Titel:
Frage der Außerachtlassung von Grundbesitz aufgrund einer unbilligen Härte bei dem Antrag auf Unterlhaltsleistung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz
Normenketten:
VwGO § 123
AFBG § 10 Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 17a
BAföG § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Nach § 1 S. 1 AFBG ist es Ziel der Förderung, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung u.a. durch Beiträge zum Lebensunterhalt finanziell zu unterstützen, soweit die dafür erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Damit gesteht der Gesetzgeber Teilnehmerinnen und Teilnehmern an derartigen Maßnahmen, die eigenes Vermögen besitzen, über die gesetzlichen Freibeträge hinaus keine Förderungsleistungen zu. Der Maßnahmenteilnehmer kann nicht unter Schonung seines eigenen Vermögens staatliche Hilfe verlangen. (Rn. 45 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen des § 17a Abs. 2 AFBG steht die Entscheidung, trotz des Vorliegens einer unbilligen Härte keinen zusätzlichen Freibetrag einzuräumen, im Ermessen der Behörde. Allerdings spricht nicht schon allein die Bejahung einer unbilligen Härte dafür, den Ermessensspielraum der Behörde entsprechend zu reduzieren. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Einstweilige Anordnung, Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, Unterhaltsbeitrag, Freibeträge vom Vermögen, Unbillige Härte, Ermessensentscheidung, Keine Ermessensreduzierung auf Null, Immobilieneigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Gesellschaftsanteil, Kündigung des Gesellschaftsanteils, Beleihung des Gesellschaftsanteils, Kreditwürdigkeit, individuelle Betrachtung, Verkauf des Gesellschaftsanteils, Innerfamiliärer Kredit, vorläufiger Rechtsschutz, einstweilige Anordnung, Freibeträge, Vermögen, unbillige Härte, Ermessensreduzierung auf Null, Immobilieneigentum, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, innerfamiliärer Kredit, Bank, Glaubhaftmachung, Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.07.2023 – 12 CE 23.716
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9237
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Antragsteller absolviert eine Ausbildung zum Erzieher. Die Beteiligten streiten um eine diesbezügliche Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz.
2
Der Antragsteller durchlief von September 2017 bis August 2019 erfolgreich eine Ausbildung zum Zimmermann. Nach einigen Semestern Geografie-Studium ohne Abschluss und einer erfolgreich abgeschlossenen Kinderpflegerausbildung nahm er im September 2021 eine zweijährige Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher auf.
3
Mit Formblattantrag beantragte er am 10. August 2021 bei der Antragsgegnerin die Förderung einer beruflichen Aufstiegsfortbildung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz. In diesem Zusammenhang gab er Bank- und Sparguthaben in Höhe von 3.372,75 EUR an sowie Immobilieneigentum im Wert von ca. 168.000,00 EUR. Diesbezüglich führte er aus, er habe im Weg vorweggenommener Erbschaft einen Anteil an der Eigentumswohnung und der Gewerbeeinheit seiner Tante und seines Onkels erhalten, welche in P. gelegen sei. Mit vier anderen Personen zusammen bilde er eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, welche Eigentümerin der Immobilie sei und Onkel und Tante ein lebenslanges Wohnrecht biete. Die 128 m² große Wohnung habe einen Wert von etwa 580.000,00 EUR, die 66 m² große Gewerbeeinheit einen solchen von ca. 260.000,00 EUR. Kündige einer der Gesellschafter vor dem Tod der Nießbrauchsberechtigten die Mitgliedschaft in der Gesellschaft, erhalte er nur die Hälfte des Wertes seines Anteils, der dann in fünf Halbjahresraten ausgezahlt werde. Verwerte er nun diesen Anteil an seiner Immobilie, erhalte er anstelle des tatsächlichen Wertes von 168.000,00 EUR lediglich 84.000,00 EUR. Er fühle sich dazu verpflichtet, die Mitgliedschaft an der Gesellschaft bis zum Tod von Tante und Onkel beizubehalten und auch im Bedarfsfall für die Pflege einzustehen. Daher sei die Anrechnung dieses Gesellschaftsanteils eine besondere Härte.
4
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2021 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Bewilligungszeitraum September 2021 bis Juli 2022 Aufstiegsfortbildungsförderung in Höhe von 719,00 EUR pro Monat als Zuschuss (Gesamtbedarf: 783,00 EUR; anrechenbares Vermögen: 63,79 EUR). In Bezug auf die Wohnung und die Gewerbeeinheit wurde das Vermögen wie folgt berechnet: Gesamtwert: 840.000,00 EUR; Wert des Nießbrauchs: 392.496,77 EUR; tatsächlicher Wert der Immobilien: 447.503,23 EUR; hiervon 1/5: 89.500,65 EUR; hiervon die Hälfte (Erlös bei Kündigung des Gesellschaftervertrags): 44.750,32 EUR.
5
Unter Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Krankenversicherung setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 2. Dezember 2021 unter insoweitiger Aufhebung des Bescheides vom 12. Oktober 2021 einen monatlichen Förderungsbetrag von 828,00 EUR fest.
6
Am 12. August 2022 stellte der Antragsteller einen Folgeantrag für den Bewilligungszeitraum August 2022 bis Juli 2023. Mit Schreiben vom 30. August 2022 bat die Antragsgegnerin den Antragsteller um Vermögensnachweise, insbesondere um Nachweise zum aktuellen Wert der Immobilie. Daraufhin teilte der Antragsteller mit, in P. seien die Bodenpreise seit dem Kauf der Immobilie um etwa 80% gestiegen.
