Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.01.2023 – 24 ZB 22.2059
Titel:

Anforderungen an Berufungszulassung

Normenketten:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 124a Abs. 4, Abs. 5 S. 2
Leitsätze:
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erst dann in Frage gestellt, wenn Gründe dafür aufgezeigt werden, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Überzeugungsbildung fehlerhaft ist, etwa weil das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich von einem unzutreffenden bzw. auch unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist; letzteres ist insbesondere bei einer Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, gegebenenfalls heranzuziehenden gesetzlichen Beweisregeln oder sachwidriger Beweiswürdigung anzunehmen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Aufklärungsrüge setzt regelmäßig die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, weshalb sich die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen oder womit insbesondere in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärungsmaßnahme hingewirkt worden ist. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung, Zulassung, ernstliche Zweifel, Aufklärungsrüge, Hinweispflicht, Beweiswürdigung, Überzeugungsbildung, rechtliches Gehör
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 04.05.2022 – M 7 K 20.5750
Fundstelle:
BeckRS 2023, 991

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 27.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich u.a. gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten.
2
Laut Mitteilung der zuständigen Polizeiinspektion an das Landratsamt vom 31. Juli 2019 seien am 26. Juli 2019 Einsatzkräfte der Polizeiinspektion und der Freiwilligen Feuerwehr zu einem Einsatz an der Wohnadresse des Klägers gerufen worden. In einer dortigen Wohnung sei es zu starker Rauchentwicklung gekommen, da der Kläger in seinem Badezimmer einen handelsüblichen Holzkohlegrill entzündet habe. Bei Betreten der Wohnung habe eine Vielzahl an unbrauchbar gemachten Schusswaffen, erlaubnisfreien Schusswaffen und Dekorationswaffen festgestellt werden können. Ferner habe der Kläger angegeben, im Besitz mehrerer erlaubnispflichtiger Schusswaffen und Munition zu sein, welche die Einsatzkräfte ordnungsgemäß gelagert im Anwesen des Vaters des Klägers aufgefunden hätten. Der Kläger sei im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis zum Besitz der aufgefundenen Waffen gewesen. An einer der Waffen sei ein Zielpunktprojektor mittels spezieller Waffenaufnahme befestigt gewesen. Dieser sei sichergestellt worden. Der Kläger habe deutlich alkoholisiert gewirkt. Die Wohnung sei stark verwahrlost gewesen und habe auf längeren, übermäßigen Alkoholkonsum hingedeutet. Es hätten sich zahlreiche Medikamentenverpackungen, auch für Antidepressiva, in der Wohnung befunden. Aufgrund des offenkundigen psychischen Ausnahmezustands des Klägers seien die erlaubnispflichtigen Schusswaffen und Munition zur Gefahrenabwehr sichergestellt worden. Eine Prüfung einer Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers durch das Landratsamt werde angeregt.
3
Mit Schreiben vom 12. September 2019 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, es beabsichtige, seine waffenrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen und den Jagdschein einzuziehen. Es werde davon ausgegangen, dass bei ihm keine persönliche Eignung zum Umgang mit Waffen i.S.d. § 6 WaffG vorliege. Dem Kläger werde bis zum 15. Oktober 2019 Gelegenheit gegeben, ein Gutachten über seine Eignung zum Umgang mit Waffen erstellen zu lassen. Es werde ausdrücklich auf § 4 Abs. 6 AWaffV hingewiesen, wonach bei Nichtvorlage eines Gutachtens vom Fehlen der Eignung im Sinne des § 6 WaffG ausgegangen werden könne.
4
Am 6. Februar 2020 legte der Kläger dem Landratsamt ein „Fachpsychologisches Zeugnis zur Feststellung der waffenrechtlichen persönlichen Eignung (§ 6 WaffG)“ des Diplom-Psychologen M. K., Fachpsychologe für Verkehrspsychologie, vom 13. Januar 2020 vor. Bezüglich der Alkohol- und Medikamenteneinnahme hätten sich keine Auffälligkeiten im Sinne der Fragestellung ergeben. Bei der Hausdurchsuchung seien nur gebrauchsunfertige Waffen gefunden worden. Eine Überprüfung bezüglich der Aufbewahrung seiner gebrauchsfertigen Waffen in der Wohnung des Vaters des Klägers habe keine Auffälligkeiten ergeben. Von dem Zustand der durchsuchten Wohnung allein könne nicht auf eine Nichteignung geschlossen werden. Der Kläger sei geeignet zum Erwerb, Besitz und Umgang mit erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen und Munition im Sinne des Waffengesetzes, wenn insbesondere die mit dem Schreiben des Landratsamts vom 23. Oktober 2019 übersandten Unterlagen und die Ausführungen des genannten Schreibens betrachtet würden.
