Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 25.01.2023 – B 10 K 21.754
Titel:

Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes, Zuverlässigkeit, rechtskräftige Verurteilung, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Normenketten:
ProstSchG § 12 Abs. 1 S. 1
ProstSch § 14 Abs. 1 Nr. 2
ProstSchG § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c
StGB § 266a Abs. 1
Leitsatz:
Wer innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung rechtskräftig wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt worden ist, besitzt die erforderliche Zuverlässigkeit zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes in der Regel nicht.
Schlagworte:
Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes, Zuverlässigkeit, rechtskräftige Verurteilung, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9440

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung einer Erlaubnis nach dem Gesetz zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz – ProstSchG).
2
Der Kläger beantragte am 09.10.2020 die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes im Anwesen …, … Im Antragsformular wurde unter anderem die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. Abweisung eines Eröffnungsantrags mangels Masse innerhalb der letzten fünf Jahre bejaht, da durch Beschluss des Amtsgerichts … vom 27.11.2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit am 27.11.2019 um 12.00 Uhr eröffnet wurde (Beklagtenakte, Bl. 59 ff.). Abgefragte anhängige Strafverfahren, anhängige Bußgeldverfahren aufgrund von Ordnungswidrigkeiten bei einer gewerblichen Tätigkeit und rechtskräftige Verurteilungen innerhalb der letzten fünf Jahre wurden vom Kläger verneint. Das Antragsformular enthielt zudem die Erklärung, dass die Angaben vollständig und richtig sind und belehrte darüber, dass unrichtige Angaben geeignet sind, Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit zu begründen und gegebenenfalls zur Versagung der beantragten Erlaubnis führen können. Der Kläger bestätigte dies durch seine Unterschrift (Beklagtenakte, Bl. 40 ff.). Im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung holte die Beklagte gemäß § 15 Abs. 2 ProstSchG weitere Erkundigungen über den Kläger ein. Das Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde nach § 30 Abs. 5, § 32 Abs. 4 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) vom 13.10.2020 enthielt folgende Eintragung:
Datum der Entscheidung: 16.06.2020
Erkennende Stelle: AG … (…)
Aktenzeichen: …
Datum der Rechtskraft: 04.07.2020
Datum der (letzten) Tat: 26.06.2019
Tatbezeichnung: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 9 Fällen Angewandte Vorschriften: StGB § 53, 266a Abs. 1
Verhängte Strafe: 50 Tagessätze zu je 30,00 EUR Geldstrafe
3
Die Kriminalpolizeiinspektion … übermittelte mit Schreiben vom 16.10.2020 Auskünfte aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei (IGVP) an die Beklagte und verwies im Übrigen auf weitere Erkenntnisse der Kriminalpolizeiinspektion … Aus den übermittelten Unterlagen ergaben sich in Bezug auf den Kläger nachfolgende Anzeigen mit Tatzeiten zwischen 30.04.2011 bis 23.04.2020:
- Vermögen – Wirtschaftskriminalität, Subventionsbetrug (Der Vorgang war noch in Bearbeitung. Über das zu erwartende Strafmaß konnte vom Sachbearbeiter keine Prognose abgegeben werden).
- Gewalt – gegen Personen, Beleidigung (ohne sexuelle Grundlage) (Verfahrensausgang: Einstellung mangels öffentlichen Interesses – Verweis auf Privatklageweg).
- Körperverletzung – vorsätzlich, Räuberische Erpressung, Bedrohung, Beleidigung (ohne sexuelle Grundlage) (Verfahrensausgang: Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)).
- Gewalt – Häusliche Gewalt, Körperverletzung – vorsätzlich (kein Strafantrag),
- Gewalt – Häusliche Gewalt, Nachstellung – unter Verwendung von Telekommunikations- oder sonstigen Mitteln, Beleidigung (ohne sexuelle Grundlage), Prostitution (Verfahrensausgang: Einstellung mangels öffentlichen Interesses – Verweis auf Privatklageweg).
4
Die Kriminalpolizeiinspektion … teilte mit E-Mail vom 23.10.2020 mit, dass der Kläger seit 2017 eine Wohnung im Stadtgebiet … mit mehreren Zimmern, die an Prostituierte vermietet würden, betreibe. Bis auf einen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz im März 2020 sei es zu keinen weiteren Verstößen gekommen. Für die Rotlichtsachbearbeiter sei der Kläger in der Regel erreichbar bzw. melde sich nach Aufforderung. Weitere Hinweise zur Person lägen nicht vor.
5
Mit Schreiben vom 02.11.2020 hörte die Beklagte den Kläger gemäß Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) förmlich zu der beabsichtigten Ablehnung des Antrages vom 09.10.2020 an. Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 20.11.2020 schriftlich zu der geplanten Maßnahme Stellung zu nehmen oder alternativ vor Erlass eines kostenpflichtigen Bescheids seinen Antrag vom 09.10.2020 kostenfrei zurückzunehmen (Beklagtenakte, Bl. 97 f.). Laut Postzustellungsurkunde wurde dem Kläger das Schreiben am 04.11.2020 zugestellt (Beklagtenakte, Bl. 99 f.).
6
Mit Schreiben vom 12.11.2020 zeigte der Klägerbevollmächtigte gegenüber der Beklagten die Vertretung des Klägers an.
7
Mit E-Mail vom 17.11.2020 übersandte der Kläger die am 11.11.2020 vom Finanzamt … ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung (Gültigkeit von einem Jahr nach Erteilung), laut welcher keine steuerlichen Bedenken gegen den Kläger bestehen (Beklagtenakte, Bl. 104).
8
Mit Schriftsatz vom 16.03.2021 nahm der Klägerbevollmächtigte zur beabsichtigten Ablehnung des Antrages vom 09.10.2020 Stellung.
9
Mit Bescheid vom 28.04.2021 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes im Anwesen …, …, ab (Ziff. 1). Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziff. 2). Für den Bescheid wurde eine Gebühr in Höhe von 841,00 EUR festgesetzt. Die Auslagen betragen 2,63 EUR. Aufgrund dieses Bescheides ist noch keine Zahlung zu leisten. Es ergeht eine gesonderte Zahlungsaufforderung. Die Kostenrechnung des Kämmereiamtes (Steuerabteilung) ist abzuwarten (Ziff. 3).
10
Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Rechtsgrundlage für die Ablehnung der beantragten Erlaubnis § 14 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 12 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG sei. Demnach sei die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen würden, dass die antragstellende Person nicht die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG besitze die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung wegen u.a. Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt rechtskräftig verurteilt worden sei. Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Kläger sei mit Urteil des AG … vom 16.06.2020 zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Bei der begangenen Tat handele es sich um Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in neun Fällen, was explizit in § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG gelistet sei. Das letztendliche Strafmaß besitze für die Feststellung der Unzuverlässigkeit in diesem Fall keine ausschlaggebende Relevanz, sodass jede Verurteilung in dieser Sache, unabhängig vom Strafmaß, allein wegen des nachgewiesenen, begangenen Verstoßes an sich die Unzuverlässigkeit begründen könne. Der Gesetzgeber habe in § 15 Abs. 1 ProstSchG Regelbeispiele geschaffen, bei deren Vorliegen die Zuverlässigkeit regelmäßig ausscheide. Die Intention des Gesetzgebers, dass das Vorliegen einer dieser Ausschlussgründe und gleichzeitig ein ordnungsgemäßes Führen eines Prostitutionsgewerbes unvereinbar seien, begründe sich vor allem aus der besonderen Schutzwirkung des ProstSchG für die zu schützende vulnerable Zielgruppe. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, weshalb trotz der aufgrund der Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in neun Fällen erfüllten Regelvoraussetzung dennoch in diesem Einzelfall ausnahmsweise die Zuverlässigkeit für das Führen des gegenständlichen Prostitutionsgewerbes vorliegen solle. Hinzu komme, dass die Tat nicht etwa bereits mehrere Jahre zurückliege, sondern die rechtskräftige Verurteilung vielmehr kurz vor Antragstellung erfolgt sei. Dem Vorbringen der Kanzlei vom 16.03.2021 könne nicht gefolgt werden. Etwaige Hintergründe und/oder die Entstehung der Verurteilung seien grundsätzlich nicht Prüfungsbestandteil im behördlichen Erlaubnisverfahren. Im vorliegenden Fall seien weder gewichtige Anhaltspunkte für eine etwaige Unrichtigkeit strafgerichtlicher Tatsachenfeststellungen ersichtlich noch vorgetragen. Es komme lediglich auf die tatsächlich erfolgte rechtskräftige Verurteilung an. Darüber hinaus sei die Verurteilung außerdem im Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde nach § 30 Abs. 5, 32 Abs. 4 BZRG nachweislich eingetragen. Auch könne der Gesetzesbegründung nicht wie angeführt ein „Vorstrafenerfordernis“ zur Beurteilung der Unzuverlässigkeit entnommen werden. Der hier rechtskräftige Strafbefehl in Höhe von 50 Tagessätzen sei gemäß § 410 Abs. 3 StPO einer strafrechtlichen Verurteilung gleichgestellt. Hinzu komme der Rückgriff auf den allgemeinen gewerberechtlichen Zuverlässigkeitsbegriff. Danach sei ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür biete, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben werde. Neben der für sich genommen schon für die Feststellung der Unzuverlässigkeit ausreichenden Verurteilung kämen auch die Falschangaben im Antrag auf Erlaubniserteilung vom 09.10.2020 hinzu, in dem angegeben worden sei, dass weder Strafverfahren anhängig noch eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt seien. Der Antragsvordruck der Stadt … enthalte den ausdrücklichen Hinweis, dass unrichtige Angaben Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit zu begründen imstande seien. Dies falle einzelnen betrachtet zwar nicht ausschlaggebend ins Gewicht, in der Gesamtschau biete der Betroffene aber nicht die Gewähr dafür, dass er das beantragte Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben werde. Aufgrund der festgestellten Unzuverlässigkeit des Klägers sei die Erlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 ProstSchG zu versagen. Der Beklagten stehe kein Ermessen zu, sie sei rechtlich an die im Gesetz vorgesehene Rechtsfolge, die Versagung der Erlaubnis, gebunden. Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 1, 2, 5, 6, 8 und 10 Kostengesetz (KG).