7
Auf eine entsprechende Anfrage der Antragsgegnerin teilte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt P. mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 mit, die Wohnung habe einen überschlägigen Wert von 955.000,00 EUR, die Gewerbeeinheit einen solchen von 109.000,00 EUR. Abzüglich des Wertes des Nießbrauchs von 140.000,00 EUR bzw. 95.000,00 EUR ergebe sich ein überschlägiger belasteter Wert für das Wohnungseigentum in Höhe von 815.000,00 EUR und für das Teileigentum Gewerbeeinheit ein solcher in Höhe von 14.000,00 EUR.
8
Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 ausführen, bei Kündigung der Gesellschaft durch den Antragsteller Ende des Jahres 2022 sei die erste Rate zum 1. Juli 2023 fällig, also am Ende von dessen Ausbildung. Damit könne der Antragsteller das Vermögen während der Ausbildung nicht verwerten. Zudem müsse das Vermögen nach § 17a Abs. 2 AFBG anrechnungsfrei bleiben, da der Antragsteller seinen Gesellschaftsanteil nicht unter zumutbaren Bedingungen verwerten könne. Er müsste auf die Hälfte des Verkehrswerts seines Gesellschaftsanteils verzichten, was ein wirtschaftliches Verwertungshindernis bilde.
9
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 forderte die Antragsgegnerin beim Antragsteller Informationen über zwei vom Antragsteller bislang nicht angegebene Konten an.
10
Am 9. Januar 2023 wandte sich der Antragsteller im vorliegenden Verfahren an das Verwaltungsgericht Würzburg mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Anordnung.
11
Mit Bescheid vom 24. Januar 2023 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter insoweitiger Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 2021 für den Bewilligungszeitraum September 2021 bis Juli 2022 einen monatlichen Förderungsbetrag in Höhe von 735,00 EUR, dies aufgrund der Berücksichtigung der bislang unbekannten Konten mit einem weiteren Vermögen von 1.023,77 EUR. Für den Bewilligungszeitraum August 2022 bis Juli 2023 setzte die Antragsgegnerin den monatlichen Förderungsbetrag auf 0,00 EUR fest. Dies begründete die Antragsgegnerin damit, zum Stichtag 12. August 2022 habe der Antragsteller Bankvermögen in Höhe von 1.705,23 EUR nachgewiesen. Die Gesellschaftsanteile an der Immobilie hätten einen Wert von 58.863,23 EUR (Wert der Wohnung 955.000,00 EUR; Wert der Gewerbeeinheit 109.000,00 EUR; Wert des Nießbrauchs: 475.367,74 EUR; wirtschaftlicher Wert beider Immobilienteile: 588.632,30 EUR; hiervon 1/5: 117.726,46 EUR, hiervon aufgrund der Regelungen im Gesellschaftsvertrag die Hälfte: 58.863,23 EUR). Der Ausnahmetatbestand einer unbilligen Härte gemäß § 17a Abs. 2 AFBG liege nicht vor. Um den Grundsatz der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung nicht über die Anwendung der Härtevorschrift zu unterlaufen, dürfe das Maß dessen, was dem Auszubildenden bei der Verwertung seines Vermögens wirtschaftlich zumutbar sei, nicht zu gering veranschlagt werden. Es spreche vieles dafür, dass der Wert des Gesellschaftsanteils im Förderungszeitraum wirtschaftlich nicht einsetzbar sei; dennoch bewirke auch eine derartige „wirtschaftliche Unverwertbarkeit“ eines konkreten Vermögensgegenstands angesichts der gesetzlichen Ausgestaltung der Freistellungsregelung in § 17a AFBG, die nicht auf einzelne Vermögensgegenstände, sondern auf Wertsummen bzw. Vermögensanteile abstelle, nicht automatisch dessen Herausnahme aus der Vermögensanrechnung aufgrund von § 17a Abs. 2 AFBG. Der Antragsteller könnte seine Gesellschaftsanteile beleihen oder veräußern. Mit deren Innehabung oder beabsichtigten Verwendung seien für ihn keine Ziele verbunden, deren Vereitelung oder Gefährdung die Lebensverhältnisse oder die Lebensplanung nicht nur unwesentlich beeinträchtigten. Ein Nachweis der Kreditunwürdigkeit sei nicht vorgelegt worden. Zudem habe der Antragsteller nicht nachgewiesen, dass er die rechtzeitige Veräußerung seines Gesellschaftsanteils auch nur in Erwägung gezogen habe. Der Bescheid enthielt zudem die Aufforderung, innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe einen Überzahlungsbetrag von 1.023,00 EUR rück zu überweisen.
12
Der Antragsteller ließ im vorliegenden Verfahren zuletzt beantragen,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit von August 2022 bis Juli 2023 Leistungen nach dem AFGB in Höhe von monatlich 828,00 EUR zu gewähren.
13
Hilfsweise unter dem Vorbehalt der Rückforderung aufgrund einer Entscheidung in der Hauptsache.
14
Höchstfürsorglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung aufgrund einer Entscheidung in der Hauptsache über den Antrag auf Förderung für die Zeit von August 2022 bis Juli 2023 nach Maßgabe des Gerichts zur Anrechnung des Vermögens des Antragstellers zu entscheiden.
