Inhalt

VGH München, Beschluss v. 09.01.2023 – 22 ZB 22.1194
Titel:

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag: Soforthilfe Corona

Normenketten:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 49, Art. 49a Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Lassen sich Zweifel bzgl. des Inhaltes eines Bescheidtenors durch Auslegung beseitigen, liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 48 Abs. 2 S. 3 BayVwVfG normiert zwingende Ausschlussgründe betreffend die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, die eine Abwägung nicht zulassen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen des Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Angaben kannte. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG erfordert kein Verschulden.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
teilweise Rücknahme eines eine „Soforthilfe Corona“ bewilligenden Bescheids, Überschreitung des Förderhöchstbetrags aufgrund doppelter Antragstellung, Verschweigen des Erstantrags bei Stellung des weiteren Antrags, kein Vertrauensschutz, Soforthilfe Corona, Rücknahme, Bewilligung, Förderhöchstbetrag, Vertrauensschutz, Bestimmtheitsgebot, Auslegung, Unrichtigkeit, Verschulden
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 23.02.2022 – M 31 K 21.2981
Fundstelle:
BeckRS 2023, 989

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin, eine GmbH, verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter, welches auf die Aufhebung eines Bescheids zielte, mit dem die Beklagte einen Bewilligungsbescheid betreffend eine „Soforthilfe Corona“ teilweise zurückgenommen und den überzahlten Betrag zurückgefordert hat.
2
Am 19. März 2020 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen „Antrag auf Gewährung eines Zuschusses für von der Coronakrise 03/2020 besonders geschädigte gewerbliche Unternehmen und Angehörige Freier Berufe“ nach dem „Soforthilfeprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie („Soforthilfe Corona“)“. Das Antragsformular wies u.a. aus, dass bei bis zu 50 Beschäftigten eine Soforthilfe von maximal 15.000 Euro gewährt würde. In dem Antrag gab die Klägerin die Höhe ihres Liquiditätsengpasses mit 25.000 Euro, die Zahl ihrer Beschäftigten mit 42 an. Anfang April 2020 zahlte die Beklagte der Klägerin eine Soforthilfe i.H.v. 15.000 Euro aus.
3
Am 20. April 2020 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe. In dem Antragsformular trug die Klägerin u.a. in den Feldern „Haben Sie schon einmal einen Antrag auf Soforthilfe des Bundes oder des Landes Bayern gestellt?“ sowie „Höhe des bisher gestellten Antrags“ nichts ein. Das Antragsformular wies u.a. aus, dass bei bis zu 50 Beschäftigten eine Soforthilfe von maximal 30.000 Euro gewährt würde. Die Höhe ihres Liquiditätsengpasses gab die Klägerin mit 30.000 Euro, die Zahl ihrer Beschäftigten mit 41,8 an.
4
Mit Bescheid vom 20. Mai 2020 (Az.: 15...) gewährte die Beklagte der Klägerin auf den Antrag vom 19. März 2020 die - bereits Anfang April 2020 ausbezahlte - Soforthilfe in Höhe von 15.000 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 20. Mai 2020 (Az.: SR-22...) gewährte die Beklagte der Klägerin auf den Antrag vom 20. April 2020 eine Soforthilfe in Höhe von 30.000 Euro, die darauf ebenfalls an die Klägerin ausbezahlt wurde.
5
Mit Bescheid vom 26. April 2021 (Az.: SR-22...) nahm die Beklagte nach Anhörung der Klägerin den „Bewilligungsbescheid vom 20.05.2020“ in Höhe von 15.000 Euro „teilweise“ zurück; in dieser Höhe wurde die Soforthilfe zurückgefordert. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Bei der Mitarbeiterzahl der Klägerin von 41,8 sei die Förderung auf 30.000 Euro begrenzt gewesen. Die beiden Anträge der Klägerin seien separat in der jeweils beantragten Höhe verbeschieden und ausbezahlt, die Auszahlungsbeträge aber versehentlich nicht miteinander verrechnet worden. Das Interesse der öffentlichen Hand an einer ordentlichen Haushaltsführung übersteige das Interesse der Klägerin an einem Behaltendürfen der unrechtmäßigen Leistung.
6
Die von der Klägerin gegen den Bescheid vom 26. April 2021 erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 23. Februar 2022 ab, welches der Klägerin am 5. April 2022 zugestellt wurde.
