Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 13.02.2023 – B 1 S 23.64
Titel:

Einnahme von Methamphetamin, Amphetamin und Cannabis, Entzug der Fahrerlaubnis

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1
FeV Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den § 11
FeV Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den § 13
FeV Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den § 14
FeV § 46 Abs. 1 S. 1
Schlagworte:
Einnahme von Methamphetamin, Amphetamin und Cannabis, Entzug der Fahrerlaubnis
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9439

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Führerscheinklassen AM, B und L und die Anordnung der Abgabe des Führerscheins.
2
Die Behördenakte (Bl. 1 ff.) enthält polizeiliche Dokumente zu einem Autounfall am 24. März 2012, bei dem der Führerschein der Antragstellerin sichergestellt wurde. Das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung der Antragstellerin (Bl. 11) ergab einen Mittelwert von 1,28 Promille. Die Akte enthält außerdem einen Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 4. Mai 2012 (Az. …) gegen die Antragstellerin wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß §§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB aufgrund dieses Vorfalls (Bl. 14 ff). Ebenfalls in der Behördenakte (Bl. 54) enthalten ist eine Anfrage des Antragsgegners bei der Polizeiinspektion … vom 8. Dezember 2022, woraus sich ergibt, dass die Antragstellerin bereits im Rahmen eines weiteren Verfahrens beim Amtsgericht … (Az. …) in Verbindung mit Methamphetamin in Erscheinung trat. Des Weiteren beinhaltet die Behördenakte (Bl. 33 ff) polizeiliche Dokumente zu einem Vorfall am 3. März 2022, wonach der Antragstellerin ein allgemeiner Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) mit Cannabis einschließlich Zubereitungen (§ 29 BtMG) zur Last gelegt wird. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft … wegen des Verdachts des Vergehens nach § 29 BtMG wurde mit Verfügung vom 25. April 2022 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (Bl. 37). Das Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamts enthält drei Eintragungen zur Antragstellerin (Bl. 63 ff. zum Vorfall vom 24. März 2012).
3
Am 31. August 2022 um 22:30 Uhr unterzogen zwei Beamte der Polizeiinspektion … die Antragstellerin mit einem PKW Kia, amtliches Kennzeichen …, einer allgemeinen Verkehrskontrolle, wobei sie aus dem Fahrzeuginneren deutlichen Marihuana-Geruch wahrnahmen. Bei der Antragstellerin wurden drogentypische Auffälligkeiten festgestellt (u.a. gerötete und glasige Augen). Die Antragstellerin räumte auf Nachfrage den Konsum eines Joints am Vortag gegen 15:00 Uhr ein. Die Behördenakte (Bl. 45 f.) enthält ein forensisch-toxikologisches Gutachten des Labors … in … vom 16. September 2022, wonach eine Blutprobe der Antragstellerin vom 31. August 2022 um 23:00 Uhr positiv auf Amphetamine, Methamphetamine und Cannabinoide getestet wurde. Es ergaben sich Werte von 30 ng/ml Amphetamin, 274 ng/ml Methamphetamin, 2,6 ng/ml THC und 56 ng/ml THC-Carbonsäure. Das Gutachten enthält außerdem den Vermerk, wonach der Nachweis von Methamphetamin und dessen Abbauprodukt Amphetamin beweisend für einen kürzlich erfolgten Abusus von Crystal Meth ist. Es könne ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Proband zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel gestanden hat. Das von der Staatsanwaltschaft … zum Vorfall vom 31. August 2022 eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin wurde mit Verfügung vom 6. Dezember 2022 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
4
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2022 wurde die Antragstellerin vom Antragsgegner zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichteignung angehört.