15
Dies wurde damit begründet, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Aufstiegsfortbildungsförderung ohne Anrechnung des Wertes seines Gesellschaftsanteils, denn zur Vermeidung unbilliger Härten müsse dieser Teil des Vermögens anrechnungsfrei bleiben. Hätte der Antragsteller eine Kündigung zum Ende des Jahres 2022 ausgesprochen, hätte die erste Rate erst im Herbst 2023 nach Abschluss des Studiums ausgezahlt werden können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seinen Gesellschaftsanteil nur aufgrund einer Kündigung verwerten könne. Da er hiermit aufgrund der vertraglichen Gestaltung auf die Hälfte des Wertes des Miteigentums verzichten müsse, liege eine unbillige Härte vor. Auf die Höhe des Verkehrswertes der Immobilie komme es damit nicht an. Der Antragsteller sei ohne sonstige Einkünfte und ohne Vermögen. Er sei nicht kreditwürdig, weil er über keine Einkünfte verfüge, um Zins und Tilgung zu leisten. Der Anteil sei nicht verkäuflich, denn der Käufer könne nur die Rechtsstellung des Antragstellers erwerben, den Anteil zu kündigen.
16
Ein Anordnungsgrund liege deshalb vor, weil der Antragsteller aufgrund mangelnder Einkünfte und fehlenden verwertbaren Vermögens existenziell auf die Förderung angewiesen sei. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liege nicht vor.
17
Der Antragsteller erklärte am 9. Januar 2023 an Eides Statt, er habe keine eigenen Einkünfte. Sein Anteil an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei sein einziges Vermögen, das er weder beleihen noch verkaufen könne. Er beziehe keine Gewinnausschüttung, sondern er sei mit der Grundsteuer anteilig belastet.
18
Der Bevollmächtigte des Antragstellers trug weiter vor, seit August 2022 habe der Antragsteller seinen Lebensunterhalt durch familiären Kredit finanziert.
19
Der Bescheid sei deshalb fehlerhaft, weil seine Begründung lediglich auf einem Beiblatt enthalten gewesen sei.
20
Die Wertangaben für die Wohnung schienen spekulativ überhöht. Hierauf komme es jedoch nicht an. Entscheidend sei, ob das anrechenbare Vermögen für den Ausbildungsbedarf auch wirklich einsetzbar sei. Treffe dies ausnahmsweise nicht zu, so könne der Ausbildungsbedarf aus dem gleichwohl angerechneten Vermögen nicht gedeckt werden. Die Vermögenseinrichtung sei damit eine unbillige Härte, weil sie den Auszubildenden auf Vermögen verweise, das einem Verwertungszugriff nicht zugänglich sei. Eine Veräußerung des Gesellschaftsanteils komme nicht in Betracht, weil hierfür bei einer realistischen und lebensnahen Betrachtungsweise kein Markt und kein Bedarf bestehe. Eine Beleihung komme nicht in Betracht, weil der Antragsteller keine Mittel für Zins und Tilgung habe.
21
Die Antragsgegnerin beantragte,
22
Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Zur Begründung verwies die Antragsgegnerin auf den Bescheid vom 24. Januar 2023. In der Hauptsache bestünden keine Erfolgsaussichten. Unklar bleibe, wie der Antragsteller in der von ihm behaupteten Situation seinen Lebensunterhalt bestreite. Damit sei der Vortrag zum Anordnungsgrund widersprüchlich, zumindest lückenhaft.
23
Am 6. Februar 2023 ließ der Antragsteller im Verfahren W 3 K 23.152 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben mit dem Ziel, den Bescheid vom 24. Januar 2023 aufzuheben, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dem Kläger für den Zeitraum September 2021 bis Juli 2022 monatlich 892,00 EUR zu zahlen sowie die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum August 2021 bis Juli 2023 monatlich 963,00 EUR zu zahlen.
24
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und den Inhalt der Gerichtsakte W 3 K 23.152, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
25
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab August 2022 bis Juli 2023 Unterhaltsleistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz in Höhe von 828,00 EUR monatlich zu gewähren. Die monatliche Höhe der begehrten Leistung hat der Antragsteller konkret mit 828,00 EUR beziffert, auch wenn er im Klageverfahren W 3 K 23.152 die Gewährung von Leistungen in Höhe von 963,00 EUR monatlich begehrt. An der konkreten Bezifferung im vorliegenden Verfahren muss sich der Antragsteller festhalten lassen.
26
Demgegenüber haben die „hilfsweise“ sowie „höchstfürsorglich“ gestellten Anträge, die eine entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin unter dem Vorbehalt der Rückforderung in den Raum stellen, keine eigenständige rechtliche Bedeutung. Denn wird auf der Grundlage einer gerichtlichen einstweiligen Anordnung Ausbildungsförderung geleistet, wird die Leistung bzw. der ihr zugrunde liegende Bewilligungsbescheid unter den Vorbehalt gestellt, dass der Inhalt der einstweiligen Anordnung später durch Endurteil bestätigt wird. Ist dies nicht der Fall und wird die Klage abgewiesen, entfällt damit die einstweilige Anordnung mit der Folge, dass auch die aufgrund der einstweiligen Anordnung erlassenen Bewilligungsbescheide gegenstandslos werden, so dass ein Rückzahlungsanspruch dann auf einer entsprechenden Anwendung des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X beruht (OVG NRW, B.v. 3.4.1992 – 16 E 363/91 – juris Rn. 8; Rauschenberg in Rothe/Blanke, BAföG, Kommentar, Stand: November 2021, § 20 Rn. 17.4 m.w.N.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 149).