7
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2022 (Dienstag nach Pfingsten), eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, begründete die Klägerin ihren Antrag. Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend.
8
Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
11
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
12
Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der angefochtene Bescheid vom 26. April 2021 im Einklang mit Art. 48 Abs. 1, 2 und 4 BayVwVfG sowie Art. 49a Abs. 1 BayVwVG steht. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungszulassungsverfahren lässt dies nicht ernstlich zweifelhaft erscheinen.
13
1.1 Den Bescheid vom 20. Mai 2020, mit dem der Klägerin eine Corona-Soforthilfe i.H.v. 30.000 Euro bewilligt wurde, hat das Verwaltungsgericht deshalb i.S.d. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG für (teilweise) rechtswidrig gehalten, weil in Zusammenschau mit dem weiteren Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2020 bei der Beschäftigtenzahl der Klägerin (41,8) die sich aus den einschlägigen Förderrichtlinien und der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten ergebende maximale Fördersumme von 30.000 Euro um 15.000 Euro überschritten worden war (vgl. UA Rn. 17).
14
Soweit das Zulassungsvorbringen der Klägerin betreffend die (teilweise) Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheids (Antragsbegründung S. 4 unten bis S. 6, erster Absatz) über die Darstellung des Sachverhalts hinaus überhaupt Einwände gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts enthält, lässt es sich dahin verstehen, dass der angefochtene Rücknahmebescheid nicht denjenigen Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2020 betreffe, der auf den Antrag der Klägerin vom 20. April 2020 ergangen war (Bewilligung von 30.000 Euro; Az. SR-22...), sondern denjenigen Bescheid vom 20. Mai 2020, mit dem der Antrag der Klägerin vom 19. März 2020 verbeschieden wurde (Bewilligung von 15.000 Euro; Az. 15...); der letztgenannte Bescheid sei aber nicht i.S.v. Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG rechtswidrig gewesen.
15
Damit kann die Klägerin nicht durchdringen. Gegen ihre Auffassung spricht bereits der Tenor des angefochtenen Bescheids, denn die „teilweise“ Rücknahme eines Bescheids „in Höhe von 15.000 Euro“, mit dem der Klägerin eine Soforthilfe in Höhe von 15.000 Euro bewilligt worden war, scheidet aus. Auch trug nur derjenige Bescheid vom 20. Mai 2020, mit dem der Klägerin eine Soforthilfe von 30.000 Euro bewilligt worden war, das Aktenzeichen des angefochtenen Rücknahmebescheids. Zwar wird in dessen Gründen ein Bescheid vom 20. Mai 2020 mit dem Aktenzeichen erwähnt, das den Antrag vom 19. März 2020 betrifft (15...). Hierbei handelt es sich angesichts der eindeutigen Formulierungen im Bescheidtenor jedoch offenkundig um ein Versehen. Dass sich auch die Bescheidbegründung auf denjenigen Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2020 bezieht, der auf den Antrag vom 20. April 2020 ergangen war, ergibt sich überdies daraus, dass auch dort - analog zum Bescheidtenor - von einem „teilweisen“ Richtlinienverstoß bzw. einer „teilweisen“ Rechtswidrigkeit die Rede ist und dass die Angabe einer Beschäftigtenzahl von 41,8 referiert wird, die so nur im Antrag vom 20. April 2020 enthalten war. Da sich mithin etwaige Zweifel darüber, welcher Bescheid durch den Bescheid vom 26. April 2021 (teilweise) zurückgenommen werden sollte, durch Auslegung beseitigen lassen, liegt auch kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG vor (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 37 Rn. 7 m.w.N.).
16
1.2 Das Verwaltungsgericht hat ferner ausgeführt, die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayVwVfG). Sie habe die Zuwendung durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Auch habe sie die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zumindest in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG). Unabhängig davon sei das Vertrauen der Klägerin nicht schutzwürdig, selbst wenn sie die Fördermittel bei ihrer Vermögensdisposition miteinbezogen habe (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Das Vorbringen der Klägerin im Berufungszulassungsverfahren lässt auch die Richtigkeit dieser Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich zweifelhaft erscheinen.