5
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2022, zugestellt am 9. Januar 2023, wurde der Antragstellerin die Fahrerlaubnis der Führerscheinklassen AM, B und L entzogen (Ziff. 1) und angeordnet, dass sie den Führerschein bis spätestens fünf Tage nach Zustellung des Bescheides bei der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners abzugeben hat. Sollte der Führerschein nicht auffindbar sein, so sei anstatt der Abgabe innerhalb der genannten Frist eine Versicherung an Eides statt über den Verbleib des Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners abzugeben (Ziff. 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziff. 3). Für den Fall, dass die Antragstellerin ihren Führerschein nicht fristgerecht abliefert, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Ziff. 4). Es wurde festgesetzt, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens – eine Gebühr in Höhe von 200,00 EUR – zu tragen hat (Ziff. 5). Laut forensisch-toxikologischem Gutachten des Labors … vom 16. September 2022 sei der Nachweis von Methamphetamin und dessen Abbauprodukt Amphetamin beweisend für einen kürzlich erfolgten Abusus von Crystal Meth. Die Antragstellerin sei aufgrund des Konsums von Betäubungsmitteln ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, womit die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Dies gelte gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorlägen. Nach dem Wortlaut von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfalle beim Konsum sogenannter harter Drogen (hier Amphetamin und Methamphetamin) die Fahreignung, unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen i.S.d. Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen gewesen seien. Stehe die Nichteignung der Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibe die Anordnung eines Gutachtens nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV. Die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins beruhe auf § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheids sei notwendig, weil ein dringendes öffentliches Interesse daran bestehe, dass die Antragstellerin nicht mehr am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen könne. Das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit sei hier als vorrangig anzusehen. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung habe zur Folge, dass die Antragstellerin trotz ihrer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen könne und somit eine konkrete Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer darstelle. Dies gelte umso mehr, da diese als Kraftfahrzeugführerin auch unter dem nachgewiesenen deutlichen bis starken Einfluss berauschender Substanzen im Straßenverkehr auffällig geworden sei. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheids sei notwendig, weil ein überwiegendes Interesse daran bestehe, hierdurch den Rechtsschein des Besitzes einer gültigen Fahrerlaubnis zu vermeiden. Die Androhung eines Zwangsgelds stütze sich auf Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 und Art. 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG). Das Zwangsgeld in der angedrohten Höhe von 500,00 EUR erscheine erforderlich und geboten sowie angemessen, um die Pflichtige mit Nachdruck zur Erfüllung der auferlegten Verpflichtung anzuhalten. Die gesetzte Frist genüge zur Abgabe des Führerscheins.
6
Die Antragstellerin ließ durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 24. Januar 2023 Widerspruch gegen den Entziehungsbescheid vom 28. Dezember 2022 erheben und mit Schriftsatz vom 26. Januar 2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, beantragen,
1. gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die sofortige Vollziehung des in Kopie beigefügten Bescheides des Zweckverbandes Zulassungsstelle … vom 28.12.2022, zugestellt am 09.01.2023, anzuordnen;
2. die Vollziehung aufzuheben.
7
Zur Begründung wurde angeführt, die Antragstellerin sei unbedingt auf ihren Führerschein angewiesen, da sich ihre Arbeitsstelle im 36 Kilometer entfernten … bei der Firma … befinde; sie arbeite dort von Montag bis Freitag im Dreischichtbetrieb. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei dies nicht durchzuführen, so dass ihr eine Entlassung drohe und somit ihre Existenz gefährdet sei. Die Antragstellerin stelle keine Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr dar, womit die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids nicht notwendig sei. Seit September 2022 konsumiere die Antragstellerin keinerlei Betäubungsmittel und trinke seit acht Jahren keinen Alkohol mehr. Bei Abwägung der Verhältnismäßigkeit sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen bzw. die Aufhebung der Vollziehung.
8
Der Führerschein der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24. Januar 2023 zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Dezember 2022 übersandt (Behördenakte, Bl. 72).
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Der Antragsgegner beantragt mit Schreiben vom 1. Februar 2023,
den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 24.01.2023 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.12.2022 (…) sowie den Antrag wegen Aufhebung der Vollziehung abzulehnen.
10
Zur Begründung wurde zunächst auf Ziffer I der Gründe des gegenständlichen Bescheids verwiesen. Hieraus ergebe sich zweifelsfrei, dass die Antragstellerin am 31. August 2022 ein Fahrzeug unter der Wirkung berauschender Mittel im Straßenverkehr geführt habe. Aufgrund der vorliegenden Befundkonstellation könne laut Gutachten ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel gestanden habe. Auch der festgestellte, zeitgleiche Mischkonsum von Crystal Meth und Cannabis trage nicht zur Entlastung der Antragstellerin bei. Schließlich seien auch die analytischen Grenzwerte der bei der Antragstellerin nachgewiesenen Substanzen (Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG) zum Teil ganz erheblich überschritten worden. Aufgrund der Sorglosigkeit der Antragstellerin im Umgang mit Betäubungsmitteln, die auch eine aktive Teilnahme am Straßenverkehr unter gleichzeitigem Einfluss multipler Substanzen i.S.d. § 24a Abs. 2 StVG einschließe, würde eine Aussetzung der Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs die Verkehrssicherheit konkret in einem nicht mehr zu tolerierenden Ausmaß ernsthaft gefährden. Gerade von einer