Titel:
Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung
Normenketten:
VVG § 203 Abs. 2, Abs. 5
VAG § 155
ZPO § 138 Abs. 4, § 256 Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung muss das Gericht dem Einwand des Versicherungsnehmers, dem Treuhänder seien die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegt worden, nicht nachgehen, wenn dieser nicht zugleich die kalkulatorische Richtigkeit der Beitragsanpassung angreift (Anschluss an LG Koblenz BeckRS 2022, 47570; s. auch OLG Nürnberg BeckRS 2023, 3605). (Rn. 41 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass der Versicherungsnehmer, der die materielle Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung in der Krankenversicherung angreift, außerhalb des versicherungsinternen Ablaufs der kalkulatorischen Versicherungsprämienfestsetzung steht, rechtfertigt – auch unter dem Grundsatz der Waffengleichheit – keine Umkehr der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung (Anschluss an OLG Brandenburg BeckRS 2019, 65784). (Rn. 53 – 70) (redaktioneller Leitsatz)
3. An der den Versicherungsnehmer treffenden Konkretisierungspflicht ändert sich nichts dadurch, dass er neben seinem auf (Rück-)Zahlung gerichteten Leistungsantrag zugleich einen in die Zukunft gerichteten Antrag auf Feststellung einer zukünftig herabgesetzten Prämienhöhe stellt. (Rn. 71 – 79) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankenversicherung, Beitragsanpassung, Prämienanpassung, Mitteilung der maßgeblichen Gründe, Treuhänder, Vollständigkeit, Zwischenfeststellungsklage, Darlegungs- und Beweislast
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9267
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 23.839,84 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung.
2
Der Kläger ist seit 01.05.2002 bei der Beklagten mit der Versicherungsnummer ... privat krankenversichert. Mitversicherte Personen sind T. D. Sch., A. E. Sch. und S. Cl. Sch.. Die Beklagte nahm Beitragsanpassungen i.S.d. § 203 Abs. 2 VVG zum 01.03.2022 im Tarif A1200 des Klägers, im Tarif A600 der A. E. Sch. sowie im Tarif A600 der S. Cl. Sch., zum 01.03.2021 in den Tarifen A1200 und PT des Klägers, in den Tarifen SE, A1200 und Z100 des T. D. Sch., in den Tarifen SE, A600 und Z100 der A. E. Sch. sowie in den Tarifen SE, A600 und Z100 der S. Cl. Sch., zum 01.03.2020 in den Tarifen KT6, A1200, Z100 und PT des Klägers, im Tarif Z100 des T. D. Sch., im Tarif Z100 der A. E. Sch. sowie im Tarif Z100 der S. Cl. Sch., zum 01.03.2019 in den Tarifen KHT, SE und A1200 des Klägers sowie im Tarif A1200 des T. D. Sch., zum 01.03.2018 im Tarif SE des Klägers, in den Tarifen A1200 und Z100 des T. D. Sch., in den Tarifen A600 und Z100 der A. E. sowie in den Tarifen A600 und Z100 der S. Cl. Sch. und zum 01.03.2017 in den Tarifen KT6 und KHT des Klägers, im Tarif Z100 des T. D. Sch., im Tarif Z100 der A. E. Sch. sowie im Tarif Z100 der S. Cl. Sch. vor. Im Vorfeld der Prämienanpassungen informierte die Beklagte den Kläger jeweils schriftlich über die bevorstehenden Erhöhungen. Sie übersandte jeweils ein Anschreiben mit einem Nachtrag zum Versicherungsschein. Der Kläger zahlte jeweils den angepassten Beitrag.
3
In seiner Klage vom 20.04.2022 hat der Kläger zunächst die Rechtsauffassung vertreten, dass die Beitragsanpassungen mangels ordnungsgemäßer Begründung i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG formell unwirksam und ferner deswegen materiell rechtswidrig seien, „da das durchgeführte Prüfverfahren fehlerhaft“ gewesen sei (Bl. 8 d.A.). Mit Schriftsatz vom 20.10.2022 hat der Kläger erklärt, er „bestreite[ ] die grundsätzliche Richtigkeit der erfolgten Kalkulationen vorliegend nicht“ (Bl. 120 d.A.). Mit Schriftsatz vom 18.01.2023 hat der Kläger erklärt, dass die Beitragsanpassungen „zum Teil auch aus materiellen Gründen“ wegen „Unwirksamkeit der Beitragserhöhung aufgrund gesunkener Leistungsausgaben“ streitig gestellt würden (Bl. 152 d.A.). Im gleichen Schriftsatz hat er wiederholt, er „bestreite[ ] jedoch die grundsätzliche Richtigkeit der erfolgten Kalkulationen vorliegend nicht“ (Bl. 150 d.A.). Mit Schriftsätzen vom 16.02.2023 und vom 02.03.2022 hat der Kläger erklärt, „darüber hinaus auch […] die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmaßnahmen“ zu bestreiten (Bl. 187 bzw. 192 d.A.).
1. Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam sind:
a) in den Tarifen für Dr. O. S.