17
1.2.1 Zu Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin bei der Stellung des zweiten Antrags trotz entsprechender Aufforderung im Antragsformular nicht angegeben habe, dass sie bereits einen früheren Antrag auf Soforthilfe gestellt habe; sie habe den früheren Antrag auch nicht zurückgezogen. Die Klägerin habe durch die Falschangabe eine Bewilligung in Höhe des Maximalsatzes von 30.000 Euro erwirkt, ohne dass eine Verrechnung mit dem bereits ausbezahlten Betrag von 15.000 Euro erfolgt sei. Die Ausführungen der Klägerin, wonach ihr aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Antragsformalitäten nicht klar gewesen sei, dass die beiden Verfahren miteinander in Zusammenhang stünden, überzeugten nicht. Ob der Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Angabe bewusst gewesen sei, könne auch dahinstehen, weil für Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG kein Verschulden erforderlich sei und die bloße Verursachung der Rechtswidrigkeit für den Ausschluss von Vertrauensschutz genüge.
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1.2.1.1 Die Klägerin wendet ein, dass sich die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid nicht auf Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG gestützt habe. Die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien daher nicht entscheidungserheblich. Dieser Einwand greift nicht durch. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG normiert zwingende Ausschlussgründe betreffend die Schutzwürdigkeit des Vertrauens; eine Abwägung wie in Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG findet nicht statt (vgl. J. Müller in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand Oktober 2022, § 48 Rn. 68). Zudem besteht im Rahmen des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG keine behördliche Einschätzungsprärogative; dessen Voraussetzungen unterliegen im Rechtsstreit vollständiger gerichtlicher Kontrolle (vgl. Schoch in ders./Schneider, Verwaltungsrecht, Stand April 2022, § 48 VwVfG Rn. 123), so dass es nicht darauf ankommt, ob bereits die Beklagte den fehlenden Vertrauensschutz mit dem Ausschlusstatbestand des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG begründet hat. Das Verwaltungsgericht hatte die Klägerseite mit Schreiben vom 6. Dezember 2021 im Übrigen auch darauf hingewiesen, dass unrichtige Angaben gemacht worden waren; in der Folge musste die Klägerin damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auch auf einen Ausschlussgrund des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG stützen würde, der im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt worden war.
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1.2.1.2 Die Klägerin wendet ferner ein, dass sie nach den einschlägigen Förderrichtlinien berechtigt gewesen sei, einen weiteren Antrag zu stellen. Dies trifft zu, ändert aber nichts an dem entscheidenden Umstand, dass die Klägerin in ihrem Antrag vom 20. April 2020 an der entsprechenden Stelle des Formulars nicht angegeben hatte, dass sie bereits einen Antrag auf Soforthilfe gestellt hatte und in welcher Höhe der Antrag gestellt worden war, so dass sie den irreführenden Eindruck erweckt hatte, es handele sich um einen Erstantrag. Im Rahmen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG ist ohnehin nicht maßgeblich, ob der Betreffende die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Angaben - was hier allerdings anzunehmen ist - kannte; entscheidend ist, dass dies objektiv der Fall war (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1996 - 3 C 13.94 - juris Rn. 48 m.w.N.). Der Einwand der Klägerin, auf die Fragen des Antragsformulars zu einem früheren Antrag komme es hier nicht an, weil sich der streitgegenständliche Rücknahmebescheid auf denjenigen Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2020 bezogen habe, der auf den Antrag vom 19. März 2020 ergangen sei, greift nicht durch (vgl. 1.1).
20
1.2.1.3 Ob die Klägerin, wie sie ferner geltend macht, angesichts des Adressatenfeldes des für den Antrag vom 19. März 2020 verwendeten Formulars davon ausgegangen war, dass es sich auch um ein Programm der beklagten Landeshauptstadt handeln könne, ist ebenfalls nicht von Relevanz, da Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG kein Verschulden erfordert (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2012 - 2 C 13.11 - juris Rn. 17). Zudem überzeugt das Vorbringen der Klägerin nicht, da das Antragsformular eindeutig mit „Soforthilfeprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie“ überschrieben war, in dem Formular als antragsberechtigt gewerbliche Unternehmen und Angehörige Freier Berufe mit bis zu 250 Arbeitnehmern mit Betriebsstätte „in Bayern“ bezeichnet waren und schließlich hinsichtlich der Höhe der Soforthilfe auf die einschlägige „Richtlinie des StMWi“ verwiesen wurde.
