Titel:
Erfolglose Fortsetzungsfeststellungsklage: Maskenpflicht bei einer Versammlung
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
GG Art. 8 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen kann, ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber aufgrund von Auflagen nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist nicht begründet, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer angeordneten Maskenpflicht handelt es sich grundsätzlich um keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Versammlungsrecht, schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit durch Maskenpflicht (im Einzelfall verneint), Versammlung, Versammlungsfreiheit, Maskenpflicht, Auflage, Corona-Pandemie, Modalität
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 03.05.2022 – RO 4 K 20.2820
Fundstelle:
BeckRS 2023, 975
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg wird der Streitwert für beide Instanzen auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihre in erster Instanz erfolglose Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der sie die Rechtswidrigkeit einer versammlungsrechtlichen Beschränkung in Form einer Maskenpflicht bei einer Versammlung am 18. November 2020 feststellen lassen wollen, weiter.
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Ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger zu 2. gerichtsbekannt nicht mehr unter der im Rubrum aufgeführten Adresse wohnt, ist der Antrag jedenfalls unbegründet, weil sich aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) ergeben.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist hier nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) abgewiesen, weil es an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehle. Insbesondere stelle die Anordnung einer Maskenpflicht bei Versammlungen keinen schwerwiegenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Es sei nicht erkennbar, dass die streitgegenständliche Versammlung aufgrund der Maskenpflicht nur in einer Weise durchführbar gewesen sei, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert habe. Der durch die Maskenpflicht bewirkte Grundrechtseingriff betreffe die Versammlungsfreiheit nicht in ihrem Kernbereich. Die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme an der Versammlung sei nicht berührt worden. Auch sei es den Teilnehmern dadurch weiterhin möglich gewesen, ihren Standpunkt zum Thema Corona kundzutun und dafür einzustehen. Die Ansicht der Kläger, dass Kritik an den Corona-Maßnahmen bei gleichzeitiger Pflicht zum Tragen einer Maske nicht geäußert werden könne, teile das Gericht insoweit nicht. Eine wesentliche Erschwerung der Verwirklichung des kommunikativen Anliegens liege in der angeordneten Maskenpflicht nicht. Tiefgreifende Eingriffe in sonstige Grundrechte der Versammlungsteilnehmer, insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, seien mit der Maskenpflicht ebenfalls nicht verbunden gewesen. Die Beklagte habe vor Versammlungsbeginn zugesichert, Ausnahmen für Personen zuzulassen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen könnten.
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Die Kläger wenden hiergegen ein, eine Maskenpflicht begründe nach Auffassung des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen einen schwerwiegenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Der „flächendeckende, im Freien sinnbefreite Einsatz der Maske“ sei „Symbol der Pandemiepolitik“. Angesichts ihrer thematischen Ausrichtung bewirke die Maskenpflicht auf der Versammlung gegen unverhältnismäßige Coronamaßnahmen einen besonders schwerwiegenden Nachteil für die von den Klägern angemeldete Versammlung. Die Auflage zur Maskenpflicht habe die Kläger daran gehindert, die Versammlung in der beabsichtigten Form durchzuführen. Durch das Aufsetzen einer Maske würden Menschen, die sich friedlich körperlich sichtbar gegen die „unverhältnismäßigen Bevormundungen des Staates“ zur Wehr setzen wollen, dazu gebracht, genau das Gegenteil von dem, was ihr Anliegen sei, zu veranschaulichen. Gerade dies zu vermeiden, sei Anliegen der Kläger gewesen. Viele potentielle Versammlungsteilnehmer bei „coronamaßnahmenkritischen“ Demonstration könnten - auch aufgrund innerer Widerstände - keine Maske tragen. Sie gehörten gerade zu dem Kreis derjenigen, die die Kläger für eine Versammlungsteilnahme gewinnen wollten, würden durch die Maskenpflicht aber von der Grundrechtsausübung abgeschreckt. Sie hätten nämlich nur die Wahl, ihre Überzeugung zur Schau zu stellen, indem sie unter Verzicht auf die Demonstrationsteilnahme keine Maske tragen oder mit Maske demonstrieren ohne ihre Überzeugung und Ablehnung gegenüber der Maskenpflicht im Freien unmittelbar zur Schau stellen zu können. Die Maskenpflicht auf Versammlungen im Freien wirke für diese Menschen wie ein Versammlungsverbot.
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Diese Einwände greifen nicht durch.
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Ein schwerwiegender Eingriff in die Versammlungsfreiheit, der ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen kann, ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - grundsätzlich anzunehmen bei einem Versammlungsverbot oder einer Versammlungsauflösung als den schwersten möglichen Beeinträchtigungen der Versammlungsfreiheit (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 37; BayVGH, U.v. 10.7.2018 - 10 BV 17.2405 - juris Rn. 31). Daneben ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung regelmäßig auch dann anzunehmen, wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber aufgrund von Auflagen nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Demgegenüber ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründet, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben.
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Gemessen daran lag in der angeordneten Maskenpflicht auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit der Kläger.
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Die Maskenpflicht ist für sich genommen lediglich mit einem Grundrechtseingriff von geringer Intensität verbunden (allgemein BayVerfGH, E.v. 7.12.2021 - Vf. 60-VII-21 - juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 11.8.2021 - 25 CE 21.2085 - juris Rn. 26; speziell zur Versammlungsfreiheit BayVGH, B.v. 28.1.2022 - 10 CS 22.233 - juris Rn. 30). Etwas andere ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Thema der Versammlung und dem von den Klägern adressierten Teilnehmerkreis.