aa) die Erhöhung des Beitrags im Tarif KT6/155,00 zum 01.03.2017 in Höhe von 5,44 €
bb) die Erhöhung des Beitrags im Tarif KHT 30,00 zum 01.03.2017 in Höhe von 0,16 €
cc) die Erhöhung des Beitrags im Tarif SE zum 01.03.2018 in Höhe von 45,65 €
dd) die Erhöhung des Beitrags im Tarif SE zum 01.03.2019 in Höhe von 21,47 €
ee) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A1200 zum 01.03.2019 in Höhe von 51,61
€ ff) die Senkung des Beitrags im Tarif KHT 30,00 zum 01.03.2019 um -0,04 €
gg) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2020 in Höhe von 8,78 €
hh) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A1200 zum 01.03.2020 in Höhe von 13,83 €
ii) die Erhöhung des Beitrags im Tarif PT 30,00 zum 01.03.2020 in Höhe von 4,66 €
jj) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A1200 zum 01.03.2021 in Höhe von 39,92 €
kk) die Erhöhung des Beitrags im Tarif PT 30,00 zum 01.03.2021 in Höhe von 1,22 €
ll) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A1200 zum 01.03.2022 in Höhe von 24,02 €
b) in den Tarifen für T. D. Sch. aa) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2017 in Höhe von 5,23 € bb) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A1200 zum 01.03.2018 in Höhe von 3,10 € cc) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2018 in Höhe von 4,55 € dd) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A1200 zum 01.03.2019 in Höhe von 2,05 € ee) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2020 in Höhe von 4,14 € ff) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A1200 zum 01.03.2021 in Höhe von 6,35 € gg) die Erhöhung des Beitrags im Tarif SE zum 01.03.2021 in Höhe von 1,46 € hh) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2021 in Höhe von 9,44 €
c) in den Tarifen für A. E. Sch. aa) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2017 in Höhe von 5,23 € bb) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2018 in Höhe von 4,55 € cc) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A600 zum 01.03.2018 in Höhe von 6,56 € dd) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2020 in Höhe von 4,14 € ee) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A600 zum 01.03.2021 in Höhe von 5,06 € ff) die Erhöhung des Beitrags im Tarif SE zum 01.03.2021 in Höhe von 1,46 € gg) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2021 in Höhe von 9,44 € hh) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A600 zum 01.03.2022 in Höhe von 1,68 €
d) in den Tarifen für S. Cl. Sch. aa) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2017 in Höhe von 5,23 € bb) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2018 in Höhe von 4,55 € cc) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A600 zum 01.03.2018 in Höhe von 6,56 € dd) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2020 in Höhe von 4,14 € ee) die Erhöhung des Beitrags im Tarif SE zum 01.03.2021 in Höhe von 1,46 € ff) die Erhöhung des Beitrags im Tarif Z100 zum 01.03.2021 in Höhe von 9,44 € gg) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A600 zum 01.03.2021 in Höhe von 5,06 € hh) die Erhöhung des Beitrags im Tarif A600 zum 01.03.2022 in Höhe von 1,68 €
e) in den Tarifen für O. Sch. aa) die Senkung des Beitrags im Tarif KT6/155,00 zum 01.03.2020 um -4,27 € und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen um insgesamt 325,01 € zu reduzieren ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 10.189,42 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass alle Beitragsanpassungen formell und materiell rechtmäßig seien. Zudem beruft sich die Beklagte auf Verjährung.
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Das Gericht hat in der öffentlichen Sitzung vom 18.04.2023 mündlich verhandelt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und des Verfahrensgangs wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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Insbesondere ergibt sich die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und die örtliche Zuständigkeit aus § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG.
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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1. Der Feststellungsantrag Ziffer 1 ist unbegründet.
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a) Die Beitragsanpassungen waren ordnungsgemäß begründet i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG und damit formell wirksam.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht die Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG ausschließlich in der Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, Az. IV ZR 113/20, NJW 2022, 389, Rn. 19, beck-online). Hingegen ist es nicht erforderlich, die konkrete Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage anzugeben. Ebenfalls nicht erforderlich ist die Angabe, dass die Veränderung der Rechnungsgrundlage einen bestimmten Schwellenwert überschritten hat (vgl. OLG München vom 30.01.2023, Az. 25 U 2454/22). Wie groß die Überschreitung des Schwellenwertes ist, ist ohne Bedeutung (vgl. OLG Celle, Az. 8 U 57/18, VersR 2018, 1179, Rn. 88 ff.). Abstrakt gehaltene, gänzlich allgemeine Ausführungen reichen zwar nicht aus. Es ist aber nicht erforderlich, dass die Gründe den Versicherungsnehmer in die Lage versetzen, eine Plausibilitätsprüfung der vorgenommenen Beitragsanpassung vorzunehmen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 27). Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungshistorie, wonach der Gesetzgeber mit der Änderung des § 203 Abs. 5 VVG zum 01.01.2008 keine grundsätzlich andere Neuausrichtung der Mitteilungsanforderungen bezweckt hat (vgl. BGH a.a.O. Rn. 23). bb) Diesen Vorgaben genügten die Beitragsanpassungen zum 01.03.2022 im Tarif A1200 des Klägers, im Tarif A600 der A. E. Sch. sowie im Tarif A600 der S. Cl. Sch..
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Im Anschreiben vom 19.01.2022 (Anlage B 5.6) sind die folgenden Angaben enthalten:
„Deshalb müssen wir – wie alle PKV-Unternehmen – jedes Jahr die Beiträge für alle Tarife überprüfen. Dabei betrachten wir die maßgeblichen Rechnungsgrundlagen „Leistungsausgaben“ und „Lebenserwartungen“. Wenn der Vergleich von einkalkulierten und erforderlichen Leistungsausgaben bzw. einkalkulierten und aktuelle wahrscheinlichen Lebenserwartungen den maßgeblichen Schwellenwert dauerhaft über- oder unterschreitet, ist eine Beitragsanpassung erforderlich. Bei allen Tarifen, die in Ihrem Vertrag betroffen sind, wurde eine dauerhafte Abweichung der Versicherungsleistungen festgestellt und der Beitrag dementsprechend angepasst.“
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Im beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein sind in der Spalte „Änderungsbetrag €“ der Tarif A1200 des Klägers mit dem Wert „+24,02“, der Tarif A600 der A. E. Sch. mit dem Wert „+1,68“ und der Tarif A600 der S. Cl. Sch. mit dem Wert „+1,68“ hervorgehoben. Auf Seite 2 des Versicherungsscheins ist eine Tabelle enthalten, in der in der Spalte „Prozentuale Abweichung „Versicherungsleistung““ dem Tarif A1200 des Klägers der Wert „15,8%“, dem Tarif A600 der A. E. Sch. der Wert „29,1%“ und der Tarif der S. Cl. Sch. der Wert „29,1%“ zugeordnet ist.
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Diesen Angaben kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Beitragsanpassungen in seinen konkreten Tarifen durch eine nicht nur vorübergehende Änderung der Versicherungsleistungen ausgelöst wurden.
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cc) Auch die Beitragsanpassungen zum 01.03.2021 in den Tarifen A1200 und PT des Klägers, in den Tarifen SE, A1200 und Z100 des T. D. Sch., in den Tarifen SE, A600 und Z100 der A. E. Sch. sowie in den Tarifen SE, A600 und Z100 der S. Cl. Sch. waren formell wirksam gemäß § 203 Abs. 5 VVG.