27
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
28
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrunds, also die Eilbedürftigkeit, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 45 ff.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Happ, a.a.O., § 123 Rn. 54, 51).
29
Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Happ, a.a.O., § 123 Rn. 54).
30
Es entspricht dem Wesen der einstweiligen Anordnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und der Antragsteller nicht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das erhalten soll, worauf sein Anspruch in einem Hauptsacheverfahren gerichtet ist; das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll also nicht die Hauptsache vorwegnehmen. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66, BeckRS 2016, 44855 Rn. 4; B.v. 18.2.2013 – 12 CE 12.2104 – juris Rn. 38; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 123 Rn. 14; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 66a).
31
Auf dieser Grundlage hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen lassen.
32
1. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, nämlich einen Anspruch auf die Bewilligung von Aufstiegsfortbildungsförderung in Form eines Beitrages zum Lebensunterhalt für die Monate August 2022 bis Juli 2023 in Höhe von 828,00 EUR monatlich.
33
Ziel des Aufstiegsausbildungsförderungsgesetzes ist es, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung durch Beiträge zu den Kosten der Maßnahmen und zum Lebensunterhalt finanziell zu unterstützen (§ 1 Satz 1 Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFBG), vom 12.8.2020 (BGBl. I S. 1936), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.2022 (BGBl. I, S.2632)), dies unter den Voraussetzungen der §§ 2 bis 9a AFBG. Neben einen Beitrag zu den Kosten der Lehrveranstaltung (Maßnahmebeitrag) wird nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AFBG bei Maßnahmen in Vollzeitform darüber hinaus ein Beitrag zur Deckung des Unterhaltsbedarfs (Unterhaltsbeitrag) geleistet, dies bis zur Dauer von 24 Kalendermonaten (§ 11 Abs. 1 AFBG). Der Unterhaltsbeitrag wird in voller Höhe als Zuschuss geleistet (§ 12 Abs. 2 Satz 1 AFBG).
34
Als monatlicher Unterhaltsbedarf gilt für einen Teilnehmer oder eine Teilnehmerin der Bedarfssatz nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 und § 13a Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2847), erhöht um 60,00 EUR (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AFBG). Auf den Unterhaltsbedarf sind Einkommen und Vermögen des Antragstellers anzurechnen (§ 10 Abs. 2 Satz 4 AFBG). Für die Anrechnung des Einkommens und des Vermögens nach § 10 Abs. 2 AFBG gelten u.a. die Abschnitte IV und V des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit Ausnahme von dessen § 29 (§ 17 Abs. 1 Satz 1 AFBG). Für den Teilnehmer oder die Teilnehmerin bleiben 45.000,00 EUR vom Vermögen anrechnungsfrei (§ 17a Abs. 1 Nr. 1 AFBG). Zur Vermeidung unbilliger Härten kann ein weiterer Teil des Vermögens anrechnungsfrei bleiben (§ 17a Abs. 2 AFBG).
35
Streitig ist im vorliegenden Fall nicht die Förderfähigkeit der Ausbildung des Antragstellers zum Erzieher sowie dessen persönliche Voraussetzungen für die Bewilligung einer Förderung. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 12. Oktober 2021 dem Grunde nach Aufstiegsfortbildungsförderung während der Dauer der Gesamtmaßnahme von September 2021 bis Juli 2023 bewilligt.
36
Streitig ist lediglich die Höhe der Förderung für den Bewilligungszeitraum August 2022 bis Juli 2023, die die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24. Januar 2023 auf monatlich 0,00 EUR festgesetzt hat, dies mit der Begründung, der Antragsteller habe Reinvermögen in Höhe von 60.568,46 EUR in Form von Geldmitteln auf Bankkonten und in Form von Immobilieneigentum, so dass der über den Freibetrag von 45.000,00 EUR hinausgehende Vermögensanteil in Höhe von 15.568,46 EUR anzurechnen sei. In dieser Vermögensanrechnung sei entgegen der Ansicht des Antragstellers keine unbillige Härte zu erkennen. Der Antragsteller wendet sich gegen diesen Bescheid mit formellen und inhaltlichen Argumenten.
37
In formeller Hinsicht hat der Antragsteller vortragen lassen, dem Bescheid sei entgegen Art. 39 BayVwVfG eine Begründung nicht zu entnehmen; schon deswegen sei er fehlerhaft. Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller mit dieser Argumentation überhaupt einen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von monatlich 828,00 EUR glaubhaft machen kann, ist festzustellen, dass der Bescheid vom 24. Januar 2023 auf Seite 2 in hervorgehobener Schrift die Bemerkung „Das Beiblatt ist Bestandteil dieses Bescheides“ enthält. Auf dem in der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin vorhandenen „Beiblatt zum Bescheid für … … vom 24.01.2023“ findet sich eine ausführliche Begründung, so dass die Argumentation des Antragstellerbevollmächtigten ins Leere geht. Die Frage, ob die Antragsgegnerin den Bescheid mit oder ohne Beiblatt dem Antragsteller übermittelt und damit den Bescheid ordnungsgemäß bekanntgegeben hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens unbehelflich; der Antragsteller hat spätestens im Rahmen der Akteneinsicht bei Gericht am 13. Februar 2023 hiervon Kenntnis genommen und hernach mit Schriftsatz vom 15. Februar 2023 hierauf reagiert. Ein etwaiger Begründungsmangel wäre hierdurch nach § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X, welcher nach § 27a AFBG Anwendung findet, geheilt.
