Titel:
Kein privilegiertes Kündigungsrecht bei Selbstnutzung einer Wohnung als Ferienwohnung
Normenkette:
BGB § 573a
Leitsatz:
Die Kündigung eines Mietverhältnisses gem. § 573a BGB setzt nicht voraus, dass der Vermieter in dem Wohngebäude seinen Lebensmittelpunkt hat (entgegen LG Berlin BeckRS 1991, 1944). Eine vom Vermieter behauptete Nutzung seiner Wohnung als "Ferienwohnung" genügt allerdings nicht, wenn sich aus dem von ihm angegebenen zeitlichen Umfang keine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von aus dem engen Zusammenleben herrührenden Spannungen zwischen Vermieter und Mieter ergibt. (Rn. 15 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietvertrag, erleichterte Kündigung, Ferienwohnung, Zweitwohnung, Kündigungsprivileg
Vorinstanz:
AG Rosenheim, Urteil vom 30.09.2022 – 9 C 877/22
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
GE 2023, 1195
BeckRS 2023, 9239
ZMR 2024, 32
LSK 2023, 9239
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 30.09.2022, Az. 9 C 877/22, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
3 S 2451/22 – - 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung infolge einer auf § 573a BGB gestützten Kündigung.
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Mit Mietvertrag vorn 09.04.2021 mietete die Beklagte vom Kläger eine 2-Zimmer-Küche-Bad
83122 Törwang, Sonnenfeld 13
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Wohnung nebst dazugehörender Doppelgarage in . Mietbeginn war der 01.05.2021
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Der Kläger ist Eigentümer des gesamten Anwesens . In diesem befindet sich außer der von der Beklagten angemieteten Wohnung nur noch eine weitere Wohnung. Diese wird vom Kläger, der seinen Erstwohnsitz in Wuppertal hat, nach den Feststellungen des Amtsgerichts als „Ferienwohnung“ genutzt.
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Mit Schriftsatz vom 18.03.2022 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit Wirkung vom 30.09.2022 gestützt auf § 573a BGB. Mit Schriftsatz vom 20.06.2022 widersprach die Beklagte der Kündigung.
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Das Amtsgericht Rosenheim hat mit angegriffenem Urteil vorn 30.09.2022 der Räumungsklage des Klägers stattgegeben und hierbei ausgeführt, dem Kläger stünde ein privilegiertes Kündigungsrecht gern. § 573a BGB zu.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen nach § 573a BGB lägen nicht vor, der Kläger bewohne seine Wohnung nicht selbst im Sinne dieser Vorschrift.
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Die Beklagte beantragt,
Das am 30.09.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Rosenheim, Aktenzeichen: 9 C 877/22 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil.
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Die Kammer hat ergänzend die Parteien angehört.
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Im übrigen wird gern. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts sowie weiterhin auf das Protokoll vom 15.03.2023 (BI. 85) und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger bewohnt das Gebäude nicht selbst im Sinne von § 573a Abs. 1 BGB, so dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.
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1. Kündigung gern. § 573a BGB
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1.1 Grundsätzlich zutreffend führt das Amtsgericht aus, dass es sich bei der „selbst bewohnten“ Wohnung des Vermieters im Gebäude auch um eine Zweitwohnung handeln kann, dass aber wegen des Schutzzweckes der Regelung in § 573a BGB eine Nutzungsintensität zu verlangen ist, die die Gefahr erhöhter Spannungen möglich erscheinen lässt.
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1.2 In diesem Kontext spielt allerdings der vom Amtsgericht herausgehobene Umstand, dass es sich hier bei der Zweitwohnung um eine vom Vermieter als solche genutzte „Ferienwohnung“ handelt, keine Rolle.
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Zwar wird auch vertreten, die Nutzung als (Zweit)- oder Ferienwohnung sei ausreichend (vgl. Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Auflage, § 573a BGB, Rdn 22), der Vermieter müsse dort nicht zwingend seinen Lebensmittelpunkt habe (vglSchmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage, § 573a BGB, Rdn. 15; Bub-Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, Rdn. 206). Mit dem Begriff „Ferienwohnung“ ist aber noch nichts über die konkrete Nutzung durch den Vermieter ausgesagt.
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Dass der Vermieter, wenn er sich auf § 573a BGB berufen will, umgekehrt regelmäßig im Gebäude seinen Lebensmittelpunkt haben muss (so jurisPK-BGB, 10. Auflage 2023, § 573a BGB, Rdn 10, unter Berufung auf LG Berlin, Urteil vom 14.03.1991, Az.: 62 S 481/90; ebenso Staudinger, Neubearbeitung 2021, § 573a BGB, Rdn 10 m.w.N.), lässt sich freilich weder dem Wortlaut der Norm noch ihrem Sinn und Zweck entnehmen (vgl. auch BeckOK Mietrecht, Stand 01.08.2022, § 573a BGB, Rdn. 12 m.w.N.; Münchener Kommentar, 9. Auflage, § 573a BGB, Rdn. 5 m.w.N.).
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Nach Überzeugung der Kammer ist letztlich vom Normzweck her – der Vermieter soll wegen möglicher Spannungen, die sich aus dem engen Zusammenleben mit dem Mieter ergeben, das Mietverhältnis erleichtert ohne berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 BGB durch Kündigung beenden können (vgl. Grüneberg, 82. Auflage, § 573a BGB, Rdn. 1) – maßgeblich, wie sich die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Vermieter zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und deren Wirksamkeit gestaltet hat.
