnahme des Klägers zum Anhörungsschreiben der Beklagten habe dieser die Bedenken nicht ausräumen können. Das gesamte Verhalten des Klägers zeige die begründete Gefahr, dass dieser mindestens überwiegend nicht in der Lage sei, große Hunde sowie sog. Kampfhunde so zu halten, dass von diesen keine Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen ausgehe. Die Untersagung sei geeignet, angemessen und verhältnismäßig. Mildere Mittel – wie die Anordnung einer Leinen- oder Maulkorbpflicht – seien kein gleich effektives Mittel, da durch das bisherige Verhalten des Klägers zu befürchten sei, dass er einer derartigen Anordnung keine Folge leisten werde. Insbesondere betreffe die Untersagung lediglich solche Hunde, die aufgrund ihrer Körpergröße oder ihres Wesens bei nicht ordnungsgemäßer Haltung eine erhöhte Gefahr darstellen könnten. Die Anordnungen in Ziffer 1.2 und Ziffer 1.3 des Bescheides seien für das Umsetzen der Ziffer 1.1 notwendig und verhältnismäßig gewesen. Im Falle der Androhung von unmittelbarem Zwang bei Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1.1 und 1.2 des Bescheids sei als milderes Mittel eine Zwangsgeldandrohung (Art. 31, 36 VwZVG) mangels Wohnung und Beruf des Klägers nicht in Betracht gekommen, um die Gefahren zu beseitigen. Im Hinblick auf die Androhung eines Zwangsgelds in Bezug auf Ziffer 1.3 des Bescheides habe man sich bei der Höhe des Zwangsgeldes am wirtschaftlichen Interesse des Klägers orientiert, Art. 31 Abs. 2 S. 2 VwZVG.
26
Am 9. August 2021 vereinbarte der Kläger mit seiner Mutter einen „Übereignungsvertrag“ über den von ihm bislang gehaltenen Hund „M.“. Im Vertrag erklärte der Kläger, dass er den Hund an seine Mutter veräußert, wohingegen sich die Mutter des Klägers verpflichtet, diesen nicht mehr herauszugeben, solange das Hundehaltungs- und Betreuungsverbot der Beklagten mit Bescheid vom 19. Juli 2021 rechtswirksam besteht. Dieser Bescheid war Gegenstand des Klageverfahrens Au 1 K 21.1679.
27
Gegen den streitgegenständlichen Bescheid ließ der Kläger am 9. August 2021 fristgerecht Klage erheben.
28
Zur Begründung ist vorgetragen, dass die behaupteten Misshandlungen gegen den Hund nicht erfolgt seien. Die Amtstierärztin habe einen guten Allgemeinzustand des Hundes bescheinigt. Darüber hinaus sei die Begründung für den Bescheid fehlerhaft.
29
Der Kläger lässt beantragen,
30
den Bescheid der Stadt A. vom 7. Juli 2021 aufzuheben.
31
Die Beklagte vertieft ihr Vorbringen im Bescheid und beantragt,
32
die Klage abzuweisen.
33
Eine zwischenzeitliche Abgabe des Hundes und Vorlage eines Nachweises ändere hieran nichts.
34
Für das Klageverfahren ist unter Vorlage der notwendigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.
35
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren Au 1 K 21.1679, und der beigezogenen Behördenakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
36
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da es an den hinreichenden Erfolgsaussichten für die Klage fehlt.
37
1. Gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976).
38
Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Happ in Eyermann, § 166 VwGO Rn. 38).
39
2. Die Klage bleibt voraussichtlich erfolglos.
40
Die im angefochtenen Bescheid verfügte Haltungsuntersagung für sogenannte große Hunde sowie Kampfhunde (Ziffer 1.1), die Abgabeverpflichtung (Ziffer 1.2) sowie der Nachweis hierüber (Ziffer 1.3) sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die genannten Anordnungen sind Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG.
41
a) Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Hundehaltungsverbots bestehen voraussichtlich nicht. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde der Kläger mit Schreiben vom 5. Juli 2021 angehört, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG, jedenfalls wäre durch die Anhörung des Klägers im gerichtlichen Verfahren diese nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt.
42
b) Das Hundehaltungsverbot ist voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.
43
Rechtsgrundlage für die Untersagung ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG.