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Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass eine Maskenpflicht im Einzelfall zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit führen kann. Dies hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab und ist auch bei - wie es die Kläger nennen - „maßnahmenkritischen“ Versammlungen nicht gleichsam automatisch der Fall (vgl. zur Frage, ob eine Maskenpflicht bei Versammlungen, die sich unmittelbar gegen die Maskenpflicht richten, einen besonders schweren Nachteil im Sinne von § 32 Abs. 1 BVerfGG darstellt, BVerfG, B.v. 27.6.2020 - 1 BvQ 74/20 - juris Rn. 3).
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Dass die von der Beklagten angeordnete Maskenpflicht für die Versammlung der Kläger am 18. November 2020 objektiv schwerwiegend in die Versammlungsfreiheit der Kläger gegriffen hat, ist mit dem Zulassungsvorbringen nicht substantiiert dargelegt.
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Eine von der Versammlungsteilnahme erheblich abschreckende Wirkung der Maskenpflicht wird von den Klägern zwar behauptet, aber nicht konkret dargelegt. Nach dem Polizeibericht (abrufbar unter https://bad-abbacher-kurier.de/polizeiberichte-regensburg/13077-versammlung-%E2%80%9Eaufkl%C3%A4rung-zum-thema-corona-fakten%E2%80%9C-in-weiden-i-d-opf) nahmen etwa 200 Personen an der streitgegenständlichen Versammlung teil. Dies bewegt sich im Rahmen der von den Klägern bei der Versammlungsanzeige geschätzten Teilnehmerzahl, so dass zunächst nichts für eine besonders abschreckende Wirkung der angeordneten Maskenpflicht spricht. Konkreteres ist hierzu mit der Zulassungsbegründung nicht vorgetragen.
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Es ist auch nicht substantiiert dargelegt oder sonst erkennbar, dass das kommunikative Anliegen der Versammlung nur (erheblich) eingeschränkt vermittelt hätte werden können. Dass die Binnenkommunikation zwischen den Versammlungsteilnehmen erheblich eingeschränkt gewesen wäre, behaupten die Kläger nicht und liegt angesichts des Umstandes, dass Redner während der Redezeit von der Maskenpflicht befreit waren, fern. Auch eine erhebliche Beschränkung der Außenkommunikation, also die Vermittlung des kommunikativen Anliegens der Versammlung an die Öffentlichkeit, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Maskenpflicht als Mittel der Pandemiebekämpfung umfasst allenfalls einen Teilaspekt des angezeigten Versammlungsthemas („Aufklärung zum Thema Corona - Fakten“). Dass Kritik an der allgemeinen Maskenpflicht nicht oder nicht sinnvoll geäußert hätte werden können, legt der Zulassungsantrag nicht konkret dar. Die Kläger behaupten zwar, dass man mit einer Maske nicht gegen die Maskenpflicht demonstrieren könne, erläutern dies aber nicht näher. Soweit sie andeuten, dass sie ihre Meinung zur Maskenpflicht nicht „unmittelbar zur Anschauung“ bringen könnten, ist davon auszugehen, dass Außenstehende in der Regel ein solches kommunikatives Anliegen sehr wohl auch dann erkennen können, wenn die Versammlungsteilnehmer Masken tragen, zumal die Versammlungsteilnehmer ihre Meinung durch Plakate, Sticker, Parolen, Redebeiträge und anderes zum Ausdruck bringen können und von dieser Möglichkeit regelmäßig auch Gebrauch gemacht haben. Dabei dürfte gerade bei „maßnahmenkritischen“ Versammlungen allgemein bekannt gewesen sein, dass zumindest Teile der Teilnehmer Masken bei Versammlungen nicht aus Akzeptanz, sondern gerade gegen ihre Überzeugung trugen.
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Für die Annahme, dass selbst die Kläger die Maskenpflicht subjektiv nicht als besonders schwerwiegende Beeinträchtigung wahrgenommen haben, spricht schließlich auch der Umstand, dass sie ihren insofern zunächst gestellten Eilantrag für erledigt erklärt hatten, nachdem die Beklagte telefonisch zugesichert hatte, dass die damals in der 8. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vorgesehenen Ausnahmen von der Maskenpflicht gelten würden. Dass die Kläger - unter Verzicht auf eine gerichtliche Eilentscheidung - die Maskenpflicht im Übrigen hingenommen haben, spricht dafür, dass sie selbst nicht davon ausgingen, dass diese die Durchführung ihrer Versammlung oder die Vermittlung ihres kommunikativen Anliegens erheblich oder gar unzumutbar erschweren würde.
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Soweit das Verwaltungsgericht auch eine Wiederholungsgefahr und ein Rehabilitationsinteresse der Kläger verneint hat, enthält das Zulassungsvorbringen keine Ausführungen.
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2. Auch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor.
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Solche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2019 - 10 ZB 18.2455 - juris Rn. 15; B.v. 4.3.2019 - 10 ZB 18.2195 - juris Rn. 17 m.w.N.). Die tatsächliche oder rechtliche Frage, die solche Schwierigkeiten aufwirft, muss dabei entscheidungserheblich sein (Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.7.2022, § 124 Rn. 43 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Soweit die Kläger ausführen, die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Maskenpflicht im Freien werfe tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf, verkennen sie, dass diese Frage lediglich im Rahmen der Begründetheit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage zu erörtern gewesen wäre und deshalb nicht entscheidungserheblich ist, weil die Klage bereits unzulässig ist. Dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufwirft, wird dagegen nicht dargelegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat setzt in versammlungsrechtlichen Streitigkeiten in ständiger Rechtsprechung den vollen Auffangwert an (vgl. zuletzt ausführlich BayVGH, B.v. 5.10.2022 - 10 C 22.1713 - juris).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).