Titel:
Zur Auskunftspflicht nach dem Mikrozensusgesetz vom 7.12.2016 und deren Verfassungsgemäßheit.
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 13 Abs. 1
MZG § 3
Schlagwort:
Zur Auskunftspflicht nach dem Mikrozensusgesetz vom 7.12.2016 und deren Verfassungsgemäßheit.
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9886
Tenor
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Bayerischen Landesamts für Statistik, mit dem er unter Zwangsgeldandrohung verpflichtet wurde, zu den Fragen des Mikrozensus Auskunft zu erteilen.
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Das Bayerische Landesamt für Statistik führt jährliche Haushaltsbefragungen nach dem Mikrozensusgesetz (MZG) durch. Mittels eines mathematischen Zufallsverfahrens werden für die Befragung Gebäude ausgewählt, deren Bewohner in die Befragung einbezogen werden. Die betroffenen Haushalte werden dann innerhalb von etwa 15 Monaten insgesamt viermal befragt. Da der Antragsteller in einem Gebäude wohnt, das ausgewählt wurde, teilte ihm dies das Bayerische Landesamt für Statistik schriftlich mit und bat ihn, an einem Telefoninterview durch einen Erhebungsbeauftragten teilzunehmen.
3
Mit Schreiben vom 17.11.2022 teilte der Antragsteller mit, wegen starker Schwerhörigkeit nicht an der Befragung teilnehmen zu können. Eine Kommunikation per Telefon sei äußerst mühsam und fehleranfällig. Aufgrund weiterer Erkrankungen könne er seinen Schriftverkehr nicht mit der notwendigen Sorgfalt und im notwendigen Umfang zeitgerecht durchführen.
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Mit Schreiben vom 21.11.2022 legte der Antragsgegner dar, dass die Ergebnisse des Mikrozensus eine unverzichtbare Informationsgrundlage für politische Entscheidungen bilden, weshalb für die ausgewählten Haushalte eine gesetzliche Pflicht zur Auskunftserteilung bestehe. Daher müsse an der Befragung festgehalten werden. Das Gesetz sehe eine Befreiung von der Auskunftspflicht aus altersbedingten oder gesundheitlichen Gründen nicht vor. Andernfalls würden kranke oder finanziell schlechter gestellte Menschen nicht in die Befragung einbezogen, was zu einer Verfälschung der Ergebnisse führe. Sei eine Person aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung selbst nicht in der Lage, die Auskunft zu geben, so sei gemäß § 13 Abs. 3 MZG ein anderes Haushaltsmitglied für diese Person auskunftspflichtig. Sei auch diese Möglichkeit nicht gegeben, treffe die Auskunftspflicht den gesetzlich eingesetzten Betreuer bzw. die Betreuerin. Unabhängig davon könne eine auskunftspflichtige Person eine Vertrauensperson benennen, die stellvertretend die Auskunft erteilen könne. Darüber hinaus wurden Hinweise zum Ausfüllen des mit dem Schreiben übermittelten Fragebogens gemacht. Der Antragsteller wurde gebeten, die geforderten Angaben bis spätestens 1.12.2022 zu machen.
5
Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 29.11.2022 dem Begehren des Antragsgegners widersprach, versendete das Bayerische Landesamt für Statistik am 30.11.2022 ein formloses Aufforderungsschreiben mit Zugangsdaten zur Online-Befragung. Mit Schreiben vom 7.12.2022 erklärte der Antragsteller, nicht am Mikrozensus teilzunehmen. Er sei nicht vermögend, nicht rechtskundig und könne sich keinen rechtskundigen Rat einholen. Eine Vertrauensperson, die für ihn kostenlos arbeite, stehe ihm nicht zur Verfügung. Außerdem sei am Sinn der Befragung zu zweifeln. Die Mitarbeit an der dem Unrecht und der Unmenschlichkeit dienenden Datensammlung verbiete sich schon aus Gewissensgründen.
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Mit Schreiben vom 12.12.2022 wies der Antragsgegner sodann nochmals darauf hin, dass eine gesetzliche Auskunftspflicht bestehe. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Fragen des Mikrozensus bis zum 26.12.2022 zu beantworten.
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In der Folge kam es zu weiterem Schriftverkehr, im Rahmen dessen der Antragsteller eine Vertrauensperson benannte, welche die Auskünfte für ihn erteilen solle. Bei der benannten Person handelte es sich um einen Bediensteten des für den Antragsteller zuständigen Landratsamts (Amt für soziale Angelegenheiten). Dieser teilte dem Antragsgegner telefonisch mit, dass seine Benennung als Vertrauensperson durch den Antragsteller mit ihm nicht abgesprochen worden sei und er die Auskünfte auch nicht erteilen könne.
