Inhalt

OLG München, Beschluss v. 03.05.2023 – 2 UF 1057/22 e
Titel:

Streit über den Unterhalt für gemeinsame minderjährige Kinder

Normenkette:
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1, S. 2, S. 3, § 1606 Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Aufgrund der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB ist im Rahmen des zu leistenden Mindestunterhalts neben der in Vollzeit ausgeübten Tätigkeit auch eine ausgeübte Nebentätigkeit anzurechnen. (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Umstand, dass mit einem weit über das übliche Maß hinausgehenden Umgangsrecht eines Elternteils eine finanzielle Mehrbelastung verbunden sein kann, kann grds. dadurch Rechnung getragen werden, dass etwaige Mehraufwendungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils berücksichtigt werden können. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da den Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Mindestunterhalts für die eigenen minderjährigen Kinder gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine gesteigerte Erwerbspflicht trifft, wird vorausgesetzt, dass er, sofern er einen erhöhten notwendigen Selbstbehalt geltend macht, vorträgt und nachweist, dass die hierzu führenden Verpflichtungen erheblich und nach den Umständen unvermeidbar sind. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils kann entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszahlung nicht ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre.  (Rn. 32 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindesunterhalt, Düsseldorfer Tabelle, Unterhaltsrückstand, Barunterhaltspflicht, Erwerbsobliegenheit
Vorinstanz:
AG Dachau, Endbeschluss vom 07.09.2022 – 5 F 840/21
Fundstellen:
FamRZ 2023, 1706
LSK 2023, 9264
BeckRS 2023, 9264