38
Der Antragsteller hat in inhaltlicher Hinsicht im vorliegenden Verfahren nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die Höhe des anzurechnenden Vermögens fehlerhaft festgelegt hat oder dass eine unbillige Härte vorliegt, aufgrund derer die Antragsgegnerin dazu gezwungen ist, auf die Anrechnung von Teilen des Vermögens zu verzichten.
39
Zu Recht hat die Antragsgegnerin der Berechnung des Unterhaltsbeitrags für den Bewilligungszeitraum August 2022 bis Juli 2023 ein Vermögen in Höhe von 60.568,46 EUR zugrunde gelegt.
40
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 AFBG i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BAföG gelten als Vermögen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, Forderungen und sonstigen Rechten. Ausgenommen hiervon sind nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AFBG i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG Gegenstände, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann.
41
Keiner Diskussion bedarf die Berücksichtigung von Bankvermögen des Antragstellers in Höhe von 1.705,23 EUR zum Stichtag 12. August 2023 (§ 17 Abs. 1 Satz 1 AFBG i.V.m. § 28 Abs. 2 BAföG). Aber auch das Immobilienvermögen des Antragstellers hat die Antragsgegnerin zu Recht zum Vermögen im oben genannten Sinne gezählt, dies auf der Grundlage von § 17 Abs. 1 Satz 1 AFBG i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG. Zudem ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 AFBG i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG dieses unbewegliche Vermögen aus rechtlichen Gründen nicht verwerten könnte. Vielmehr ist in § 7 Abs. 1a des Gesellschaftsvertrags vom 15. Mai 2015 festgehalten, dass jeder Gesellschafter seine Beteiligung an der GbR mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahres kündigen kann mit der Folge, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet. Scheidet ein Gesellschafter gleich aus welchem Grunde aus der Gesellschaft aus, ohne dass sein Anteil auf einen Rechtsnachfolger übergeht, erhält er gemäß § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags eine Abfindung, deren Höhe sich nach § 10 Abs. 2 bis Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags richtet.
42
Zählen das Bankvermögen und das Immobilieneigentum des Antragstellers zum Vermögen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 AFBG i.V.m. § 27 BAföG, so hat die Antragsgegnerin zu Recht hiervon auf der Grundlage von § 17a Abs. 1 Nr. 1 AFBG 45.000,00 EUR anrechnungsfrei gestellt. Demgegenüber hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch darauf hat, dass auf der Grundlage von § 17a Abs. 2 AFBG ein weiterer Teil des Vermögens – hier des Immobilienvermögens – anrechnungsfrei zu bleiben hat, dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte.
43
Der Antragsteller hat schon nicht glaubhaft machen können, dass eine unbillige Härte vorliegt. Unabhängig hiervon wäre es auch nicht glaubhaft, dass bei Vorliegen einer unbilligen Härte der Ermessensspielraum der Antragsgegnerin auf Null reduziert wäre, so dass sich ein entsprechender Anspruch des Antragstellers ergäbe.
44
Sinn und Zweck des § 17a Abs. 2 AFBG ist es, Härten abzufedern, die sich aus den der Vermögensanrechnung zugrunde liegenden Pauschalierungen und Typisierungen ergeben können. Zu diesen Typisierungen gehört auch diejenige, dass der Gesetzgeber für den Regelfall davon ausgeht, dass das anrechenbare Vermögen für den Ausbildungsbedarf auch wirklich einsetzbar ist. Trifft dies ausnahmsweise nicht zu, so könnte der Ausbildungsbedarf aus dem gleichwohl angerechneten Vermögen nicht gedeckt werden. Die Vermögensanrechnung wäre dann eine unbillige Härte, weil sie den Auszubildenden auf Vermögen verweist, das einem Verwertungszugriff gar nicht zugänglich ist. Die Härtefallbestimmung dient damit u.a. auch der Abwehr von Gefahren für die Durchführung der Ausbildung, die daraus entstehen, dass der Auszubildende trotz vorhandener, die Freibeträge übersteigende Vermögenswerte seinen Ausbildungsbedarf aus dem angerechneten Vermögen nicht decken kann (BVerwG, U.v. 13.6.1991 – 5 C 33/87 – juris Rn. 19 m.w.N. zum inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 BAföG).
45
Wann eine unbillige Härte i.S.v. § 17a Abs. 2 AFBG vorliegt, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Das Gesetz enthält insoweit einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Hierbei ist indes zu berücksichtigen, dass die Härteklausel als Ausnahmevorschrift ausgestaltet ist, über die sich allgemeine Gesetzeshärten nicht beseitigen lassen und deren Auslegung sich am Zweck des Gesetzes auszurichten hat.