11
Der Bescheid vom 28.04.2021 wurde dem Klägerbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 06.05.2021 zugestellt (Beklagtenakte, Bl. 143).
12
Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 03.06.2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am 04.06.2021, Klage erheben lassen. Er hat zuletzt beantragt,
Der zum Aktenzeichen … ergangene Bescheid der Stadt … vom 28.04.2021 wird aufgehoben.
Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte im Anwesen …, …, zu erteilen.
Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
13
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass der Bescheid vom 28.04.2021 rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Indem die Beklagte pauschal auf die fehlende Zuverlässigkeit des Klägers im Jahr 2020 hinweise, verkenne sie die nunmehr vorliegende Zuverlässigkeit des Klägers und die damit einhergehende Legalität des Vorhabens. Der Kläger Weise keine Eintragungen im europäischen Führungszeugnis, griechischem Strafregister oder dem Gewerbezentralregister auf. Einzig ein Eintrag im nicht öffentlichen Führungszeugnis vom Juni 2020 sei zu vermerken. Die Zuverlässigkeit zum Zeitpunkt der Eintragung sei nur gering beeinflusst gewesen. Seitdem habe es keine neuen Vorfälle gegeben, stattdessen sei der Kläger zu einem gewissenhaften und zuverlässigen Arbeitgeber herangereift. Der Kläger habe für die Zukunft ein System entwickelt, um Vorkommnisse wie das Vorenthalten und die Veruntreuung von Arbeitsentgelt zu verhindern. Er dokumentiere Zahlungen an die Arbeitnehmerinnen in elektronischer Form. Zudem führe er eine tagesaktuelle Liste der anwesenden und arbeitenden Prostituierten sowie Aufzeichnungen über die im Betrieb getätigten Zahlungen von Prostituierten. Der Kläger sei zudem während der Öffnungszeiten telefonisch erreichbar und erscheine innerhalb von 30 Minuten im Betrieb, sofern seine Anwesenheit erforderlich sei. Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass es sich bei sämtlichen Prostituierten um selbstständige Dienstleisterinnen handele, für die der Kläger nicht verpflichtet sei, Sozialabgaben zu zahlen. Eine Anstellung von Angestellten sei auch nicht geplant. Für den Fall, dass tatsächlich Angestellte beschäftigt werden sollten, stelle der Kläger nunmehr über ein System sicher, dass Sozialabgaben gezahlt würden. Hierzu würde der Kläger jeweils eine Personalakte unter regelmäßiger Eintragung der Sozialabgaben führen. Sollten Unklarheiten auftreten, werde sich der Kläger bei einer sachkundigen Person informieren. Zudem werde der Kläger in den folgenden zwei Jahren in regelmäßigen Abständen von drei Monaten bei der zuständigen Sozialversicherung nachfragen, ob die Beträge tatsächlich eingehen würden. Bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit werde der Kläger sein Gewerbe im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs aufgeben. Die beeinträchtigte Zuverlässigkeit sei deshalb wiederhergestellt, weil beim Kläger ein Reifeprozess erkennbar sei. Die Vermutung eines zukünftigen Fehlverhaltens sei widerlegt. Hinzu komme, dass das Vorbringen des Klägers im Antrag auf Erlaubniserteilung vom 09.10.2020, eine Eintragung im Führungszeugnis läge nicht vor, allein dem Umstand geschuldet sei, dass nach § 32 BZRG eine Eintragung bei einer Strafbefehlshöhe von 50 Tagessätzen nicht stattfinde. Ihm sei schlicht nicht bekannt gewesen, dass dieser Eintrag im erweiterten Führungszeugnis erscheine. Denn gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a BZRG würden Verurteilungen, durch die auf Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen erkannt worden sei, nicht in das Führungszeugnis aufgenommen, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen sei. Dem Willen des Gesetzgebers nach sollen Verurteilungen von weniger als 90 Tagessätzen nicht dazu führen, dass die berufliche Zukunft eines Verurteilten nachhaltig geschädigt werde. Der Gesetzgeber habe die Grenze in dem Bewusstsein festgelegt, dass unterhalb dieser Grenze liegenden Verurteilungen Sachverhalte zugrunde lägen, welche nicht geeignet seien, wirtschaftlich oder gesellschaftlich wesentlich relevantes Strafverhalten zuzuschreiben. Auch deshalb würden Verurteilte mit unter 90 Tagessätzen als nicht vorbestraft gelten. Der Kläger sei weder vorbestraft noch habe er damit rechnen dürfen, dass seine Verurteilung in das Führungszeugnis aufgenommen werde. Es läge beim Kläger ebenfalls keine langanhaltende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit vor und eine solche sei auch nicht absehbar. Die im Jahre 2020 angehäuften Schulden seien einmalig durch Geldnot verursachte Versäumnisse, die sich keineswegs wiederholen würden. Mitnichten habe der Kläger die mit der Führung eines selbstständigen Gewerbes verbundenen Pflichten in grober Weise vernachlässigt. Das notwendige Vertrauen in die Redlichkeit des Geschäftsgebarens sei endgültig wiederhergestellt. Es handele sich bei dem Tatbestand der Veruntreuung von Arbeitsentgelten um einen typischen Fall der Risikoverlagerung, wie er im Insolvenzverfahren immer wieder auftrete. Der Kläger habe damals Aufträge erhalten, ohne die entsprechenden Sicherheiten, dass diese auch gezahlt würden. Um diese Aufträge zu bedienen, habe er Fahrer stellen und Fahrzeuge leasen müssen. Als er dann von heute auf morgen durch seine Auftraggeber im Stich gelassen worden sei, habe er die fälligen Zahlungen nicht mehr kurzfristig bedienen können. Kurz vor der Insolvenzbeantragung geleistete Zahlungen seien durch die Anfechtung des Insolvenzverwalters noch zurückgeholt worden. Hierauf habe der Kläger keinen Einfluss mehr gehabt. Die Gesamtschadenssumme von 4.000 EUR stelle keinen erheblichen sozialversicherungsrechtlichen Betrug dar. Dies hätten auch die Staatsanwaltschaft und das Gericht so gesehen und das Verfahren sei daher mit einem Strafbefehl beendet worden. Mittlerweile lägen auch wieder Unbedenklichkeitsbescheinigungen vor. Es liege eine Einschränkung von Grundrechten, insbesondere Art. 12 Grundgesetz (GG), vor. Die Vermietung von Wohnungen zu Prostitutionszwecken sei eine erlaubte Tätigkeit im Sinne des Art. 12 GG. Die nunmehr untersagte Ausübung der erlaubten Tätigkeit stelle eine nicht hinnehmbare Einschränkung der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit dar. Nach der Drei-Stufen-Theorie müssten im Fall einer subjektiven Zulassungsbeschränkung wichtige Gründe des Allgemeinwohls vorliegen, um den Eingriff verhältnismäßig erscheinen zu lassen. Der Gesetzgeber habe im Rahmen seiner Begründung keine genaueren Angaben dazu gemacht, was genau unter einer rechtskräftigen Verurteilung zu verstehen sei. Unstreitig sei der Kläger bislang in keiner Weise negativ im Bereich Prostitution, organisierte Kriminalität, Gewaltdelikte, Zuhälterei o. ä. milieubedingte Straftaten aufgefallen. Der Gesetzgeber gehe im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung nur von Regelbeispielen aus, nicht aber von einer gebundenen Entscheidung. Auch bei Vorliegen sonstiger Erkenntnisse sei im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich Zweifel an der Zuverlässigkeit ergeben. Die Behörde habe in ihrer Begründung lediglich darauf abgestellt, dass es sich um eine gebundene Entscheidung handele. Im vorliegenden Fall komme man aber zu dem Ergebnis, dass aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls auch im Hinblick auf die Verurteilung keine Zweifel an der Zuverlässigkeit bezüglich des Betriebs eines Prostitutionsgewerbes gegeben seien.