5
Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 teilte das Landratsamt dem Gutachter mit, es sei mit dem Kläger vorab vereinbart worden, dass der Gutachter, um für den Kläger keine Zeit zu verlieren, die Begutachtung zunächst auch mit den dem Kläger vorliegenden Unterlagen vornehmen könne und sich das Landratsamt im Zweifelsfall mit dem Gutachter in Verbindung setzen werde. Hintergrund sei, dass das Landratsamt die Unterlagen fälschlicherweise einem Gutachter mit gleichem Namen bei der „ias“ in M. zugesandt habe. Nach Durchsicht des Gutachtens vom 13. Januar 2020 werde in der Anlage der Vorgang, der das Verfahren gegen den Kläger ausgelöst habe, in Kopie übersandt. Es werde um Mitteilung gebeten, ob seitens des Gutachters unter Einbeziehung dieser Unterlagen in die Begutachtung weiterhin am Ergebnis, dass der Kläger zum Umgang mit erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen und Munition im Sinne des Waffengesetzes geeignet, sei festgehalten werde.
6
Mit Schreiben vom 25. Februar 2020 teilte der Gutachter Herr K. dem Landratsamt mit, es hätten sich durch die Zusendung der Unterlagen neue Sachverhalte ergeben. Die Angaben des Klägers seien widersprüchlich. Das über den Kläger erstellte positive Gutachten lasse sich so nicht aufrechterhalten. Es bedürfe hier einer weiteren Klärung. Die Fragestellung müsse im vorliegenden Fall spezifiziert werden.
7
Mit Schreiben vom 27. Februar 2020 teilte das Landratsamt dem Gutachter Herrn K. mit, dass bis auf weiteres von der Nichteignung des Klägers ausgegangen werde, da für ihn kein positives Gutachten vorliege. Inwieweit es einer weiteren Klärung bedürfe und der Gutachter dem nachgehe, obliege seiner Entscheidung. Weshalb die Fragestellung spezifiziert werden müsse, erschließe sich nicht. Relevant sei, ob der Kläger für den Umgang mit erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen im Sinne des Waffengesetzes persönlich geeignet sei.
8
Mit Schreiben vom 17. März 2020 teilte das Landratsamt dem im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigten des Klägers mit, das vom Kläger vorgelegte positive Gutachten sei zwischenzeitlich durch den Gutachter zurückgenommen worden. Mit E-Mail vom 10. Juni 2020 übersandte ihm das Landratsamt die beiden Schreiben an den Gutachter aus Februar 2020 zur Kenntnis und teilte mit, dass der Widerruf bzw. die Einziehung der waffen- bzw. jagdrechtlichen Erlaubnisse und der Erlass eines Waffenbesitzverbots für erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen beabsichtigt sei. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. Juli 2020 gegeben.
9
Der damalige Bevollmächtigte des Klägers teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 6. August 2020 mit, aufgrund der Gutachtenvorlage durch den Kläger ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte hinsichtlich einer Nichteignung zum weiteren Waffenbesitz.
10
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2020 widerrief das Landratsamt die auf den Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten und erklärte den Jagdschein des Klägers für ungültig. Zudem wurde gegen den Kläger ein Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen erlassen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die in der polizeilichen Meldung bezüglich des Einsatzes am 26. Juli 2019 festgestellten Tatsachen begründeten Zweifel an der persönlichen Eignung nach § 6 WaffG. Die Zweifel an der persönlichen Eignung seien nicht durch ein Gutachten nach § 4 AWaffV bereinigt worden.