Berufspendlerin, worauf sich die Antragstellerin berufe, sei zu erwarten, dass diese unbedingt die gebotene Zurückhaltung im Umgang mit Betäubungsmitteln übe und sich jederzeit über fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen eines Zuwiderhandelns bewusst sei. Die Folgen der Entziehung der Fahrerlaubnis seien für Antragstellerin absehbar und vermeidbar gewesen. Die angeblich seit September 2022 anhaltende Drogenabstinenz der Antragstellerin sei als unbelegte und offensichtliche Schutzbehauptung zu werten. Der als Nachweis zu fordernde Abstinenznachweis müsse sich über einen Zeitraum von i.d.R. einem Jahr erstrecken. Es lägen auch keine Hinweise auf ernsthafte Bemühungen der Antragstellerin zur Dokumentation einer Abstinenz vor, die ihr zumindest nach Ablauf eines Jahres ggf. eine entsprechende Beweisführung ermöglichen würden. Die beantragte Aufhebung der Vollziehung aus § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ziele als Annexverfahren auf die Beseitigung faktisch schon umgesetzter Vollziehungsmaßnahmen ab, hier auf die Herausgabe des bereits abgegebenen Führerscheins an die Antragstellerin durch den Antragsgegner. Da die Entziehung der Fahrerlaubnis zu Recht erfolgt sei, könne der Antragsgegner den Führerschein bei einer derartigen gerichtlichen Verpflichtung durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sofort wieder herausverlangen. Nach der dolo-agit-Regel sei der vorliegende Antrag auf Aufhebung der Vollziehung als unbegründet abzulehnen.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
12
Der nur zum Teil zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
13
1. Der Antrag ist im wohlverstandenen Sinne der anwaltlich vertretenen Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass diese die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Nrn. 1 bis 2 des streitgegenständlichen Bescheids (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und hinsichtlich der Nr. 4 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (Art. 21 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG) begehrt. Der Widerspruch gegen die Nr. 5 des Bescheids hat aufschiebende Wirkung, so dass sich der Antrag im Eilrechtsschutz nicht hierauf bezieht.
14
2. Der Antrag ist nur teilweise zulässig. Soweit dieser die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides erfasst, fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis. Der Führerschein wurde von der Antragstellerin bei der Führerscheinstelle des Antragsgegners abgegeben, wenn auch nicht innerhalb der im gegenständlichen Bescheid bestimmten Frist. Gemäß Art. 37 Abs. 4 Satz 1 BayVwZVG ist die Anwendung eines Zwangsmittels einzustellen, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsgegner das in Ziffer 4 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen dieser Vorschrift beitreiben wird. Die Zwangsgeldandrohung hat sich damit erledigt (VG Bayreuth, B.v. 12.7.2018 – B1 18.564 – juris Rn. 21; VG Würzburg, U.v. 24.2.2021 – W 6 K.20.1735 – BeckRS 2021, 6971 Rn. 21). Der Antrag ist insoweit unzulässig.
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3. Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, unbegründet, da sich der angefochtene Bescheid nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen und die Antragstellerin damit nicht in ihren Rechten verletzt wird.
16
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg, da der Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Dezember 2022 bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtmäßig.
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a. Ziffer 1 des Bescheides hält einer Rechtmäßigkeitskontrolle im Widerspruchsverfahren bei summarischer Prüfung stand.
19
aa. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.
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bb. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin und Methamphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln – BtMG – i.V.m. Anlage II, III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2021 – 11 CS 21.390 – juris Rn. 15; B.v. 13.3.2020 – 11 ZB 20.1 – juris Rn. 11; B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 11; B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn. 10 jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sogenannte harte Drogen im Körper des Betroffenen und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Betroffene die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2021 a.a.O. Rn. 15 f.; B.v. 13.3.2020 a.a.O. Rn. 11 ff. jeweils m.w.N.; B.v. 3.5.2021 – 11 CS 21.701 – BeckRS 2021, 10959 Rn. 17 f.). Mithin indiziert allein der nachgewiesene Konsum des Betäubungsmittels Amphetamin oder Methamphetamin die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.
21
cc. Dies zugrunde gelegt hat sich die Antragstellerin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Die Antragstellerin hat am 31. August 2022 um 22:30 Uhr ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Methamphetamin und Amphetamin im Straßenverkehr geführt. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Labors … vom 16. September 2022 zu einer Blutprobe, welche der Antragstellerin um 23:00 Uhr am 31. August 2022 entnommen wurde. In jenem forensisch-toxikologischen Gutachten bezüglich des Vorfalls am 31. August 2022 wird festgestellt, dass ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Antragstellerin zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss von Cannabis, Crystal Meth/Methamphetamin und Amphetamin stand. Die Einnahme sogenannter harter Drogen steht damit fest. Dass sich diese Stoffe aufgrund anderer Ursachen als durch die Einnahme von Betäubungsmitteln im Blut der Antragstellerin befunden haben könnten, wurde nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich. Das Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung jener Substanzen am 31. August 2022 wurde seitens der Antragstellerin auch nicht bestritten.
22
Im Fahrerlaubnisrecht führt jeglicher Methamphetamin- bzw. Amphetaminkonsum unabhängig von der Menge und ohne konkreten Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr zum Verlust der Fahreignung (Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV und stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – Blutalkohol 55, 264 – juris Rn. 10 m.w.N., vgl. auch BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – juris Rn. 20).