44
aa) Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG kann die Sicherheitsbehörde für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden. Hierfür genügt die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes (vgl. Holzner in BeckOK PolR Bayern, Stand 15.1.2023, Art. 7 LStVG Rn. 29). Aufgrund des Sinn und Zwecks der Vorschrift ist jedoch über das Vorliegen der objektiven Tatbestandsverwirklichung hinaus das Bestehen einer konkreten Gefahr notwendig (vgl. Holzner in BeckOK PolR Bayern, Art. 7 LStVG Rn. 33).
45
Die an die Beklagte übermittelten polizeilichen Vorfälle in Bezug auf den Kläger und seinen Hund „M.“ zeigen bei summarischer Prüfung die vollendete Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit in Bezug auf die fehlende Entrichtung der Hundesteuer sowie die objektive Erfüllung des Straftatbestandes zumindest der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB (Vorfälle am 14.09/11.11.2020, sogar Verwirklichung des objektiven Tatbestandes von § 223 StGB am 27.4.2021). Der Kläger muss sich als Besitzer und Halter seines Hundes dessen Handlungen zurechnen lassen. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO analog auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
46
bb) Darüber hinaus kann die Sicherheitsbehörde nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG durch Anordnungen Gefahren abwehren oder Störungen beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerten, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen. Eine Bedrohung ist bereits dann gegeben, sofern eine konkrete Gefahr angenommen werden kann (vgl. Holzner in BeckOK PolR Bayern, Art. 7 LStVG Rn. 46).
47
Unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes ist die von der Beklagten getroffene Gefahrenprognose gerichtlich voraussichtlich nicht zu beanstanden.
48
Grundsätzlich ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung einer Anfechtungsklage der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 113 Rn. 56). Auf diesen Zeitpunkt kommt es auch im Falle einer sicherheitsrechtlichen Anordnung an (Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand 43. EL August 2022, § 113 Rn. 265). Für eine solche Anordnung kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der Gefahrenprognose an (VG Würzburg, B. v. 24.6.2013 – W 5 S 13.456 – juris Rn. 13). Relevant ist daher der Kenntnisstand der betreffenden Sicherheitsbehörde zum Zeitpunkt des Treffens der Gefahrenprognose, weshalb auch im Nachhinein aufkommende Zweifel an der Maßnahme nicht zu einer Rechtswidrigkeit der getroffenen Anordnung führen (VG Würzburg, B. v. 24.6.2013 – W 5 S 13.456 – juris Rn. 13). Es ist damit die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids getroffene Gefahrenprognose zu überprüfen. Unabhängig davon hat das Gericht keine Anhaltspunkte, dass sich Änderungen ergeben haben bzw. wurde dem Gericht hierzu nichts vorgetragen.
49
Auch Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG dürfte nach summarischer Prüfung vorliegend erfüllt sein. Es ist zum einen bereits davon auszugehen, dass von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen oder durch eine nicht ausbruchsichere Unterbringung dieser Hunde in der Regel eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgeht (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2018 – 10 CS 18.1780 – juris Rn. 10; B.v. 11.2.2015 – 10 ZB 14.2299 – juris Rn. 5; U.v. 9.11.2010 – 10 BV 06.3053 – juris Rn. 25; U.v. 15.3.2005 – 24 BV 04.2755 – juris).
50
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Erlass des Bescheids obdachlos und lebte mit seinem Hund auf der Straße. Ausweislich der polizeilichen Vermerke hielt er sich im belebten Innenstadtbereich auf. Vielfach wurde der Hund des Klägers auch unangeleint bzw. mit nicht ausreichender Sicherung vorgefunden (Vorfälle am 4.2/13.3./21.6./4.9./16.9./22.10./ 11.11.2020/4.5.2021).
51
Es sind keine relevanten Zweifel erkennbar, dass die Haltung des großen Hundes „M.“ durch den Kläger zu Gefahren, mindestens aber zu Störungen, in Bezug auf die Gesundheit von Menschen geführt hat. Die an die Beklagte übermittelten polizeilichen Vermerke zu zahlreichen Vorfällen beginnend mit Januar 2020 bis zur Verbringung des Hundes in ein Tierheim aufgrund des Vorfalls vom 3. Juli 2021 zeigen die Gefahren, welche die Haltung des Tieres durch den Kläger als Halter mit sich bringen. Mehrfach wurde der Kläger dabei unter massivem Alkoholeinfluss vorgefunden, weshalb er aufgrund von Schlaf oder Bewusstlosigkeit sich nicht ausreichend um die Sicherung seines Hundes kümmern konnte. Insbesondere entstanden so Gefahren für Einsatzkräfte oder Passanten, welche dem Kläger aufgrund seiner Bewusstlosigkeit zu Hilfe kommen wollten. Mehrfach erschwerte der Hund Erst-Hilfe-Maßnahmen zu Gunsten seines Halters und stellte damit eine Gefahr für die Hilfeleistenden dar.