11
Hiergegen hat der Kläger am 9. November 2020 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2022 abwies. Der angefochtene Bescheid vom 5. Oktober 2020 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger besitze nicht die erforderliche persönliche Eignung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Vorliegend habe das Landratsamt zu Recht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf die Nichteignung des Klägers geschlossen, da die Voraussetzungen für die Anforderung eines Gutachtens erfüllt seien und vom Kläger auf entsprechende Aufforderung durch das Landratsamt ein Gutachten, das geeignet sei, die Bedenken an dessen persönlicher Eignung auszuräumen, im Ergebnis nicht vorgelegt worden sei. Der beim Polizeieinsatz in der Wohnung des Klägers am 26. Juli 2019 vorgefundene Zustand der Wohnräume, insbesondere auch das Vorhandensein einer Vielzahl alkoholbezogenen Leerguts und mehrerer Medikamentenverpackungen (darunter Lyrica), der von den Beamten beim Kläger wahrgenommene Alkoholgeruch sowie der Umstand, dass der Kläger in seinem Badezimmer einen Holzkohlegrill entzündet habe, würden in der Gesamtbetrachtung solche Tatsachen darstellen, die geeignet seien, anlassbezogen Bedenken gegen dessen persönliche Eignung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zu begründen. Es seien hinreichende, eine weitere Klärung erfordernde tatsächliche Anhaltspunkte für das Bestehen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Kläger - sei es in Form einer Sucht- oder sonstigen psychischen Erkrankung - gegeben, die einen negativen Einfluss auf den Umgang mit Waffen möglich erscheinen lasse. Mit Schreiben vom 12. September 2019 sei der Kläger zur Beibringung eines entsprechenden Gutachtens bis zum 15. Oktober 2019 aufgefordert worden unter Verweis darauf, dass bei nicht fristgerechter Vorlage auf die Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden dürfe. Ein zunächst am 6. Februar 2020 dem Landratsamt vorgelegtes positives Gutachten des Diplom-Psychologen K. vom 13. Januar 2020 sei von diesem ausweislich seines Schreibens an das Landratsamt vom 25. Februar 2020 nicht aufrechterhalten worden. Ein weiteres Gutachten sei in der Folge nicht vorgelegt worden. Der Kläger habe auf das Schreiben des Gutachters vom 25. Februar 2020, das seinem damals Bevollmächtigten mit E-Mail vom 10. Juni 2020 zur Kenntnis gebracht worden sei, nicht reagiert. Über die Rücknahme des Gutachtens durch den Gutachter sei dieser bereits mit Schreiben des Landratsamts vom 17. März 2020 informiert worden. Die nicht fristgerechte Vorlage eines positiven Gutachtens habe der Kläger damit auch im Sinne des § 6 Abs. 4 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV zu vertreten. Die behördliche Anordnung der Beibringung eines Gutachtens sei verhältnismäßig gewesen. Der Kläger sei auf die Folgen der nicht fristgerechten Vorlage im Schreiben vom 24. Oktober 2019 hingewiesen worden. Daher habe das Landratsamt bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zu Recht auf die Nichteignung zum Umgang mit Waffen geschlossen. Als zwingende gesetzliche Folge sei der Widerruf der Waffenbesitzkarten nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG auszusprechen gewesen. Ebenso sei der Jagdschein des Klägers zwingend für ungültig zu erklären und einzuziehen gewesen, § 18 Satz 1 BJagdG. Auch das gegen den Kläger verfügte Waffenbesitzverbot (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG) sei rechtmäßig.
12
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und sinngemäß Verfahrensfehler geltend.
13
Der Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
I.
15
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
16
1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist nicht hinreichend dargelegt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 124a Abs. 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.).
17
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist (UA S. 16 ff.). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
18
Die Zulassungsbegründung führt aus, es bestünden ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Es beruhe darauf, dass einerseits die gerichtliche Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzt und andererseits das Amtsermittlungsprinzip nicht eingehalten worden sei. Es werde die Aufklärungsrüge erhoben. Das geforderte Gutachten sei fristgerecht vorgelegt worden. Ein weiteres sei nie verlangt worden.
19
Mit seinem Vortrag, das geforderte Gutachten sei fristgerecht vorgelegt worden, greift der Kläger die Beweiswürdigung des Gerichts an. Hiermit vermag er aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen, da das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet und bei der Würdigung aller erheblichen Tatsachen frei ist (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 108 Rn. 4). Soweit eine fehlerhafte Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts gerügt wird, genügt für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt sei anders zu bewerten, nicht. Mit Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erst dann in Frage gestellt, wenn Gründe dafür aufgezeigt werden, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Überzeugungsbildung fehlerhaft ist, etwa weil das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich von einem unzutreffenden bzw. auch unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist (OVG LSA, B.v. 3.1.2018 - 2 L 71/16 - juris Rn. 15) oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist. Letzteres ist insbesondere bei einer Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, gegebenenfalls heranzuziehenden gesetzlichen Beweisregeln oder sachwidriger Beweiswürdigung anzunehmen (BayVGH, B.v. 25.10.2017 - 5 ZB 17.340 - juris Rn. 39; B.v. 20.4.2016 - 15 ZB 14.2686 - juris Rn. 28). Derartige Mängel zeigt die Begründung des Zulassungsantrags jedoch nicht auf.