14
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat mit Beschluss vom 21.06.2021 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen.
15
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.07.2021 beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
16
Zur Begründung trug die Beklagte vor, die Versagung der Erlaubnis sei rechtmäßig. Der Antrag vom 09.10.2020 sei zutreffend abgelehnt worden, da der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Der Ablehnungsbescheid sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Es werde vollumfänglich auf die ausführlichen Darstellungen im gegenständlichen Bescheid verwiesen. Darüber hinaus sei der Richtigkeit halber festzustellen, dass die dem Antrag auf Erlaubnis beizufügenden erforderlichen Unterlagen gemäß § 12 Abs. 5 ProstSchG nicht allesamt bereits im Rahmen der Antragstellung am 09.10.2020 vorgelegt worden seien. Eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung habe der Kläger insbesondere erst nach Zugang des Anhörungsschreibens zur beabsichtigten Ablehnung der Erlaubnis vorgelegt. Der Kläger sei mit Anhörungsschreibens vom 02.11.2020, zugestellt am 04.11.2020, förmlich zur beabsichtigten Ablehnung angehört worden und ihm sei Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.11.2020 eingeräumt worden. Als Begründung für die Ablehnung seien insbesondere die festgestellte Eintragung im Führungszeugnis, somit die Verurteilung des Klägers wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt, was gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 ProstSchG regelmäßig zu Unzuverlässigkeit des Antragstellers führe, und die zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegte steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgetragen worden. Es sei nicht ersichtlich, wie bei einer festgestellten Unzuverlässigkeit des Klägers im Jahr 2020 nunmehr im Jahr 2021, und damit lediglich ein Jahr später, Zuverlässigkeit vorliegen solle. Der Verweis der Klägerseite auf ein Europäisches Führungszeugnis, das griechische Strafregister oder das Gewerbezentralregister, welche jeweils keine Eintragungen enthalten würden, gehe fehl, da in dem gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung einzuholenden und auch eingeholten Führungszeugnis für Behörden nach § 30 Abs. 5, 32 Abs. 4 BZRG vom 13.10.2020 die erwähnte Verurteilung eingetragen sei. Dies werde auch seitens des klägerischen Anwalts nicht geleugnet. Der Vortrag, die Zuverlässigkeit sei zum Zeitpunkt der Eintragung nur gering beeinflusst gewesen, der angeblich stattgefundene Reifeprozess des Klägers sowie das entwickelte System zur Vermeidung künftiger Verstöße würden zur Kenntnis genommen, seien allerdings aus Sicht der Beklagten nicht imstande, die Annahme, der Kläger besitze nicht die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit, zu widerlegen, sondern seien vielmehr als Schutzbehauptung zu werten. Auch die Ausführungen, der Antragsteller beabsichtige, in dem hier gegenständlichen Gewerbe keine Arbeitnehmer anzustellen und könne diesen daher auch kein Arbeitsentgelt vorenthalten, sei nicht geeignet, die festgestellte Einschätzung zu widerlegen. Ausweislich des dem der Beklagten vorgelegten Betriebskonzepts sollen Mitarbeiter angestellt werden. Außerdem trage allein die Tatsache der im Bundeszentralregister eingetragen Verurteilung die Annahme der Unzuverlässigkeit. Auch wenn bei geplanter Nichtbeschäftigung von Mitarbeitern in diesem Gewerbe die Gefahr des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt dann nicht mehr bestünde, lasse die Verurteilung eine Neigung zu Verhaltensweisen erkennen, die der Gesetzgeber als Straftaten einstuft, und ebenso eine mangelnde Bereitschaft, sich vom darin liegenden sozial-ethischen Unwerturteil beeindrucken zu lassen. Bereits eine einzige gewerbebezogene Straftat könne die Ablehnung der Erlaubnis stützen. Der Vortrag, der Kläger habe von der Eintragung im Führungszeugnis nichts wissen können, ändere nichts an der Tatsache, dass der Kläger im Antragsformular auf Erteilung der Erlaubnis per Unterschrift bestätigt habe, dass innerhalb der letzten fünf Jahre keine rechtskräftigen Verurteilungen erfolgt seien. Außerdem sei die Feststellung der Unzuverlässigkeit verschuldensunabhängig zu beurteilen. Es sei festzustellen, dass es sich bei der Versagung der Erlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG faktisch um eine gebundene Entscheidung handele, die Beklagte daher hier zu Recht nach Bestätigung des Tatbestands die zwingende Rechtsfolge, die Versagung der Erlaubnis, erlassen habe. Die Versagung sei geeignet, den Kläger, dessen Person betreffend Tatsachen die Annahme rechtfertigen würden, dass er die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze, vom Betrieb einer Prostitutionsstätte auszuschließen und darüber hinaus erforderlich, da mildere Mittel, insbesondere die Erteilung der Erlaubnis unter Auflagen, nicht gleich geeignet seien, unzuverlässige Personen vom Betrieb eines solchen Gewerbes fernzuhalten. Letztlich sei die Versagung auch angemessen, da die mit dieser verfolgten Interessen der Allgemeinheit, der Schutz der potentiellen Beschäftigten des Klägers und der Schutz vor allem der vulnerablen im Prostitutionsgewerbe tätigen Personen das Interesse des Klägers an der Ausübung des beantragten Gewerbes überwiegen würden. Hinzu komme, dass der Kläger in … bereits eine Prostitutionsstätte betreibe. Es sei somit schlichtweg falsch, dass der Kläger bislang nicht im Prostitutionsbereich tätig gewesen sei. Die damaligen Ermittlungen der Beklagten hätten ergeben, dass der Kläger gar keine Erlaubnis für den Betrieb der Prostitutionsstätte in … besessen habe, da die Erteilung mangels Aussicht auf Erhalt einer Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderung abgelehnt worden sei. Das Betreiben eines Gewerbes ohne Erlaubnis sei erneut ein Indiz für eine Ignoranz gegenüber gewerbebezogenen Vorschriften und für die fehlende Reifung des Klägers. Zudem seien hygienische sowie technische Mängel der Prostitutionsstelle festgestellt worden und außerdem ein Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz (Betrieb der Prostitutionsstätte trotz Verbots währender Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie stelle einen Vorschriftenverstoß dar, der erhebliche Gesundheitsgefahren berge, was erneut gegen eine Reifung des Klägers zu einem zuverlässigen Gewerbetreibenden spreche). Die Entscheidung über die Versagung der Erlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG sei eine gebundene Entscheidung. Bei Vorliegen eines Regelbeispiels sei grundsätzlich von einer widerlegbaren Vermutung auszugehen. Die Beklagte habe hinreichend deutlich dargestellt, dass auch in diesem konkreten Einzelfall die Unzuverlässigkeit begründet sei, da die Gesamtschau kein die regelmäßige Vermutung widerlegendes Bild ermögliche.