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Letztmalig wies der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 2.3.2023 auf die bestehende Auskunftspflicht hin und teilte mit, dass auch die Anordnung eines Zwangsgeldes möglich sei.
9
Mit Schreiben vom 6.3.2023 verweigerte der Antragsteller erneut die Erteilung der geforderten Auskünfte, was zum Erlass des an den Antragsteller gerichteten streitgegenständlichen Bescheids vom 4.3.2023 führte. Der Bescheid enthält folgende Anordnungen:
1. Sie sind verpflichtet, ihre Angaben für die Berichtswoche (46) 14.11.2022 – 20.11.2022 zu den Fragen des Mikrozensus vollständig, wahrheitsgemäß und fristgerecht innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung dieses Bescheids auf ihre Kosten zu erteilen.
2. Falls Sie Ihrer in Ziffer 1 festgelegten Auskunftsverpflichtung innerhalb der o.g. Frist nicht vollständig nachkommen, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € zur Zahlung fällig.
3. Für diesen Bescheid werden keine Kosten erhoben.
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Der Antragsteller sei gemäß § 13 MZG i.V.m. § 15 des Bundesstatistikgesetzes (BstatG) auskunftspflichtig. Da nur die Erfassung aller in einem Auswahlbezirk wohnenden Personen ein zuverlässiges Abbild der gesamten Bevölkerung garantiere, habe der Gesetzgeber keine Möglichkeit eröffnet, einzelne Personen von der Auskunftspflicht zu befreien. Hinsichtlich der Begründung im Übrigen wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
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Gegen diesen dem Antragsteller am 15.3.2023 zugestellten Bescheid erhob der Antragsteller am 29.3.2023 Klage, die unter dem Aktenzeichen RO 5 K 23.526 geführt wird. Zugleich beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Aufgrund seiner krankheitsbedingten Überlastung sei er nicht in der Lage, sich mit dem Bescheid zu befassen. Er mache sich seinen Vortrag beim Beklagten und in seinen anderen Verfahren beim Verwaltungsgericht Regensburg sowie beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu eigen. Er erhalte keine Hilfe zur Deckung seines Bedarfs für eine menschenwürdige Existenz sowie für die faire Teilnahme am Verwaltungsverfahren. Er könne seinen Schriftverkehr und seine Aktenführung nicht im erforderlichen Umfang und mit der erforderlichen Sorgfalt zeitgerecht erledigen.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bayerischen Landesamts für Statistik vom 14.3.2023 anzuordnen.
Ferner beantragt er, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Der Antragsteller sei – wie im Bescheid ausgeführt – zur Erteilung der Auskünfte zum Mikrozensus 2022 verpflichtet. Sei eine Person aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung selbst nicht in der Lage, Auskunft zu geben, könne dies eine andere auskunftspflichtige Person ihres Haushalts tun, ihr gesetzlich eingesetzter Betreuer bzw. die eingesetzte Betreuerin oder eine vom Auskunftspflichtigen zu benennende Vertrauensperson. Zwar habe der Antragsteller eine Vertrauensperson benannt, es fehle aber das denknotwendig erforderliche gegenseitige Einverständnis zwischen dem Auskunftspflichtigen und der Vertrauensperson, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die vom Antragsteller benannte Vertrauensperson die Auskünfte tatsächlich erteilen könnte.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Hauptsachesowie im Eilrechtschutzverfahren und auf die Akten des Antragsgegners, die dem Gericht in elektronischer Form vorgelegen haben, Bezug genommen.
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1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da der Eilrechtsschutzantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Nach den §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, so wird der Partei gemäß §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 121 Abs. 2 ZPO auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
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Das Gericht brauchte die Frage, inwieweit der Antragsteller die Kosten der Prozessführung selbst aufbringen kann, nicht näher beleuchten, da die Rechtsverfolgung im Eilrechtschutzverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, was sich aus den nachfolgenden Ausführungen unter Nr. 2. ergibt. Das Gericht hat daher darauf verzichtet, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers anzufordern. Aus dem gleichen Grund bedurfte es auch keiner Aufforderung des Antragstellers, einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu benennen.
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist zulässig, aber nicht begründet.
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a) Der Antrag ist statthaft.
21
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage unter anderem dann ganz oder teilweise anordnen, wenn die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO durch bundesgesetzliche Regelung entfällt. Bezüglich der Aufforderung zur Auskunftserteilung entfällt die aufschiebende Wirkung gemäß § 15 Abs. 7 BStatG, während die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) keine aufschiebende Wirkung hat.
