Titel:
Isolierte Zwangsgeldandrohung, Ermessensausübung
Normenketten:
VwZVG Art. 19 Abs. 1,
VwZVG 29 Abs. 1,
VwZVG 36
VwGO § 114
Schlagworte:
Isolierte Zwangsgeldandrohung, Ermessensausübung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 24.08.2022 – M 1 S 22.426
Fundstelle:
BeckRS 2023, 962
Tenor
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. August 2022 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 30. Dezember 2021 hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids angeordnet.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 250 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine Zwangsgeldandrohung, die zur Durchsetzung einer baurechtlichen Auflage erlassen wurde.
2
Sie sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung A…, das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut ist. Die hierzu ergangenen Baugenehmigungen, die die teilweise Nutzung des Gebäudes als Gaststätte umfassen, enthalten u.a. die Auflage, dass die Fenster aller Gaststättenräume während der Öffnungszeiten geschlossen zu halten sind. Die Gaststätte ist verpachtet.
3
Im Juli 2021 wandte sich ein Nachbar an das Landratsamt und teilte u.a. mit, dass des Öfteren während der Öffnungszeiten Türen und Fenster der Gaststätte offen stünden, wodurch sich eine erhebliche Lärm- und Geruchsbelästigung ergebe. Das Landratsamt erinnerte mit Schreiben vom 20. August 2021 unter Hinweis auf die Nachbarbeschwerde die Antragsteller an die Einhaltung der Auflagen.
4
Mit Bescheid vom 30. Dezember 2021 drohte das Landratsamt den Antragstellern ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro (Ziffer 1) für den Fall an, dass entgegen den Auflagen in der Baugenehmigung die Fenster der Gaststättenräume während der Öffnungszeiten nicht vollständig geschlossen gehalten würden. Zur Begründung der Zwangsgeldandrohung wurde ausgeführt, ein Nachbar habe sich im August 2021 darüber beklagt, dass während der Öffnungszeiten der Gaststätte Fenster und Türen geöffnet gewesen seien. Das Landratsamt habe daraufhin die Antragsteller auf die Einhaltung der entsprechenden Auflagen hingewiesen. Bei einer Baukontrolle während der Öffnungszeiten sei nunmehr festgestellt worden, dass die Küchentüre nicht geschlossen gewesen sei. Da die Antragsteller als Bauherrn trotz formloser Aufforderungen ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien, sei die Auflage der Baugenehmigung nunmehr mit einem Zwangsgeld zu bewehren.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen gerichteten Klage abgelehnt. Es könne dahinstehen, ob für den Erlass einer Zwangsgeldandrohung zumindest konkrete Anhaltspunkte für einen gegenwärtigen oder künftigen Verstoß gegen die durchzusetzende Verpflichtung vorliegen müssten, da hier auf Grund der vom Nachbarn mehrfach gegenüber dem Landratsamt geäußerten Beschwerden hinreichender Anlass für die Behörde bestand, die Antragsteller im Wege der Androhung eines Zwangsgeldes auf die Einhaltung der ohnehin bestehenden Verpflichtung hinzuweisen. Die Zwangsgeldandrohung entspreche noch der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Zwar werde der Bescheid auch damit begründet, dass die Antragsteller ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien und bisherige Bemühungen des Antragsgegners fruchtlos geblieben seien, obwohl vom Vorliegen dieser Annahmen nicht zwingend ausgegangen werden könne. Hierin liege jedoch kein Ermessensfehler, da allein die Beschwerden des Nachbarn, dass auch die Fenster geöffnet gewesen seien, für sich genommen ausreichen würden, die Antragsteller im Wege einer Zwangsgeldandrohung nachdrücklich auf ihre Verpflichtung hinzuweisen.
6
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter.
7
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
8
Die von den Antragstellern geltend gemachten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) führen bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu der Änderung der angefochtenen Entscheidung.
9
Die erhobene Klage wird voraussichtlich Erfolg haben. Die Zwangsgeldandrohung ist bei summarischer Prüfung ermessensfehlerhaft.
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Eine vollstreckbare Verpflichtung kann grundsätzlich bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses mit einer Androhung ihrer Vollstreckung durch Zwangsmittel verbunden werden (Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG). Geschieht dies nicht, ist die Behörde nicht gehindert, später eine isolierte Zwangsgeldandrohung zu erlassen, ohne dass sie zu diesem Zeitpunkt einen bereits erfolgten Auflagenverstoß nachweisen müsste (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2010 - 1 CS 10.1389 - juris Rn. 19). Ob die zuständige Behörde das Vollstreckungsverfahren einleitet und welche Maßnahmen sie ergreift, steht in ihrem pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Art. 19 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 VwZVG), das einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (§ 114 Satz 1 VwGO). Das behördlich Ermessen erstreckt sich sowohl auf die Frage, ob überhaupt Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden (Entschließungsermessen), als auch auf die Frage, gegen wen und auf welche Art und Weise (Ausübungsermessen). Dabei ist der Ermessensentscheidung ein zutreffender Sachverhalt zu Grunde zu legen.
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Hier kann die Frage, ob eine isolierte Zwangsgeldandrohung voraussetzt, dass konkrete Anhaltpunkte für einen gegenwärtigen oder künftigen Verstoß gegen die durchzusetzende Auflage vorliegen, offenbleiben, da sich die angegriffene Zwangsgeldandrohung als ermessensfehlerhaft erweist. Das Landratsamt ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass es nach der gegenüber den Antragstellern ausgesprochenen Ermahnung zur Einhaltung der festgesetzten Auflagen erneut zu einem Auflagenverstoß gekommen ist. Hierzu bezog es sich ausweislich der Begründung des Bescheids darauf, es sei im Rahmen der Baukontrolle festgestellt worden, dass die Küchentür während der Öffnungszeiten der Gaststätte nicht geschlossen gewesen sei. Da - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - das Geschlossenhalten der Türen während der Öffnungszeiten nicht beauflagt war, sondern sich die Auflage ausdrücklich nur auf die Fenster bezieht, legt das Landratsamt für die Zwangsgeldandrohung den Antragstellern unzutreffend einen Auflagenverstoß der Antragsteller zur Last, insbesondere geht es dabei zu Unrecht davon aus, dass die Antragsteller trotz der erfolgten schriftlichen Aufforderung ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind. Ob allein die ursprüngliche Nachbarbeschwerde die Zwangsgeldandrohung gerechtfertigt hätte, wofür einiges spricht, ist ohne Belang, da das Landratsamt hierauf seine Ermessenserwägungen nicht gestützt hat. Das Gericht ist nicht befugt, die behördlichen Ermessenserwägungen zu ergänzen bzw. auszutauschen. Zwar können Ermessenserwägungen im Rahmen des laufenden Verfahrens durch die Behörde ergänzt werden (vgl. zu den Grenzen: BayVGH, B.v. 9.11.2021 - 8 CS 21.2166 - juris Rn. 47). Dies ist bislang jedoch nicht erfolgt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m Nr. 1.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung .
13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).