Titel:
Nachbarklage gegen Vorbescheid, Allgemeines Wohngebiet, *******: Bebauungsplan Nr. ****;, (Baugebietsübergreifender) Gebiets(prägungs-)erhaltungsanspruch (verneint);, Grundsätzliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit;, Gebot der Rücksichtnahme (Verletzung verneint);, Bestimmtheit der Bauvorlagen in nachbarrechtlicher Hinsicht
Normenketten:
BauGB § 30
BauNVO 1968 § 4
BauNVO 1968 § 15
BayBO Art. 71
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Vorbescheid, Allgemeines Wohngebiet, *******: Bebauungsplan Nr. ****;, (Baugebietsübergreifender) Gebiets(prägungs-)erhaltungsanspruch (verneint);, Grundsätzliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit;, Gebot der Rücksichtnahme (Verletzung verneint);, Bestimmtheit der Bauvorlagen in nachbarrechtlicher Hinsicht
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9559
Tatbestand
1
Die Kläger begehren die teilweise Aufhebung eines dem Beigeladenen erteilten Vorbescheids zum Neubau eines Vereinshauses mit Seminarräumen und Gebetsraum.
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Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens …str. 9, Fl.Nr. …, Gem. …, welches mit einem Einfamilienhaus bebaut ist (im Folgenden: Nachbargrundstück). Die Ostseite des Nachbargrundstücks wird als Hausgarten genutzt.
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Das unbebaute Vorhabengrundstück …str., Fl.Nr. …, Gem. …, liegt in etwa 40 m entfernt in nord-östlicher Richtung. Die beiden Grundstücke haben keine gemeinsame Grenze.
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Beide Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Beklagten Nr. … – „…, …see-, …-, …- und …straße“ – welcher am 17. Dezember 1975 als Satzung beschlossen und am 20. Dezember 1976 (nach Genehmigung durch die Regierung von Oberbayern) im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht wurde (im Folgenden: Bebauungsplan). Für das Vorhabengrundstück trifft der Bebauungsplan neben einer Bauraumausweisung u.a. die Festsetzungen allgemeines Wohngebiet („WA 2“), zwei Vollgeschosse, GFZ: 0,5 und GRZ: 0,3; für das Nachbargrundstück trifft er u.a. die Festsetzungen allgemeines Wohngebiet („WA 1“), zwei Vollgeschosse, GFZ: 0,25 und GRZ: 0,2. Zwischen dem als „WA 1“ im Südwesten und dem als „WA 2“ in Nordosten bezeichneten Planbereichen befinden sich jeweils durch eine „Perlschnur“ abgetrennte weitere Flächen, welche mit „MK 1“ – „MK 4“ bezeichnet sind.
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Vgl. zur Lage der Grundstücke und ihrer Bebauung anliegenden Lageplan im Maßstab 1 : 1000, der eine Darstellung des Vorhabens enthält (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht):
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Am 30. Oktober 2019 reichte der Beigeladene bei der Beklagten einen Antrag auf Vorbescheid ein (PlanNr. …). Vorgesehen ist ein eingeschossiger, quadratischer Kuppelbau (E + D) mit einer Wandhöhe von +6,40 m (bei einer Gesamthöhe von + 8,56 m) und einer Wandlänge von jeweils 14,10 m. Im Untergeschoss sollen u.a. neben einem Büroraum (23,6 m²) zwei Mehrzweckräume/Seminarräume („Seminar III und IV“, mit jeweils 30,9 m² und mit einer mobilen Trennwand) eingerichtet werden. Im Erdgeschoss sind zwei weitere Seminarräume (Seminar I und II, jeweils 20,7 m², ebenfalls mit einer mobilen Trennwand) und ein Foyer (54,2 m²) vorgesehen. Im Obergeschoss ist ein Gebetssaal (130 m²) geplant. Im Eingangsbereich soll u.a. ein Vorplatz (42,3 m²) mit Brunnenbecken und Sitzgelegenheiten entstehen. Dieser dient laut der „Beschreibung des Vorhabens, Entwurf“ (vom 16. Oktober 2019) als „Treffpunkt“. Weiterhin sind auf dem Vorhabengrundstück drei Pkw-Stellplätze geplant. Neben den Bauzeichnungen wurden u.a. eine Betriebsbeschreibung vom 26. Oktober 2019 sowie ein Schreiben vom 14. Januar 2020, welches „weitere Angaben zu der durchschnittlichen Besucheranzahl sowie zum Einzugsgebiet des Vereins“ enthielt und dem ein Bestuhlungs- bzw. Benutzungsplan (bezeichnet mit „Maximalauslastung“) beigefügt war, eingereicht. Danach beträgt die maximale Auslastung am Wochenende außerhalb der Gebetszeiten 66 Personen und während der Gebetszeiten (Freitagsgebet) maximal 82 Personen. Laut der Betriebsbeschreibung handelt es sich dabei um die Hauptnutzungszeiten. Unter Punkt 4 („Öffnungs- und Betriebszeiten“) der Betriebsbeschreibung findet sich eine mit verschiedenen Farben gekennzeichnete Tabelle, wonach die Räumlichkeiten Montag bis Freitag von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr und an Samstagen und Sonntagen von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet sind. Unter Punkt 5 („Gebet“) wird u.a. ausgeführt, dass der Gebetsraum den Mitgliedern grundsätzlich zur Verrichtung des Gebetes zur Verfügung stehe, wobei die Gebetszeiten je nach Jahreszeit variierten.
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Der Vorbescheid enthielt insgesamt fünf (Haupt-)Fragen. Frage 1 lautete: „Das Grundstück befindet sich in einem WA. Nach Bau NV[O] ist in einem WA ein Gebäude für kirchliche, kulturelle, soziale und sportliche Zwecke zulässig. Ist damit auch ein islamisches Kulturzentrum / Gebetshaus zulässig?“. Frage 2 behandelt die Anzahl der für das Vorhaben erforderlichen Stellplätze.