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1.3 Die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Kläger rechtfertigt das Kündigungsprivileg nach § 573a BGB nicht.
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Nach der hierzu erfolgten Anhörung der Parteien muss die Kammer aufgrund der weitestgehend übereinstimmenden Angaben davon ausgehen, dass die Nutzung der Wohnung durch den Kläger sich in den letzten zwei Jahren – und damit auch für die hier relevanten Zeitpunkte bzw. den hier relevanten Zeitraum – darauf beschränkt hat, dass er alle zwei Monate hier ein verlängertes Wochenende (Donnerstagabend bis Sonntagabend, also 3 Tage) verbracht hat. Dass das verlängerte Wochenende auch bis zu 4 oder 5 Tage gedauert haben kann, wie der Kläger ohne konkrete Spezifizierung angegeben hat, ist nicht erwiesen. Den schriftsätzlichen Vortrag in der Berufungserwiderung von einer Wohnnutzung durch den Kläger von im Schnitt 3-7 Tagen im Monat hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung nicht bestätigt. Erwiesen ist er ohnehin nicht.
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Ob der Kläger, was unter den Parteien für 2021 streitig und nicht erwiesen ist, auch regelmäßig über die Weihnachtstage vor Ort war oder nicht, ist angesichts der wenigen Tage nicht entscheidend, es prägt das Nutzungsverhalten des Klägers nicht. Dies gilt in gleicher Weise auch für den Umstand, dass unstreitig eine Verbindung zwischen den beiden Wohnungen bei der Waschküche im Souterrain existiert. Diese eine Waschküche hat jeweils einen gesonderten Zugang von der Wohnung des Klägers und der Wohnung der Beklagten. Auch dieser bauliche Umstand führt nicht dazu, dass deswegen die Wohnnutzung des Klägers eine andere Qualität erlangt hat. Die gemeinsame Nutzung von Teilen des von Vermieter und Mieter bewohnten Gebäudes ist im Rahmen der Kündigung gern. § 573a BGB von keiner Relevanz.
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Eine intensivere, zeitlich umfangreichere Nutzung ist vom Kläger nicht angegeben worden und ist auch nicht erwiesen.
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Eine Nutzung im vorgenannten Umfang (3 Tage alle 2 Monate) ist aber für die Kündigungsprivilegierung nach § 573a BGB nicht ausreichend. Der zeitliche Umfang ist derart gering, dass eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von aus dem engen Zusammenleben herrührenden Spannungen nicht besteht. Dies gilt auch in Ansehung der für beide Parteien zugänglichen Waschküche.
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Die allgemeinen Erwägungen des Amtsgerichts zur besonderen Ruhe- und Erholungsbedürfnis des Vermieters, die mit einer Nutzung als Ferienwohnung einhergehe, und zur erhöhten Wahrscheinlichkeit des Aufeinandertreffens von Vermieter und Mieter bei dieser Nutzung, so dass die Gefahr von Spannungen deswegen erhöht sei, teilt die Kammer nicht. Zum einen sind sie durch keinerlei fallbezogenen konkreten tatsächlichen Feststellungen unterlegt. Zum anderen existieren auch keine derartigen allgemeinen Erfahrungssätze. Nutzung als Ferienwohnung geht weder mit einer gesteigerten Empfindlichkeit und Schutzbedürftigkeit des Vermieters einher, noch bedeutet dies, dass der Vermieter verstärkt vor Ort ist.
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Zutreffend führt das Amtsgericht aus, dass es für die Frage der Auslegung von § 573a BGB irrelevant ist, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich nicht spannungsfrei war (auch wenn es im Widerspruch hierzu die zwischen den Parteien stattgehabten Steitigkeiten als Beleg für die Gefahr erhöhter Spannungen bei der Art der Nutzung der Wohnung durch den Kläger heranzieht).
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So ist das Bestehen von Spannungen ohnehin keine Kündigungsvoraussetzung (vgl. Münchener Kommentar, a.a.O., Rdn. 3).
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Darüberhinaus sind die bekanntgewordenen Konflikte keine, die durch das enge Zusammenleben der Parteien verursacht wurden. Weder der sogar gerichtlich ausgetragene Streit darüber, ob die Beklagte Gegenstände in der angemieteten Garage lagern darf oder nicht, noch eine Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Hausmeister des Anwesens stehen im Zusammenhang mit einer räumlichen Nähe der Parteien. Dies gilt auch für die unterschiedlichen Ansichten zwischen den Parteien, ob denn ein sogenanntes Zwischenzimmer auch von der Beklagten genutzt werden darf oder nicht, sowie für den Umstand, dass – nach Kündigung – von der Beklagten eine Größenabweichung der tatsächlichen Mietfläche von der vertraglich vereinbarten Mietfläche festgestellt wurde.
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2. Kündigungswiderspruch gem. § 574 BGB
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Auf die um den Widerspruch gegen die Kündigung gern. § 574 BGB kreisenden Fragen kam es damit nicht mehr an.
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3. Prozessuale Nebenentscheidungen
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3.1 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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3.2 Die Revision war gern. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Frage der Auslegung von § 573a BGB hat über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, zumal für Urlaubsgegenden mit einem hohen Bestand an Zweitwohnungen. Auch ist hier zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich. Soweit ersichtlich existieren keine ober- oder höchstrichterlichen Entscheidungen zur Frage, wie die Selbstnutzung eines Vermieters gestaltet sein muss, damit er vom Kündigungsprivileg gern. § 573a BGB Gebrauch machen kann.