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Im Anschreiben vom 21.01.2021 (Anlage B 5.5) sind die folgenden Angaben enthalten:
„Wir vergleichen bei allen Tarifen, ob die einkalkulierten Leistungsausgaben und Lebenserwartungen mit den tatsächlichen übereinstimmen. Erst wenn mindestens eine der beiden Größen dauerhaft um einen gewissen Prozentsatz abweicht, ist eine Beitragsanpassung möglich. Es wird die Versichertengemeinschaft pro Tarifgruppe betrachtet und nicht die Leistungsinanspruchnahme eines Einzelnen. Bei allen Tarifen, die in Ihrem Vertrag betroffen sind, wurde eine dauerhafte Abweichung der Versicherungsleistungen festgestellt.“
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Im beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein sind in der Spalte „Änderungsbetrag €“ die Tarife A1200 („+39,9“) und PT („+1,22“) des Klägers, die Tarife SE („+1,46“), A1200 („+6,35“) und Z100 („+9,44“) des T. D. Sch., die Tarife SE („+1,46“), A600 („+5,06“) und Z100 („+9,44“) der A. E. Sch. sowie die Tarife SE („+1,46“), A600 („+5,06“) und Z100 („+9,44“) der S. Cl. Sch. jeweils mit dem ihnen zugeordneten Wert hervorgehoben. Auf Seite 2 des Versicherungsscheins ist eine Tabelle enthalten, in der in der Spalte „Prozentuale Abweichung „Versicherungsleistung““ den o.g. Tarifen jeweils der Wert des auslösenden Faktors zugeordnet ist.
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Diesen Angaben kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Beitragsanpassungen in seinen konkreten Tarifen durch eine nicht nur vorübergehende Änderung der Versicherungsleistungen ausgelöst wurden.
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dd) Die Beitragsanpassungen zum 01.03.2020 in den Tarifen KT6, A1200, Z100 und PT des Klägers, im Tarif Z100 des T. D. Sch., im Tarif Z100 der A. E. Sch. sowie im Tarif Z100 der S. Cl. Sch., waren ebenfalls ordnungsgemäß begründet i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG.
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Im Anschreiben vom 22.01.2020 (Anlage B 5.4) sind die folgenden Angaben enthalten:
„Deshalb müssen wir einmal im Jahr für alle Tarifen überprüfen, ob die einkalkulierten Leistungsausgaben mit den tatsächlichen übereinstimmen. Erst bei einer dauerhaften Abweichung um einen gewissen Prozentsatz ist eine Beitragsanpassung möglich. […] Bei allen Tarifen, die in Ihrem Vertrag betroffen sind, wurde eine dauerhafte Abweichung der Versicherungsleistungen festgestellt.“
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Im beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein sind in der Spalte „Änderungsbetrag €“ die o.g. Tarife jeweils mit dem Wert des Änderungsbetrages versehen und hierdurch hervorgehoben. Auf Seite 2 des Versicherungsscheins ist eine Tabelle enthalten, in der in der Spalte „Prozentuale Abweichung „Versicherungsleistung““ den o.g. Tarifen jeweils der Wert des auslösenden Faktors zugeordnet ist.
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Diesen Angaben kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Beitragsanpassungen in seinen konkreten Tarifen durch eine nicht nur vorübergehende Änderung der Versicherungsleistungen ausgelöst wurden.
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ee) Ferner waren auch die Beitragsanpassungen zum 01.03.2019 in den Tarifen KHT, SE und A1200 des Klägers sowie im Tarif A1200 des T. D. Sch., ordnungsgemäß begründet i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG.
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Im Anschreiben vom 22.01.2019 (Anlage B 5.3) sind die folgenden Angaben enthalten:
„Deshalb müssen wir einmal im Jahr für alle Tarifen überprüfen. Dabei stellt man gegenüber, ob die ursprünglich kalkulierten Leistungen noch mit den tatsächlichen Ausgaben übereinstimmen. Gibt es eine dauerhafte Abweichung um einen gewissen Prozentsatz, müssen die Prämien bei Bedarf angepasst werden. […] Bei allen Tarifen, die in Ihrem Vertrag betroffen sind, wurde eine dauerhafte Abweichung der Versicherungsleistungen festgestellt.“
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Im beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein sind in der Spalte „Änderungsbetrag €“ die o.g. Tarife jeweils mit dem Wert des Änderungsbetrages versehen und hierdurch hervorgehoben. Auf Seite 2 des Versicherungsscheins ist eine Tabelle enthalten, in der in der Spalte „Prozentuale Abweichung „Versicherungsleistung““ den o.g. Tarifen jeweils der Wert des auslösenden Faktors zugeordnet ist.
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Diesen Angaben kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Beitragsanpassungen in seinen konkreten Tarifen durch eine nicht nur vorübergehende Änderung der Versicherungsleistungen ausgelöst wurden.
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ff) Auch die Beitragsanpassungen zum 01.03.2018 im Tarif SE des Klägers, in den Tarifen A1200 und Z100 des T. D. Sch., in den Tarifen A600 und Z100 der A. E. sowie in den Tarifen A600 und Z100 der S. Cl. Sch. waren ordnungsgemäß begründet i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG.
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Im Anschreiben vom 22.01.2018 (Anlage B 5.2) sind die folgenden Angaben enthalten:
„Damit wir Ihnen dauerhaft die vertraglichen Leistungen zusichern können, müssen wir die Prämien jedes Jahr überprüfen. Dabei vergleichen wir, ob die Ausgaben für die Leistungen höher oder niedriger sind als erwartet. […] Weichen die Ausgaben um einen gewissen Prozentsatz ab, werden die Beiträge angepasst. Bei den Tarifen, die in Ihrem Vertrag von der Beitragsanpassung betroffen sind, liegen diese Voraussetzungen vor. […] Ein wichtiges Kriterium für die Leistungssteigerung ist der medizinische Fortschritt. Neue Diagnose- und Therapieverfahren ermöglichen es, viele Krankheiten zu erkennen und zu behandeln. Diese Verfahren sind kostenintensiv und ein wesentlicher Grund für die Preisänderungen bei Gesundheitsleistungen.“
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Im beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein sind in der Spalte „Änderungsbetrag €“ die o.g. Tarife jeweils mit dem Wert des Änderungsbetrages versehen und hierdurch hervorgehoben.
33
Diesen Angaben kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Beitragsanpassungen in seinen konkreten Tarifen durch eine nicht nur vorübergehende Änderung der Versicherungsleistungen ausgelöst wurden.
34
gg) Die Beitragsanpassungen zum 01.03.2017 in den Tarifen KT6 und KHT des Klägers, im Tarif Z100 des T. D. Sch., im Tarif Z100 der A. E. Sch. sowie im Tarif Z100 der S. Cl. Sch. waren ebenfalls ordnungsgemäß begründet i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG.
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Im Anschreiben vom 20.01.2017 (Anlage B 5.1) sind die folgenden Angaben enthalten:
„Damit Ihre Leistungen dauerhaft gesichert sind, müssen wir die Prämien jedes Jahr überprüfen. Dabei vergleichen wir, ob die Ausgaben für die Leistungen höher oder niedriger sind als erwartet. Weicht dieser Vergleich von einem vertraglich festgelegten Prozentsatz (je nach Tarif 5% oder 10%) ab, werden die Beiträge angepasst. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben. Je länger ein Tarif auf Grund dieser Regelung nicht angepasst werden darf, desto höher kann der Beitragssprung sein.“
36
Im beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein sind in der Spalte „Änderungsbetrag €“ die o.g. Tarife jeweils mit dem Wert des Änderungsbetrages versehen und hierdurch hervorgehoben.