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Am 26. Mai 2020 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen den begehrten Vorbescheid (nach PlanNr. …). Frage 1 wurde wie folgt beantwortet: „Ja. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO (1968) ist das Vorhaben planungsrechtlich zulässig.“ Unter dem Punkt „Nachbarwürdigung“ wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsverträglichere kleinere Anlagen wie ein Vereinsheim mit Gebetsraum zulässig seien. Durch die beschriebenen Hauptnutzungszeiten zwischen 8:30 Uhr bis 14:30 Uhr würden aus Sicht der Beklagten keine unzumutbaren Lärmbelästigungen ausgelöst, da die Räumlichkeiten laut Betriebsbeschreibung zu den Nachtruhezeiten nicht genutzt würden. Frage 2 wurde verneint. Es sei zweifelhaft, ob der Stellplatzansatz [drei Stellplätze] ausreiche. Mit dem Bauantrag sei daher ein Mobilitätskonzept vorzulegen.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2020, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Kläger für diese Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Sie beantragen,
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Der Vorbescheid der Landeshauptstadt München vom 26.05.2020, Az. …, wird aufgehoben, soweit er in Beantwortung der gestellten Frage 1 das Vorhaben für bauplanungsrechtlich zulässig erklärt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kläger trotz Fehlens eines unmittelbaren Angrenzens des Nachbargrundstücks an das Vorhabengrundstück klagebefugt seien. Es bestehe die Möglichkeit, dass der angefochtene Vorbescheid mit seiner bedingungslosen Bejahung der planungsrechtlichen Zulässigkeit des beantragten Vorhabens Rechte der Kläger verletze. Insbesondere sei die Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen am Anwesen der Kläger nicht ausgeschlossen. Die Klage sei auch begründet. Der Vorbescheid sei unbestimmt. Es sei nicht nur unklar, welche und wie häufig Veranstaltungen im Kulturzentrum stattfänden. Unklar sei auch, zu welchen Zeiten diese Veranstaltungen stattfänden. Das in der Betriebsbeschreibung vom 26. Oktober 2019 verwendete Wort „Hauptnutzungszeiten“ impliziere, dass außerhalb dieser Zeiten auch „Nebennutzungen“ stattfänden. Auch in denjenigen Zeiten, in denen nach Ziffer 4 der Betriebsbeschreibung das Zentrum geschlossen sei, stehe der Gebetsraum den Gläubigen laut der Ziffer 5 der Betriebsbeschreibung zur Verrichtung der Gebete zur Verfügung. Weiterhin verstoße der Vorbescheid gegen den Gebietserhaltungsanspruch. Die Anlage sei nach Art und Umfang nicht gebietsverträglich. Es handele sich um einen relativ großen Gebetsraum, der bis zu 80 Personen aufnehme und den Vereinsmitgliedern quasi „rund um die Uhr“ und vor allem auch zur Nachtzeit zur Verfügung stehen solle. Hinzu komme, dass durch die Nutzung auch ein ganz erheblicher Verkehr in das Wohngebiet hineingetragen werde, da die Anbindung des Standorts an den ÖPNV als schlecht zu bezeichnen sei und bereits heute eine äußerst angespannte Parksituation bestehe.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Betriebszeiten ließen sich aus der vorgelegten Betriebsbeschreibung eindeutig ablesen. Sonstige islamische Gebetszeiten seien nicht relevant. Die Darstellungen in der Betriebsbeschreibung seien hinreichend detailliert um zu beurteilen, dass die Anforderungen von hier beachtlichen (drittschützenden) Vorschriften gewährleistet seien. Das klägerische Grundstück befinde sich nicht im festgesetzten Baugebiet „WA 2“, sodass eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs ausscheide. Inwiefern ein nachbarliches Austauschverhältnis vorliegen solle, sei nicht ersichtlich. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme sei aufgrund der deutlichen Entfernung und der nur tagsüber stattfindenden Nutzung fernliegend. Zudem werde auf das im derzeit noch laufenden Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Schallgutachten verwiesen, das selbst eine Einhaltung der Werte der TA Lärm am unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück …str. 42 belege.
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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
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Die Nutzungszeiten [im gegenwärtig noch laufenden, hier nicht streitgegenständlichem Baugenehmigungsverfahren] seien ausschließlich zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr. Der Beigeladene habe [im gegenwärtig noch laufenden, hier nicht streitgegenständlichem Baugenehmigungsverfahren] bei der Beklagten eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zur Nutzung von 15 Stellplätzen erworben. Die Darstellung der Parkplatzsituation durch die Kläger sei nicht konsistent. Die Klägerin habe ihre freiberufliche Tätigkeit damit beworben, dass sich „ausreichend Parkplätze direkt vor dem Haus“ befänden. Der Hinweis sei zwischenzeitlich von der Homepage entfernt worden. Bei dem Bauvorhaben des Beigeladenen handele sich um eine örtliche kleine Anlage, die keine überregionale Bedeutung habe. Das Vorhaben des Beigeladenen sei nicht rücksichtslos. Ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch sei nicht gegeben, es fehle an der „konzeptionellen Wechselbezüglichkeit“.
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Das Gericht hat am 30. Januar 2023 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Auf die zu den Ergebnissen des Augenscheins gefertigte Niederschrift wird verwiesen.
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Das Gericht hat am selben Tag eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Bevollmächtigte der Kläger u.a. darauf hinwies, dass es sich bei den Gebieten „WA 1“ und „WA 2“ ausweislich der Begründung des Bebauungsplans nicht um unterschiedliche Gebiete handele, sodass ein Gebietserhaltungsanspruch bestehe. Die Betriebsbeschreibung sei hinsichtlich der Öffnungs- und Betriebszeiten nicht hinreichend bestimmt. Insbesondere lasse sich aufgrund der angegebenen Gebetszeiten und der derzeitigen Praxis der Gebete bei Veranstaltungen des Beigeladenen am anderen Standort darauf schließen, dass eine Beschränkung der Betriebszeiten tatsächlich nicht stattfinde. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des (schriftsätzlichen) Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Vorbescheid vom 26. Mai 2020 verletzt, soweit er angefochten wurde, keine im einschlägigen Genehmigungsverfahren nach Art. 71 Satz 4 BayBO i.V.m. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1, Nr. 1 a) BayBO zu prüfende, (auch) die Kläger schützende öffentlich-rechtliche Vorschriften (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Vorbescheid ist, soweit er Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, weder in nachbarrechtlich relevanter Weise unbestimmt, noch verstößt er gegen das Gebot der Rücksichtnahme oder verletzt zulasten der Kläger den Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart.
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1. Nach Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung eines Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erlassen werden. Als feststellender Verwaltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherrn gestellten Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Prüfung sind, fest und entfaltet während seiner regelmäßigen Geltungsdauer von drei Jahren (Art. 71 Satz 2 BayBO) Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren.