17
Mit Schriftsatz vom 08.09.2021 vertiefte der Klägerbevollmächtigte seine Argumentation. Er trug im Wesentlichen vor, der Kläger sei davon ausgegangen, dass eine Verurteilung eine Strafe von mehr als 90 Tagessätzen voraussetze. Er habe nicht versucht, sich besser darzustellen oder gegenüber dem Ordnungsamt falsche Tatsachen anzugeben und damit zu täuschen, sondern als Laie lediglich juristische Begrifflichkeiten verwechselt bzw. nicht gekannt. Hinzu komme, dass er zwar sehr gut Deutsch spreche, Deutsch aber trotzdem nicht seine Muttersprache sei. Dem Vorwurf, dass eine solche Verurteilung eine Neigung zu Verhaltensweisen, die der Gesetzgeber als Straftaten einstufe, erkennen lasse, werde widersprochen. Das einmalige Fehlverhalten des sonst nicht vorbestraften Klägers sage nichts über seine Neigungen oder seine Zukunftsprognose aus. Der Kläger beabsichtige gerade nicht Angestellte zu haben und an die Prostituierten, die selbstständig seien, wolle er die Wohnungen nur vermieten. Es bestehe also überhaupt keine Gefahr, dass der Kläger erneut Gelder unterschlage. Auf das bereits erläuterte System, welches im Falle einer Anstellung von Mitarbeitenden greife, werde verwiesen. Der Kläger komme ordnungsgemäß sämtlichen Verpflichtungen nach. Die Insolvenz sei für den Kläger eine sehr lehrreiche Lektion gewesen. Er sei bemüht, wie auch die Unbedenklichkeitsbescheinigungen zeigen, dass sich solche Fehler nicht wiederholen würden. Die Annahme der Behörde, dass es sich um eine gebundene Entscheidung handele, verkenne, dass der Behörde vorliegend ein Ermessen zustehe, wobei die Behörde bei ihrer Entscheidung vor allem die Verurteilung des Klägers zu 50 Tagessätzen anführe und dabei die vom Gesetzgeber gewünschte Wirkung einer Verurteilung von weniger als 90 Tagessätzen missachte. Der Kläger führe in … bereits eine Prostitutionsstätte und dort sei ihm die Zuverlässigkeit durch die zuständige Behörde positiv festgestellt worden. Insbesondere sei die Zuverlässigkeit des Klägers auch im Urteil des VG Würzburg vom 14.12.2020 (W 6 K 19.1729) bestätigt worden. Eine telefonische Nachfrage bei der Stadt … habe ergeben, dass der Strafbefehl kein Grund gewesen sei, eine Zuverlässigkeit zu verneinen. Der Kläger sei nicht vorbestraft und habe insbesondere durch seine mehr als kooperative Zusammenarbeit mit der Behörde gezeigt, dass er zuverlässig sei. Durch den Versagensbescheid werde der Kläger erheblich in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt. Dieses Verbot bedeute ein Verbot der Berufsausübung. Es sei gerade nicht ein „wie“, das seitens der Behörde geregelt werde. Hierfür habe der Gesetzgeber aber bewusst sehr hohe Hürden angelegt. Gründe, welche für eine Unzuverlässigkeit sprächen, die einen massiven Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertige, lägen nicht vor. Zusammen mit dem Schriftsatz vom 08.09.2021 wurden das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14.12.2020 (W 6 K 19.1729), eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts … vom 11.11.2020 (Gültigkeit von bis zu einem Jahr nach Erteilung), eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der AOK vom 25.05.2021 (Gültigkeit bis einschließlich 31.08.2021) sowie eine …-Bescheinigung vom 15.03.2021 übermittelt, auf die inhaltlich Bezug genommen wird.
18
Die Beklagte ergänzte mit Schriftsatz vom 18.10.2021, dass der Gesetzgeber entgegen den Ausführungen des klägerischen Anwalts gerade nicht vorgesehen habe, dass Kleinstrafen nicht zu einer Versagung führen sollen. Die zuständige Behörde habe im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung ein Führungszeugnis für Behörden einzuholen. In diesem seien wiederum auch Verurteilungen aufzunehmen, die in ein einfaches Führungszeugnis nicht aufgenommen würden. Der Gesetzgeber wolle mit dem Erfordernis des behördlichen Führungszeugnisses im Bereich des Prostitutionsgewerbes somit durchaus erreichen, dass gewissen Menschen der Zugang dahingehend erschwert werde. Dazu gehöre auch der Kläger mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Es sei des Weiteren auch nicht relevant, ob die falschen Angaben des Klägers auf einem Missverständnis beruhen würden oder nicht. Der Schluss der Beklagten, der Kläger habe absichtlich falsche Angaben gemacht, lasse sich durch die widersprüchlichen Angaben des klägerischen Anwalts nicht zerstreuen. In der Klageschrift sei noch ausgeführt worden, dass der Kläger davon ausgegangen sei, dass seine Verurteilung im Führungszeugnis nicht geführt werde, was klar gegen ein Missverständnis spreche. Nun heiße es, der Kläger habe die Verurteilung nicht angegeben, weil er geglaubt habe, dass eine Verurteilung eine Strafe von mehr als 90 Tagessätzen voraussetze. Zu den Ausführungen der Klägerseite bezüglich eines Reifeprozesses des Klägers und einer Wiederholungsgefahr werde auf die Ausführungen in der Klageerwiderung verwiesen. Es bestehe nur dann ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis, wenn keine Versagungsgründe vorlägen. Versagungsgrund könne gemäß § 14 ProstSchG insbesondere die fehlende Zuverlässigkeit nach § 15 ProstSchG sein. § 15 Abs. 1 ProstSchG führe Regelbeispiele auf. Bei Vorliegen eines Regelbeispiels impliziere dieses die fehlende Zuverlässigkeit. Vorliegend sei das Regelbeispiel des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG erfüllt. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG sei demnach die Erlaubnis zu versagen. Widersprochen werden müsse den Ausführungen der Klägerseite, die besagen würden, dass es sich hier um einen atypischen Fall handele, der anders bewertet werden müsse. Atypische Fälle würden besondere Umstände erfordern, die dazu führen, dass nach dem Schutzzweck der Norm eine andere Bewertung geboten sei. Vorliegend bezwecke die Norm, Personen, an deren Zuverlässigkeit Zweifel bestünden – dazu zähle das Gesetz bereits Personen, die wegen ihres Verhaltens zu einer sog. Kleinstrafe verurteilt worden seien –, von einer Betätigung im Bereich des Prostitutionsgewerbes auszuschließen. Eine Ausnahme bzw. atypische Situation setze Umstände voraus, die geeignet seien, die Unzuverlässigkeitsvermutung zu widerlegen. Im klägerischen Fall könne es sich schon gar nicht um einen atypischen Fall handeln, weil unstreitig ein Regelfall des § 15 Abs. 1 ProstSchG vorliege. Deshalb liege eine widerlegbare Vermutung dafür vor, dass es an einer erforderlichen Zuverlässigkeit fehle. Diese Vermutung sei nach Auffassung der Beklagten auch nicht widerlegt worden. Somit liege ein Versagungsgrund vor und ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis bestehe nicht. Insbesondere sei dem Kläger im Urteil des VG Würzburg vom 14.12.2020 (W 6 K 19.1729) die Zuverlässigkeit auch nicht bestätigt worden. Das Urteil verweise darauf, dass dem Kläger die personenbezogene Zuverlässigkeit gemäß § 15 ProstSchG im Versagungsbescheid und in der Klageerwiderung von der Stadt … im Jahr 2018 zugesprochen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe jedoch auch noch nicht die rechtskräftige Verurteilung aus dem Jahr 2020 bestanden, die die Zuverlässigkeit des Klägers mittlerweile als nicht bestehend kennzeichne. Es werde zudem bestritten, dass sachfremde Erwägungen zugrunde gelegt worden seien, um dem Kläger die Erlaubnis zu versagen. Die Beklagte richte sich nur nach dem exakten Wortlaut des Gesetzes und dessen Zielen. Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 GG sei verhältnismäßig. Der Eingriff betreffe die Berufswahl des Klägers, also das „ob“ der beruflichen Tätigkeit. Da es sich bei der Zuverlässigkeit um eine subjektive Zulassungsvoraussetzung handele, sei der Eingriff gerechtfertigt, wenn er dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter diene und zudem geeignet, erforderlich und angemessen sei. Der Erlaubnisvorbehalt im ProstSchG diene dem Schutz der Prostituierten. Der Schutz von Prostituierten sei wiederum ein wichtiger Grund des Allgemeinwohls. Bei diesen handele es sich um eine besonders vulnerable Gruppe, die Gefahren wie Ausbeutung ausgesetzt sei. Aufgrund der sensiblen Rechtsgüter müssten dementsprechend an die Zuverlässigkeit von im Prostitutionsgewerbe Beschäftigten/Betreibern besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Der Eingriff sei geeignet, da mit ihm das Ziel, der bessere Schutz der Prostituierten, gewährleistet werde. Außerdem sei er erforderlich, weil es kein gleich geeignetes milderes Mittel gebe, um den Schutz der Prostituierten im gleichen Umfang zu gewährleisten. Letztlich sei er auch angemessen, da der Zweck des Erlaubniserfordernisses nicht außer Verhältnis zu dem beim Kläger eintretenden Nachteil stehe. Dem Kläger werde insbesondere die Berufswahl nicht für immer verwehrt, denn die Regelbeispiele des § 15 Abs. 1 ProstSchG würden die Zuverlässigkeit nur bei rechtskräftigen Verurteilungen innerhalb der letzten fünf Jahre verneinen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ProstSchG sei die Zuverlässigkeit bei Verurteilungen, die länger als fünf Jahre zurücklägen, im konkreten Einzelfall zu prüfen.
19
Mit Schreiben vom 13.09.2022 bat das Gericht die Parteien um Stellungnahme, ob mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung Einverständnis besteht und hörte zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an.