46
Nach § 1 Satz 1 AFBG ist es Ziel der Förderung, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung u.a. durch Beiträge zum Lebensunterhalt finanziell zu unterstützen, soweit die dafür erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Damit gesteht der Gesetzgeber Teilnehmerinnen und Teilnehmern an derartigen Maßnahmen, die eigenes Vermögen besitzen, über die gesetzlichen Freibeträge hinaus keine Förderungsleistungen zu. Der Maßnahmenteilnehmer kann nicht unter Schonung seines eigenen Vermögens staatliche Hilfe verlangen (BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 12 C 11.1343 – juris Rn. 24).
47
Allerdings ist das Maß dessen, was dem Maßnahmenteilnehmer bei der Verwertung seines Vermögens wirtschaftlich zumutbar ist, nicht zu gering zu veranschlagen. Denn die Grundentscheidung des Gesetzgebers über die Nachrangigkeit staatlicher Förderung darf über die Anwendung der Härtevorschriften nicht unterlaufen werden. Maßgeblich ist eine interessenwägende Einzelfallentscheidung (BayVGH, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.).
48
Eine unbillige Härte i.S.d. § 17a Abs. 2 AFBG liegt vor, wenn der Einsatz oder die Verwendung des Vermögens zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebensgrundlage des Maßnahmenteilnehmers führen würde. Auch wirtschaftliche Verwertungshindernisse können die Annahme einer unbilligen Härte rechtfertigen. Ein solcher Fall kann angenommen werden, wenn die Verwertung des Vermögens zwar rechtlich möglich, aber faktisch ausgeschlossen oder aus wirtschaftlichen Gründen schlichtweg unzumutbar ist (vgl. hierzu Tz. 29.3.2 Buchst. a und Buchst. c BAföGVwV; BayVGH, a.a.O., Rn. 25; Knoop in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, Kommentar, 7. Aufl. 2020, § 29 Rn. 11 m.w.N.).
49
Dem Antragsteller ist zuzugestehen, dass eine unbillige Härte vorläge, stellte man allein auf die Möglichkeit ab, den Gesellschaftsanteil nach § 7 Abs. 1a des Gesellschaftsvertrags zu kündigen mit der Folge, gemäß § 10 des Vertrags eine Abfindung zu erhalten. Aufgrund des Schreibens vom 30. August 2022, mit welchem die Antragsgegnerin den Antragsteller zum Nachweis seines Vermögenszustands 12. August 2022, insbesondere zum aktuellen Wert der Immobilie, aufgefordert hat, konnte dieser ab Zugang des Schreibens von möglichen diesbezüglichen Problemen für die Förderung im Bewilligungszeitraum August 2022 bis Juli 2023 wissen. Damit hätte er die Möglichkeit gehabt, gemäß § 7 Abs. 1a des Gesellschaftsvertrags seine Beteiligung an der Gesellschaft mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalenderjahres 2022 zu kündigen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags ist sodann auf den Tag des Ausscheidens eine Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen. Die Auszahlung der Abfindung erfolgt nach § 10 Abs. 4 Satz 2 des Vertrags in fünf gleichen Halbjahresraten, wovon die erste sechs Monate nach der Feststellung des Guthabens fällig wird. Folglich hätte der Antragsteller bei rechtzeitiger Kündigung seiner Beteiligung an der Gesellschaft über den hieraus fließenden Erlös wirtschaftlich erst nach Abschluss seiner Fortbildung verfügen können. Damit wäre die rechtzeitige Verwertung des Vermögens faktisch ausgeschlossen gewesen, so dass eine unbillige Härte i.S.d. § 17a Abs. 2 AFBG vorläge. Demgegenüber könnte aus § 10 Abs. 2a des Vertrages allein angesichts des restriktiven Charakters des § 17a Abs. 2 AFBG keine unbillige Härte abgeleitet werden.
50
Allerdings hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass eine Beleihung seines Gesellschaftsanteils faktisch ausgeschlossen ist. Hierzu hat er lediglich vorgetragen, er habe weder Einkünfte noch Vermögen und sei deshalb nicht kreditwürdig, weil er somit weder Zins noch Tilgung leisten könne.
51
Zwar entspricht es – so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Januar 2012 (12 C 11.13434 – juris Rn. 29) – der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Personen, die kein laufendes Einkommen beziehen, von Kreditinstituten nicht als materiell kreditwürdig eingeschätzt werden, denn Grundvoraussetzung für die Gewährung eines Kredits ist durchweg die Fähigkeit des Schuldners, die vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen zu erbringen. Ein Auszubildender, der über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügt, ist in aller Regel nicht dazu in der Lage, solche Zins- und/oder Tilgungszahlungen zu leisten (vgl. zur Frage der Kreditwürdigkeit und der Bedeutung der Verwertung der als Sicherheit eingeräumten Hypothek: VGH BW, U.v. 19.12.2005 – 7 S 3012/04 – juris Rn. 29 f.).
52
Allerdings gilt dies lediglich in der Regel und nicht pauschal. Vielmehr ist, wie oben dargestellt, im Rahmen der restriktiven Anwendung der Vorschrift als Ausnahme von der Grundregel, dass eigenes, den Freibetrag übersteigendes Vermögen einzusetzen ist, eine individuelle Betrachtung erforderlich. Demzufolge stellt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. Januar 2012 (12 C 11.1343 – juris Rn. 29 a. E.) auf die dort beigebrachten diesbezüglichen Mitteilungen zweier Banken ab. Gleiches gilt für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Dezember 2005 (7 S 3012/04 – juris Rn. 29).