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2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung und/oder einen Vorbescheid nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung/der Vorbescheid rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22). Für den Erfolg eines Nachbarrechtsbehelfs genügt es daher nicht, wenn die Baugenehmigung/der Vorbescheid gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren auch keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung/den Vorbescheid drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln, verletzt werden. Hinzu kommt, dass ein Verstoß nur gegen solche Vorschriften in Betracht kommt, zu denen der Vorbescheid rechtliche Aussagen bzw. Feststellungen trifft, weil nur insoweit eine Bindungswirkung für das spätere Baugenehmigungsverfahren eintritt (VG Ansbach, U.v. 26.4.2017 – AN 9 K 16.1416, AN 9 K 16.1417 – BeckRS 2017, 110798, Rn. 17). Denn gegen einen Vorbescheid kann sich der Nachbar nur insoweit wehren, als sich die Baugenehmigungsbehörde hinsichtlich einer Fragestellung, die subjektive Rechte des Nachbarn berührt, bindet, so dass bei der Erteilung der folgenden Baugenehmigung eine nachbarschützenden Normen gerecht werdende Entscheidung nicht mehr möglich ist (BayVGH, B.v. 27.1.2005 – 14 ZB 04.2619 – BeckRS 2005, 15871, Rn. 4).
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3. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist nicht gegeben. Der Vorbescheid ist insbesondere nicht in nachbarrechtlich relevanter Weise unbestimmt.
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3.1. Die Anforderungen an das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 BauNVO) im Einzelnen hängen wesentlich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 53). Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – NVwZ-RR 1997, 516).
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Zwar kann ein Vorbescheid hinsichtlich des Rücksichtnahmegebots nicht hinreichend bestimmt sein, wenn eine sich aufdrängende Immissionskonfliktlage keinen Niederschlag gefunden hat oder nicht mit hinreichender Klarheit bewältigt wurde (vgl. VG Regensburg, U.v. 29.7.2015 – RO 2 K 14.1511 – BeckRS 2015, 54493 zur Baugenehmigung). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann es etwa erforderlich sein, bereits in den (hinsichtlich der Lärmbelastung nicht völlig unproblematischen) Vorbescheid zur Vermeidung eines Rücksichtnahmeverstoßes konkret lärmbezogene Inhalts- oder Nebenbestimmungen aufzunehmen, um eine ggf. weitgehende Bindungswirkung zugunsten des Bauherrn auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1624 – juris Rn. 8 und 14). Denn soweit nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens gefragt wird ist, ist regelmäßig das Rücksichtnahmegebot zwingend zu prüfen. Ein Offenlassen oder ein „Verschieben“ auf das Baugenehmigungsverfahren ist grundsätzlich nicht zulässig (str., vgl. zum Streitstand: BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 46; ebenso: BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1624 – juris Rn. 14).
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Dies gilt aber nur insoweit, als ein endgültig konkretisiertes Vorhaben abschließend bauplanungsrechtlich beurteilt werden soll. Dies ergibt sich durch den Konkretisierungsgrad der beigefügten Pläne und ggf. mittels Auslegung. Da der Inhalt des Vorbescheids durch die gestellten Fragen definiert wird, kann das Rücksichtnahmegebot, das sich aus einzelnen Normen des Bauplanungsrechts ergibt, auch nur dann abschließend beurteilt werden, wenn sich aus den Fragen, dem Antrag und den Unterlagen ergibt, dass die planungsrechtliche Zulässigkeit auch vollständig und abschließend beurteilt werden kann und soll bzw. ob es eben noch einer Konkretisierung bedarf (Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Art. 71 Rn. 50 m.w.N.; vgl. auch: BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 9 ZB 17.1283 – juris, Rn. 8 ff.).
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Wenn das jeweilige Bauvorhaben noch nicht in allen Details konkretisiert wurde, besteht die Möglichkeit, dass ein Vorbescheid über die grundsätzliche Zulässigkeit der Bebauung eines Grundstücks mit einem Vorhaben ergeht, das nur in groben Umrissen nach Art und Umfang bestimmt ist und dessen Ausführung im Einzelnen der Prüfung in einem nachfolgenden Genehmigungsverfahren vorbehalten bleibt (BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 41/84 – juris Ls 1 u. Rn. 13; BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 51; B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1624 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 2.12.2010 – 15 ZB 08.1428 – BayVBl 2011, 271 = juris Rn. 13; OVG NRW, U.v. 14.10.2013 – 2 A 204/12 – juris Ls. 1 u. Rn. 45 ff.; Laser in: Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 5. Auflage 2022, Art. 71 Rn. 17; Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2022, Art. 71 Rn. 103 ff BayBO).
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In nachbarrechtlicher Hinsicht ist bei Abfrage der grundsätzlichen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit zu prüfen, ob das Vorhaben grundsätzlich auch im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme beurteilt werden kann und ob auftretende Fragen im Rahmen der Baugenehmigung grundsätzlich unter Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme gelöst werden können (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 52). Denn es ist – soweit nicht die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens erkennbar in Zweifel steht (BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1623 – juris Rn. 14 f. m.w.N.) – nicht die Aufgabe eines Vorbescheids, sämtliche nachbarrelevanten Auswirkungen des in einem späteren Bauantrag tatsächlich zur Genehmigung anstehenden Bauvorhabens schon jetzt im Detail zu „regeln“ und abschließend sämtliche (hypothetischen) Nebenbestimmungen zum Schutz vor Lärm oder sonstigen befürchteten Belästigungen zu treffen (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 15 ZB 18.947 – BeckRS 2019, 251, Rn. 8).
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3.2. Die Auslegung der angefochtenen Vorbescheidsfrage (unter Zuhilfenahme der Bauvorlagen) ergibt, dass vor Einreichung eines Bauantrags abgeklärt werden sollte, ob das erworbene Grundstück nach Bauplanungsrecht grundsätzlich für die beabsichtigten (Vereins-)Zwecke verwendet werden darf.