52
Auch in dem Fall, als eine Anleinung des Hundes durch den Kläger erfolgt war, bestand die Gefahr, dass – unbemerkt seitens des Klägers – ein Ausbruchsversuch des Hundes möglich erschien (Vorfall am 4.5.2021).
53
Das beschriebene Verhalten des Klägers im Rahmen der genannten Vorfälle zeigt, dass weitere konkrete Gefahren auch im Falle eines neuen, großen Hundes bestehen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass nach Aussage des Klägers sein Hund dafür da sei, um ihn zu beschützen (Aussage vom 29.4.2021 gegenüber der Veterinärärztin der Beklagten), welches die Billigung des Klägers in Bezug auf das bisherige Verhalten seines Hundes bzw. Hunde im Allgemeinen zeigt. Im Gespräch mit der Veterinärärztin wurde der Kläger auf seine Eignung hin als Hundehalter im Hinblick auf seinen Rauschmittelkonsum belehrt. Hierbei verließ der Kläger das Gespräch vorzeitig, welches seine Unbelehrbarkeit im Hinblick auf die hierdurch entstehenden Gefahren und Folgen zeigt. Auch in den folgenden Monaten – bis zum Verbringen des Hundes in ein Tierheim – wurde der Kläger dennoch mit massivem Alkoholkonsum (Vorfälle am 4.5./3.7.2021) vorgefunden. Darüber hinaus zeigte sich der Kläger von seinem Verhalten her selbst in vielen Fällen aggressiv.
54
Davon ausgehend ist die von der Beklagten vorgenommene Gefahrenprognose, dass es bei der vorliegenden Halter-Hund-Konstellation mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit von Menschen kommen wird, gerichtlich nicht zu beanstanden.
55
c) Zweifel an einer angemessenen Ermessensausübung im Hinblick auf die im Bescheid getroffenen Anordnungen bestehen angesichts der Gesamtumstände des Einzelfalls nicht, die getroffenen Anordnungen wahren den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 Abs. 1 LStVG). Ein Hundehaltungsverbot nach dieser Regelung setzt voraus, dass der Halter nicht für die Haltung von sogenannten großen Hunden sowie Kampfhunden geeignet ist. Der Einschätzung der Beklagten, dass dies bei dem Kläger der Fall ist, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
56
aa) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, davon aus, dass mit Blick auf die hohe Eingriffsintensität insbesondere auch in das Grundrecht aus Art. 14 GG die umfassende Untersagung der Hundehaltung für den Betroffenen die einschneidendste denkbare Maßnahme zur Verhütung und Unterbindung einer von einer Hundehaltung ausgehenden Gefahr und daher in der Regel nur dann verhältnismäßig i.S.d. Art. 8 Abs. 1 LStVG ist, wenn sich der Hundehalter dauerhaft und hartnäckig weigert, einer bestehenden sicherheitsbehördlichen Anordnung nachzukommen (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2021 – 10 CS 21.2097 – juris Rn. 19; B.v. 12.3.2018 – 10 ZB 18.103 – juris Rn. 8; B.v. 6.3.2015 – 10 ZB 14.2166 – juris Rn. 8; B.v. 26.2.2014 – 10 ZB 13.2476 – juris Rn. 4.; für ein Pferdehaltungsverbot: B.v. 21.3.2014 – 10 ZB 12.740 – juris Rn. 11 m.w.N.). Vor Erlass einer solchen Haltungsuntersagung muss die Behörde deshalb grundsätzlich zunächst erfolglos Zwangsmittel zur Durchsetzung von Anordnungen zur Haltung von Hunden eingesetzt haben. Nur in Einzelfällen kann ausnahmsweise die Haltungsuntersagung als allein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr in Betracht kommen. Dies ist jedoch bei einer umfassenden Haltungsuntersagung nur dann der Fall, wenn von vornherein feststeht, dass der Halter nicht geeignet für die Haltung von Hunden ist. In einem solchen Fall ist jedoch im Bescheid genau zu begründen, weshalb die Haltungsuntersagung die einzig sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahme ist und weshalb weniger einschneidende Maßnahmen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht ausreichen (BayVGH, B.v. 6.3.2015 – 10 ZB 14.2166 – juris Rn. 8; B.v. 29.9.2011 – 10 ZB 10.2160 u.a. – juris Rn. 13). Ebenso ist genau zu prüfen, ob es ausreicht, nur die Haltung des auffällig gewordenen Hundes zu untersagen, ob die Untersagung der Haltung von Hunden bestimmter Rassen oder einer bestimmten Größe erforderlich, aber auch ausreichend ist, oder ob die Gefahrenlage eine generelle Untersagung der Hundehaltung erforderlich macht (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2018 – 10 ZB 18.103 – juris Rn. 8 ff.). Die umfassende Haltungsuntersagung ist auch gerechtfertigt bei gravierenden Eignungsmängeln des Hundehalters (VG Bayreuth, U. v. 8.10.2019 – B 1 K 19.879 – juris Rn. 18).