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Der Kläger geht davon aus, dass dem Gutachter bei Erstellung des Gutachtens die Unterlagen des Landratsamtes vorgelegen hätten und ein weiteres Gutachten nie von ihm gefordert worden sei. Das Verwaltungsgericht hat sich in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit dem vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt und sich maßgeblich darauf gestützt, dass der Gutachter unzweifelhaft mit seinem Schreiben vom 25. Februar 2020 zum Ausdruck gebracht hat, er könne an dem für den Kläger erstellten positiven Gutachten nicht festhalten (UA S. 22 ff.). Dieses Ergebnis war dem Kläger auch vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids mitgeteilt worden. Somit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, ein neues Gutachten zu seinen Gunsten vorzulegen. Dass das Verwaltungsgericht insoweit von einem unzutreffenden oder unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen wäre, ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Zulassungsantrag nicht zu erkennen.
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Im Übrigen macht der Kläger nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, sondern sinngemäß Verfahrensfehler geltend.
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2. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
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a) Soweit der Kläger eine fehlende Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht rügt und sein Vorbringen auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zielt, indem er vorträgt, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, vom Kläger einen ergänzenden Vortrag zu verlangen und dem Kläger anheim zu geben, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen, vermag er nicht durchzudringen. Dieser Vortrag genügt den Darlegungsanforderungen des § 124a VwGO nicht. Eine Aufklärungsrüge setzt regelmäßig die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, weshalb sich die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen oder womit insbesondere in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärungsmaßnahme hingewirkt worden ist. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BayVGH, B.v. 21.1.2019 - 21 ZB 16.552 - juris Rn. 37). Die Zulassungsbegründung muss entweder darlegen, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewiesen worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BayVGH, B.v. 9.4.2019 - 6 ZB 18.2402 - juris Rn. 12 m.w.N.). Dem wird der Zulassungsantrag schon deshalb nicht gerecht, weil er sich unter anderem hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme, die aus seiner Sicht hätte erfolgen müssen, nicht äußert. Die Ausführungen des Klägers, er hätte darauf hingewiesen werden müssen, einen Beweisantrag dahin zu stellen, dass ein weiteres (Ergänzungs-)Gutachten erforderlich wäre, um die Defizite des in Frage gestellten Gutachtens zu heilen, sind insoweit nicht ausreichend. Der anwaltlich vertretene Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 4. Mai 2022 ausweislich des Protokolls keinen Beweisantrag gestellt. Die Rüge eines Verfahrensmangels ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten im vorangegangenen Instanzenzug zu kompensieren (BVerwG, B.v. 20.12.2012 - 4 B 20.12 - juris Rn. 6). Dasselbe gilt für den Vorwurf des Klägers, das Gericht habe eine ihm gegenüber bestehende Fürsorgepflicht verletzt.
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Das Verwaltungsgericht sah weitere Ermittlungen, wie es in seiner Entscheidung deutlich macht, als nicht erforderlich an. Dem Kläger oblag es, nachdem der Gutachter sein Gutachten nicht aufrechterhalten hat, ein Gutachten vorzulegen.
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b) Soweit der Kläger mit seiner Begründung darlegen möchte, dass ein Gehörsverstoß in Form einer Überraschungsentscheidung vorliege, verhilft ihm auch dies nicht zum Erfolg. Es handelt sich nicht um eine Überraschungsentscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 19.7.2010 - 6 B 20.10 - NVwZ 2011, 372 = juris Rn. 4; B.v. 26.11.2001 - 1 B 347.01 u.a. - juris Rn. 5; B.v. 28.12.1999 - 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 = juris Rn. 2; B.v. 11.5.1999 - 9 B 1076.98 - juris Rn. 10). Eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende und damit unzulässige Überraschungsentscheidung liegt nur ausnahmsweise dann vor, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde und der zunächst als fernliegend anzusehen war, und wenn es damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt (BVerwG, B.v. 19.7.2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 = NVwZ 2011, 372; B.v. 19.6.1998 - 6 B 70.97 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 56 = NVwZ-RR 1998, 759). Solche Umstände werden mit der Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht substantiiert dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat sich auf die Nichtvorlage eines geeigneten Gutachtens gestützt, was der Kläger verkennt. Zudem war dem Kläger die Problematik der Verwertbarkeit des vorgelegten Gutachtens präsent, denn er führt selbst in seinem Zulassungsantrag aus, dass „das Gutachten, das der Gutachter dann selbst in Frage gestellt hatte, der Streitpunkt der Angelegenheit schlechthin war“. Insoweit ist schon nicht nachvollziehbar, worin der überraschende Moment in dem angefochtenen Urteil gelegen haben soll.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht der nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).