53
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller seine pauschale Behauptung, er könne sein Immobilieneigentum mangels Kreditwürdigkeit nicht beleihen, nicht mit entsprechenden Bankbestätigungen glaubhaft gemacht. Er hat lediglich die Kopie eines handschriftlichen Schreibens „an Eides Statt“ vom 9. Januar 2023 vorgelegt, in welchem er ausführt: „Ich habe keine eigenen Einkünfte. Mein Anteil an der GbR … … in P. ist mein eigenes Vermögen, das ich aber weder beleihen noch verkaufen kann. … Ich beziehe keine Gewinnausschüttung, sondern bin anteilig belastet mit der Grundsteuer.“ Allein diese pauschale, unbelegte Erklärung ist, ohne dass es auf entsprechende Formfragen hinsichtlich einer Versicherung an Eides Statt ankäme, zu einer Glaubhaftmachung, nicht kreditwürdig zu sein, nicht geeignet. Demgegenüber hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren vorgetragen, seit August 2022 seinen Lebensunterhalt durch familiären Kredit zu finanzieren. Dies lässt es zumindest denkbar erscheinen, dass eine Kreditwürdigkeit des Antragstellers auf seinem familiären Hintergrund beruhen könnte. Dass dies nicht so ist, hat der Antragsteller allerdings nicht mit entsprechenden Bankbescheinigungen glaubhaft gemacht. Eigenständige diesbezügliche Ermittlungen des Gerichts im Rahmen des hier analog anzuwendenden Amtsermittlungsgrundsatzes kommen nicht in Betracht, da diese aufgrund ihrer Langwierigkeit den Zweck des auf Dringlichkeit beruhenden vorliegenden Verfahrens konterkarieren würden (Happ in Eyermann, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 56).
54
Darüber hinaus hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verkauf seines Anteils an der GbR … …P. wirtschaftlich nicht in Betracht kommt. Hierzu hat er lediglich die schon oben dargestellte Erklärung vom 9. Januar 2023 abgegeben und darüber hinaus durch seinen Bevollmächtigten mitteilen lassen, nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei für eine Veräußerung dieses Gesellschaftsanteils kein Markt vorhanden. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass niemand einen solchen Gesellschaftsanteil erwerben würde, der durch den Gesellschaftsvertrag gebunden sei. Zudem sei auch deshalb realistischerweise kein Käufer zu finden, weil dieser auch wieder nur mit dem hälftigen Verlust aus der Gesellschaft aussteigen könne. Auch diese Behauptungen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, beispielsweise dadurch, dass er nachgewiesen hätte, den Gesellschaftsanteil über Immobilienmakler ohne Erfolg angeboten zu haben.
55
Demgegenüber erscheint der Gedanke nicht verfehlt, dass angesichts deutlich und erwartungsgemäß langfristig weiter steigender Immobilienpreise im Raum Potsdam, insbesondere bezogen auf bevorzugte See-Lagen wie im vorliegenden Fall, der Anteil des Antragstellers an der Gesellschaft in der Erwartung gekauft werden könnte, hierdurch langfristig einen hohen Gewinn zu erzielen. Dieser könnte sich dadurch realisieren, dass die Gesellschaft nach dem Tod der im Jahr 1944 geborenen am Immobilieneigentum Nießbrauchsberechtigten nach § 11 des Vertrags aufgelöst und der dann vorhandene wirtschaftliche Wert des Immobilieneigentums auf die Gesellschafter verteilt wird. Alternativ käme auch die Motivation eines Käufers in Betracht, den Anteil des Antragstellers an der Gesellschaft zu erwerben in der Erwartung, nach dem Tod der Nießbrauchsberechtigten an den dann zu erzielenden (angesichts der Lage der Immobilie hohen) Mieteinnahmen zu partizipieren.
56
In diesem Zusammenhang hätte § 10 Abs. 2a des Gesellschaftsvertrags, wonach im Falle der Kündigung der ausscheidende Gesellschafter nicht mehr als die Hälfte des Verkehrswerts seines Anteils erhält, keine Auswirkungen, wenn ein potentieller Käufer – wie dargestellt – nicht die Absicht hätte, den erworbenen Gesellschaftsanteil nach § 7 Abs. 1a des Vertrags zu kündigen. Insofern handelt es sich bei den Ausführungen der Antragstellerseite zur potentiellen Höhe eines Erlöses beim Verkauf des Gesellschaftsanteils lediglich um eine unbelegte Vermutung; eine diesbezügliche Glaubhaftmachung beispielsweise durch den Nachweis eines Angebots des Gesellschaftsanteils auf dem Immobilienmarkt mit entsprechenden Reaktionen von potentiellen Käufern liegt nicht vor.
57
Somit hat die Antragstellerseite nicht glaubhaft gemacht, dass das in § 17a Abs. 2 AFBG enthaltene Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte vorliegt.
58
Doch selbst wenn eine unbillige Härte glaubhaft gemacht worden wäre, könnte dennoch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht bejaht werden. Denn liegt das Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte vor, räumt § 17a Abs. 2 AFBG der Behörde einen Ermessensspielraum ein.