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So ist bereits die Fragestellung entsprechend formuliert. Zunächst wird einleitend Bezug genommen auf die Lage des Vorhabengrundstücks in einem „WA“. Im Anschluss werden die nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1968 in einem „WA“ allgemein zulässigen Nutzungsarten aufgezählt und schlussendlich danach gefragt, ob damit auch „ein islamisches Kulturzentrum / Gebetshaus“ zulässig sei. Die Frage zielt im Ergebnis darauf ab, ob das vorgesehene „Vereinshaus mit Seminarräumen und Gebetsraum“ eine kirchliche Anlage i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO (1968) darstellt. Demgemäß lautete die Antwort der Beklagten auf die Vorbescheidsfrage nicht nur schlicht und ohne Einschränkung „ja“. Vielmehr wurde entsprechend der Frage ein Rückbezug auf § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO (1968) hergestellt. Ferner ergibt sich die Beschränkung auch aus den weiteren Bauvorlagen. In der Betriebsbeschreibung – 1. „Hintergrund“ – findet sich neben der (sonst für das Genehmigungsverfahren irrelevanten) Schilderung der Vorgeschichte hinsichtlich des Erwerbs des Grundstücks zu Vereinszwecken auch eine Darstellung der weiteren beabsichtigten Planungen („das vom Vorstand beauftragte Projektteam sieht zahlreiche Möglichkeiten, das Vorhaben […] in das Gebiet zu integrieren…“). Zudem fehlt ein Mobilitätskonzept, diese Thematik wurde ins Baugenehmigungsverfahren verlagert (siehe Frage 2 und deren Beantwortung), ebenso die Bewältigung etwaiger (hier allerdings nicht ersichtlicher, s.u.) Immissionskonflikte.
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3.3. Der Vorbescheid ist nicht in nachbarrechtlich relevanter Weise unbestimmt.
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Ein Nachbar hat keinen materiellen Anspruch darauf, dass dem Bauherrn nur inhaltlich hinreichend bestimmte Baugenehmigungen bzw. Vorbescheide erteilt werden. Nachbarrechte können nur dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung oder des Vorbescheids nicht eindeutig festgestellt werden können und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das genehmigte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.1996 – 2 B 94.1513 – BayVBl. 1997, 405 f.; B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1775 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 25.7.2019 – 1 CS 19.821 – juris Rn. 14; VGH Mannheim, B.v. 23.11.2017 – 3 S 1933/17 – juris Rn. 8). Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich dabei nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.2007 – 4 B 52.07 – juris Rn. 6; OVG Münster, U.v. 6.6.2014 – 2 A 2757/12 – juris Rn. 73; OVG Schleswig, B.v. 11.8.2014 – 1 MB 18.14 – juris Rn. 9; OVG Lüneburg, B.v. 26.1.2012 – 1 ME 226/11 – juris Rn. 22).
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3.3.1. Die Angaben in den Bauvorlagen reichen aus, um die Einhaltung der Nachbarrechte, soweit diese betroffen sein können, d.h., soweit die Bindungswirkung des Vorbescheids reicht, beurteilen zu können. Eine weitergehende Konkretisierung (insbesondere hinsichtlich geplanter Veranstaltungen) war nicht erforderlich.
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Die eingereichten Unterlagen, insbesondere die Betriebsbeschreibung vom 26. Oktober 2019, ergänzt durch das Schreiben vom 14. Januar 2020, enthalten eindeutige Angaben zu Öffnungszeiten und Maximalauslastung. Weiterhin werden die „Vereinsaktivitäten“ (Punkt 2 der Betriebsbeschreibung) hinreichend konkret dargestellt, um das Vorhaben dem Grunde nach bauplanungsrechtlich einordnen zu können.
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Die Nutzung des Gebetsraumes (insbesondere auch während des Freitagsgebets) ist bereits aufgrund der baulichen Verhältnisse auf maximal 82 Personen beschränkt (vgl. Anlage zum Schreiben vom 14. Januar 2020, „Grundriss Obergeschoss“). Die Maximalauslastung am Wochenende außerhalb der Gebetszeiten liegt bei 66 Personen (Anlage zum Schreiben vom 14. Januar 2020). Bei diesen Zeiträumen handelt es sich laut der Betriebsbeschreibung um die Hauptnutzungszeiten (Punkt 4). Während der Nutzung des Gebetsraums wird kein anderer Raum genutzt (Betriebsbeschreibung: „6. Stellplätze“).
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Unter Punkt 4 „Öffnungs- und Betriebszeiten“ der Betriebsbeschreibung ist eine tabellarische Übersicht abgebildet. Nach dieser ist die Einrichtung Montag bis Freitag von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr und an Samstagen und Sonntagen von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Die Einrichtung ist von 20:00 Uhr bis 10:00 Uhr (Montag bis Freitag) bzw. von 20:00 Uhr bis 8:00 Uhr (samstags und sonntags) geschlossen. Außerhalb der Öffnungszeiten findet kein Betrieb statt (vgl. die verwendete Legende: „geschlossen“ und die rote Markierung in der Tabelle). Die eindeutige und übersichtliche Tabelle ist keinen unterschiedlichen Interpretationen zugänglich.
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3.3.2. Sofern die Kläger eine Unbestimmtheit bzw. eine Erweiterung der Öffnungszeiten gegenüber den unter Punkt 4 angegebenen Öffnungszeiten darin sehen, dass unter Punkt 5 der Betriebsbeschreibung („Gebet“) ausgeführt wird, dass der Gebetsraum den Mitgliedern grundsätzlich zur Verrichtung des Gebets zur Verfügung stehe, kann dem nicht gefolgt werden. Aufgrund der unzweifelhaften Festlegung der Zeiten, in denen die Einrichtung geöffnet bzw. geschlossen ist, ist dieser Satz so auszulegen, dass der Gebetsraum den Mitgliedern nur innerhalb dieser Öffnungs- und Betriebszeiten grundsätzlich zur Verrichtung des Gebets zur Verfügung steht.
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Soweit die Kläger rügen, dass unklar sei, ob und wann Nebennutzungen stattfinden, kann auch diese Frage anhand der vorliegenden Tabelle (Punkt 4: „Öffnungund Betriebszeiten“) und der hierzu gegebenen Erläuterung beantwortet werden. Als „Hauptnutzungszeiten“ werden an Wochenenden zwischen 8:00 Uhr und 14:30 Uhr sowie freitags zum sogenannten Freitagsgebet (Sommerzeit 13:30 Uhr bis 14:30 Uhr; Winterzeit 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr) angegeben (in der Tabelle mittelgrün und dunkelgrün). Die übrigen, nicht von diesen „Hauptnutzungszeiten“ umfassten Zeiträume innerhalb der angegebenen Öffnungszeiten sind damit unschwer als „Nebennutzungszeiten“ (in der Tabelle hellgrün) auszumachen. Etwaige Nebennutzungen haben sich innerhalb des feststehenden Rahmens (Öffnungszeiten, Maximalauslastung, Vereinsaktivitäten) zu bewegen.