37
Diesen Angaben kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Beitragsanpassungen in seinen konkreten Tarifen durch eine nicht nur vorübergehende Änderung der Versicherungsleistungen ausgelöst wurden.
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b) Der Kläger kann den Beitragsanpassungen auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass diese materiell rechtswidrig gewesen seien.
39
aa) Soweit der Kläger eine Erhöhung der Prämien anlässlich gesunkener Leistungsausgaben in Frage stellt (Bl. 152 d.A.), hat dies nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Erfolg.
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Denn „entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 III und IV VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht“; es ist „ohne Bedeutung, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist“, denn „[d]ie Überprüfung der Prämie wird unabhängig von diesem Umstand ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird“ (BGH, Urteil vom 20.10.2021, Az. IV ZR 148/20, NJW-RR 2022, 34, Rn. 30, beck-online).
41
bb) Soweit der Kläger geltend macht, dass „das durchgeführte Prüfverfahren fehlerhaft“ gewesen sei (Bl. 8 d.A.), während er „die grundsätzliche Richtigkeit der erfolgten Kalkulationen vorliegend nicht“ bestreite (Bl. 120, 150 d.A.), und damit die Richtigkeit der versicherungsmathematischen Kalkulation unstreitig stellen will, ist eine solche isolierte Rüge der Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen ohne gleichzeitigen Angriff auf die kalkulatorische Richtigkeit der Beitragsanpassungen unzulässig – worauf bereits die Beklagte (Bl. 128 d.A.) und auch das Gericht mit Verfügung vom 19.01.2023 (Bl. 176 d.A.) hingewiesen hat:
42
Hinsichtlich der fehlenden Eigenständigkeit der in Frage stehenden Prüfverfahrensvoraussetzung in Gestalt der Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen besteht eine Vergleichbarkeit zu den Überlegungen des Bundesgerichtshofs zur Unabhängigkeit des Treuhänders (BGH, Urteil vom 19.12.2018, NJW 2019,919):
„Müsste das Zivilgericht dagegen die Unabhängigkeit des Treuhänders […] überprüfen, würde das die Gefahr bergen, dass eine Überprüfung ihrer [der Beitragsanpassungen] Richtigkeit unterbliebe und eine diesbezüglich nicht zu beanstandende Anpassung für unwirksam erklärt würde, obwohl auch ein anderer Treuhänder ebenso die Zustimmung hätte erteilen müssen und sich eine etwa fehlende Neutralität oder Unabhängigkeit des tatsächlich tätig gewordenen Treuhänders damit gar nicht ausgewirkt hätte, weil dieser aufgrund des Vorliegens der materiellen Anpassungsvoraussetzungen verpflichtet war, der Beitragserhöhung zuzustimmen.“
43
Dieser Gedanke der fehlenden Eigenständigkeit der in Frage stehenden Prüfverfahrensvoraussetzung ist teleologisch übertragbar auf die isolierte Rüge der fehlenden Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen ohne gleichzeitigen Angriff auf die kalkulatorische Richtigkeit der Beitragsanpassungen (so auch LG Koblenz, Urteil vom 17.11.2022, Az. 16 O 208/22, juris):
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Denn müsste das Zivilgericht die Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen überprüfen, wobei gleichzeitig eine darüber hinausgehende Überprüfung der Richtigkeit der Beitragsanpassungen unterbliebe (woraus sich eine „isolierte“ Rüge der Treuhänderunterlagenunvollständigkeit ergibt), würde das die Gefahr bergen, dass eine bezüglich ihrer aktuariellen bzw. rechnerischen Richtigkeit – unstreitig – nicht zu beanstandende Anpassung für unwirksam erklärt würde, obwohl sich eine etwaig fehlende Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen gar nicht ausgewirkt hätte, weil auch bei Unterlagenvollständigkeit – unstreitig – die Beitragsanpassungen in ihrer kalkulatorischen Höhe gleich blieben.
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Zu diesem Ergebnis der fehlenden Eigenständigkeit der Pflicht des Versicherers zur Unterlagenvorlage an den Treuhänder (so auch OLG Dresden, Hinweis vom 19.01.2023, Az. 6 U 1968/22) führt auch eine Betrachtung des Wortlauts und der Systematik des § 203 Abs. 2, Abs. 5 VVG i.V.m. § 155 Abs. 1 Sätze 2, 3 und 5 VAG:
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Die Rechtsgrundlage des § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG berechtigt den Versicherer, die Prämie „entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen […] neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat“. Der Wortlaut des § 203 VVG selbst bestimmt mithin keine von der Berechnungsprüfung abstrakte, eigenständige Unterlagenvorlagepflicht des Versicherers gegenüber dem Treuhänder, sondern verweist hinsichtlich der Ausgestaltung des Treuhänderprüfverfahrens mittels § 203 Abs. 2 Satz 4 VVG auf § 155 VAG.
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Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 hat der Treuhänder zu prüfen, ob die Berechnung der Prämien mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang steht. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VAG sind dem Treuhänder „dazu“, also zur Prüfung der Berechnung nach § 155 Abs. 1 Satz 2 VAG die Unterlagen vorzulegen. Bereits diesem Gesetzeswortlaut („dazu“) lässt sich entnehmen, dass der Unterlagenvorlage an den Treuhändern keine selbständige, neben die Berechnungsprüfung tretende Funktion zukommt, sondern die Unterlagenvorlage vielmehr als bloßer die Berechnungsprüfung vorbereitender Zwischenschritt in der Berechnungsprüfung aufgeht (so auch OLG Dresden a.a.O.).
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Zusätzlich folgt dieses Ergebnis auch aus dem Wortlaut des § 155 Abs. 1 Satz 5 VAG, wonach die Zustimmung des Treuhänders dann zu erteilen ist, „wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt sind“. Dass die Zustimmung des Treuhänders ausdrücklich bedingt ist durch das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 2 und nicht (auch) des Satzes 3, zeigt, dass (letztlich) maßgeblich ist, ob die Berechnung der Prämien mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang steht (§ 155 Abs. 1 Satz 2 VAG).
