Titel:
Fortsetzungsfeststellungsklage gegen "Böllerverbot" zum Jahreswechsel 2020/2021 mangels Wiederholungsgefahr erfolglos
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
Leitsätze:
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegen, ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Angesichts der erheblichen Entspannung des pandemischen Geschehens und der stark veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen kann es nicht mehr ernsthaft zweifelhaft sein, dass ein dem "Böllerverbot" zum Jahreswechsel 2020/2021 vergleichbares Verbot der Verwendung pyrotechnischer Gegenstände in Zukunft nicht hinreichend wahrscheinlich ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Allgemeinverfügung zum Gebrauch pyrotechnischer Gegenstände („Böllerverbot“) zum Jahreswechsel 2020/2021, (kein) Fortsetzungsfeststellungsinteresse, (keine) Wiederholungsgefahr, Corona, pyrotechnische Gegenstände, Böllerverbot, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Wiederholungsgefahr, ernstliche Zweifel, maßgeblicher Zeitpunkt
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 09.12.2021 – AN 15 K 20.2922
Fundstelle:
BeckRS 2023, 976
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Fortsetzungsfeststellungklage hinsichtlich einer sicherheitsrechtlichen Allgemeinverfügung, mit der der Beklagte das Mitsichführen außerhalb der Wohnung und das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände zum Jahreswechsel 2020/2021 verboten hatte („Böllerverbot“), weiter.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet, weil sich aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ergeben.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist hier nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers schon als unzulässig abgewiesen, weil es dem Kläger am erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehle. Insbesondere bestehe keine Wiederholungsgefahr, weil nicht abzusehen sei, dass der Beklagte eine vergleichbare Allgemeinverfügung erneut erlassen werde.
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Hiergegen wendet der Kläger ein, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2021 habe eine Wiederholungsgefahr bestanden. Vertreter des Beklagten hätten in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte für den Jahreswechsel 2021/2022 erneut eine vergleichbare Allgemeinverfügung erlassen werde. Dies sei auch deswegen zu erwarten gewesen, weil die pandemiebedingte Auslastung der Intensivstationen zum Jahreswechsel 2021/2022 höher gewesen sei als zum Jahreswechsel 2020/2021. Diese Rüge greift im Ergebnis nicht durch.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegen, ist - worauf der Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 12. April 2022 zu Recht hingewiesen hat - die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. nur Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 257; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 81 jeweils m.w.N.).
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Dies zugrunde gelegt, bestehen jedenfalls zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung keine ernstlichen Zweifel (mehr) an der Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle an einer hinreichenden Wiederholungsgefahr. Ausgehend vom obergerichtlich gefestigten Maßstab einer „hinreichend bestimmte(n) Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut gleichartige Maßnahmen ergehen werden“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2006 - 4 C 12.04 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.629 - juris Rn. 8) kann angesichts der erheblichen Entspannung des pandemischen Geschehens und der stark veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen nicht mehr im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernsthaft zweifelhaft sein, dass ein vergleichbares Verbot der Verwendung pyrotechnischer Gegenstände in Zukunft nicht hinreichend wahrscheinlich ist (so auch SächsOVG, U.v. 21.4.2021 - 3 C 8/20 - juris Rn. 16 für eine Ausgangssperre und OVG Saarl, U.v. 31.3.2022 - 2 C 317/20 - juris Rn. 28 für die Schließung von Fitnessstudios). Hinzukommt, dass das Verwaltungsgericht im Eilverfahren (Beschluss vom 31.12.2020 - AN 15 S 20.02913) entschieden hatte, dass die vom Beklagten herangezogenen Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG neben den Vorschriften des Sprengstoffrechts wohl nicht als Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Verbote in Frage gekommen seien, der Beklagte hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hatte und es deshalb umso unwahrscheinlicher erscheint, dass der Beklagte eine vergleichbare, auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG gestützte Allgemeinverfügung erneut erlassen würde. In diesem Sinne hat sich auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingelassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).