40
Die Kläger rügen weiterhin, dass unklar sei, ob bzw. wann es unregelmäßige Veranstaltungen gäbe. Eine weitergehende Beschreibung aller Nutzungen des Kulturzentrums war im Rahmen des streitgegenständlichen Vorbescheids jedoch nicht erforderlich, zumal sich alle Nutzungen (Veranstaltung, Projekte etc.) innerhalb des durch die Bauvorlagen hinreichend konkretisierten bzw. festgelegten Rahmens (Öffnungszeiten, Maximalauslastung, Vereinsaktivitäten) bewegen müssen. Sofern der Beigeladene gegenwärtig in seinen derzeitigen Räumen Veranstaltungen anbietet, die über diese Parameter hinausgehen, ist dies keine Frage der Bestimmtheit der Bauvorlagen, sondern des Vollzugs einer etwaigen künftigen Baugenehmigung, sofern der dort gesetzte Rahmen durch die tatsächliche Nutzung überschritten wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb innerhalb des beantragten Rahmens nicht möglich wäre, sind nicht ersichtlich.
41
Soweit die Kläger aus der Angabe in der Betriebsbeschreibung (5. „Gebet“), – „für den Gebetsruf werden keine Lautsprecher nach außen verwendet“ – schließen, dass damit gemeint sei, dass Gebetsrufe stattfinden würden, jedoch ohne technische Verstärkung, erschließt sich dem Gericht diese Auslegung nicht. Die Ausführung ist viel mehr so zu verstehen, dass mit dem (wie auch immer durchgeführten) Gebetsruf keine über das übliche Maß nach außen dringenden Immissionen verbunden sind, da sie sonst in einer Betriebsbeschreibung überflüssig wäre.
42
Die schriftsätzlichen Ausführungen des Bevollmächtigten des Beigeladenen zu abweichenden Öffnungszeiten betreffen offensichtlich das Baugenehmigungsverfahren und sind im Rahmen des streitgegenständlichen Vorbescheids nicht relevant.
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3.4. Die Planungsdichte und damit die Bindungswirkung gehen nicht so weit, als dass im Bedarfsfall im Baugenehmigungsverfahren – soweit überhaupt erforderlich – keine Inhalts- oder Nebenbestimmungen (etwa zum Immissionsschutz) mehr getroffen werden könnten. Im Gegenteil besteht für Auflagen im gegenwärtigen Planungsstadium (noch) kein Raum (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 41.84 – NVwZ 1987, 884 = juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1624 – juris Rn. 15) und aufgrund des damit verbundenen reduzierten Umfangs der Bindungswirkung hinsichtlich des Nachbarschutzes auch kein Bedürfnis. Bei den bisher ausgeklammerten Punkten handelt sich um Detailfragen des Bauvorhabens, welche erst im Rahmen des Baugenehmigungsverfahren geklärt werden können und dürfen. Daran, dass auftretende Fragen im Rahmen der Baugenehmigung grundsätzlich unter Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme gelöst werden können, besteht kein Zweifel (vgl. zur „grundsätzlichen“ Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme im Vorbescheidsverfahren: BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 47), zumal zum gegenwärtigen Planungsstand keine für das Nachbargrundstück unzumutbare Konfliktlage erkennbar ist.
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3.4.1. Die mit dem Vorbescheid als planungsrechtlich zulässig beurteilte Nutzung verstößt aufgrund der durch diese Nutzung zu erwartenden Immissionen nicht gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
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Zunächst ist festzustellen, dass die Frage der Verkehrsbelastung zwar offensichtlich noch nicht abschließend geprüft wurde. Die Ermittlung der Anzahl der für das Vorhaben erforderlichen Stellplätze – und damit ein wesentlicher Teil der mit dem Vorhaben einhergehenden Immissionsbelastung – wurde in das Baugenehmigungsverfahren (Beibringen eines „Mobilitätskonzepts“) verlagert, da hinsichtlich des durch das Vorhaben ausgelösten Verkehrs insoweit noch Konkretisierungsbedarf besteht (vgl. die „Nachbarwürdigung“ in Zusammenschau mit der Antwort zu „Frage 2“).
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Dass der mit dem Vorhaben verbundene Verkehr auch bei Berücksichtigung der Geräuschbelastung grundsätzlich nachbarschaftsverträglich abgewickelt werden kann, steht angesichts der Lage des Grundstücks am vom Geviert abgewandten und zum „… Ring“ zugewandten Rand jedoch außer Frage. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Beeinträchtigungen und Störungen, welche von im Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen (s.u.) ausgehen, regelmäßig von der Umgebungsbebauung hinzunehmen sind (typisierende Betrachtungsweise). Das gilt auch für – hier aufgrund der Beschränkung der Öffnungszeiten auf die Tagzeit nicht einmal inmitten stehenden – Verkehrsgeräusche von Teilnehmern des islamischen Morgengebets (vgl. BVerwG U.v. 27.2.1992 – 4 C 50.89 – NJW 1992, 2170).
47
Für eine durch das Vorhaben ausgelöste bewältigungsbedürftige Immissionskonfliktlage hinsichtlich des Nachbargrundstücks fehlen zudem jegliche Anhaltspunkte. Das klägerische Anwesen befindet sich ca. 40 m Luftlinie von dem Vorhabengrundstück entfernt. Der geräuschträchtige Eingangsbereich des Vorhabens ist zur Straße hin orientiert, so dass das Vorhabengebäude als zusätzlicher Lärmpuffer wirkt. Die Einrichtung hat zudem eine relativ geringe Größe (die Maximalauslastung beträgt laut Betriebsbeschreibung 82 Besucher) und der Betrieb findet ausschließlich zu Tagzeiten statt, die empfindliche und störungsanfällige Nachtruhe ist nicht betroffen. Dass bei Berücksichtigung der Vorgaben der TA-Lärm eine für das Nachbargrundstück unzumutbare Immissionsbelastung entstehen könnte, ist nicht ersichtlich. Die jeweils maßgeblichen Immissionsrichtwerte gelten während des Tages für eine Beurteilungszeit von 16 Stunden (6.4. TA Lärm), wobei die Einrichtung an Werktagen lediglich zehn und an Wochenenden lediglich zwölf Stunden geöffnet ist. Ebenso wenig ist eine besondere Schutzbedürftigkeit oder ungewöhnliche Belastungswirkung zulasten des Nachbargrundstücks erkennbar.