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Zu diesem Ergebnis führt auch ein systematischer, abgrenzender Vergleich mit § 203 Abs. 5 VVG: Denn während § 203 VVG selbst keine von der Berechnungsprüfung abstrakte, eigenständige Unterlagenvorlagepflicht des Versicherers gegenüber dem Treuhänder bestimmt (und auch § 155 VAG diese gemäß obigen Ausführungen nur als die Prüfung der Berechnung vorbereitenden Zwischenschritt regelt), ist eine derartige von den übrigen Voraussetzungen abstrakte, eigenständige (Mitteilungs-)Pflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer durch § 203 VVG selbst geregelt, nämlich in § 203 Abs. 5 VVG.
50
Dasselbe Ergebnis ergibt sich auch aus einem teleologischen Vergleich: Die Mitteilungspflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer gemäß § 203 Abs. 5 VVG hat die von den übrigen Prämienanpassungsvoraussetzungen eigenständige (Außenwirkungs- bzw. Mitteilungs-)Funktion, den Versicherungsnehmer über die maßgeblichen Gründe für die Prämienanpassung zu informieren. Demgegenüber wohnt der Unterlagenvorlage an den Treuhänder kein derartiger „Selbstzweck“ inne; vielmehr erschöpft sich der Zweck der Unterlagenvorlage an den Treuhänder in der bloßen Vorbereitung der – letztlich maßgeblichen – Berechnungsprüfung (so auch OLG Dresden a.a.O.).
51
cc) Soweit der Kläger die materielle Rechtmäßigkeit insgesamt und in diesem Zusammenhang insbesondere die Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Prüfunterlagen und „die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmaßnahmen“ bestreiten will (Bl. 187 bzw. 192 d.A.), beschränkt sich dies auf einen prozessual unbeachtlichen Vortrag ins Blaue hinein – worauf bereits die Beklagte (Bl. 97, 105 d.A.) und auch das Gericht mit Verfügung vom 24.02.2023 (Bl. 191 d.A.) hingewiesen hat:
52
(1) Nach allgemeinen systematischen Grundsätzen trägt bei einer auf §§ 812 ff. BGB (Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung) bzw. § 280 BGB (Pflichtverletzung aus dem Versicherungsvertrag) gestützten (Rück-)Zahlungsklage derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich auf das Fehlen eines Rechtsgrunds für seine eigene vorbehaltlose Zahlung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB) bzw. die Pflichtverletzung des anderen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) beruft, mithin der auf (Rück-)Zahlung klagende Versicherungsnehmer (so beispielsweise auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2019, Az. 11 U 119/17).
53
(2) Im Bereich der Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung wird zwar teilweise eine Umkehr dieser allgemeinen Darlegungs- und Beweislast mit dem Argument befürwortet, dass der Versicherungsnehmer ohne Kenntnis bzw. mangels eigener versicherungsmathematischer Kenntnisse selbst bei Kenntnis der Kalkulationsunterlagen des beklagten Versicherers nicht in der Lage sei, zur aktuariellen Rechtswidrigkeit der Beitragsanpassungen substantiiert vorzutragen.
54
Eine (bloß) von der materiell-rechtlichen Einbettung einer auf §§ 812 ff. BGB bzw. § 280 BGB gestützten Rückzahlungsklage in den Bereich der Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung abhängigen Annahme einer „Ausnahme“ von den allgemeinen systematischen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislastverteilung überzeugt jedoch nicht. Die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer außerhalb des versicherungsinternen Ablaufs der kalkulatorischen Versicherungsprämienfestsetzung steht, rechtfertigt – auch unter dem Grundsatz der Waffengleichheit – keine Umkehr der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung (so auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2019, Az. 11 U 119/17):
55
Denn eine derartige Umkehr der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung, mithin die Annahme einer (primären) Darlegungslast und Beweislast des beklagten Versicherers hätte die folgenden zivilprozessualen und daraus folgend höchst unbilligen praktischen Konsequenzen:
56
Ausschließlich dann, wenn der Versicherungsnehmer lediglich sekundär darlegungsbelastet wäre, würde ihm als Bestreitendem – aufgrund seiner Stellung außerhalb des versicherungsinternen Ablaufs der kalkulatorischen Versicherungsprämienfestsetzung – zugleich die Privilegierung des § 138 Abs. 4 ZPO zufallen, wonach die aktuarielle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen selbst dann beweisbedürftig bliebe, wenn der sie bestreitende Versicherungsnehmer insoweit offensichtlich bloße „Behauptungen ins Blaue hinein“ aufstellen würde (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021, Az. I ZR 123/20, NJW 2021, 3464, 3466, Rn. 25 nach beck-online).
57
Demgegenüber ist eine primär darlegungsbelastete Partei nicht vom Anwendungsbereich des § 138 Abs. 4 ZPO umfasst. Denn § 138 Abs. 4 ZPO regelt nach der Systematik seiner Absätze ausschließlich die Reaktion einer Partei auf „von dem Gegner behauptete Tatsachen“ i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO (und stellt sie einem Bestreiten gleich, vgl. MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 138 Rn. 31). Zwar ist auch eine primär darlegungsbelastete Partei grundsätzlich berechtigt, Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen, die sie lediglich „nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält“ bzw. „vermutet“ (BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427 Rn. 40, beck-online; Urteil vom 19.10.2017, Az. III ZR 565/16, NJW-RR 2017, 1520, Rn. 33 nach beck-online; Urteil vom 16.09.2021, Az. VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721, 3722 f.). Dabei bleibt die primär darlegungsbelastete Partei jedoch – anders als die bloß sekundär darlegungsbelastete Partei – dem Verbot des Vortrags in Blaue hinein unterworfen, sodass ein unzulässiger, auf bloße Ausforschung zielender Vortrag dann vorliegt, wenn die Partei bei „Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte“ bzw. „ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt“ (BGH a.a.O.).
58
Die höchst unbillige praktische Konsequenz der Umkehr der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung, mithin der Annahme einer primären Darlegungslast und Beweislast des beklagten Versicherers wäre, dass bereits auf die bloße unsubstantiierte, durch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gestützte und somit „aufs Geratewohl“ bzw. „ins Blaue hinein“ aufgestellte klägerische Behauptung einer materiellen Rechtswidrigkeit der Beitragsanpassungen hin der beklagte Versicherer zahlreiche geheimhaltungsbedürftige Unterlagen aufwendig zusammenstellen und sodann (im Verfahren gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG) offenlegen und das vom Gericht in Auftrag zu gebende, diese Unterlagen überprüfende versicherungsmathematische Sachverständigengutachten (siehe BGH, Urteil vom 16.06.2004, Az. IV ZR 117/02; Urteil vom 09.12.2015, Az. IV ZR 272/15, NJW-RR 2016, 606) auch noch durch einen Kostenvorschuss gemäß §§ 402, 379 ZPO vorfinanzieren müsste.
