Titel:
Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen
Normenkette:
BGB § 31, § 199 Abs. 1, § 249, § 823 Abs. 2, § 826
Leitsatz:
Allein die Tatsache, dass – vor dem Hintergrund des schon länger bekannten EA 189-Diesel-Skandals – auch 3-Liter-Motoren betroffen waren, lässt es als objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erscheinen, wenn man sich nicht weiter darum kümmert, ob auch sein eigenes Fahrzeug betroffen ist oder nicht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verjährung, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidriges Handeln, Schadensberechnung
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 10.11.2022 – 41 O 1193/22 Die
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9332
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 10.11.2022, Az. 41 O 1193/22 Die, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
3. Binnen selber Frist können die Parteien zur Höhe des Streitwerts Stellung nehmen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
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Zur Berufung ist Folgendes auszuführen:
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1. Das Landgericht hat etwaige Ansprüche des Klägers zutreffend aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede verneint.
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Die im Jahr 2018 bestehende Unkenntnis des Klägers von der Betroffenheit seines Fahrzeugs war grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB (so auch speziell für den Audi Q5: OLG Köln, Urteil vom 17. Januar 2023 – 3 U 88/22; vgl. zu anderen 3-Liter-Modellen der Beklagten auch: OLG Hamm, Beschluss vom 9. Dezember 2022 – I-25 U 161/22; OLG München, Beschluss vom 27. Oktober 2022 – 24 U 5871/22). Nach dem Vortrag des Klägers erließ das KBA bereits im Jahr 2017 einen auch sein Fahrzeug betreffenden Rückrufbescheid. Die umfangreiche Berichterstattung im Jahr 2018 über den Rückruf von 3.0 Liter-Motoren hätte der Kläger, der in seiner Anhörung selbst angegeben hat, dass er in den Medien „etwas“ gehört und mitbekommen habe, dass es Rückrufe gab, zum Anlass nehmen müssen, herauszufinden, ob auch sein 3-Liter-Fahrzeug betroffen ist. Der Umstand, dass – im Gegensatz zu den 2-Liter-Motoren des EA 189 – nicht alle 3-Liter-Fahrzeuge von Rückrufen betroffen waren, vermag an der groben Fahrlässigkeit des Klägers nichts zu ändern. Denn allein die Tatsache, dass – vor dem Hintergrund des schon länger bekannten EA 189-Diesel-Skandals – auch 3-Liter-Motoren betroffen waren, lässt es als objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erscheinen, wenn man sich nicht weiter darum kümmert, ob auch sein eigenes Fahrzeug betroffen ist oder nicht.
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Der Hinweis der Berufung darauf, dass sich den von der Beklagten genannten Presseartikeln aus dem Januar 2018 sowie den Pressemitteilungen des KBA und der Beklagten ab Juli 2017 allein Informationen zu Fahrzeugen der Marke Audi Q5 entnehmen ließen und die Berichterstattung zur Betroffenheit von Fahrzeugen der Marke Audi SQ 5 damit nicht derart omnipräsent gewesen seien, dass es jedem hätte einleuchten müssen, dass der verfahrensgegenständliche Pkw vom Abgasskandal betroffen ist, verfängt nicht. Denn nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils handelt es sich bei dem klägerischen Fahrzeug gerade um einen Audi Q 5. Auch in dem als Anlage zum Schriftsatz vom 16. März 2023 vorgelegten Kaufvertrag vom 4. Februar 2023 wird das streitgegenständliche Fahrzeug als Audi Q5 bezeichnet.
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2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er die Schadensberechnung des Klägers nicht teilt. Die vom Kläger zu leistende Nutzungsentschädigung wäre auf der Grundlage einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km (siehe insoweit: BGH, Urteile vom 27. Juli 2021 – VI ZR 480/19, juris Rn. 25 ff.; vom 27. April 2021 – VI ZR 812/20, juris Rn. 16; vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, juris Rn. 56 ff.) zu berechnen, so dass – nach dem zwischenzeitlichen Verkauf des Fahrzeugs – ein Schaden von lediglich 2.772,93 € gegeben wäre.
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Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen. Im Fall der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanziellen Gerichtsgebühren um die Hälfte.
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Den Streitwert für das Berufungsverfahren beabsichtigt der Senat für die Zeit bis 15. März 2023 auf 28.816,76 € und für die Zeit danach auf 5.316,76 € festzusetzen.