48
Gleichwohl im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens auftretende (Immissions-) Konflikte könnten jedoch ohne Weiteres durch Inhalts- bzw. Nebenbestimmungen gelöst werden (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2010 – 2 ZB 08.3311 – juris Rn. 9). Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens könnten – soweit erforderlich – etwa Auflagen hinsichtlich des Verkehrslärms, des Aufenthalts im Freien, dem Geschlossenhalten der Fenster und / oder dem Untersagen von Musikdarbietungen getroffen werden. Die Bauvorlagen verhalten sich zu diesen Aspekten aufgrund des Planungsstadiums nicht oder nicht abschließend.
49
3.4.2. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist auch bei Berücksichtigung des durch das Vorhaben verursachten Parksuchverkehrs nicht erkennbar.
50
Zunächst erfolgte auch in diesem Punkt bereits keine vollständige Prüfung, vielmehr bleibt die endgültige Klärung („Mobilitätskonzept“) dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. Die im Vorbescheidsantrag gemachten Angaben genügen jedoch, um das Vorhaben auch in diesem Zusammenhang grundsätzlich beurteilen zu können. Aufgrund der Lage des Grundstücks am Rand des Baugebietes und nur wenige Meter entfernt von der Zufahrt zum „… Ring“ ist davon auszugehen, dass Fragen des durch das Vorhaben ausgelösten Verkehrs im Rahmen der Baugenehmigung grundsätzlich unter Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme gelöst werden können.
51
Zwar ist nicht auszuschließen, dass durch das Vorhaben auch Verkehr in die schmalen Seitenstraßen des Gevierts getragen wird. Allerdings ist eine unzumutbare Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks in diesem Punkt bereits gegenwärtig nicht auszumachen. Eine allgemeine Verkehrszunahme – auch ausgelöst von einem benachbarten Bauvorhaben – ist grundsätzlich noch nicht rücksichtslos. Vielmehr muss der An- und Abfahrtsverkehr zu einem künftigen Vorhaben einen Grad annehmen, welcher für einen das Gebot der Rücksichtnahme überschreitenden Konflikt spricht (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 54 m.w.N.). Der durch ein Vorhaben verursachte und diesem zuzurechnende Fahrzeugverkehr kann nur in Ausnahmefällen, wenn insbesondere mangels ausreichender Parkmöglichkeiten (im Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen oder auf dem Vorhabengrundstück) der hierdurch bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist, zu einer Unzumutbarkeit für die betroffenen Nachbarn führen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39). Hierbei muss es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Nachbargrundstücks kommen (BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 18), wobei jedoch ein fehlerhaftes Verhalten von Verkehrsteilnehmern („wildes Parken“) dem Vorhaben nicht angelastet werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 54). Einem solchen Fehlverhalten ist mit Mitteln des Straßenverkehrs- und des Ordnungswidrigkeitenrechts zu begegnen (VG München, B.v. 17.2.2012 – M 8 SN 11.6183 – juris Rn. 66).
52
Auch bei Berücksichtigung der Maximalauslastung und der nur eingeschränkten Möglichkeit, Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück selbst unterzubringen, ist aufgrund des Abstands vom Vorhaben zum Nachbargrundstück sowie aufgrund dessen, dass beide an unterschiedlichen Straßen anliegen, eine unzumutbare Belastung des Nachbargrundstücks nicht erkennbar, zumal sich in fußläufiger Entfernung zum Vorhaben ein öffentlicher (zahlungspflichtiger) Parkplatz befindet.
53
4. Der Vorbescheid verstößt nicht zulasten der Klagepartei gegen den Anspruch auf Gebietserhaltung. Ebenso wenig verletzt das Vorhaben einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (Gebietsprägungs(erhaltungs) anspruch, vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – juris), soweit letzterer überhaupt anzuerkennen ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2012 – 2 ZB 11.2653 – juris; B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 16; B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris, Ls u. Rn. 9 ff.). Die Bauvorlagen sind ausreichend, um die Gebietsverträglichkeit bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise beurteilen zu können.
54
4.1. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zu Gunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Ein Nachbar im Baugebiet soll sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden können, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird (BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 – NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 5). Der Gebietsbewahrungs- oder Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet (§ 9 Satz 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 3 BauNVO) das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch ist eine Folge davon, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die weit reichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer – unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung – das Recht, sich gegen eine „schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen“ (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – BVerwGE 94, 151 = NJW 1994, 1546; BVerwG, U.v. 23.8.1996 – BVerwGE 101, 364 = NVwZ 1997, 384; BayVGH B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 29; B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 16).
55
Ein Gebietserhaltungsanspruch besteht jedoch nicht, wenn sich die betreffenden Grundstücke nicht im selben Baugebiet befinden (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2012 – 2 B 10.788 – juris Rn. 24 m.w.N.). Vereinzelt wird in der Literatur zwar angenommen, dass der planungsrechtliche Nachbarschutz kraft Bundesrechts gleichermaßen im Verhältnis zwischen einem festgesetzten und einem benachbarten festgesetzten, gleichartigen Baugebiet gelten soll (so ohne weitere Begründung: Stock in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 5. Auflage 2022, § 8 Rn. 55). Ein Nachbar‚ dessen Grundstück nicht im jeweiligen Baugebiet liegt‚ hat nach zutreffender Ansicht jedoch grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Baugebiet (vgl. BVerwG‚ B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 19.11.2015 – 1 CS 15.2108 – juris Rn. 4). Dies gilt auch dann, wenn die jeweiligen (unterschiedlichen) Baugebiete im selben Bebauungsplan festgesetzt wurden (BayVGH, U.v. 25.3.2013 – 14 B 12.169 – BeckRS 2013, 54612, Ls. 1 u. Rn. 19). Entscheidend für den Gebietserhaltungsanspruch ist nämlich nicht, ob das Nachbargrundstück und das Baugrundstück im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans liegen, sondern vielmehr, ob die Grundstücke innerhalb desselben Bau- bzw. Plangebiets situiert sind. Selbst im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans, der unterschiedliche Plangebiete festsetzt, scheidet ein gebietsübergreifender Nachbarschutz grundsätzlich aus (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 18 m.w.N.). Denn wenn zwischen den Grundstücken nicht das für ein Plangebiet typische wechselseitige Verhältnis besteht, das die in einem Plangebiet zusammengefassten Grundstücke zu einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft zusammenschließt, fehlt es an dem spezifischen bauplanungsrechtlichen Grund, auf dem der nachbarschützende – von konkreten Beeinträchtigungen unabhängige – Gebietserhaltungsanspruch als Abwehrrecht beruht (BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 – NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 7.2.2020 – 1 CS 19.2392 – juris Rn. 12; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 29 m.w.N.).