59
Einem derartigen Ergebnis stünde bereits die Überlegung entgegen, dass gerade die – regelmäßig jahrelange – vorbehaltlose Zahlung der Erhöhungsbeiträge durch den Versicherungsnehmer es normativ rechtfertigt, ihn nicht vom Verbot des Vortrags ins Blaue hinein zu befreien, sondern von ihm „tatsächliche“ bzw. „greifbare Anhaltspunkte“ für die durch ihn nunmehr behauptete Rechtswidrigkeit der Beitragsanpassungen zu verlangen.
60
Eine derartige Annahme einer Pflicht der beklagten Partei zur Offenlegung geheimhaltungsbedürftiger Unterlagen bei „Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte“ widerspräche darüber hinaus dem ausdrücklichen Willen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers der Zivilprozessordnung, eine – im Ergebnis dann vorliegende – bloße „Ausforschung“ als unzulässig und prozessordnungswidrig zu untersagen [siehe Bundestagdrucksache 14/6036 vom 15.05.2001, Seite 120 zu den Nummern 21 und 22 (§§ 142, 144 ZPO)].
61
Ferner würde eine derartige Annahme einer Offenlegungs- und Vorschusspflicht des beklagten Versicherers nicht nur zur unbilligen Behandlung auch eines sich stets redlich verhaltenden Versicherers führen, sondern auch zwangsläufig zu Lasten der Gesamtheit der Versicherten gehen (so auch OLG Köln, Beschluss vom 18.05.2022, Az. 20 U 91/21, Rn. 29 ff. bei juris mit Verweis auf Grüneberg/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage, Überbl v § 194 Rn. 8).
62
Darüber hinaus würde eine derartige Annahme einer Pflicht des Gerichts zur Durchführung einer oben dargestellten Beweisaufnahme zur materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen auch das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und den Rechtsfrieden beeinträchtigen:
63
Denn im Unterschied zur formellen Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen, die durch den Tatrichter selbstständig zu beurteilen ist (siehe BGH, Urteil vom 17.11.2021, Az. IV ZR 113/20, NJW 2022, 389, 390, Rn. 24, beck-online) und deren Prüfung daher mit zumutbarem (Zeit-)Aufwand verbunden ist, erfordert dagegen eine Beweisaufnahme zur materiellen Rechtmäßigkeit die Einholung eines Gutachtens eines neutralen versicherungsmathematischen Sachverständigen (siehe BGH, Urteil vom 16.06.2004, Az. IV ZR 117/02; Urteil vom 09.12.2015, Az. IV ZR 272/15, NJW-RR 2016, 606). Die bundesweite Anzahl derartiger Sachverständige ist enorm gering; entsprechend sind die wenigen in Betracht kommenden Sachverständigen seit Jahren und absehbar für viele weitere Jahre bereits mit gerichtlichen Gutachtenaufträgen überlastet. Die gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens zur materiellen Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen ist entsprechend mit enormem Zeitaufwand und einer enormen Verzögerung des Zeitpunktes einer gerichtlichen Entscheidung und somit auch des Zeitpunktes des Eintritts von Rechtsfrieden verbunden (so auch OLG Köln a.a.O. mit Verweis auf Grüneberg/Ellenberger a.a.O. Rn. 9).
64
Führt man sich die oben dargestellten zivilprozessualen und die sich daraus ergebenden höchst unbilligen praktischen Konsequenzen vor Augen, so erscheint eine Umkehr der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung, mithin der Annahme einer primären Darlegungslast und Beweislast des beklagten Versicherers allein wegen der Stellung des Versicherungsnehmers außerhalb des versicherungsinternen Ablaufs der kalkulatorischen Versicherungsprämienfestsetzung nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat es bei der oben dargestellten, aus allgemeinen systematischen Grundsätzen folgenden primären Darlegungs- und Beweislast des auf Rückzahlung von in der Vergangenheit gezahlten Beiträgen klagenden Versicherungsnehmers zu verbleiben.
65
Hiernach muss sich der auf Rückzahlung klagende Versicherungsnehmer von dem durch den Bundesgerichtshof genannten „Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte“ für die materielle Rechtswidrigkeit der angegriffenen Beitragsanpassungen abgrenzen, um die prozessuale Beachtlichkeit seines diesbezüglichen Vortrags und eine darauf gestützte Beweisaufnahme zu bewirken. Ihn trifft demnach eine Pflicht zur Konkretisierung seines Vortrags in Bezug auf die materielle (Un-)Rechtmäßigkeit der durch ihn angegriffenen Beitragsanpassungen.
66
(3) Durch diese allgemeine Darlegungs- und Beweislastverteilung ist ein redlicher auf Rückzahlung klagender Versicherungsnehmer keineswegs prozessual unangemessen benachteiligt oder gar rechtsschutzlos gestellt. Die allgemeine Darlegungs- und Beweislastverteilung stellt den redlichen auf Rückzahlung klagenden Versicherungsnehmer nicht vor nennenswerte oder gar unzumutbare Herausforderungen:
67
Denn der redliche Kläger hat seine Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der konkret ihn betreffenden Beitragsanpassungen bereits vor Erhebung seiner Klage gegen den Versicherer gebildet; die ihm vorgerichtlich als Versicherungsnehmer gekommenen Zweifel sind gerade Anlass seiner Klage, mit der er diese bereits bestehenden Zweifel nunmehr gerichtlich klären möchte. Diese Zweifel stützt er somit auf ihm bereits vorgerichtlich zur Verfügung stehende Informationsquellen bzw. bereits gewonnene Erkenntnisse – beispielsweise auf eine fragwürdige Beitragsentwicklung in seinen konkreten Tarifen. Der redliche Kläger kann somit die ihn treffende Konkretisierungspflicht ohne Weiteres erfüllen, indem er ebendiese ihn bereits vorgerichtlich zu Zweifeln veranlassende „Lage der Dinge“ bzw. die „tatsächliche[n]“ und „greifbare[n] Anhaltspunkte“ im Zivilprozess schlüssig vorträgt.