21
1.2.1.4 Das weitere Vorbringen der Klägerin, bei Stellung des weiteren Antrags vom 20. April 2020 habe sie noch keine Kenntnis davon gehabt, ob und wenn ja in welcher Höhe sie auf ihren Antrag vom 19. März 2020 eine Soforthilfe erhalten würde, und es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass der erste Antrag überhaupt bearbeitet worden war, trifft bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Die Klägerin hat selbst ausgeführt (Zulassungsbegründung S. 5 oben), dass ihr auf den Antrag vom 19. März 2020 schon am 6. April 2020 (nach Angaben der Beklagten am 2.4.2020, vgl. Schriftsatz vom 9.6.2022) ein Betrag von 15.000 Euro ausbezahlt worden war. Im Übrigen ergab sich aus dem Antragsformular eindeutig, dass die Stellung eines früheren Antrags sowie die Antragshöhe anzugeben waren. Ob bereits ein (Bewilligungs-) Bescheid vorlag, war danach irrelevant, was auch daraus folgte, dass dessen Aktenzeichen nur „ggf.“ anzugeben war. Überdies verlangt Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG, wie ausgeführt, weder eine Kenntnis des Antragstellers von der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit seiner Angaben noch ein diesbezügliches Verschulden.
22
1.2.1.5 Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, keinen Anhaltspunkt dafür gehabt zu haben, dass die Beklagte nicht beide Anträge der Klägerin zuordne. Die im Antragsformular erfolgte Abfrage früherer Anträge zielte offenkundig darauf, eine mögliche Überschreitung des Höchstförderbetrags durch Stellung mehrerer Anträge zu verhindern bzw. zumindest frühzeitig zu erkennen, nachdem es gemäß den einschlägigen Förderrichtlinien zulässig war, erneute Anträge zu stellen, solange der Maximalbetrag noch nicht gewährt worden war. Gerade deshalb, weil die Klägerin mehrere Anträge gestellt hatte, war es daher zuvörderst ihre Sache, durch vollständige Angaben die richtige Zuordnung und damit auch Verbescheidung dieser Anträge zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang muss zudem berücksichtigt werden, dass eine Soforthilfe in Rede stand, welche schon begrifflich möglichst schnell und daher ohne vertiefte Prüfung bewilligt und ausbezahlt werden sollte. Deshalb trug der jeweilige Antragsteller - wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt (vgl. UA Rn. 23) - eine besondere Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 20.7.2022 - 22 ZB 21.2777 - juris Rn. 16). Das Verwaltungsgericht hat überdies festgestellt (UA Rn. 20), dass auf Grund der Verwaltungspraxis der Beklagten - rasche Bearbeitung der Anträge aus dem März 2020 und anschließend der Anträge bzw. Aufstockeranträge aufgrund der Erhöhung der Fördersummen aus dem Bundesprogramm - gerade die fehlenden Angaben der Klägerin zu dem bereits gestellten Antrag zur gesonderten Bearbeitung und letztlich Verbescheidung der beiden Anträge geführt hatten. Auch aufgrund dieser Feststellungen, mit denen sich die Klägerin nicht auseinandersetzt, ist nicht zweifelhaft, dass die unrichtigen bzw. jedenfalls unvollständigen Angaben der Klägerin für die den Höchstbetrag übersteigende Bewilligung und damit für die insoweit hervorgerufene Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wenigstens - was ausreicht (vgl. J. Müller in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 48 Rn. 77 m.w.N.) - mitursächlich gewesen sind.
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1.2.2 Zum Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Klägerin habe in dem Antragsformular (betreffend den Antrag vom 20.4.2020) bestätigt, dass sie die Bedingungen gelesen und akzeptiert habe. Auf die Förderhöchstsumme von 30.000 Euro bei einer Zahl von bis zu 50 Beschäftigten sei im Antragsformular hingewiesen worden. Daher habe es sich der Klägerin bei entsprechender Parallelwertung in der Laiensphäre geradezu aufdrängen müssen, dass ihr keine Soforthilfe von insgesamt 45.000 Euro zustehe. Die Ausführungen der Klägerin, sie habe nicht ahnen können, dass sich die Förderhöchstsumme auf beide Anträge gemeinsam beziehe, überzeugten angesichts von Angaben in den Förderrichtlinien und auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie nicht. Auch deshalb, weil in dem Bescheid vom 20. Mai 2020, mit dem der Klägerin eine Soforthilfe von 15.000 Euro bewilligt worden war, nicht auf den parallel ergangenen Bescheid Bezug genommen worden sei, habe sich ihr aufdrängen müssen, dass eine versehentliche Doppelbewilligung erfolgt sei.