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Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Gemeinde mit einer Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgt, auch „Gebietsnachbarn“ einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Die Gemeinde kann – was in der Praxis der A u s n a h m e f a l l bleiben wird – mit einer Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgen, auch „Gebietsnachbarn“ einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Ob einer Baugebietsfestsetzung eine derartige über die Gebietsgrenze hinausreichende drittschützende Wirkung zukommt und damit ausnahmsweise ein „baugebietsübergreifender Gebietsbewahrungsanspruch“ besteht, hängt – wie der Nachbarschutz durch andere Bebauungsplanfestsetzungen – davon ab, ob sich der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lässt (BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – BauR 2013, 934 = BeckRS 2013, 46322, Rn. 5; BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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4.2. Vorhabengrundstück und Nachbargrundstück liegen jedoch weder im selben Baugebiet, noch ist ein Planungswille für einen gebietsübergreifenden Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart erkennbar.
58
4.2.1. Dass es sich bei dem „WA 1“ und dem „WA 2“ um zwei getrennt voneinander zu betrachtende Baugebiete handelt, ergibt sich zunächst anhand der Auslegung der Planzeichnung. Das Vorhabengrundstück liegt im mit „WA 2“ bezeichneten Baugebiet, das Nachbargrundstück dagegen im „WA 1“. Die beiden Baugebiete sind in der Plandarstellung voneinander abgesetzt (sog. „Perlschnur“) und durch die dazwischenliegenden Flächen „MK 1“, „MK 2“ und „MK 3“ räumlich getrennt.
59
Die Baugebiete unterscheiden sich – bis auf die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung – zudem von ihrer städtebaulichen Konzeption her. Das zur … Straße hin orientierte Baugebiet „WA 2“ weist einen großflächigen, über zwei Grundstücke gezogenen Bauraum, sowie eine gegenüber dem „WA 1“ doppelt so hohe Geschossflächenzahl auf. Hier kann (analog zu den Kerngebieten „MK 1“ – „MK 4“ sowie dem Anschlussbebauungsplan Nr. … westlich der …straße) eine gegenüber der rückwärtigen Bebauung deutlich verdichtete Bebauung entstehen. Im „WA 1“ wurde dagegen je Flurstück jeweils ein im Verhältnis kleinerer Bauraum und die hälftige Geschossflächenzahl festgesetzt, um die dort zu verwirklichende Bebauung der bereits nordöstlich des Plangebiets vorhandenen, aufgelockerten Bebauung städtebaulich-strukturell anzupassen.
60
Auch den im Rahmen der Bauleitplanung gefertigten Unterlagen ist die Differenzierung zwischen den beiden Baugebieten zu entnehmen. In der Planbegründung heißt es zwar zunächst allgemein (sprachlich ungenau), dass „der Plan die Grundstücke östlich der …straße und südlich der …straße als allgemeines Wohngebiet ausweise“ (S. 13). Bereits auf S. 14 der Begründung wird jedoch zwischen den Gebieten unterschieden. Dort heißt es, dass zur Abschirmung „des an das Kerngebiet im Norden anschließende Wohngebiet WA 2“ ein Lärmschutzwall festgesetzt werde. Auch im Beschluss des Stadtentwicklungs- und Stadtplanungsausschlusses von 10. Dezember 1975 werden die beiden Wohngebiete „WA 1“ und „WA 2“ im Rahmen der Würdigung der Einwendungen zum Bebauungsplan unabhängig voneinander betrachtet (S. 3 u. 8). Die Unterscheidung ergibt sich ferner aus einem Austausch der Lokalbaukommission mit der Stadtplanung, in dem erörtert worden war, „das nördliche WA“ [„WA 2“] in ein MI umzuwandeln oder an das „MK 1“ anzuschließen (Schreiben vom 23. Juni 1975, S. 3, Entwurf des Baureferats von 29. Juli 1975, Zusatz LBK). Eine planerische Zusammengehörigkeit der Gebiete lässt sich dagegen anhand der Planungsunterlagen nicht belegen.
61
4.2.2. Auch die Absicht der Plangeberin, den Planbetroffenen in den Gebieten „WA 1“ und „WA 2“ einen (wechselseitigen) besonderen Schutz im Sinne eines baugebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs zukommen lassen zu wollen, ist weder aus der Planbegründung selbst, noch aus den weiteren von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zur Planaufstellung entnehmbar.
62
Anlass für die Aufstellung des Bebauungsplans (bzw. die Entwicklung des Bebauungsplans aus dem Bebauungsplan Nr. …) war die Neuordnung der Bebauung bzw. des bestehenden Baurechts (nach der Staffelbauordnung) der „nicht vom Verkehrsausbau“ des Verkehrsknotenpunktes … Ring und Bundesstr. … West „erfassten Flächen“ (Beschluss des Stadtentwicklungs- und Stadtplanungsausschlusses vom 21. Februar 1972, S. 1, vgl. auch: Begründung des Bebauungsplans, S. 12). Die Ausweisung der Plangebiete erfolgte „aufgrund der städtebaulich gewünschten Gesamtkonzeption“, wonach für die der Lärmeinwirkung des Verkehrsknotenpunkts ausgesetzten Gebiete „MK“ und die übrigen Gebiete im Einklang mit der Bebauung in der Umgebung und dem Flächennutzungsplan „WA“ ausgewiesen wurden (Beschluss des Stadtentwicklungs- und Stadtplanungsausschlusses vom 21. Februar 1972, S. 2 und 3, Begründung des Bebauungsplans, S. 12). Die Festsetzung der allgemeinen Wohngebiete erfolgte dementsprechend allein aus städtebaulichen Erwägungen heraus. So war zum einen der Flächennutzungsplan, welcher das gesamte Areal als allgemeines Wohngebiet darstellte, sowie die bereits vorhandene Umgebungsbebauung zu beachten; darüber hinaus war das bereits nach der Staffelbauordnung bestehende Baurecht auszugleichen. Ferner lag dem Bebauungsplan der städtebauliche Gedanke der Abschirmung der schutzbedürftigen Wohnbebauung vor Verkehrslärm zugrunde.