68
Von dieser Klagevoraussetzung in Gestalt bereits vorgerichtlich gebildeter Zweifel geht auch die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung aus, wonach die Klage „voraus[setzt], dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von einer Prämienerhöhung hat und diese für materiell nicht berechtigt hält“ (BGH, Urteil vom 22.06.2022, Az. IV ZR 193/20, NJOZ 2022, 1167, 1172, Rn. 51, beck-online): Dass der Versicherungsnehmer die Prämienerhöhung für materiell nicht berechtigt halten muss, verlangt nichts anderes als bereits vorgerichtlich gebildete Zweifel. Eine Befreiung einer gegen die materielle Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen gerichteten (Rück-)Zahlungsklage eines Versicherungsnehmers von den oben dargestellten prozessualen Grundsätzen zur Unbeachtlichkeit von „ins Blaue hinein“ bzw. „aufs Geratewohl“ getätigtem Vortrag und zur Grenze des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB dagegen wurde durch den Bundesgerichtshof in dem o.g. Urteil gerade nicht bestimmt (so auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.08.2022, Az. 12 U 159/18).
69
Über diese „Lage der Dinge“ bzw. „tatsächliche“ und „greifbare Anhaltspunkte“ hinausgehender Vortrag ist nicht erforderlich, insbesondere auch nicht zu – zunächst nicht dem Versicherungsnehmer, sondern nur dem Versicherer zur Verfügung stehenden - „Berechnungsgrundlagen für die Prämienanpassungen“ (so auch BGH, Urteil vom 22.06.2022, Az. IV ZR 193/20, NJOZ 2022, 1167, 1172, Rn. 51, beck-online). Der Tatsache, dass der Versicherungsnehmer außerhalb des versicherungsinternen Ablaufs der kalkulatorischen Versicherungsprämienfestsetzung steht, vermag die allgemeine, oben dargestellte Systematik der Darlegungs- und Beweislastregeln durch eine sekundäre Darlegungslast des beklagten Versicherers Rechnung zu tragen (so auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2019, Az. 11 U 119/17, und auch LG Meiningen, Az. 3 O 510/22): Anknüpfend an diese sekundäre Darlegungslast des beklagten Versicherers kann das Gericht den Versicherer gemäß § 142 Abs. 1 ZPO zur Offenlegung seiner geheimhaltungsbedürftigen Kalkulationsunterlagen (im Verfahren gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG) verpflichten. Allerdings ist nicht nur nach der oben dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern auch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers eine derartige sekundäre Darlegungslast des Versicherers erst dann aktiviert und somit eine den beklagten Versicherer zur Offenlegung seiner geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen verpflichtende gerichtliche Anordnung gemäß § 142 Abs. 1 ZPO erst dann zulässig, wenn der klagende Versicherungsnehmer seiner vorangehenden Konkretisierungspflicht entsprochen und einen „schlüssigen Vortrag“ als „Grundlage“ für eine richterliche Unterlagenvorlageanordnung gemäß § 142 Abs. 1 ZPO vorgebracht hat – andernfalls eine vom Gesetzgeber als unzulässig erachtete Ausforschung stattfände [Bundestagdrucksache 14/6036 vom 15.05.2001, Seite 120 zu den Nummern 21 und 22 (§§ 142, 144 ZPO)].
70
So steht dem redlichen Kläger, der eine Klage erhebt, um seine aufgrund konkreter „tatsächlicher Anhaltspunkte“ bereits bestehenden Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der ihn konkret betreffenden Beitragsanpassungen gerichtlich prüfen zu lassen, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ohne nennenswerte Hindernisse offen. Versperrt ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten dagegen ausschließlich einer vom konkreten Einzelfall völlig losgelösten Klage „ins Blaue hinein“ mit dem Ziel, den Versicherer bloß „auszuforschen“ und ohne konkrete Tatsachengrundlage und damit „aufs Geratewohl“ überhaupt erst einmal ermitteln zu lassen, ob sich (erst) im Laufe des Zivilprozesses überhaupt Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen ergeben. Diese Differenzierung nach Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten ist nach der oben dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie nach dem Willen des Gesetzgebers gerade beabsichtigt und gewollt.
71
(4) An dieser den klagenden Versicherungsnehmer treffenden Konkretisierungspflicht ändert auch nichts, dass der Kläger neben seinem auf (Rück-)Zahlung gerichteten Leistungsantrag zugleich einen in die Zukunft gerichteten Antrag auf Feststellung einer zukünftig herabgesetzten Prämienhöhe stellt.
72
Zwar wird teilweise vertreten, dass ein derartiger in die Zukunft gerichteter Antrag auf Feststellung einer zukünftig herabgesetzten Beitragshöhe (ausschließlich) als negative Feststellungsklage aufzufassen sei und daher insoweit den die zukünftigen Beiträge erhebenden Versicherer die primäre Darlegungslast und Beweislast treffe. Eine derartig pauschale Betrachtung überzeugt jedoch nicht, da sie insbesondere nicht die „Doppelrelevanz“ der Beitragsanpassungswirksamkeit als gleichzeitigen Rechtsgrund für vergangene und für zukünftige Beitragszahlungen berücksichtigt:
73
Denn ein in die Zukunft gerichteter Antrag auf Feststellung einer zukünftig herabgesetzten Prämienhöhe setzt zwingend die Unwirksamkeit zumindest der „jüngsten“ in der Vergangenheit liegenden Beitragsanpassung voraus. Umgekehrt umfasst ein Antrag auf Feststellung der (behaupteten) Unwirksamkeit der „jüngsten“ in der Vergangenheit liegenden Beitragsanpassung zwangsläufig auch eine Feststellung bezüglich der zukünftig durch den Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer geschuldeten Prämienhöhe. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass eine wirksame Beitragsanpassung eine vollständige (Gesamt-)Neufestsetzung der Prämie in dem jeweiligen Tarif bewirkt (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 314/19, r+s 2021, 95, Rn. 54). Ist die „jüngste“ Beitragsanpassung wirksam, betrifft dies nicht nur die Höhe des auf die Vergangenheit bezogenen (Rück-)Zahlungsantrags, sondern zwangsläufig zugleich auch die zukünftig geschuldete Prämienhöhe.
74
Aus diesem Grund bringt ein auf die (Un-)Wirksamkeit einer Beitragsanpassung gerichteter Feststellungsantrag stets auch eine zivilprozessuale Vorgreiflichkeit im Sinne einer Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO als Vorfrage für den (Rück)Zahlungsantrag mit sich (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19, NJW 2021, 378, 379 f., Rn. 19 f.). Diese Klageanträge stehen mithin nicht gleichrangig nebeneinander, sondern in einem Vorgreiflichkeitsverhältnis zueinander.