57
bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten angeordnete Haltungsuntersagung im Hinblick auf das ausgeübte Ermessen gerichtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger bietet nicht die nötige Gewähr für eine verantwortungsbewusste Haltung und Vorgehensweise im Umgang mit Hunden. Dies ergibt sich bereits aus den oben ausgeführten Vorfällen. Die aufgeführten Vorfälle haben deutlich gezeigt, dass es dem Kläger nicht möglich ist, einen Hund ohne Gefahren für Andere zu halten. Die Vorfälle haben zum einen ein Aggressionspotential des Klägers selbst gezeigt. Zum anderen ist er wegen der durch den Rauschmittelkonsum verursachten Zustände der Bewusstlosigkeit in der Öffentlichkeit ungeeignet, Halter eines sog. großen Hundes bzw. sog. Kampfhunde zu sein. Mildere Mittel, die geeignet wären, die Gefahr abzuwehren, wurden von Seiten der Beklagten in Form einer Anordnung eines Leinen- bzw. Maulkorbzwanges nach Art. 18 Abs. 2 LStVG in ihren Erwägungen berücksichtigt. Aufgrund des bislang gezeigten Verhaltens des Klägers war jedoch nachvollziehbar nicht anzunehmen, dass er einer solchen Anordnung Folge leisten wird. Die Beklagte sah eine solche Anordnung im Hinblick auf die Verhütung von Gefahren nicht als gleich geeignet an. Insbesondere im Hinblick auf den Aufenthalt des Klägers in der belebten Öffentlichkeit in Kombination mit den durch den Alkoholkonsum verursachten Zuständen handelt es sich hierbei um kein gleich geeignetes Mittel, um die durch einen großen Hund ausgehende Gefahr zu beseitigen. Es besteht erkennbar gerade keine Gewähr dafür, dass der Kläger einer solchen Anordnung Folge leisten würde. Der Kläger reagierte auf Anordnungen von Einsatzkräften oftmals aggressiv. Darüber hinaus hat die Beklagte in Ausübung ihres Ermessens die Anordnung auf sog. große Hunde bzw. sog. Kampfhunde beschränkt, da von diesen aufgrund ihrer relevanten Größe oder ihres Charakters Gefahren ausgehen können. Dies zeigt sich insbesondere in der für sog. Kampfhunde nach Art. 37 Abs. 2 S. 1 LStVG bestehenden Erlaubnispflicht, welche lediglich im Falle eines berechtigten Interesses erteilt wird.
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3. Nach summarischer Prüfung sind auch die Regelungen in Ziffer 1.2 und Ziffer 1.3 des Bescheids rechtmäßig. Die Behörde kann auch die Vorlage eines Nachweises der Abgabe fordern (vgl. Schwabenbauer in BeckOK PolR Bayern, Stand 15.1.2023, Art. 18 LStVG Rn. 189). Die Fristen betreffend die Anordnungen erscheinen angemessen.
59
4. Sowohl die Androhung von unmittelbarem Zwang i.S.v. Art. 34 VwZVG als auch die Androhung von Zwangsgeld i.S.v. Art. 31 VwZVG sind nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Das Verwaltungsgericht hat innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Beklagte hat diesbezüglich ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids in hinreichender Weise von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht.
60
5. Aufgrund der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Anordnungen, fehlt es an den Erfolgsaussichten der Klage, weshalb der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war.