63
Ein Wille der Plangeberin gerichtet auf die Festsetzung der allgemeinen Wohngebiete mit einem besonderen wechselseitigen, funktionalen oder strukturellen Zusammenhang ist dagegen nicht ansatzweise ersichtlich, zumal eine solcher Ausnahmefall von der Plangeberin grundsätzlich deutlich zum Ausdruck gebracht werden müsste. Ein entsprechender Wille lässt sich insbesondere nicht daraus ableiten, dass die Plangeberin nur städtebaulich verträgliche Nutzungen nebeneinander zulassen wollte, denn dieses Ziel hat sie bereits aus Gründen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zu verfolgen (vgl. BayVGH, U.v. 25.3.2013 – 14 B 12.169 – BeckRS 2013, 54612, Ls. 2).
64
4.3. Selbst wenn man – wie die Kläger – jedoch davon ausgehen wollte, dass es sich bei den in dem Bebauungsplan ausgewiesenen Baugebieten „WA 1“ und „WA 2“ nicht um zwei eigenständige, sondern um nur ein allgemeines Wohngebiet handelte und die Planbetroffenen dieses Baugebiets in einem wechselseitigen Verhältnis zu einer Gemeinschaft verbunden wären, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist, wäre ein Anspruch auf Gebietserhaltung nicht verletzt. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1968 sind in allgemeinen Wohngebieten Anlagen für kirchliche Zwecke – und damit auch die hier streitgegenständliche Nutzung – allgemein zulässig. Die schleichende Umwandlung des Baugebiets – etwa in eine Gemengelage – ist durch das Vorhaben daher nicht zu befürchten.
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Auch eine Verletzung des sog. „Gebietsprägungs(erhaltungs) anspruchs“ wäre, wenn man nur ein einheitliches Baugebiet annehmen wollte, nicht ersichtlich, so dass vorliegend offenbleiben kann, ob ein solcher Gebietsprägungserhaltungsanspruch grundsätzlich anzuerkennen ist (vgl. zum Streitstand: BayVGH, U.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9 ff; B.v. 4.3.2021 – 15 ZB 20.3151 – juris Rn. 16 – jeweils offengelassen).
66
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Aus den Ausführungen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2002 (4 B 86.01 – NVwZ 2002, 1384 f.) zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist teilweise der Schluss gezogen worden, das Bauplanungsrecht beinhalte auch einen „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“, wonach ein Vorhaben, das im konkreten Baugebiet hinsichtlich der Nutzungsart an sich entweder allgemein oder ausnahmsweise zulässig ist, gleichwohl als gebietsunverträglich vom Nachbarn im Plangebiet abgewehrt werden können soll, wenn es der allgemeinen Zweckbestimmung des maßgeblichen Baugebietstyps widerspreche, wenn es also – bezogen auf den Gebietscharakter des Baugebietes, in dem es verwirklicht werden soll – aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirke und deswegen gebietsunverträglich sei (vgl. BayVGH, U.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9). Hierfür müsste ein Umschlagen von Quantität in Qualität die Art der baulichen Nutzung derart erfassen oder berühren, dass bei typisierender Betrachtung im Ergebnis ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets angenommen werden müsste (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10; B.v. 4.3.2021 – 15 ZB 20.3151 – juris Rn. 16 m.w.N.; B.v. 5.11.2019 – 9 CS 1767 – juris Rn. 15; B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.466 – juris Rn. 8). Dies ist jedoch nur unter strengen Voraussetzungen der Fall (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10). Der Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung im Einklang steht, genügt dafür nicht (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10 m.w.N.).
67
Es ist nicht ersichtlich, wie die abgefragte Nutzung bei einer typisierenden Betrachtungsweise störend wirken könnte bzw. dass sie der Zweckbestimmung des Gebiets widerspricht. Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO sind – neben der Hauptnutzungsart Wohnen – bestimmte Anlagen und Betriebe ebenfalls allgemein zulässig und verleihen dem allgemeinen Wohngebiet in Verbindung mit den Wohngebäuden sein charakteristisches Gepräge (Stock in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 5. Auflage 2022, § 4 Rn. 5). Eine etwaige Gebietsunverträglichkeit eines im allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässigen islamischen Gebetshauses könnte sich daher allenfalls aufgrund der Durchführung mehrmaliger täglicher Gebete und dem damit verbundenen Verkehrsaufkommen ergeben (vgl. Vietmeier in: Bönker/Bischopink, Baunutzungsverordnung, 2. Auflage 2018, § 4 Rn. 38). Allerdings gelten die mit der bestimmungsgemäßen Benutzung einer Anlage für kirchliche Zwecke üblicherweise verbundenen Störungen grundsätzlich als sozialadäquate Begleiterscheinung, dies gilt insbesondere für die verfassungsrechtlich besonders geschützten Kulthandlungen sowie die Verkehrsgeräusche von deren Teilnehmern (vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 5. Auflage 2022, § 4 Rn. 48 m.w.N.).
68
Vorliegend ist aufgrund der auf die Tagzeit beschränkten Betriebszeiten kein gebietsunverträglicher, insbesondere nächtlicher Besucherverkehr zu besorgen. Ferner bleibt auch bei Zulassung der Nutzung der Wohncharakter des Gebiets klar erkennbar. Der abgefragten Nutzung kommt aufgrund ihrer geringen Größe und ihres Umfangs (max. 82 Gebetsplätze, Betrieb nur tagsüber) kein solches Gewicht zu, dass sie die Prägung des Baugebiets derart beeinträchtigen könnte, dass bei Verwirklichung des Vorhabens die Baugebietseinstufung „WA“ – bei der bei Annahme eines wechselseitigen Austauschverhältnisses gebotenen Gesamtbetrachtung der Gebiete „WA 1“ und „WA 2“ – nicht mehr sicher wäre.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 S. 2 VwGO.
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Es entspricht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
71
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.