22
b) Der Antrag ist nicht begründet.
23
Im Rahmen seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem gesetzlichen Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu treffen. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage eine maßgebliche Bedeutung zu; denn grundsätzlich besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, während umgekehrt ein starkes öffentliches Interesse an der baldigen Realisierung des Verwaltungsaktes besteht, wenn dieser erkennbar rechtmäßig ist. Lässt sich deshalb aufgrund der im Eilrechtschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hinreichend eindeutig feststellen, dass der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, kann regelmäßig kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Lassen sich dagegen nach summarischer Prüfung keine Aussagen über die Erfolgsaussichten der Klage machen, muss eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Interessenabwägung stattfinden (vgl. zur Interessenabwägung: BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 – juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 23.1.2015 – 7 VR 6.14 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 21.3.2011 – 10 AS 10.2499 – juris Rn. 20; Eyermann/Hoppe, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 Rn. 85 ff.; Schoch in: Schoch/Schneider, 43. EL August 2022, VwGO § 80 Rn. 372 ff.; Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 152 ff.).
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Nach summarischer Prüfung wird die Hauptsacheklage voraussichtlich keinen Erfolg haben.
25
aa) Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Antragstellers zur Auskunftserteilung ist § 13 MZG i.V.m. § 15 BStatG. Danach besteht für den Mikrozensus Auskunftspflicht für die vom Antragsteller abverlangten Auskünfte.
26
Die gesetzlich bestimmte Auskunftspflicht ist insbesondere verfassungsgemäß. Sie entspricht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil aufgestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Grundsatzentscheidung (BVerfG, U.v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u. a. – juris = BVerfGE 65, 1) festgestellt, dass der Staat, um seinen Aufgaben nachkommen zu können, Informationen über die Bürger benötigt, die er im Wege einer Befragung erheben kann. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht ins Einzelne gehende Anforderungen zur Verfahrensgestaltung aufgestellt, insbesondere dazu, in welcher Weise sicherzustellen ist, dass die Daten des Einzelnen (möglichst frühzeitig) anonymisiert werden, um dadurch den Schutz der Privatsphäre der Befragten zu sichern (vgl. auch BVerfG, U.v. 19.9.2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15 – juris).
27
In der Rechtsprechung ist bestätigt worden, dass die bisherigen Mikrozensusgesetze den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen genügen (vgl. OVG LSA, U.v. 24.11.2010 – 3 L 91/10 – juris zum MZG 2005; BayVGH, B.v. 2.6.2010 – 5 ZB 09.2084 – juris zum MZG 2005; BayVGH, B.v. 31.8.2009 – 5 CS 09.1549 – juris zum MZG 2005; BayVGH, B.v. 15.6.2009 – 5 ZB 09.394 – juris zum MZG 2005; BayVGH, B.v. 11.11.2004 – 5 CS 04.2547 – juris zum MZG 1996).
28
Auch das Mikrozensusgesetz vom 7.12.2016 genügt diesen Anforderungen (vgl. auch VG Schleswig, B.v. 7.2.2018 – 12 A 184/17 – juris; VG Hamburg, B.v. 23.5.2017 – 2 E 4284/17 – juris). Insbesondere ist in § 14 Abs. 1 MZG geregelt, dass die Angaben zu den Hilfsmerkmalen nach § 11 MZG unverzüglich nach Überprüfung der Schlüssigkeit und Vollständigkeit der Erhebungs- und Hilfsmerkmale von den Angaben zu den Erhebungsmerkmalen zu trennen und gesondert aufzubewahren sind (vgl. auch § 12 BStatG). Nach § 14 Abs. 3 MZG sind die Erhebungsunterlagen einschließlich der Hilfsmerkmale spätestens nach Abschluss der Aufbereitung der letzten Folgeerhebung nach § 5 Abs. 1 MZG zu vernichten oder zu löschen. Die Geheimhaltungspflicht betreffend Einzelangaben zu persönlichen und sachlichen Verhältnissen ist in § 16 BStatG geregelt. In § 21 BStatG ist das – nach § 22 BStatG strafbewehrte – Verbot der Reidentifizierung geregelt.
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Das gesetzlich vorgegebene Prinzip der Flächenstichprobe als Erhebungsmethode, bei der die Erhebungseinheiten (meldepflichtige Personen, Haushalte und Wohnungen) auf der Grundlage von Flächen oder vergleichbaren Bezugsgrößen (Auswahlbezirke) ausgewählt werden, die durch mathematisch-statistische Verfahren bestimmt werden (§ 4 MZG), begegnet ebenfalls keinen Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2004 – 5 CS 04.2547 – juris zum MZG 1996).
