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VG München, Urteil v. 26.04.2023 – M 19L DK 22.3308
Titel:

Unzulässigkeit einer unter Verstoß gegen § 55d Satz 1 VwGO erhobenen Disziplinarklage

Normenketten:
VwGO § 55d
BayDG Art. 50 Abs. 1 S. 1, Art. 53
Leitsatz:
Eine unter Verstoß gegen § 55d Satz 1 VwGO erhobene Disziplinarklage ist unzulässig. Der vorgenannte Verstoß begründet keinen Mangel nach Art. 53 Abs. 1 BayDG, der nach Art. 53 Abs. 3 BayDG beseitigt werden kann. (Rn. 6 – 7)
Schlagworte:
Unzulässigkeit einer unter Verstoß gegen § 55d Satz 1 VwGO erhobenen Disziplinarklage, Disziplinarklage, Form, Zulässigkeit, Unzulässigkeit, elektronische Form, Mangel, Mangelbeseitigung, Disziplinarverfahren, Klage
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9301

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt mit ihrer Disziplinarklage die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Dieser wird als Realschullehrerin in der Besoldungsgruppe A 13S die Verletzung der politischen Treuepflicht vorgeworfen.
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Die Disziplinarklage vom 28. Juni 2022 ging am 30. Juni 2022 in Papierform beim Verwaltungsgericht München ein. Der Bevollmächtigte der Beklagten rügte mit Schriftsatz vom 13. Juli 2022 die Klageerhebung im Widerspruch zu § 55d Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin trat der Rüge mit Schreiben vom 25. Juli 2022 entgegen und übermittelte rein vorsorglich die Disziplinarklage elektronisch. Mit Schriftsätzen vom 5. August 2022 und 3. Februar 2023 (Beklagte) sowie Schreiben vom 30. Januar 2023 (Klägerin) trugen die Parteien zur Wirksamkeit der Klageerhebung vor und erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Parteien konnte nach Art. 58 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Nicht dagegen hat das Gericht im Beschlussweg nach Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDG entschieden, weil in diesem Fall eine mögliche Beschwerde nach Art. 65 Abs. 2 BayDG nur auf das Fehlen der Zustimmung der Beteiligten gestützt werden könnte.
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Die Disziplinarklage hat keinen Erfolg. Sie ist wegen Verstoßes gegen § 55d VwGO bereits unzulässig.
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1. Bei der Erhebung der Disziplinarklage wurde die elektronische Form des § 55d Satz 1 VwGO nicht beachtet, ohne dass die Voraussetzungen des § 55d Satz 3 und 4 VwGO erfüllt waren. Dies führt zur Unwirksamkeit der in Papierform erhobenen Klage (BVerwG, B.v. 8.12.2022 – 8 B 51.22 – juris Rn. 1 ff.; BayVGH, B.v. 6.5.2022 – 10 ZB 22.827 – juris Rn. 2). Nach Art. 3 BayDG sind die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen des Bayerischen Disziplinargesetzes im Widerspruch stehen oder dort etwas anderes bestimmt ist. Anwendbar ist somit auch § 55d VwGO. Damit musste die Disziplinarklage durch die Klägerin als Behörde elektronisch erhoben werden. Aus Art. 50 Abs. 1 Satz 1 BayDG, nach dem die Disziplinarklage „schriftlich“ zu erheben ist, ergibt sich nichts anderes. Die elektronische Einreichung nach § 55a VwGO stellt keine eigenständige Form der Klageerhebung dar; vielmehr genügt eine den Anforderungen des § 55a Abs. 1 VwGO entsprechende Klageerhebung dem Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO (VG Freiburg, U.v. 10.2.2023 – DB 11 K 2236/22 – juris Rn. 23 m.w.N.; VG Stuttgart, U.v. 16.11.2022 – DB 23 K 4460/22 – juris Rn. 447 ff.; VG Magdeburg, B.v. 4.4.2022 – 15 A 7/22 MD – juris Rn. 1 ff.).
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2. Die Nachreichung der Klage in elektronischer Form lässt die Unzulässigkeit der Klage nicht entfallen. Die Disziplinarklageerhebung unter Verstoß gegen § 55d VwGO begründet keinen Mangel „des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift“ im Sinne von Art. 55 Abs. 1 BayDG, so dass auch keine Beseitigung des Mangels nach Art. 55 Abs. 3 BayDG möglich ist.
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3. Da die Klägerin die Klage unter Hinweis auf Art. 59 Abs. 1 BayDG nicht zurückgenommen hat, war sie als unzulässig abzuweisen. Die Frage, ob nach Rücknahme einer unzulässigen Disziplinarklage ein Verbrauch der Disziplinarbefugnis eintritt (verneinend VG Stuttgart, U.v. 16.11.2022 – DB 23 K 4460/22 – juris Rn. 432 ff. mit ausführlicher Begründung zur teleologischen Reduktion der entsprechenden Vorschrift) stellt sich damit im vorliegenden Verfahren nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.