59
Liegt dem geltend gemachten materiellen Anspruch aber eine Ermessensvorschrift zugrunde, kann eine einstweilige Anordnung ohne weiteres nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null erlassen werden. Dieser Ermessensreduzierung bedarf es aber auch, um die einstweilige Anordnung treffen zu können (so die herrschende Meinung, vgl. hierzu Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL, August 2022, § 123 VwGO Rn. 158 mit zahlreichen weiteren Nachweisen und Darstellung der Gegenmeinung in Rnrn. 159 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 50).
60
Eine solche Ermessensreduzierung auf Null ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
61
Im Rahmen des § 17a Abs. 2 AFBG steht die Entscheidung, trotz des Vorliegens einer unbilligen Härte keinen zusätzlichen Freibetrag einzuräumen, im Ermessen der Behörde. Allerdings spricht nicht schon allein die Bejahung einer unbilligen Härte dafür, den Ermessensspielraum der Behörde entsprechend zu reduzieren (so aber Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, Kommentar, Stand: November 2021, § 29 Rn. 11 zum inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 BAföG). Denn andernfalls wäre die Entscheidung des Gesetzgebers, der Behörde ein diesbezügliches Ermessen einzuräumen, der Sache nach ausgehöhlt und die Entscheidungsbefugnis der Behörde käme regelmäßig einer gebundenen Entscheidung gleich. Es ist nicht erkennbar, dass es der Wille des Gesetzgebers wäre, entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift den dort festgelegten Ermessensspielraum der Behörde von vornherein einzuschränken, dies allein dadurch, dass die den Ermessensspielraum eröffnenden Tatbestandsmerkmale der Vorschrift erfüllt sind.
62
Demgegenüber ist seitens des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Antragsgegnerin bei der Annahme des Vorliegens einer unbilligen Härte im Rahmen der Ermessensreduzierung auf Null lediglich eine einzige Entscheidung, nämlich die Anrechnungsfreistellung eines weiteren Teils des Vermögens des Antragstellers derart, dass ihm eine monatliche Förderung in Höhe von 828,00 EUR zu gewähren wäre, hätte treffen können. Insbesondere würde die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen die Frage nach der Bedeutung des liquiden Bankvermögens des Antragstellers in Höhe von 1.705,23 EUR in den Blick nehmen müssen. In diesem Zusammenhang läge der Gedanke nicht fern, über den in § 17 Abs. 1 Nr. 1 AFBG festgelegten anrechnungsfreien Vermögensanteil in Höhe von 45.000,00 EUR hinaus einen weiteren Teil des Gesamtvermögens nur insoweit freizustellen, dass noch 1.705,23 EUR anzurechnen sind. Dieser Vermögensanteil wäre als liquides Bankvermögen für den Antragsteller ohne weiteres einsetzbar, so dass es nahe läge, zumindest diesen Gedanken im Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist es nicht ausgeschlossen, weitere Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen, die zu einer weiteren geringeren zusätzlichen Anrechnung von Vermögensanteilen führen könnten.
63
Somit ist aus verschiedenen voneinander unabhängigen Gründen ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden.
64
2. Weiterhin ist auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden.
65
Hierbei geht es um die Eilbedürftigkeit, also um die Frage, ob ein Zuwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren W 3 K 23.152 für den Antragsteller unzumutbar wäre. Der Antragsteller hat vortragen lassen, er sei ohne sonstiges Einkommen und Vermögen und er sei nicht kreditwürdig, weil er über keine Einkünfte verfüge, um Zins und Tilgung zu leisten. Sein Vermögen sei nicht verwertbar, so dass er existentiell auf die Förderung angewiesen sei. Weiterhin hat der Antragsteller dem Gericht die Kopie eines handschriftlichen Schreibens vom 9. Januar 2023 übermittelt, in welcher er „an Eides Statt“ erklärt, er habe keine eigenen Einkünfte, sein Anteil an der GbR … … in P. sei sein einziges Vermögen, das er aber weder beleihen noch verkaufen könne. Er beziehe keine Gewinnausschüttung. Weiterhin hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 6. Februar 2023 mitteilen lassen, er habe seit August 2022 seinen Lebensunterhalt durch familiären Kredit finanziert.
66
Diese Erklärungen sind nicht zur Gänze nachvollziehbar und darüber hinaus teilweise in sich widersprüchlich.
67
Während der Antragsteller bei der Antragsgegnerin bezogen auf den Stichtag 12. August 2022 Bankvermögen in Höhe von 1.705,23 EUR angegeben hat, hat er am 9. Januar 2023 mitgeteilt, sein Anteil an der Gesellschaft sei sein einziges Vermögen, ohne dass er das am Stichtag 12. August 2022 vorhandene Bankvermögen in Höhe von 1.705,23 EUR erwähnt hätte. Weiterhin hat der Antragsteller angegeben, er sei nicht kreditwürdig; dem widerspricht die Angabe, er erhalte seit August 2022 einen innerfamiliären Kredit. Darüber hinaus hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm dieser innerfamiliäre Kredit in Zukunft nicht mehr gewährt werden würde. Eigene diesbezügliche Ermittlungen des Gerichts kommen – wie oben ausgeführt – nicht in Betracht. Unklar bleibt im Übrigen auch die Bedeutung seiner Einlassung vom 9. Januar 2023, sein Gesellschaftsanteil sei ihm aus seiner Familie „vorgeschossen“ worden.
68
Aus diesen Gründen ist es für das Gericht nicht glaubhaft, dass eine Entscheidung eilbedürftig ist und ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre.
69
3. Da somit weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind, war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO abzulehnen.