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 11.10.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom 07.09.2022 in den Ziffern 1. – 3. und 5. wie folgt abgeändert:
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, ab dem 01.06.2023 zu Händen des Antragstellers Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind W. K. G., geboren am 24.05.2006, in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle zu zahlen, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind, derzeit 588,00 € abzüglich 125,00 €, somit gegenwärtig 463,00 €, jeweils fällig zum Ersten eines jeden Monats, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Fälligkeit.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, ab dem 01.06.2023 zu Händen des Antragstellers Kindesunterhalt für das gemeinsame … am 29.10.2009, in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle zu zahlen, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind, derzeit 588,00 € abzüglich 125,00 €, somit gegenwärtig 463,00 €, jeweils fällig zum Ersten eines jeden Monats, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Fälligkeit.
3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller rückständigen Kindesunterhalt … Zeitraum Juli 2020 bis Mai 2023 … € für das Kind W. K. G., geb. 24.05.2006, nebst Zinsen bieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 395,00 € seit 01.07.2020, seit 01.08.2020, seit 01.09.2020, seit 01.10.2020, seit 01.11.2020 und seit 01.12.2020 sowie aus jeweils 218,50 € seit 01.01.2021, seit 01.02.2021, seit 01.03.2021, seit 01.04.2021, seit 01.05.2021, seit 01.06.2021, seit 01.07.2021, seit 01.08.2021, seit 01.09.2021, seit 01.10.2021, seit 01.11.2021 und seit 01.12.2021, sowie aus jeweils 223,50 € seit 01.01.2022, seit 01.02.2022, seit 01.03.2022, seit 01.04.2022, seit 01.05.2022, seit 01.06.2022, seit 01.07.2022, seit 01.08.2022 und seit 01.09.2022, sowie aus jeweils 27,06 € seit 01.10.2022 und seit 01.11.2022, sowie aus 223,50 € seit 01.12.2022, sowie aus jeweils 213,00 € seit 01.01.2023, seit 01.02.2023, seit 01.03.2023, seit 01.04.2023 und seit 01.05.2023 zu zahlen.
4. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum Juli 2020 bis Mai 2023 in Höhe von 7.215,12 € für das Kind O. T. G., geb. 29.10.2009, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 322,00 € seit 01.07.2020, seit 01.08.2020, seit 01.09.2020, seit 01.10.2020, seit 01.11.2020 und seit 01.12.2020 sowie aus jeweils 141,50 € seit 01.01.2021, seit 01.02.2021, seit 01.03.2021, seit 01.04.2021, seit 01.05.2021, seit 01.06.2021, seit 01.07.2021, seit 01.08.2021, und seit 01.09.2021, sowie aus jeweils 218,50 € seit 01.10.2021, seit 01.11.2021 und seit 01.12.2021, sowie aus jeweils 223,50 € seit 01.01.2022, seit 01.02.2022, seit 01.03.2022, seit 01.04.2022, seit 01.05.2022, seit 01.06.2022, seit 01.07.2022, seit 01.08.2022 und seit 01.09.2022, sowie aus jeweils 27,06 € seit 01.10.2022 und seit 01.11.2022, sowie aus 223,50 € seit 01.12.2022, sowie aus jeweils 213,00 € seit 01.01.2023, seit 01.02.2023, seit 01.03.2023, seit 01.04.2023 und seit 01.05.2023 zu zahlen.
5. Von den Kosten des Verfahrens in erster Instanz tragen der Antragsteller 10 % und die Antragsgegherin 90 %.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller 18 % und die Antragsgegnerin 82 %.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 14.708,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über den Unterhalt für ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder.
2
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern der Kinde… geboren am 24.05.2006, und … geboren am 29.10.2009. Sie sind verheiratet und leben seit Januar 2020, als die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung ausgezogen ist, getrennt. Das Scheidungsverfahren ist am Amtsgericht Dachau unter dem Az. 5 F 582/21 anhängig. Die Kinder leben beim Antragsteller. Sie haben kein eigenes Einkommen oder Vermögen. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15.07.2020 zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert. Ab Januar 2021 zahlte die Antragsgegnerin monatlich 400,00 € an den Antragsteller für beide Kinder zusammen, im Oktober und November 2022 insgesamt 792,88 € und seit dem 01.01.2023 je 250,00 € monatlich für jedes Kind.
3
Der Antragsteller beantragte in erster Instanz, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ab dem 01.01.2022 zu Händen des Antragstellers Kindesunterhalt für die gemeinsamen Kinder in Höhe von jeweils 105 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes bzw. zweites Kind, nebst Zinsen, sowie rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 9.747,00 € für den Zeitraum Juli 2020 bis Dezember 2021 nebst Zinsen zu bezahlen.
4
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzuweisen. Sie vertrat die Ansicht, sie schulde über den gezahlten Unterhalt von 400 € monatlich für beide Kinder, auf den man sich geeinigt habe, hinaus, keinen weiteren Unterhalt, weil der Antragsteller aufgrund seines deutlich höheren Einkommens für den Unterhalt mit hafte. Die von der Antragsgegnerin ausgeübte Nebentätigkeit sei überobligatorisch und nicht zu berücksichtigen. Daneben habe sie in erheblichem Umfang Betreuungs- und Hausarbeiten übernommen, weshalb faktisch ein paritätisches Wechselmodell vorgelegen habe.
5
Mit Beschluss vom 07.09.2022, berichtigt durch Beschluss vom 11.10.2022, verpflichtete das Amtsgericht die Antragsgegnerin, an den Antragsteller für jedes Kind ab dem 01.10.2022 jeweils einen monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe 396,44 € sowie einen rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis 30.09.2022 in Höhe von 11.977,20 € nebst Zinsen zu bezahlen. Die Entscheidung begründet das Amtsgericht damit dass den Kindern ein Anspruch auf Barunterhalt gegen die Antragsgegnerin zustehe, da sie beim Vater ihren Lebensmittelpunkt haben. Ein Wechselmodell sei nicht praktiziert worden. Auch sei eine Einigung zwischen den Eltern auf einen Gesamtunterhaltsbetrag von 400 € nicht geschlossen worden. Die Antragsgegnerin habe ein unterhaltsrechtlich beachtliches Einkommen aus ihrer Tätigkeit bei dem Landratsamt Dachau in Höhe von 2.300,00 €, von dem konkrete Fahrtkosten, aber nicht zusätzlich die Leasingrate für ein Auto abzuziehen seien. Die aus ihrer Nebentätigkeit erzielten Einkünfte in Hone von monatlich 629,90 € abzüglich Fahrtkosten seien zu berücksichtigen und nicht überobligatorisch. Nach Abzug weiterer anzurechnender Ausgaben verbleibe ein unterhaltsrelevantes Einkommen von monatlich 2.222,04 €, so dass die Antragsgegnerin in der 2. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle liege und 105 % des Mindestunterhalts für jedes Kind schulde. Sie sei jedoch nur eingeschränkt leistungsfähig, weil sie aufgrund einer monatlichen Miete von 700 € einen um 270,00 € erhöhten Selbstbehalt von 1.430,00 € habe. Es ergebe sich ein monatlich verfügbarer Unterhaltszahlbetrag von insgesamt 792,04 €, so dass sie nur jeweils 88 % des Unterhaltsbedarfs der Kinder decken könne. Der Vater hafte für den Barunterhalt nicht mit, da er selbst nur ein unterhaltsrelevantes Einkommen von 1.701,54 € habe, so dass kein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht bestehe. Den zugesprochenen Unterhaltsrückstand errechnet das Amtsgericht auf dieser Grundlage nach den jeweils angenommenen Einkommensverhältnissen der Eltern (insoweit wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts Dachau vom 07.09.2022, Bl. 75/88 d.A.) Bezug genommen.
6
Gegen diesen, ihr am 08.09.2022 zugestellten, Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde vom 06.10.2022, eingegangen bei dem Amtsgericht Dachau am selben Tag, die sie mit Schriftsatz vom 08.11.2022, eingegangen bei dem Oberlandesgericht München am selben Tag, begründet. Die Antragsgegnerin beantragt im Beschwerdeverfahren, sie zu verpflichten, an den Antragsteller für die Kinder ab dem 01.10.2022 je einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 250 € sowie einen rückständigen Kindesunterhalt i.H.v. 3.000 € je Kind, gesamt 6.000 €, nebst Zinsen zu bezahlen und begründet dies damit, dass der zugesprochene Unterhaltsrückstand nicht getrennt für die Kinder, die in der Vergangenheit teilweise in verschiedene Altersstufen der Düsseldorfer Tabelle einzustufen gewesen seien, errechnet worden sei. Bei dem Einkommen der Antragsgegnerin sei unzutreffend auch ihre Nebentätigkeit berücksichtigt worden, obwohl sie zwischenzeitlich Vollzeit mit 40,2 Stunden arbeite. Die Nebentätigkeit sei überobligatorisch, was sich aus einer Einzelfallbetrachtung ergeben müsse. Auch wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen sei die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, diese Tätigkeit überhaupt auszuüben. Das unterhaltsrelevante Einkommen des Vaters sei unzutreffend ermittelt worden. Es seien mehrere Darlehen und ein Autokredit beim Einkommen abgezogen worden, ohne dass hierfür ein ausreichender Nachweis vorliege. So ergebe sich ein unterhaltsrechtlich beachtliches Nettoeinkommen des Vaters von 2.312,60 €. Demgegenüber erziele die Antragsgegnerin ein monatliches Einkommen von lediglich 1.654,04 €, so dass zwischen den Einkommen der Eltern ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht bestehe, und der Vater nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB für den Barunterhalt mithafte. Der Barunterhaltsanspruch gegen die Antragsgegnerin bestehe damit in Höhe von 250 € monatlich pro Kind. Daneben hält die Antragsgegnerin an ihrer Ansicht fest, es liege durch die Entgegennahme der monatlichen Unterhaltszahlungen von insgesamt 400 € eine Einigung zur Unterhaltshöhe vor, bei der auch bestehende Ansprüche auf Trennungsunterhalt berücksichtigt worden seien. Auch sei der tatsächliche finanzielle Betreuungsaufwand der Antragsgegnerin in der Vergangenheit von monatlich durchschnittlich 100,00 € nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen wird auf die Beschwerdebegründung vom 08.11.2022 (Bl. 5/15 d.A.) Bezug genommen.
7
Der Antragsteller wendet sich gegen den ihm am 14.09.2022 zugestellten Beschluss mit seiner Beschwerde vom 11.10.2022, eingegangen bei dem Amtsgericht Dachau am selben Tag, die er mit Schriftsatz vom 28.11.2022, eingegangen bei dem Oberlandesgericht München am selben Tage, begründet. Der Antragsteller beantragt im Beschwerdeverfahren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ab dem 01.10.2022 Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 110 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes bzw. ein zweites Kind, derzeit 647,00 € abzüglich 125,00 €, somit gegenwärtig 522,00 €, jeweils fällig zum Ersten eines jeden Monats, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Fälligkeit, sowie rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 15.248,00 € für den Zeitraum Juli 2020 bis November 2022 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Fälligkeit zu seinen Händen zu bezahlen, und begründet dies damit, dass die Antragsgegnerin ab 01.12.2022 ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2.368,58 € habe. Zu Unrecht sei das Amtsgericht von einer verminderten Leistungsfähigkeit unterhalb des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle ausgegangen und habe aus den Mietkosten der Antragsgegnerin in Höhe von 700 € warm gefolgert, dass der Selbstbehalt der Antragsgegnerin zu erhöhen sei. Dies sei unzutreffend, da die Antragsgegnerin in keiner Weise dargelegt und bewiesen habe, dass es sich um unvermeidbare Wohnkosten handelt. Für den Zeitraum Juli 2020 bis Dezember 2021 ergebe sich ein unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen in Höhe von 2.172,05 €, da die Belastungen für ein Darlehen für eine Eigentumswohnung in Dresden noch einkommensmindernd zu berücksichtigen waren. Diese Belastung sei weggefallen, so dass die Antragsgegnerin weitere Einkünfte aus Vermietung i.H.v. monatlich 130,00 € habe. Die Antragsgegnerin sei daher bis Dezember 2021 lediglich in die 2. Stufe der Düsseldorfer Tabelle (105 %) einzuordnen gewesen. Hieraus ergebe sich auch der beantragte Unterhaltsrückstand. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die Beschwerdebegründung vom 28.11.2022 (Bl. 21/30 d.A.) Bezug genommen.
8
Mit Schriftsätzen vom 14.12.2022 (Antragsteller, Bl. 37/42 d.A.) und vom 20.12.2022 (Antragsgegnerin, Bl. 45/46) traten die Beteiligten den jeweiligen Begründungen der Beschwerden entgegen. Auf den Inhalt der genannten Schriftsätze wird Bezug genommen.
9
Mit Verfügung vom 30.12.2022 schlug der Senat den Beteiligten den Abschluss eines Vergleichs auf der Grundlage eines für den gesamten Zeitraum geschuldeten Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle vor und begründete seine vorläufige Rechtsansicht. Auf Bl. 58/62 d.A. wird Bezug genommen.
10