20
Mit Schriftsatz vom 26.09.2022 teilte die Beklagte mit, dass mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und einer Entscheidung über die Klage durch Gerichtsbescheid Einverständnis bestehe.
21
Mit Schriftsatz vom 04.10.2022 ergänzte die Klagepartei insbesondere, dass im Sinne einer Beschleunigung des Verfahrens dem Vorschlag des Gerichts zugestimmt werde. Ein Termin in Person wäre gleichwohl sachgerechter. Weder die Stadt … noch das Gericht hätten den Betreiber jemals gesehen. Der Kläger sei sehr bemüht, sämtliche rechtliche Rahmenbedingungen einzuhalten. Weisungen und Auflagen der Behörde leiste er umgehend Folge, daher sei seitens der Stadt … auch die Zuverlässigkeit bejaht worden. Soweit es in … zu einer Verurteilung gekommen sei, lägen dieser im Wesentlichen falsche Angaben einer Prostituierten zugrunde. Im Rahmen der Prognose der Zuverlässigkeit sei zu prüfen, ob in Zukunft das Gewerbe ordnungsgemäß ausgeübt werde oder nicht. Die Insolvenz, welche mittlerweile schon mehrere Jahre zurückliege, sei eine besondere Einzelfallsituation gewesen. Insoweit lasse diese keinen Rückschluss zu, dass sich eine Person auch künftig unzuverlässig verhalten werde. Insbesondere sei aber auch zu berücksichtigen, ob sich die Tat über einen kontinuierlichen bzw. längeren Zeitraum erstreckt habe. Beides sei vorliegend nicht der Fall. Diesbezüglich werde darauf verwiesen, dass das von anderen Gemeinden anders gesehen werde. Auch in der Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte würden durchaus hohe Anforderungen an die Unzuverlässigkeit gestellt. Nur weil der Gesetzgeber der Behörde die Möglichkeit gegeben habe, ein besonderes Führungszeugnis einzusehen, habe er damit nicht ausgedrückt, dass jede Eintragung in dem erweiterten Führungszeugnis automatisch Unzuverlässigkeit begründe. Gänzlich unberücksichtigt seitens der Behörde sei geblieben, um was für einen Prostitutionsbetrieb es sich handele. Keinesfalls handele es sich um einen Prostitutionsbetrieb, bei dem der Kläger einen wesentlichen Einfluss auf den betrieblichen Ablauf habe. Es handele sich um Terminwohnungen. Diese würden von den Prostituierten für einen bestimmten Zeitraum, meistens eine Woche, gemietet. Der Kläger habe keine Einflussmöglichkeiten auf die berufliche Ausübung im Zimmer. Der Betreiber sei weder dauerhaft vor Ort noch bestehe enger Kontakt zwischen ihm und der Mieterin. Im Rahmen der Diskussion rund um das Gesetz sei damals zu Recht diskutiert worden, ob die Terminwohnungen überhaupt unter das Gesetz fallen sollen oder nicht, da diese eine Sonderrolle im Rahmen der Prostitutionsausübung einnehmen würden. Im Gegensatz zu klassischen Bordellen gebe es hier weder Laufkundschaft noch milieubedingte Begleiterscheinungen. Bei der Prostitution in Wohnungen bedürfe es keines derart strengen Maßstabs wie bei einem Bordell mit zahlreichen Damen und Mitarbeitern.
22
Mit Schriftsatz vom 07.10.2022 teilte die Beklagte insbesondere mit, dass die Aussage der Klagepartei, die Stadt … habe den Betreiber niemals gesehen, falsch sei. Der Kläger sei am 13.10.2020 zu einem persönlichen Termin im Ordnungsamt der Beklagten vorstellig gewesen. Der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte sei immer im Rahmen eines persönlichen Termins beim Ordnungsamt der Beklagten zu stellen bzw. abzugeben. Hinzu kämen zahlreiche Telefonate zwischen dem Kläger und dem zuständigen Sachbearbeiter, sodass während des Antragsverfahrens regelmäßiger persönlicher, schriftlicher sowie fernmündlicher Kontakt bestanden habe. Dem Vorwurf eines stereotypisierten, vorgefertigten Bildes ohne persönlichen Eindruck, welches nach Aktenlage gezeichnet werde, werde daher deutlich widersprochen. Das Verhalten gegenüber einer Behörde könne für die Beurteilung einer gewerberechtlichen Zuverlässigkeit alleine niemals ausreichend sein und werde seitens der Klagepartei in ihren Ausführungen fragwürdig gewichtet. Vielmehr stütze sich eine derartige Prognose auf bisheriges Verhalten und daher insbesondere auch auf etwaige strafrechtliche Verurteilungen etc..
23
Mit Schriftsatz vom 22.12.2022 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Einverständnis bestehe. Ferner wurde eine Bestätigung der Staatsanwaltschaft … vom 13.12.2022 übersandt, wonach das Vollstreckungsverfahren wegen Vorenthaltens/Veruntreuens von Arbeitsentgelt durch Zahlung vollständig erledigt sei.
24
Aufgrund gerichtlicher Nachfrage vom 16.01.2023 und vom 23.01.2023 übersandte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 24.01.2023 das Urteil des Amtsgerichts … aufgrund der Hauptverhandlung vom 22.09.2020 (…), durch welches der Kläger wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Betriebsuntersagung anlässlich der Corona-Pandemie am 18.03.2020 zu einer Geldbuße von 5.000,00 EUR verurteilt worden sei (§ 73 Abs. 1a Nr. 6, Abs. 2 Infektionsschutzgesetz).
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

26
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden waren (§ 101 Abs. 2 VwGO).
27
Die Klage hat keinen Erfolg. Hinsichtlich des Hauptantrages (I.) ist die Klage bereits unzulässig soweit sie sich gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 28.04.2021 richtet (I.1.). Im Übrigen ist sie jedenfalls unbegründet (I.2., II.).
28
I. Die Klage ist im Hauptantrag, der Aufhebung des Bescheids vom 28.04.2021 hinsichtlich der Ablehnung der Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes im Anwesen …, … (Ziffer 1), bereits unzulässig. Soweit die Kostenentscheidung des Bescheids vom 28.04.2018 (Ziffer 2 und 3) angefochten wird, ist die Klage im Hauptantrag zwar zulässig, aber unbegründet, da der Verwaltungsakt rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29
1. Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist teilweise zulässig.
30
Die Anfechtungsklage ist hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids vom 28.04.2021 unstatthaft. Hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 28.04.2021 ist sie statthafte Klageart.
31
Die erfolgreiche Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO führt nur zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts durch das Gericht. Das Anfechtungsurteil ist ein Gestaltungsurteil kassatorischen Inhalts. Das Gericht selbst beseitigt die Behördenentscheidung und verpflichtet nicht etwa die Behörde zur Aufhebung (Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 4 f.). Bei Verwaltungsakten, die lediglich eine begehrte Begünstigung verweigern, ist jedoch die Verpflichtungsklage – gegebenenfalls in der Form der Bescheidungsklage – die prozessual richtige Klageart (VG Köln, B.v. 21.02.2019 – 1 L 41/19 – juris Rn. 5). Im Hinblick auf die in dem streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Versagungsentscheidung hinsichtlich der Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG für den Betrieb der Prostitutionsstätte ist in der Hauptsache keine Anfechtungs-, sondern eine Verpflichtungsklage statthaft (VG Minden, B.v. 06.10.2022 – 3 L 579/22 – juris Rn. 5; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 02.05.2022 – RO 4 S 22.167 – juris Rn. 34). Soweit teilweise die Ansicht vertreten wird, dass sich der Kläger auch bei einem an sich gegebenen Leistungsbegehren ausnahmsweise darauf beschränken könne, nur die Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts zu beantragen, spricht dagegen, dass für ein solches Vorgehen regelmäßig das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt, weil die Verpflichtungsklage spezieller und „rechtsschutzintensiver“ ist (Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 42).
32
Aus dem Klageantrag ergibt sich, dass die Aufhebung des kompletten Bescheids vom 28.04.2021 – und somit auch der Kostenentscheidung in den Ziffern 2 und 3 – begehrt wird, denn eine Differenzierung zwischen einzelnen Ziffern des Bescheids vom 28.04.2021 erfolgt nicht. Zumindest diesbezüglich ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart.
33
2. Die Anfechtung der Kostenentscheidung der Ziffern 2 und 3 des Bescheids ist jedoch unbegründet.
34
Es ist nicht ersichtlich, dass der angefochtene Verwaltungsakt diesbezüglich rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch seitens der Klagepartei wurde hierzu nichts vorgetragen. Das Gericht sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der Begründung der Kostenentscheidung im Bescheid vom 28.04.2021 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
35
II. Die Klage ist hinsichtlich der Hilfsanträge, der Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte im Anwesen …, …, zu erteilen bzw. über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung des Verwaltungsakts ist rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis und auch eine Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) kommt nicht in Betracht.