30
Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, das Mikrozensusgesetz sei verfassungswidrig, weil die gesetzliche Auskunftspflicht in seine Gewissensfreiheit eingreife. Nach Art. 4 Abs. 1 GG ist die Freiheit des Gewissens unverletzlich. Als Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG ist jede ernste sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte (vgl. BVerwG, U.v. 3.2.1988 – 6 C 3/86 – juris m.w.N.; OVG LSA, U.v. 24.11.2010 – 3 L 91/10 – juris Rn. 28). Es spricht nach Lage der Dinge nichts dafür, dass der Antragsteller in Gewissensnot gerät, wenn er angehalten wird, die geforderten Angaben zu machen. Aus seinem Schreiben vom 9.12.2022 an den Antragsgegner ergibt sich vielmehr, dass er von der Sinnhaftigkeit des Mikrozensus nicht überzeugt ist und die statistischen Ermittlungen für „Quatsch“ hält. Die Mitwirkung am Mikrozensus verbiete sich daher aus Gewissensgründen. Eine ernsthafte Gewissensnot, in die der Antragsteller durch seine Teilnahme am Mikrozensus geraten könnte, hat er damit nicht substantiiert vorgetragen.
31
Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen nach alledem keine Bedenken gegen die Durchführung des Mikrozensus (so auch VG München, B.v. 18.3.2019 – M 30 S 19.657 – juris).
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Die Auskunftspflicht entfällt auch nicht gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 MZG. Danach ist jedes andere auskunftspflichtige Haushaltsmitglied für ein volljähriges Haushaltsmitglied auskunftspflichtig, wenn dieses insbesondere wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht selbst Auskunft geben kann. Dass der Antragsteller wegen einer Krankheit seiner Auskunftspflicht nicht nachkommen kann, hat er nicht substantiiert vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass dies der Fall sein könnte. Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens hat der Antragsteller zwar immer wieder vorgetragen, an verschiedenen Erkrankungen zu leiden und überlastet zu sein, weshalb er die Auskünfte nicht erteilen könne. Allerdings ergibt sich aus den von ihm gefertigten und an den Antragsgegner gerichteten Schreiben, dass er durchaus in der Lage ist, am Rechtsverkehr teilzunehmen. Die von ihm für die Erstellung dieser Schreiben aufgewendete Zeit hätte er ohne Weiteres auch für die Beantwortung der Fragen des Mikrozensus aufwenden können. Weder gegenüber dem Antragsgegner noch gegenüber dem Gericht hat er jedenfalls eine Krankheit, die einer Auskunftserteilung entgegenstehen könnte, substantiiert – etwa durch die Vorlage eines ärztlichen Attests – vorgetragen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller auskunftsfähig ist.
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Da von der Auskunftsfähigkeit des Antragstellers auszugehen ist, war auch die Benennung einer Vertrauensperson zur Auskunftserteilung nach § 13 Abs. 3 Satz 3 MZG nicht möglich; denn nach dieser Vorschrift erlischt die Auskunftspflicht, wenn eine nicht auskunftsfähige Person eine Vertrauensperson benennt, die für sie die erforderlichen Auskünfte erteilt. Gleichwohl hätte der Antragsgegner die Auskunftserteilung durch eine Vertrauensperson akzeptiert. Zwar hat der Antragsteller eine Vertrauensperson benannt, allerdings war diese Person nicht vom Antragsteller zur Auskunftserteilung beauftragt worden. Insoweit hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass die Benennung einer Vertrauensperson gegenüber dem Antragsgegner nur dann möglich ist, wenn zwischen dem Auskunftspflichtigen und der Vertrauensperson ein Einvernehmen bezüglich der Auskunftserteilung durch die Vertrauensperson hergestellt worden ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Im Übrigen gab die vom Antragsteller benannte Person gegenüber dem Antragsgegner telefonisch an, die geforderten Auskünfte auch nicht erteilen zu können.
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Nach alledem ist das Auskunftsverlangen in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids nicht zu beanstanden.
35
bb) Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,- € für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Auskunftspflicht in Nr. 2 des Bescheids vom 14.3.2023 ist voraussichtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. (vgl. auch BayVGH, B.v. 11.11.2004 – 5 CS 04.1547 – juris). Sie beruht auf den Art. 18, 19 Abs. 1 Nr. 2, 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Insbesondere entspricht die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes den Anforderungen des Art. 31 Abs. 2 VwZVG. Der Antragsteller hat im Übrigen nichts vorgetragen, was gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung sprechen könnte.
36
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
37
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.