23
Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall der Konsum der genannten Betäubungsmittel ausnahmsweise i.S.d. Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV nicht zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach deren Nr. 9.1 hätten führen können, sind nicht ersichtlich; insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin ihre Fahreignung im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt wiedergewonnen haben könnte. Ein derartiger Vortrag erfolgte zum einen nicht substantiiert, zum anderen reicht die seit dem Konsum am 31. August 2022 verstrichene Zeit für eine Wiedergewinnung der Fahreignung nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn. 11 f.).
24
Die Antragstellerin war somit bereits nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und hat unter der Wirkung von Betäubungsmitteln mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen. Damit kommt es auf den im Rahmen der genannten Vorfälle nachgewiesenen Mischkonsum mit Cannabis vorliegend nicht mehr an. Da bereits der einmalige Konsum harter Drogen die Fahreignung in der Regel entfallen lässt und die Antragstellerin zudem unter Drogeneinfluss – unabhängig davon, ob Ausfallerscheinungen oder Fahruntüchtigkeit gegeben waren – im Straßenverkehr unterwegs war, durfte der Antragsgegner grundsätzlich allein aufgrund dieses Umstands von der Ungeeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen, ohne vorher die Ungeeignetheit durch ein positives Gutachten feststellen zu lassen (§ 11 Abs. 7 FeV). Es liegt ein Regelfall im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 zu Anlage 4 zu §§ 11, 13, 14 FeV vor.
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Bei Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ein Ermessensspielraum steht der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu (BayVGH, B.v. 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn. 9).
26
b. Nachdem der Antragstellerin die Fahrerlaubnis zu Recht und sofort vollziehbar entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung als begleitende Anordnung, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen. Die Anordnung zur Abgabe des Führerscheins hat sich insbesondere nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Abgabe an den Antragsgegner erledigt, sondern stellt eine Rechtsgrundlage für das Einbehalten des Dokuments dar (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 9; B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22).
27
c. Mithin war auch dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO nicht stattzugeben. Hiernach hat das Gericht die Befugnis, auf Antrag auch schon im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Vollzugsfolgen durch das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ausgesetzter Verwaltungsakte vorläufig ganz oder teilweise zu beseitigen bzw. deren vorläufige Beseitigung anzuordnen und dient damit der vorläufigen Sicherung eines Folgenbeseitigungsanspruchs (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 80 Rn. 176). Die Aufhebung der Vollziehung bedeutet hierbei die Rückgängigmachung der erfolgten Vollziehungshandlungen bzw. der unmittelbaren Folgen von Vollziehungshandlungen, z.B. die Rückgabe eines einbehaltenen Führerscheins (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 80 Rn. 177). Da vorliegend die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht wiederherzustellen war, ist auch die Aufhebung der Vollziehung nicht auszusprechen.
28
d. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides genügt auch den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B**BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 25.5.2010 – 11 CS 10.227 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris Rn. 4). Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. So stellte der Antragsgegner zu Recht auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ab. Aufgrund der Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung berauschender Mittel musste der Antragsgegner von der Ungeeignetheit der Antragstellerin ausgehen, weshalb bei ihrer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr als Führerin eines Kraftfahrzeuges eine nicht hinnehmbare Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer zu besorgen ist. Am Vorliegen der typischen Interessenlage, die eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung des Sofortvollzuges entbehrlich macht, ändert im vorliegenden Fall auch nichts, dass die Antragstellerin aus beruflichen Gründen auf die Nutzung ihres Fahrzeuges angewiesen ist, denn diese Umstände ändern nichts an den Gefahren, die von einem ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber ausgehen. Die privaten, finanziellen und beruflichen Interessen der Antragstellerin müssen vor den öffentlichen Interessen an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten.
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Auch bei der vom Verwaltungsgericht vorzunehmenden eigenständigen Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der getroffenen Feststellung des Antragsgegners. Dabei ist das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende Auftrag des Staates zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben zu beachten (vgl. BayVGH B.v. 11.3.2015 – 11 CS 15.82 – juris Rn. 19).
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Daneben überwiegt das öffentliche Interesse, den Rechtsschein des Besitzes einer in Deutschland gültigen Fahrerlaubnis zu beseitigen und damit zu gewährleisten, dass die Antragstellerin nicht weiter am motorisierten Straßenverkehr im Bundesgebiet teilnimmt, das Interesse der Antragstellerin, ihren Führerschein nicht abliefern zu müssen (VG Düsseldorf, B.v. – 6 L 1783/21). Dies wurde der Antragstellerin in der Begründung des Bescheids dargelegt.
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4. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt.
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5. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).