36
1. Die Klage ist hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsanträge zulässig.
37
Die Verpflichtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 statthafte Klageart, wenn die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt wird, was vorliegend der Fall ist (vgl. I.1.b.). Zwar wurde in der Klageschrift vom 03.06.2021 zunächst nur ein Anfechtungsantrag gestellt, mit Schriftsatz vom 20.10.2022 wurde die Klage jedoch hilfsweise um Verpflichtungsanträge erweitert. Diese Klageänderung, die der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Parteien im laufenden Verfahren dient, ist sachdienlich (vgl. Eyermann/Wöckel, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 91 Rn. 31) und daher gemäß § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
38
2. Die Klage ist hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsanträge unbegründet.
39
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte im Anwesen …, …, da auch das Gericht davon überzeugt ist, dass Kläger nicht die nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (vgl. II.2.c). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die notwendige Spruchreife vorliegt, da weder die Vornahmeklage (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) noch die Bescheidungsklage (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), welche beide eigenständige Arten der Verpflichtungsklage darstellen (Schoch/Schneider/Riese, VwGO, 43. EL August 2022, § 113 Rn. 196), begründet sind.
40
a. Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
41
Da es sich vorliegend um Verpflichtungsanträge handelt, ist für die Beurteilung des Bestehens des geltend gemachten Anspruchs der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (Eyermann/Schübel-Pfister, 16. Aufl. 2022, VwGO § 113 Rn. 57).
42
b. Für den Betrieb einer Prostitutionsstätte im Anwesen …, …, bedarf es einer Erlaubnis der Beklagten.
43
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer ein Prostitutionsgewerbe betreiben will. Das ProstSchG ist unter anderem auf das Betreiben eines Prostitutiongewerbes anzuwenden (§ 1 ProstSchG). Ein Prostitutionsgewerbe betreibt, wer gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person anbietet oder Räumlichkeiten hierfür bereitstellt, indem er eine Prostitutionsstätte betreibt (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 ProstSchG). Prostitutionsstätten sind Gebäude, Räume und sonstige ortsfeste Anlagen, die als Betriebsstätte zu Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt werden (§ 2 Abs. 4 ProstSchG). Der Begriff der Prostitutionsstätte setzt voraus, dass es sich um eine ortsfeste Anlage handelt, die dauerhaft zur Prostitutionsausübung genutzt wird und im weitesten Sinne einen baulichen Bezug aufweist. Erfasst werden danach jedenfalls alle bisher üblicherweise als Bordelle, bordellartige Einrichtungen, Wohnungsbordelle, Terminwohnungen, Modellwohnungen etc. qualifizierte, gewerbsmäßig betriebene Betriebsstätten (BT-Drs. 18/8556 S. 60). Wie sich aus dem bei der Beklagten eingereichten Betriebskonzept (Beklagtenakte, Bl. 67 ff.) ergibt, beabsichtigt der Kläger gewerbsmäßig wochenweise Zimmer im Anwesen …, …, an Prostituierte zu vermieten. Eine sog. Modellwohnung bzw. Terminwohnung fällt unstreitig unter den Begriff der Prostitutionsstätte, sodass vorliegend das ProstSchG anwendbar ist und eine Erlaubnis für das Betreiben eines Prostitutionsgewerbes der sachlich (§ 64a Satz 1 Zuständigkeitsverordnung (ZustV), Art. 9 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO)) und örtlich (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG)) zuständigen Stadt … erforderlich ist (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG).
44
c. Der Kläger besitzt im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit.
45
Die Erlaubnis ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die antragstellende Person nicht die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG in der Regel nicht, wer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung rechtskräftig verurteilt worden ist wegen Erpressung, Betrugs, Geldwäsche, Bestechung, Vorenthaltens oder Veruntreuens von Arbeitsentgelt oder Urkundenfälschung. Die zuständige Behörde hat gemäß § 15 Abs. 2 ProstSchG im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung ein Führungszeugnis für Behörden (§ 30 Abs. 5, §§ 31 und 32 Abs. 3 und 4 BZRG) und eine Stellungnahme der für den Wohnort zuständigen Behörde der Landespolizei, einer zentralen Polizeidienststelle oder des jeweiligen Landeskriminalamtes, ob und welche tatsächlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können, soweit Zwecke der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr einer Übermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, einzuholen.
46
Zentrales Erfordernis für die Erteilung einer Erlaubnis ist der Nachweis der Zuverlässigkeit des Betreibers. Angesichts der sensiblen Rechtsgüter der persönlichen Freiheit, der sexuellen Selbstbestimmung, der körperlichen Integrität und der persönlichen Sicherheit von Prostituierten und Kunden sind an die Zuverlässigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. Der Ausschluss unzuverlässiger Personen aus verantwortlichen Positionen im Bereich des Prostitutionsgewerbes bildet ein entscheidendes Instrument zur Erreichung der gesetzlichen Ziele, Prostituierte vor Ausbeutung zu schützen und Kriminalität in der Prostitution wie Menschenhandel, Gewalt gegen Prostituierte und Zuhälterei zu bekämpfen (BT-Drs. 18/8556 S. 77).
47
Nach dem gewerberechtlichen Zuverlässigkeitsbegriff ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris Rn. 14). § 15 Abs. 1 ProstSchG konkretisiert die für die antragstellende Person und deren als Stellvertretung einzusetzende Person sowie für die nach § 25 Abs. 2 ProstSchG im Prostitutionsgewerbe einzusetzenden Personen geltenden Zuverlässigkeitsanforderungen. Die Aufzählung der Nummern 1 bis 3 enthält Regelbeispiele, die jedoch nicht abschließend sind. Durch die Formulierung „in der Regel“ ist sichergestellt, dass die Behörde im Einzelfall zu einer anderen Beurteilung kommen kann. Zur Beurteilung der Zuverlässigkeitsanforderungen benötigt die Behörde ein behördliches Führungszeugnis nach §§ 30 Absatz 5, 31, 32 Abs. 3 und 4 BZRG sowie eine Stellungnahme der örtlich zuständigen Behörde der Landespolizei; dies ist in Absatz 2 geregelt. Anhand einer solchen polizeilichen Stellungnahme können sich tatsächliche Hinweise für die Unzuverlässigkeit ergeben, wie z. B. bestehende Strohmannverhältnisse oder auch eine Nähe zu kriminellen Gruppierungen. Unzuverlässigkeit für die Ausübung eines Prostitutionsgewerbes ist regelmäßig anzunehmen, wenn die antragstellende Person einschlägig vorbestraft ist. Mit Blick auf die gefährdeten Rechtsgüter sind vor allem Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Körperverletzungsdelikte sowie Delikte, die eine charakteristische Nähe zu Menschenhandelsdelikten und zur organisierten Kriminalität aufweisen, relevant (BT-Drs. 18/8556 S. 80).
48
aa. Aufgrund einer einschlägigen Verurteilung ist das Regelbeispiel des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG verwirklicht.
49
Gegen den Kläger wurde vorliegend am 16.06.2020 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 9 Fällen gemäß § 266a Abs. 1, 53 StGB (Datum der letzten Tat war der 26.06.2019) ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,00 EUR erlassen, der seit 04.07.2020 rechtskräftig ist (Gerichtsakte, Bl. 58). Der Strafbefehl steht gemäß § 410 Abs. 3 StPO einem rechtskräftigen Urteil gleich. Damit ist der Kläger einschlägig vorbestraft (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG). Der Berücksichtigung im behördlichen Erlaubnisverfahren steht auch nicht entgegen, dass gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a BZRG Verurteilungen, durch die auf Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen erkannt worden ist, nicht in das Führungszeugnis aufgenommen werden, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist. Denn § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ProstSchG sieht ausdrücklich die Einholung eines Führungszeugnisses für Behörden (§ 30 Abs. 5, §§ 31 und 32 Abs. 3 und 4 BZRG) vor und § 32 Abs. 4 BZRG regelt, dass in ein Führungszeugnis für Behörden (§ 30 Abs. 5, 31 BZRG) bei Bezug zu einem Gewerbe oder einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung – wie vorliegend der Fall – ferner die in § 32 Abs. 2 Nr. 5 bis 9 BZRG bezeichneten Verurteilungen wegen Straftaten aufzunehmen sind. Die im Führungszeugnis für Behörden enthaltenen Eintragungen sind daher unabhängig vom Strafmaß von der Erlaubnisbehörde auch zu beachten.
50
Aufgrund der zu berücksichtigenden einschlägigen rechtskräftigen Verurteilung des Klägers, ist die Unzuverlässigkeit für die Ausübung eines Prostitutionsgewerbes regelmäßig anzunehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG).