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1.2.2.1 Die Klägerin macht insoweit erneut geltend, dass es sich ihr nicht habe aufdrängen müssen, dass sich die Förderhöchstsumme auf beide Anträge gemeinsam beziehe, da es sich insbesondere angesichts der Überschrift zum Antragsformular vom 19. März 2020 auch um ein Programm der Beklagten gehandelt haben könne. Dieser Einwand greift nicht durch (vgl. 1.2.1.3). Ob der weitere Einwand der Klägerin, keine Kenntnis von den auf der Homepage des zuständigen Staatsministeriums abrufbaren „Häufig gestellten Fragen“ zu dem Förderprogramm gehabt zu haben, berechtigt ist, kann offenbleiben. Denn das Zulassungsvorbringen befasst sich nicht mit den vorgenannten weiteren Gesichtspunkten, auf die sich das Verwaltungsgericht zur Begründung dafür gestützt hat, dass die Klägerin i.S.d. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
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1.2.2.2 Nicht nachvollziehbar ist der Einwand der Klägerin, es habe für sie, da sie in beiden Anträgen identische Angaben zum Antragsteller gemacht habe und ihr tatsächlicher Gesamtbedarf den erhaltenen Betrag von 45.000 Euro bei weitem übersteige, kein Anlass bestanden, im Rahmen des zweiten Förderantrags auf den vorangegangenen Antrag vom 19. März 2020 hinzuweisen. Denn das für den Antrag vom 20. April 2020 verwendete Formular verlangte eindeutig und voraussetzungslos Angaben dazu, ob und in welcher Höhe bereits in Antrag gestellt worden war, offenkundig gerade deshalb, um eine mögliche Überschreitung des Höchstförderbetrags durch Stellung mehrerer Anträge zu verhindern bzw. zumindest frühzeitig zu erkennen (vgl. 1.2.1.5). Überdies deutet dieser Vortrag der Klägerin darauf hin, dass sie durch die Stellung zweier Anträge gezielt versuchte, mehr als die zulässige Förderhöchstsumme zu erlangen; in diese Richtung hatte sich die Klägerin bereits im Rahmen der Anhörung vor Erlass des angefochtenen Bescheids geäußert (Schreiben vom 4.9.2020). Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe sich zumindest grob fahrlässig in Unkenntnis hinsichtlich der (teilweisen) Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 20. Mai 2020 (Bewilligung von 30.000 Euro) befunden, zieht dieser Vortrag jedenfalls nicht in Zweifel.
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1.2.3 Mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur unabhängig von Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 BayVwVfG fehlenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG), selbst wenn sie die Fördermittel in ihre Vermögensdisposition einbezogen habe (UA Rn. 23), setzt sich die Klägerin nicht konkret auseinander. Sie wiederholt lediglich ihre nicht durchgreifenden bzw. eher gegen die Schutzwürdigkeit eventuellen Vertrauens sprechenden Einwände, wonach sie davon ausgegangen sei, dass die Beklagte selbstständig eine Anrechnung bzw. Begrenzung auf den Höchstbetrag vornehmen werde und dass es sich um zwei unterschiedliche Förderprogramme handele. Angesichts dessen, dass der Behörde bei der Frage, ob Vertrauensschutz einer Rücknahme entgegensteht (vgl. 1.2.1.1), kein Beurteilungsspielraum zukommt, kann auch dahinstehen, ob der angefochtene Bescheid, wie die Klägerin meint, ihr schutzwürdiges Vertrauen grundsätzlich nicht in Abrede stellt; im Übrigen hat der Bescheid im Ergebnis - zu Recht - ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin verneint.
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1.3 Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den weiteren Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 26. April 2021 (Ermessensausübung; Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit; Rückforderung gem. Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG) befasst sich die Antragsbegründung nicht; entsprechende Bedenken bestehen im Übrigen auch insoweit nicht.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
29
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).