75
Dieser Charakter des Feststellungsantrags als vorgreifliche Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO gebietet dann aber konsequenterweise nicht die Anwendung der für eine – davon zu unterscheidende – negative Feststellungsklage, sondern eben der für eine Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO geltenden zivilprozessualen Grundsätze (so auch LG Meiningen, Az. 3 O 510/22 und 3 O 323/22):
76
Die Beweislastverteilung im Rahmen der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO folgt der Beweislastverteilung im Rahmen der Hauptsacheklage. Dies hat seinen Grund in Zweck und Natur der Zwischenfeststellungsklage, die die Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf das vorgreifliche Rechtsverhältnis bewirken soll (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1994, Az. VIII ZR 165/93, NJW 1994, 1353, 1354; beck-online). Somit gilt für die Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO das Verbot eines Widerspruchs zwischen Hauptsacheentscheidung und Zwischenfeststellung (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, § 256 Rn. 31).
77
Die Gefahr eines solchen verbotenen Widerspruchs zwischen Hauptsacheentscheidung und Zwischenfeststellung läge aber im Zivilverfahren über Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung – aufgrund der oben genannten „Doppelrelevanz“ der Beitragsanpassungswirksamkeit sowohl für den Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 2 ZPO als auch für den (Rück-)Zahlungsantrag – dann vor, wenn die Verteilung der primären Darlegungslast und Beweislast „je nach Antrag aufgespalten“, mithin für den vorgreiflichen Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 2 ZPO anders als für den (Rück)Zahlungsantrag beurteilt werden würde und das Gericht bei fehlender Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO (non liquet) auf diese unterschiedliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zurückgreifen müsste (so auch Landgericht Meiningen, Az. 3 O 510/22 und 3 O 323/22).
78
Demnach ist nach allgemeingültigen zivilprozessualen Grundsätzen – gerade – im Zivilverfahren über Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung die primäre Darlegungslast und Beweislast einheitlich dem klagenden Versicherungsnehmer auferlegt. Somit trifft den klagenden Versicherungsnehmer auch hinsichtlich seines in die Zukunft gerichteten Antrags auf Feststellung einer zukünftig herabgesetzten Prämienhöhe die (oben dargestellte) Pflicht zur Konkretisierung seines Angriffs auf die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen.
79
Zu diesem Ergebnis führt auch die Kontrollüberlegung, dass andernfalls – aufgrund der oben dargestellten „Doppelrelevanz“ der in Streit stehenden Beitragsanpassungen sowohl als Rechtsgrund der vergangenen als auch der zukünftigen Prämienzahlungen – die oben dargestellten zivilprozessualen Grundsätze und der Wille des Gesetzgebers hinsichtlich des Verbots einer Ausforschung des Prozessgegners unterwandert werden würden.
80
(5) Diesen o.g. prozessualen Voraussetzungen hat der Kläger trotz der o.g. und durch ihn wahrgenommenen (Bl. 147 d.A.) Hinweise bis zuletzt nicht genügt.
81
Insbesondere hat der Kläger seinen völlig pauschal gehaltenen Vortrag, dass „[d]ie Klägerseite […] ihr Bestreiten der der Unwirksamkeit zugrunde liegenden Vollständigkeit der Prüfunterlagen an ihr bereits bekannten Sachverhalten“ (Bl. 9 d.A.) und „auf Grundlage der den klägerischen Prozessbevollmächtigten bekannten Informationen“ (Bl. 193 d.A.) ausgerichtet habe, sowie, dass „die der Klägerseite bekannten Unterlagen im Hinblick auf die Berücksichtigung von Rückstellungen („Limitierungsmittel“) auf ein systematisches Versagen der Treuhänderprüfung“ hindeuten würden und „die genannte Entscheidung des OLG Stuttgart […] diesen Verdacht bestätigt“ habe (Bl. 17 d.A.), auf substantiiertes Bestreiten durch die Beklagte mit den Ausführungen, dass die Unterlagen durch „die Klägerseite noch niemals gesichtet“ wurden (Bl. 98 d.A.) und „die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 15.07.2021, Az. 7 U 237/18, gegen einen anderen Versicherer“ ergangen sei (Bl. 97, 126 d.A.), nicht konkretisiert und ist damit dieser Erwiderung durch die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Der bis zuletzt völlig pauschale klägerische Vortrag beschränkt sich damit auf einen offensichtlich „aufs Geratewohl“ für eine Vielzahl von Verfahren gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Versicherer vorformulierten, nicht auf den hier vorliegenden Einzelfall individualisierten und jeglichen Bezug zum konkreten hiesigen Versicherungsverhältnis zwischen dem konkreten Kläger und der konkreten Beklagten vermissen lassenden und somit gemäß der oben dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung als rechtsmissbräuchlich zu klassifizierenden Vortrag „ins Blaue hinein“.
82
c) Demnach bilden die o.g. Beitragsanpassungen jeweils die wirksame Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der ungekürzten Beiträge für den nichtverjährten Zeitraum ab 01.01.2019 (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 314/19, r+s 2021, 95, Rn. 54, beck online). Davor liegende klägerische Ansprüche aus Beitragszahlungen bis einschließlich 31.12.2018 sind verjährt.
83
Denn die Verjährungsfrist für bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Rückforderung von Beiträgen beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre und beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem dem Versicherungsnehmer die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist und er mithin von ihrem Inhalt Kenntnis hat (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, Az. IV ZR 113/20, VerR 2022, 97; Urteil vom 19.12.2018; Az. IV ZR 255/17; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2020, Az. 9 U 237/19; Urteil vom 07.04.2017; Az. 20 U 128/16). Die Mitteilung versetzt den Versicherungsnehmer in die Lage zu beurteilen, ob die Mitteilung formell ausreichend ist und in welcher Höhe künftig Beiträge von ihm verlangt werden. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Verjährung hier wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage ausnahmsweise hinausgeschoben worden wäre. Denn eine Rechtslage ist nicht schon dann unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Eine einer Klageerhebung entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung gab es nicht (vgl. BGH a.a.O.).
84
2. Demnach besteht auch kein mit dem Klageantrag Ziffer 2 geltend gemachter klägerischer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte und somit auch kein hierzu akzessorischer Zinsanspruch; (gerade) wegen der oben dargestellten Vorgreiflichkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 2 ZPO für den Zahlungsantrag kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.
85
3. Entsprechendes gilt für eine mit dem Klageantrag Ziffer 3 geltend gemachte Pflicht der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen und Zinsen.
86
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
87
Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.
88
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 39, 40, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 4, 5, 9 ZPO (analog), wobei dem Feststellungsantrag Ziffer 1 ein Wert in Höhe von 13.650,42 € und dem Zahlungsantrag Ziffer 2 ein Wert in Höhe von 10.189,42 € zukommt, während der Antrag Ziffer 3 als Nebenforderung gemäß § 4 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG den Streitwert nicht erhöht.