51
bb. Es liegt keine atypische Situation vor, wegen der die erforderliche Zuverlässigkeit im Einzelfall doch zu bejahen ist.
52
Trotz Einschlägigkeit eines Regelbeispiels nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 ProstSchG ist im Einzelfall zwar auch eine andere Bewertung möglich, das Gericht kommt im konkreten Fall aber zu keiner anderen Einschätzung als die Beklagte. Dabei verkennt das Gericht nicht den für eine (nunmehr vorliegende) Zuverlässigkeit sprechenden Vortrag der Klagepartei, insbesondere den Betrieb einer weiteren Prostitutionsstätte in …, die selbstständige Tätigkeit der Prostituierten und die nicht geplante Beschäftigung von Angestellten sowie den Reifeprozess des Klägers – z.B. das System zur Zahlung von Sozialabgaben – und die vollständige Zahlung der Geldstrafe wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in neun Fällen.
53
Soweit der Kläger vorträgt, in … eine weitere Prostitutionsstätte zu betreiben, ist hervorzuheben, dass dies bereits seit 2017 der Fall ist (Beklagtenakte, Bl. 92). Am 26.09.2017 zeigte der Kläger den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes bei der Stadt … an. Am 25.12.2017 beantragte er die Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG zum Betrieb einer Prostitutionsstätte (VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 6 K 19.1729 – S. 3). Bereits mit Bescheid vom 16.12.2019 lehnte die Stadt … den Antrag des Klägers ab (VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 6 K 19.1729 – S. 5). Auch wenn es bei dieser Ablehnung ausschließlich um baurechtliche Gründe ging und die personenbezogene Zuverlässigkeit des Klägers gemäß § 15 ProstSchG bejaht wurde (VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 6 K 19.1729 – S. 5, Beklagtenakte, Bl. 38), ist klarzustellen, dass der Bescheid der Stadt … vom 16.12.2019 bereits vor der rechtskräftigen Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 9 Fällen (Datum der Rechtskraft war der 04.07.2020) erlassen wurde und diese daher im Rahmen des Erlaubnisverfahrens überhaupt nicht berücksichtigt werden konnte. Das Verwaltungsgericht Würzburg führt in seinem Urteil vom 14.12.2020 (W 6 K 19.1729, S. 15) bezüglich der Zuverlässigkeit des Klägers Folgendes aus:
„Sowohl im angefochtenen Versagungsbescheid als auch in der Klageerwiderung stellt die Beklagte fest, dass die Vorgaben des ProstSchG – nämlich die objektbezogenen Mindestanforderungen an die Prostitutionsstätte gemäß § 18 Abs. 1 Nrn. 1-7 ProstSchG und die personenbezogene Zuverlässigkeit gemäß § 15 ProstSchG – durch den Kläger erfüllt werden. Dass hiervon auch zu maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch auszugehen ist, gilt auch vor dem Hintergrund von angeblichen hygienischen und technischen Mängeln der Betriebsstätte, die bei Regelüberwachungen der Beklagten am 10. Januar 2020 und 13. Februar 2020 festgestellt worden seien (vgl. Aktenvermerk vom 12.3.2020). Dass der im Aktenvermerk vom 12. März 2020 und den beigefügten Lichtbildern beschriebene bzw. dokumentierte Zustand der Betriebsstätte zum nachträglichen Entfallen der bei Erlass des Bescheids vom 16. Dezember 2018 noch erfüllten Voraussetzungen nach dem ProstSchG führt, wurde von der Beklagten bereits nicht dargelegt und ist für das Gericht ohne nähere Erkenntnisse auch nicht ersichtlich.“
54
Die rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht … wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in neun Fällen wird vom Verwaltungsgericht Würzburg nicht erwähnt. Insofern bestehen seitens des Gerichts Zweifel, ob diese dem Verwaltungsgericht Würzburg überhaupt bekannt war. Jedenfalls ergibt sich aus dem Urteil, dass die Zuverlässigkeit des Klägers im damaligen Verfahren nicht streitig war und für das Verwaltungsgericht Würzburg mangels näherer Erkenntnisse ein nachträgliches Entfallen der Zuverlässigkeit auch nicht ersichtlich war. Eine detaillierte Prüfung der Zuverlässigkeit des Klägers durch das Verwaltungsgericht Würzburg erfolgte nicht. Die Probleme in dieser Verwaltungsstreitsache waren insbesondere baurechtlicher Art.
55
Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass der Kläger auch anderweitig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Im Zusammenhang mit der Prostitutionsstätte in … kam es zu einer Verurteilung des Klägers wegen einer Ordnungswidrigkeit. Durch Urteil des Amtsgerichts … aufgrund der Hauptverhandlung vom 22.09.2020 wurde der Kläger wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Betriebsuntersagung anlässlich der Corona-Pandemie am 18.03.2020 zu einer Geldbuße von 5.000,- EUR verurteilt (Gerichtsakte, Bl. 192 ff.). Aus den von der Kriminalpolizeiinspektion … übermittelten Auskünften aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei (IGVP) ergeben sich weitere Anzeigen in Bezug auf den Kläger, die aber zu keinen Verurteilungen führten (Beklagtenakte, Bl. 87).
56
Zudem hat das Amtsgericht … mit Beschluss vom 27.11.2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet.
57
Auch ist vorgetragen, dass eine Anstellung von Angestellten nicht geplant sei und dass die Prostituierten selbstständig tätig seien, sodass keine Gefahr bestehe, dass Sozialabgaben nicht gezahlt würden. Allerdings ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Prostitutionsstätte auch Angestellte beschäftigen wird. Denn das vorgelegte Betriebskonzept für die Prostitutionsstätte in der …, … (Beklagtenakte, Bl. 23 ff.), beinhaltet unter anderem die Angabe, „ein angestellter Hausmeister/in sei häufig vor Ort und wohnt in unmittelbarer Umgebung“ (Beklagtenakte, Bl. 27). Hervorzuheben ist, dass das ProstSchG auch für Terminwohnungen und Modellwohnungen anzuwenden ist, sodass § 15 ProstSchG als Regelung zur Zuverlässigkeit der Person und die darin normierten Regelbeispiele auch in diesen Fällen – in denen von der Selbständigkeit von Prostituierten auszugehen ist – Anwendung finden.