Mit Schriftsätzen vom 20.01.2023 (Antragsteller, Bl. 63/64 d.A.) und vom 01.02.2023 (Antragsgegnerin, Bl. 68/70 d.A.) äußerten sich die Beteiligten zum Vergleichsvorschlag (auf die jeweiligen Schriftsätze wird Bezug genommen). Die Antragsgegnerin teilte insbesondere mit, dass sie im Oktober und November 2022 jeweils 792,88 € und ab Januar 2023 monatlich 500,00 € an Kindesunterhalt bezahlt habe.
11
Das Oberlandesgericht verhandelte in nichtöffentlicher Sitzung am 14.02.2023 und erörterte die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten. Es wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung für den 21.03.2023 bestimmt, der mit Beschluss vom 20.03.2023 auf den 03.05.2023 verlegt wurde.
12
Mit Schriftsatz vom 06.04.2023 nahm die Antragsgegnerin nochmals zu ihrer Nebentätigkeit Stellung und vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Einkünfte hieraus nicht zu berücksichtigen seien, insbesondere auch deshalb, weil sie die Tätigkeit reduziert habe (auf Bl. 85/86 d.A. wird Bezug genommen).
II.
13
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.
14
Die ebenfalls zulässige Beschwerde des Antragstellers ist insoweit begründet, als die Antragsgegnerin verpflichtet ist, an die gemeinsamen Kinder jeweils den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zu bezahlen.
15
1. Die Nebeneinkünfte der Antragsgegnerin aus ihrer Tätigkeit bei einem ambulanten Pflegedienst sind im Rahmen des Mindestunterhalts für die beiden Kinder zu berücksichtigen, darüber hinaus nicht.
16
Eltern trifft gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Diese beruht auf der besonderen Verantwortung der Eltern für den Unterhalt ihrer Kinder (BGH FamRZ 2013, 616). Reichen die tatsächlichen Einkünfte des Unterhaltsschuldners nicht aus, um seinen Bedarf und den Bedarf des Unterhaltsgläubigers zu decken, trifft den Unterhaltsschuldner die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Eine Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern legt dem Unterhaltsschuldner sogar eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit auf (§ 1603 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, NJW 1994, 1002 ff. m.w.N.). So ist er verpflichtet, seine gesamte ihm zur Verfügung stehende freie Zeit für Bewerbungen auf Arbeitsstellen einzusetzen, mit denen er nicht nur seinen, sondern auch den Unterhaltsbedarf seiner minderjährigen Kinder zu decken vermag. Zu diesem Zweck besteht auch eine Obliegenheit zur Aufnahme weiterer Tätigkeiten einschließlich Nebentätigkeiten wie Zeitungsaustragen, Kellnern usw. (vgl. OLG Naumburg vom 13.12.2007 – 8 UF 172/07). Die Anforderungen an das, was den Eltern zuzumuten ist, sind umso höher, je mehr es um die Deckung des notwendigen Kindesunterhalts, also des Existenzminimums in Form des Mindestunterhalts der Kinder geht. Obwohl die Leistungsfähigkeit als anspruchsbegründender Umstand an sich zur Antragsbegründung gehört, wollte der Gesetzgeber das Kind bis zur Höhe des Existenzminimums vollständig von der Darlegungs- und Beweislast freistellen (BGH FamRZ 2002, 536). Im Hinblick darauf kehrt sich in diesem Fall die Beweislast um. Der Unterhaltsschuldner, der geltend macht, er könne den Mindestbedarf seines minderjährigen Kindes ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs nicht leisten, hat demnach die Voraussetzungen einer begründeten Beschränkung substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen. Hieran sind im Rahmen der auf der besonderen familienrechtlichen Verantwortung gegenüber minderjährigen Kindern beruhenden gesteigerten Leistungsverpflichtung nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB hohe Anforderungen zu stellen.
17
Die Antragsgegnerin hat während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums Einkünfte aus einer Nebentätigkeit bei einem ambulanten Pflegedienst von durchschnittlich etwa 550 € monatlich nach Abzug von Fahrtkosten erzielt, wobei die Auszahlung zum Teil unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeit erfolgte. Erheblich über diesen Betrag geleistete Stunden wurden der Antragsgegnerin teilweise gutgeschrieben, die Gutschriften in Monaten mit weniger Arbeitsleistung ganz oder zum Teil ausgezahlt, so dass sich auch nach den Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 06.04.2023 (Bl. 85/86 mit Anlagen) ein in etwa gleichbleibendes Einkommen von etwa 550 € pro Monat ergab. Bei der zu treffenden Prognoseentscheidung geht der Senat entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 06.04.2023 auch weiterhin von diesen, nahezu gleichbleibenden, Einkünften aus. Aufgrund der Verrechnung von „gutgeschriebenen“ Stunden kam es in der Vergangenheit zu nahezu gleichbleibenden Lohnzahlungen monatlich, was sich auch aus den mit Schriftsatz vom 06.04.2023 vorgelegten Abrechnungen ergibt. Die Antragsgegnerin trägt zwar vor, seit September 2022 die Arbeitszeiten verringert zu haben, hat aber im Januar 2023 wiederum 23 Stunden, also das seit April 2022 geleistete Pensum gearbeitet. Eine von der Vergangenheit abweichende Prognose dahin, dass die Antragsgegnerin die Einkünfte in der Zukunft nicht mehr in der angenommenen Höhe erzielen wird, vermag der Senat derzeit nicht zu treffen.
18
Die Nebentätigkeit der Antragsgegnerin ist im Rahmen des Mindestunterhalts für die Kinder auch nicht überobligatorisch. In der Zeit bis März 2022 ergibt sich das schon allein aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin zuvor in ihrer Haupttätigkeit nur zu 80 % und mit ca. 31 Stunden Wochenarbeitszeit tätig war. Es steht außer Frage, dass der Antragsgegnerin eine Vollzeittätigkeit (ca. 40 Std.) zuzumuten war, die sie mit Haupt- und Nebentätigkeit (34 Stunden im Monat) auch ausfüllte. Aufgrund der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gem. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ist im Rahmen des zu leistenden Mindestunterhalts die seit langem ausgeübte Nebentätigkeit auch neben der mittlerweile in Vollzeit ausgeübten Tätigkeit bei dem Landratsamt Dachau anzurechnen. Der Antragsgegnerin ist es zuzumuten bis zu 48 Stunden wöchentlich zur Erzielung eines Einkommens zu arbeiten, das den Mindestunterhalt der Kinder deckt. Durch die Zusatztätigkeit bei einem ambulanten Pflegedienst mit monatlich etwa 24 Stunden seit April 2022 wird diese (Gesamt-) Arbeitszeit nicht überschritten. Gesundheitliche Einschränkungen, wie sie von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 01.02.2023 vorgetragen wurden, bestehen nach der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme bei der Antragsgegnerin seit Jahren und haben sie nicht an der Ausübung ihrer Nebentätigkeit gehindert. Die Aussage, die Antragsgegnerin dürfe maximal 40 Stunden pro Woche arbeiten, eine darüber hinausgehende Arbeitsbelastung würde mit Sicherheit zu einem weiteren Fortschreiten der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und zunehmenden Schmerzen führen, erscheint reichlich pauschal, enthält sie doch keinerlei Einschränkung für bestimmte Tätigkeiten und stellt allein auf den zeitlichen Aspekt der Arbeitszeit ab. Das Attest stammt von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, nicht von einem im Bereich Arbeitsmedizin ausgebildeten Arzt. Von welchem Tätigkeitsprofil die Ärztin ausgeht, geht aus dem Attest nicht hervor. Deshalb hält der Senat die Stellungnahme für nicht aussagekräftig solange die Antragsgegnerin ihre Nebentätigkeit tatsächlich ausübt. Das Attest ist nicht geeignet, den der Antragsgegnerin obliegenden Nachweis zu führen, dass sie nicht in der Lage ist, den Mindestunterhalt für die Kinder zu decken. Zudem geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine vollständige Heranziehung von Einkommen aus einer – gemessen an § 1603 Abs. 1 BGB – überobligatorischen Erwerbstätigkeit regelmäßig dann angezeigt ist, wenn der Unterhaltspflichtige einer gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB unterliegt (BGH in BGHZ 188, 50 = NJW 2011, 670 = FamRZ 2011, 454 Rdnr. 54). Demnach ist auch das Einkommen aus einer nach dem Maßstab des § 1603 Abs. 1 BGB unzumutbaren Erwerbstätigkeit in vollem Umfang für den Kindesunterhalt einzusetzen, wenn anderenfalls der Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB gefährdet wäre, welcher der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle entspricht (BGH, Beschluss vom 10.7.2013 – XII ZB 297/12, NJW 2013, 2897, beck-online).
19
2. Zu Recht hat das Amtsgericht nach durchgeführter Anhörung der Beteiligten davon abgesehen, eine Kürzung des Barunterhalts wegen erhöhter Betreuungsleistungen durch die Antragsgegnerin vorzunehmen.
20
Grundsätzlich kann dem Umstand, dass mit einem weit über das übliche Maß hinausgehenden Umgangsrecht eines Elternteils eine finanzielle Mehrbelastung verbunden sein kann, dadurch Rechnung getragen werden, dass etwaige Mehraufwendungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils berücksichtigt werden können. Dabei ist jedoch im Ausgangspunkt zu unterscheiden zwischen den Kosten, die zu einer teilweisen Bedarfsdeckung auf Seiten des Kindes führen, und solchen Kosten, die reinen Mehraufwand für die Ausübung des erweiterten Umgangsrechts darstellen und den anderen Elternteil nicht entlasten. Sofern keine teilweise Bedarfsdeckung eintritt, kann den erhöhten wirtschaftlichen Belastungen des Unterhaltspflichtigen durch eine Herabstufung um eine oder sogar mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle Rechnung getragen werden (BGH NJW 2014, 1958; OLG Düsseldorf JAmt 2016, 169 = BeckRS 2016, 1216; vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.4.2022 – 9 UF 155/21, NZFam 2022, 975, beck-online) Eine Anrechnung von erhöhten Betreuungsleistungen durch die Antragsgegnerin vermag auch der Senat nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht zu sehen. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt, dass diese weder nachgewiesen sind noch eine Berücksichtigung angezeigt ist. Das Amtsgericht hat die Beteiligten in mündlicher Verhandlung zu den Betreuungsleistungen der Antragsgegnerin angehört und in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die überwiegende Betreuung der Kinder vom Antragsteller geleistet wurde. Nachvollziehbar zieht das Amtsgericht den Schluss, dass ein Ansatz von erhöhten Betreuungsleistungen durch die Antragsgegnerin hier nicht angezeigt ist, weder durch Anrechnung von Aufwendungen für Lebensmittel, noch durch pauschale Anrechnung auf den Tabellenbedarf, zumal allein der Mindestunterhalt geschuldet ist. Der Senat schließt sich insoweit der Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung an.
21
3. Auch der Senat geht davon aus, dass eine Einigung auf einen Gesamtunterhalt von 400 € monatlich für beide Kinder nicht zustande gekommen ist und schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts hierzu an.
22
Ebenso wie das Amtsgericht Dachau geht der Senat nicht vom Vorliegen einer stillschweigenden Vereinbarung aus. Der in der Entscheidung des OLG Brandenburg entschiedene Sachverhalt, auf den sich die Antragsgegnerin beruft, erscheint nicht vergleichbar, schon deswegen nicht, weil er zum Ehegattenunterhalt und nicht zum Kindesunterhalt erging. Ausgangspunkt für die dortigen Zahlungen war die Aufforderung der Unterhaltsberechtigten, 500 € für Trennungsunterhalt zu zahlen, was der Verpflichtete dann auch tat. Vorliegend hat der Antragsteller im gegenständlichen Zeitraum insbesondere mit seinem Schreiben vom 15.07.2020 (Anlage ASt 1) immer mehr an Kindesunterhalt gefordert, als von der Antragsgegnerin gezahlt wurde. Zwei übereinstimmende Willenserklärungen, die zum Abschluss eines Unterhaltsvergleichs – auch konkludent – erforderlich wären, sieht auch der Senat nicht.
23
4. Im Rahmen des Mindestunterhalts ist, anders als vom Amtsgericht angenommen, nicht von einem wegen Wohnkosten von monatlich 700 € erhöhtem notwendigen Selbstbehalt der Antragsgegnerin auszugehen. Die Antragsgegnerin trifft im Rahmen des Mindestunterhalts für die beiden minderjährigen Kinder gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine gesteigerte Erwerbspflicht. Dies setzt auch voraus, dass der Unterhaltsverpflichtete, macht er einen erhöhten notwendigen Selbstbehalt geltend, vorträgt und nachweist, dass die hierzu führenden Verpflichtungen erheblich und nach den Umständen unvermeidbar sind (vgl. Ziffer 21.5.2. SüdL). Die Antragsgegnerin hat nichts dazu vorgetragen, dass sie sich um günstigeren Wohnraum bemüht hat, um mit den ersparten Wohnkosten den Mindestunterhalt der Kinder zu decken. Es mag allgemein bekannt sein, dass Wohnraum im Ballungsraum München teuer ist, einen allgemeinen Erfahrungssatz dahin, dass eine für eine Person angemessen Wohnung nicht für einen im notwendigen Selbstbehalt angesetzten Satz von derzeit 520 €, vormals 430 €, zu erlangen ist, gibt es hingegen nicht. Zu Unrecht hat das Amtsgericht damit den notwendigen Selbstbehalt der Antragsgegnerin um 270 € angehoben, wofür im Rahmen des Mindestunterhalts die Voraussetzungen nicht vorliegen.
24
5. Damit ergibt sich folgende unterhaltsrechtlich relevante Einkommenssituation für die Antragsgegnerin (jeweils Eurobeträge):
5.1. Derzeit:

Nettoeinkommen 2.300,00 abzgl. Fahrtkosten 231,00

2.069,00

Nebentätigkeit aus dem Durchschnitt der mit Schriftsatz vom 06.04.2023 vorgelegten

Abrechnungen: 550 abzgl Fahrtkosten 44,00

506,00

Einnahmen Miete Dresden unstreitig s. Schriftsatz vom 01.02.2023

51,00

gesamt

2.626,00

Abzüge

-315,00

Ergebnis

2.311,00

Mindestunterhalt: 2 × 463,00 = 926,00, verbleibt:

1.385,00

bei einem notwendigen Selbstbehalt von 1.370,00 €, womit die Antragsgegnerin leistungsfähig ist.
5.2. Rückstand 01.07.2020 – 31.12.2020:
25
Die Beschwerde greift die Einkommensberechnung des Amtsgerichts nicht an, so dass von einem unterhaltsrelevanten Einkommen i.H.v. 2.033,64 € auszugehen ist (vgl. S. 8, 9 des Beschlusses vom 07.09.2022). Im Rahmen des Mindestunterhalts scheidet die Erhöhung des notwendigen Selbstbehalts durch höhere Mietkosten aus, der bei 1.160,00 € liegt. Es verbleibt ein verfügbarer Betrag von 873,64 €. Der Mindestunterhalt für O. T. betrug 322,00 €, der für W. K. 395,00 €, gesamt damit 717,00 €, den die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu leisten im Stand war. Über den Mindestunterhalt sind die höheren Wohnkosten im notwendigen Selbstbehalt zu berücksichtigen.
5.2. Rückstand 2021
26
Entsprechend der insoweit nicht mit der Beschwerde angefochtenen Einkommensberechnung des Beschlusses vom 07.09.2022 ist von einem durchschnittlichen monatlichen bereinigten Einkommen von 2.234,43 € auszugehen. Bei einem nicht erhöhten notwendigen Selbstbehalt von 1.160,00 € verbleibt ein freier Betrag von 1.074,43 €, der ausreicht um den Unterhaltsmindestbedarf der Kinder O. T. von 341,50 € von Januar 2021 bis September 2021 und von 418,50 von Oktober bis Dezember 2021 und W. K. von 418,50 € monatlich zu decken.
27
Die Antragsgegnerin hat monatlich 400 € Unterhalt bezahlt, wovon jeweils 200 € monatlich auf jedes Kind zu verrechnen sind.
5.3. Rückstand 2022
28
Entsprechend der insoweit nicht mit der Beschwerde angefochtenen Einkommensberechnung des Beschlusses vom 07.09.2022 ist von einem durchschnittlichen monatlichen bereinigten Einkommen in den Monaten Januar mit März 2022 von 2.234,43 € auszugehen. Bei einem nicht erhöhten notwendigen Selbstbehalt von 1.160,00 € verbleibt ein freier Betrag von 1.074,43 €, der ausreicht, um den Unterhaltsmindestbedarf der Kinder von jeweils 418,50 € monatlich zu decken. Ab April 2022 arbeitete die Antragsgegnerin Vollzeit bei dem Landratsamt Dachau und hatte ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.300,00 €. Ihre Nebentätigkeit verringerte die Antragsgegnerin von monatlich 34 Stunden auf 24 Stunden. Die Einkommenssituation stellt sich dar wie im Jahr 2023 (s.o. 5.1.), so dass von einem bereinigten Einkommen von 2.311,00 € bei einem notwendigen Selbstbehalt von 1.160,00 € auszugehen ist. Der Mindestunterhalt für die Kinder betrug jeweils 423,50 €, gesamt 847,00 €, so dass die Antragsgegnerin in der Lage war, den Mindestunterhalt zu leisten, ohne ihren notwendigen Selbstbehalt zu gefährden. Soweit Unterhalt über den Mindestunterhalt von 100 % der Düsseldorfer Tabelle vom Antragsteller gefordert wird, sind die Nebeneinkünfte der Antragsgegnerin nicht anzusetzen und der notwendige Selbstbehalt wegen erhöhter Wohnkosten zu erhöhen, so dass insoweit kein Anspruch besteht.
29
Die Antragsgegnerin zahlte in den Monaten Januar bis September und Dezember 2022 monatlich 400 € Unterhalt, jeweils 200,00 € pro Kind, in den Monaten Oktober und November 792,88 €, je Kind 396,44 €, wie im angefochtenen Beschluss vom 07.09.2022 bestimmt.
5.3. Rückstand Januar – Mai 2023
30
Es ist von den Einkommensverhältnissen auszugehen, die auch derzeit herrschen (s.o. 5.1.), so dass die Antragsgegnerin in der Lage war, den Mindestunterhalt von 463,00 € für jedes Kind zu leisten, ohne ihren notwendigen Selbstbehalt von 1.370,00 € zu gefährden.
31
Die Antragsgegnerin zahlte monatlichen Unterhalt von 250,00 € pro Kind.
5.4. Es ergibt sich damit folgende Rückstandsberechnung:

Rückstand für …

geb. ...2006,

Altersstufe 3

bezahlt

offen

07.2020-12.2020

6 × 395,00

2.370,00

2021

12 × 418,50

5.022,00

2.400,00

2022

12 × 423,50

5.082,00

2.792,88

01.2023 – 05.2023

5 × 463,00

2.315,00

1.250,00

gesamt

14.789,00

6.442,88

8.346,12

Rückstand für …

geb. .....2009

Altersstufe

2 – 10/2021,

danach 3

07.2020-12.2020

6 × 322,00

1.932,00

01/2021 – 09.2021

9 × 341,50

3.073,50

1.800,00

10.2021-12.2021

3 × 418,50

1.255.50

600,00

2022

12 × 423,50

5.082,00

2.792,88

01.2023-05.2023

5 × 463,00

2.315,00

1.250,00

gesamt

13.658,00

6.442,88

7.215,12

32
6. Der Antragsteller haftet nicht gem. § 1603 Absatz 2 Satz 3 BGB für den Barunterhalt für die Kinder mit.
33
Gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB entfällt die gesteigerte Unterhaltspflicht gem. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Als solcher kommt insbesondere der andere Elternteil in Betracht. Grundsätzlich erfüllt dieser zwar seine Unterhaltspflicht, wenn er das Kind betreut (§ 1606 Abs. 3 S. 2). Hiervon ist aber bei einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen den Eltern abzuweichen. Außerdem kommt eine Haftung des betreuenden Elternteils wegen Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des Barunterhaltspflichtigen in Betracht (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1603, Rn. 178). Nach diesen Maßstäben kann die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszahlung nicht ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre. Die Frage, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, kann nicht in jedem Einzelfall schematisch durch die Gegenüberstellung der beiderseitigen, auf Seiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils gegebenenfalls auch fiktiven (vgl. Born, in: Münch-Komm-BGB, § 1603 Rdnr. 114; OLG Bamberg, NJW 1995, 1433 = FamRZ 1995, 566) Nettoeinkünfte beurteilt werden. Vielmehr ist die unterhaltsrechtliche Belastung der Elternteile im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung angemessen zu würdigen. Auf Seiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils kann daher insbesondere berücksichtigt werden, ob sein eigener Unterhalt in neuer Lebensgemeinschaft gesichert ist.
34
Demgegenüber wird es auf Seiten des betreuenden Elternteils vor allem darauf ankommen, inwieweit dieser auf Grund der individuellen Verhältnisse durch die Übernahme der Kindesbetreuung neben der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit belastet wird; im Rahmen der Gesamtbetrachtung kann daneben aber auch die Belastung des betreuenden Elternteils mit anderen – gegebenenfalls auch nachrangigen – Unterhaltspflichten von Bedeutung sein. Daneben ist zu Gunsten eines wirtschaftlich besser gestellten betreuenden Elternteils zu bedenken, dass das minderjährige Kind faktisch auch dessen gehobene Lebensverhältnisse teilt; ein dadurch erzeugter zusätzlicher Barbedarf des Kindes muss von vornherein allein durch den … Elternteil befriedigt werden (vgl. BGH Beschluss vom 10.7.2013 – XII ZB 297/12; in NJW 2013, 2897, beck-online). Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, nähert sich die Einkommensdifferenz einer Grenze, an der es unter gewöhnlichen Umständen der Billigkeit entsprechen kann, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen (vgl. BGH a.a.O. NJW 2013, 2897 Rn. 29, beck-online).
35
Unterhalb dieser Schwelle – wie hier – wird auch bei einer erheblichen Einkommensdifferenz eine vollständige Enthaftung des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils häufig ausscheiden; in welchem Umfang der nicht betreuende Elternteil in solchen Fällen bei der Aufbringung des Barunterhalts ausnahmsweise entlastet werden kann, hat vorrangig der Tatrichter unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte in eigener Verantwortung zu prüfen. Der Bundesgerichtshof hat grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken dagegen, im rechnerischen Ausgangspunkt auf den Verteilungsmaßstab der elterlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB) zurückzugreifen. Wird allerdings bei der Quotenberechnung das vergleichbare Einkommen der Eltern dadurch bestimmt, dass von den unterhaltsrelevanten Einkünften beider Elternteile gleichermaßen der angemessene Selbstbehalt als Sockelbetrag abgezogen wird, müssen die auf diese Weise ermittelten Haftungsanteile in aller Regel zu Gunsten des betreuenden Elternteils wertend verändert werden, um der Gleichwertigkeitsregel des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB Geltung zu verschaffen (vgl. Auch Erdrich, in: Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishdb. FamilienR, Stand: Jan. 2013, Teil I Rdnr. 149). Denkbar erscheint es dem Bundesgerichtshof auch, dem betreuenden Elternteil bereits bei der Bestimmung des vergleichbaren Einkommens im Rahmen der Quotenberechnung einen höheren Sockelbetrag zu gewähren (vgl. etwa Gutdeutsch, FamRZ 2006, 1724 [1727]; Scholz, FamRZ 2006, 1728 [1730]). Auch bei erheblich günstigeren Einkommensverhältnissen des betreuenden Elternteils kann die Würdigung des Tatrichters somit zu dem Ergebnis führen, dass der nicht betreuende Elternteil im erhöhten Maße und gegebenenfalls auch allein zur Aufbringung des Barunterhalts heranzuziehen ist (vgl. BGH Beschluss vom 10.7.2013 – XII ZB 297/12; in NJW 2013, 2897, beck-online).
36
Eine Ermäßigung der Barunterhaltspflicht der Antragsgegnerin wegen einer Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des Barunterhaltspflichtigen kommt nach diesen Kriterien vorliegend nicht in Betracht.
37
Bei dem hier vorzunehmenden Einkommensvergleich ist auf den angemessenen Selbstbehalt der Beteiligten abzustellen, der vorliegend bei beiden Elternteilen wegen der höheren Wohnkosten, bei dem Antragsteller zudem wegen der von ihm erbrachten Betreuungsleistungen anzupassen ist (vgl. BGH a.a.O.). Daneben ist das Einkommen des Antragstellers um den Betrag zu kürzen, den er aufwenden muss, um den vom Barunterhaltspflichtigen geschuldeten Unterhalt auf das Maß anzuheben, das sich ergäbe, wenn der Unterhalt nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern bemessen würde. Denn dieser Aufstockungsbetrag darf für die Entlastung des anderen nicht als Einkommen herangezogen werden. Er soll vielmehr den Kindern zugute kommen (vgl. Scholz, FamRZ 2006, 1728 ff). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller das gesamte Kindergeld für die Kinder bekommt. Es ergibt sich folgende – wirtschaftliche – Betrachtung:
38
Der angemessene Selbstbehalt ist wegen der erhöhten Wohnkosten bei der Antragsgegnerin von 1.400 € auf 1.550 €, im Jahr 2023 von 1.650 € auf 1.700 €, bei dem Antragsteller um 530 € auf 1.930 €, im Jahr 2023 auf 2.080 € – zu erhöhen. Zudem ist der angemessene Selbstbehalt bei dem Antragsteller wegen seiner Betreuungsleistungen um 50 % der Einkommensdifferenz der Eltern anzupassen. Das sind, ausgehend von einem Einkommen des Antragstellers von konstant 2.312,00 € und von Einkommen der Antragsgegnerin ohne Berücksichtigung der Nebeneinkünfte, da diese im Rahmen der Betrachtung gem. § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB außer Betracht bleiben müssen, von 1.455,00 € (2020), von 1.648,00 € (2021 und 01.-03.2022), und von 1.800,00 € (04.-12.2022 und 2023), für 2020 ein Betrag von 428,50, für 2021 und das erste Quartal 2022 ein Betrag von 332,00 €, für den Rest des Jahres 2022 und 2023 ein Betrag von 256,00 €, der dem angemessenen Selbstbehalt des Antragstellers hinzuzurechnen ist. Es ergibt sich aus dieser wertenden Betrachtung ein angemessener Selbstbehalt des Antragstellers für 2020 von 2.358,50 (1.930 + 428,50), für 2021 und das erste Quartal von 2022 von 2.262,00 € (1.930 + 332), für den Rest von 2022 von 2.186,00 € (1.930 + 256) und für 2023 von 2.336,00 € (2.080 + 256).
39
Bei der Einkommensbetrachtung haben die Nebeneinkünfte der Antragsgegnerin außer Betracht zu bleiben. Die nicht ausreichend dargelegten Darlehensverbindlichkeiten des Antragstellers bleiben ebenfalls unberücksichtigt. Der Senat geht zur Vereinfachung von einem Einkommen des Antragstellers i.H.v. 2.312,60 € aus, wie es in der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin vom 08.11.2022 vorgetragen wird, das um den Betrag zu kürzen ist, den er aufwenden muss, um den vom Barunterhaltspflichtigen geschuldeten Unterhalt auf das Maß anzuheben, das sich ergäbe, wenn der Unterhalt nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern bemessen würde. Ausgehend von den o.g. Einkommensverhältnissen wäre von einer Einstufung der Kinder in der Stufe 6 (2020) bzw. Stufe 7 (2021-2023) auszugehen, so dass sich für 2020 ein Unterhaltsbedarf für beide Kinder von 441,00 € und 535,00 €, insgesamt 976,00 € ergäbe. Das sind 259,00 € mehr als der Mindestunterhalt. Dieser Mehrbetrag wird vom Antragsteller gedeckt. In 2021 ergibt sich in den Monaten Januar bis September ein vom Antragsteller gedeckter Bedarf von 354,00 € (504,50 + 609,50 – 341,50 + 418,50). Für die Monate Oktober 2021 bis Dezember 2021 ergibt sich ein vom Antragsteller gedeckter Bedarf von 382,00 € (2 × 609,50 – 2 × 418,50). Für 2022 ergibt sich ein vom Antragsteller gedeckter Bedarf von 384,00 € (2 × 615,50 – 2 × 423,50), und für 2023 einer von 424,00 € (2 × 675 – 2 × 463). Zum Einkommen des Antragstellers hinzuzurechnen ist jeweils das hälftige Kindergeld von 219,00 € in den Jahren 2020 bis 2022 und von 250,00 € in 2023. Es ergibt sich nach dieser (fiktiven) Betrachtung ein unterhaltsrelevantes Einkommen des Antragstellers von 2.272,00 € für 2020 bei einem angemessenen Selbstbehalt von 2.358,50 €, von 2.177,00 € (01.-09.) bzw. 2.149,00 € (10.-12.) für 2021 bei einem angemessenen Selbstbehalt von 2.358,00 €, von 2.147,00 € für 2022 bei einem angemessenen Selbstbehalt von 2.262,00 € bzw. 2.186,00 €, und von 2.138,00 € für 2023 bei einem angemessenen Selbstbehalt von 2.336,00 €. Aus dieser rechnerisch die Einkommensverhältnisse wertend gegenüberstellenden Betrachtung ergibt sich, dass auch der Antragsteller ohne eine Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts keinen zusätzlichen Barunterhalt zu leisten imstande ist und war. Hinzu kommt, dass bei dieser Betrachtung das Nebeneinkommen der Antragsgegnerin, mit dem sie den zu zahlenden Kindesunterhalt und den eigenen Bedarf decken kann, trotz der bestehenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit ohne Berücksichtigung geblieben ist. Auf die Frage, ob nach Deckung des Unterhaltsbedarfs durch die Antragsgegnerin oder auch teilweise den Antragsteller ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Unterhaltsverpflichteten entsteht, kommt es mithin nicht mehr an. In Gesamtschau der persönlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kindeseltern erscheint es nicht angemessen, den Antragsteller über den von ihm geleisteten Unterhalt durch Betreuung der Kinder und die Deckung des sich aus einem aus dem Gesamteinkommen der Eltern ergebenden erhöhten Bedarfs der Kinder geleisteten Unterhalt hinaus weiter am Barunterhalt zu beteiligen.
III.
40
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG i.V.m. den Rechtsgedanken von § 92 Abs. 2 Nr. 1 und § 97 Abs. 2 ZPO.
41
Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 40, 51 FamGKG. Es war auszugehen von einem im Beschwerdeverfahren beantragten Unterhaltsrückstand von 15.248 € abzüglich des zugestandenen Betrages von 6.000 € zuzüglich dem Jahresbetrag der Differenz in den Anträgen der Beteiligten (477,50 – 250 = 227,50 × 2 × 12 = 5.460,00 €). Hiervon obsiegt der Antragsteller mit 6.983,74 € (Rückstand bis 11.2022) und 5.112,00 € (463 – 250 = 213 × 2 × 12), und damit insgesamt mit 12.095,74 €. Das entspricht einer Quote von etwa 82 %.
42
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 FamFG