58
Hinsichtlich des vorgetragenen Reifeprozesses des Klägers ist anzumerken, dass die Entwicklung eines Systems zur Sicherstellung der Zahlungsverpflichtungen zwar anzuerkennen ist und – wie anhand der vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigungen (Gerichtsakte, Bl. 109 ff.), die jedoch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt teilweise nicht mehr gültig sind, ersichtlich ist – auch keine Bedenken bzw. Zahlungsrückstände beim Finanzamt …, der AOK und der … bestehen bzw. bestanden. Schon aufgrund des Verhaltens des Klägers im Rahmen der Antragstellung ist das Gericht allerdings davon überzeugt, dass es zumindest an einem für die Bejahung der Zuverlässigkeit ausreichenden Reifeprozess fehlt. Der Kläger verneinte in seinem Antrag vom 09.10.2020 anhängige Bußgeldverfahren aufgrund von Ordnungswidrigkeiten bei einer gewerblichen Tätigkeit sowie rechtskräftige Verurteilungen innerhalb der letzten fünf Jahre. Er bestätigte durch seine Unterschrift, dass die Angaben vollständig und richtig seien, obwohl er darüber belehrt wurde, dass unrichtige Angaben geeignet seien, Zweifel hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit zu begründen und gegebenenfalls zur Versagung der beantragten Erlaubnis führen können. Der Strafbefehl des Amtsgerichts … wurde bereits am 04.07.2020 rechtskräftig, weshalb im Zeitpunkt der Antragstellung am 09.10.2020 jedenfalls eine rechtskräftige Verurteilung vorgelegen hat. Dass diese lediglich ins Führungszeugnis für Behörden aufgenommen wurde, ist irrelevant, da § 15 Abs. 1 Nr. 1
59
ProstSchG ausdrücklich auf eine rechtskräftige Verurteilung abstellt. Entgegen dem klägerischen Vortrag ist das Gericht auch davon überzeugt, dass dem Kläger die rechtskräftige Verurteilung bewusst gewesen ist. Hierfür spricht beispielhaft die Aussage „[…] Ging der Kläger davon aus, dass seine Verurteilung nicht im Führungszeugnis geführt wird“ (Klageschrift vom 03.06.2021, S. 4), was klar gegen ein Missverständnis bezüglich einer Verurteilung spricht und eher darauf hindeutet, dass der Kläger die Verurteilung nicht angab, weil er davon ausging, dass sie nicht im Führungszeugnis erscheint und für die Beklagte nicht ersichtlich ist. Diese Annahme wird zum Beispiel auch durch die Ausführung bekräftigt: „Der Kläger hat als natürliche Person auch nur Einblick in das „normale“ Führungszeugnis nach § 32 Abs. 1, 2 BZRG und gerade nicht in das behördliche. Aus diesem Grund gab er bei dem Antrag zur Erteilung der Gewerbeerlaubnis auch an, dass er in den letzten fünf Jahren nicht verurteilt worden sei.“ (Schriftsatz vom 08.09.2021, Seite 2). Somit hat der Kläger trotz Belehrung nachweislich gegenüber der Beklagten falsche Angaben bezüglich einer rechtskräftigen Verurteilung gemacht. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung am 09.10.2020 entweder auch ein Bußgeldverfahren aufgrund einer Ordnungswidrigkeit bei einer gewerblichen Tätigkeit anhängig war oder eine weitere rechtskräftige Verurteilung innerhalb der letzten fünf Jahre vorlag, die vom Kläger ebenfalls nicht angegeben wurde. Denn der Kläger wurde aufgrund der Hauptverhandlung am 22.09.2020 durch das Amtsgericht … wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Betriebsuntersagung anlässlich der Corona-Pandemie am 18.03.2020 zu einer Geldbuße von 5.000,00 EUR verurteilt (Az.: …, vgl. Gerichtsakte, Bl. 192 ff.). Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils bestehen seitens des Gerichts nicht. Die Verurteilung wegen der Ordnungswidrigkeit wurde nicht nur gegenüber der Beklagten im Erlaubnisverfahren nicht offengelegt, sondern auch im Gerichtsverfahren nur spät und zögerlich eingebracht. Erstmals wurde mit Schriftsatz vom 04.10.2022 hierzu Folgendes erwähnt:
„Soweit es hier in … zu einer Verurteilung gekommen ist, so lag diese im Wesentlichen in den falschen Angaben einer Prostituierten begründet. Dieses wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch so von der kontrollierenden Polizei bestätigt. Da es allerdings in diesem Verfahren um eine mündliche Aussage ging, welche so nicht vor Gericht bewiesen werden konnte, da die Prostituierte in ihr Heimatland abgereist war, kam es zu der Verurteilung, da es dem Beklagten nicht gelang, seine Aussagen zu beweisen.“
60
Obwohl dem Klägerbevollmächtigtem mit gerichtlichen Schreiben vom 16.01.2023 eine Frist bis zum 20.01.2023 gesetzt und bezüglich der Verurteilung des Klägers in … um Informationen gebeten wurde, musste mit gerichtlichen Schreiben vom 23.01.2023 hieran erinnert werden. Sodann wurde mit Schreiben vom 24.01.2023 erstmals das Urteil des Amtsgerichts … (Az.: …) vorgelegt.
61
Auch die vollständige Zahlung der Geldstrafe wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in neun Fällen führt nicht zur Verneinung des Regelbeispiels nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG. Denn der Gesetzeswortlaut sieht eindeutig einen relevanten Zeitraum von fünf Jahren vor der Antragstellung und eine rechtskräftige Verurteilung vor. Auf eine Erledigung des Verfahrens geht § 15 Abs. 1 Nr. 1 ProstSchG nicht ein.
62
Aufgrund der voranstehenden Ausführungen liegt nach Auffassung des Gerichts keine atypische Situation vor, die im konkreten Einzelfall trotz Einschlägigkeit eines Regelbeispiels doch eine Zuverlässigkeit des Klägers begründet. Vielmehr verbleibt es – wie vom Gesetz vorgesehen – bei der regelmäßig anzunehmenden Unzuverlässigkeit, da der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG). Wie auch die Beklagte, gelangt das Gericht im Rahmen einer Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass der Kläger derzeit nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes besitzt. Dabei berücksichtigt das Gericht insbesondere auch, dass angesichts der sensiblen Rechtsgüter der persönlichen Freiheit, der sexuellen Selbstbestimmung, der körperlichen Integrität und der persönlichen Sicherheit von Prostituierten und Kunden an die Zuverlässigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Der Gesamteindruck des Verhaltens des Klägers bietet derzeit nicht die Gewähr dafür, dass der Kläger sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. In dem Fall der Unzuverlässigkeit sieht das Gesetz als Rechtsfolge eine zwingende Versagung der Erlaubnis vor (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG).
63
d. Der Versagung der Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes im Anwesen …, …, steht auch nicht Verfassungsrecht entgegen.
64
Soweit seitens der Klagepartei eine Verletzung der Berufsfreiheit des Klägers angenommen wird, ist anzuführen, dass vom Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nur Deutsche i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG erfasst werden (Münch/Kunig/Kämmerer, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 19). Für Ausländer gilt das Grundrecht nicht. Verfassungsrechtlicher Schutz wird deren Berufstätigkeit durch Art. 2 Abs. 1 GG zuteil, der insoweit auch in personaler Hinsicht Auffangfunktion besitzt. Ob der Kläger als griechischer Staatsangehöriger (Beklagtenakte, Bl. 40) und damit Unionsbürger unter Hinweis auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in den personalen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt oder sich als nichtdeutscher Unionsbürger nur auf die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung über Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht berufen kann, ist umstritten (Münch/Kunig/Kämmerer, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 21, BVerfG, B.v. 04.11.2015 – 2 BvR282/13, 2 BvQ 56/12 – juris Rn. 10 ff.), kann vorliegend aber dahinstehen, da der Eingriff – selbst bei einer Prüfung der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG – gerechtfertigt wäre. Der Versagungsbescheid vom 28.04.2021 beruht auf der nach Ansicht des Gerichts zutreffenden Annahme der Beklagten, die nach § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG erforderliche Zuverlässigkeit sei nicht gegeben (vgl. oben). Bei der erforderlichen Zuverlässigkeit handelt es sich um eine subjektive Berufszugangsvoraussetzung, da sie eine Berufsaufnahme an das Vorliegen persönlicher Eigenschaften knüpft (vgl. Sachs/Mann, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 131). Für Beschränkungen der Freiheit der Berufswahl (Berufszulassungsregelungen) hat das BVerfG postuliert, sie müssten besonders wichtigen („überragenden“) Gemeinschaftsgütern dienen, die der Freiheit des Einzelnen vorgehen. Soweit sie an subjektive, also dem Einfluss Einzelner unterliegende Merkmale anknüpfen, kann eine Beschränkung des Berufszugangs schon „aus der Sache heraus“ geboten sein, wo dafür bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen werden müssen und wenn ohne diese mit Schäden oder Gefahren für die Allgemeinheit gerechnet werden muss (Münch/Kunig/Kämmerer, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 119). Der Erlaubnisvorbehalt im ProstSchG dient angesichts der sensiblen Rechtsgüter der persönlichen Freiheit, der sexuellen Selbstbestimmung, der körperlichen Integrität und der persönlichen Sicherheit dem Schutz von Prostituierten und damit dem Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter. Der Ausschluss unzuverlässiger Personen aus verantwortlichen Positionen im Bereich des Prostitutionsgewerbes bildet ein entscheidendes Instrument zur Erreichung der gesetzlichen Ziele, Prostituierte vor Ausbeutung zu schützen und Kriminalität in der Prostitution wie Menschenhandel, Gewalt gegen Prostituierte und Zuhälterei zu bekämpfen. Der Erlaubnisvorbehalt des ProstSchG ist als geeignetes Mittel für den angestrebten Gemeinwohlzweck einzuschätzen, außerdem erforderlich, weil es kein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt, um den Schutz der Prostituierten im gleichen Umfang zu gewährleisten. Zudem ist er auch angemessen, da der Zweck des Erlaubnisvorbehalts nicht außer Verhältnis zu dem beim Kläger eintretenden Nachteil steht. Soweit die erforderliche Zuverlässigkeit aufgrund der Einschlägigkeit eines Regelbeispiels nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 ProstSchG wegen einer rechtskräftigen Verurteilung innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung regelhaft abgelehnt wird, ist anzuführen, dass gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ProstSchG bei Verurteilungen, die länger als fünf Jahre zurückliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, ob sich daraus Zweifel an der Zuverlässigkeit der Person ergeben. In Bezug auf den Kläger ist daher regelhaft nur für eine Dauer von fünf Jahren nach rechtskräftiger Verurteilung davon auszugehen, dass er die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Die Berufswahl ist dem Kläger damit nicht dauerhaft verwehrt.
65
Alles in allem ist daher festzuhalten, dass der Kläger im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ProstSchG die erforderliche Zuverlässigkeit für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes nicht besitzt, sodass ihm die Erlaubnis hierfür gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG zu versagen ist.
66
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.