Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 02.05.2023 – 2 WF 71/23
Titel:

Beschwerde gegen die Festsetzung geltend gemachter Auslagen im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe

Normenketten:
FamFG § 76 Abs. 1
ZPO § 122, § 127 Abs. 2 S. 2
JVEG § 4 Abs. 3, § 5, § 6
Leitsätze:
1. Für die Verfahrenskostenhilfe beantragende Partei eröffnen §§ 76 Abs. 1  FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO bei behaupteter Beeinträchtigung in eigenen  Rechten die sofortige Beschwerde gegen alle Entscheidungen zur  Verfahrenskostenhilfe, unabhängig davon, ob es sich um Entscheidungen im Bewilligungs- oder Festsetzungsverfahren handelt. (Rn. 15 – 17)
2. Die Erstattungsfähigkeit von Auslagen im Rahmen gewährter Verfahrenskostenhilfe der Höhe nach bestimmt sich nicht analog §§ 5, 6 JVEG oder nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 14. Juni 2006 über die Gewährung von Reiseentschädigung, sondern nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen, da es sich bei der Verfahrenskostenhilfe um eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege handelt. (Rn. 23)
3. Der Berechtigte hat im Rahmen des Zumutbaren sämtliche Einsparmöglichkeiten zu nutzen. (Rn. 24)
4. Bei einer normalen Fahrtdauer von 9,5 Stunden mit 3 bis 6 Umsteigevorgängen bei Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs und zu erwartender weit überdurchschnittlichen Auslastung (Überfüllung) sowie Verspätungen und Ausfällen im Zugverkehr ist der Verzicht auf die Benutzung von Fernverkehrsmitteln (ICE) auch im Verhältnis zu Einsparungsmöglichkeiten aufgrund des 9-Euro-Tickets nicht zumutbar. (Rn. 27)
5. Die mittellose Partei, der Verfahrenskostenhilfe gewährt wurde, hat Anspruch auf ein preiswertes Einzelzimmer ohne sonderlichen Komfort. (Rn. 29 – 30)
1. Bei behaupteter Beeinträchtigung in eigenen Rechten eröffnen die § 76 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO für die Verfahrenskostenhilfe beantragende Partei  die sofortige Beschwerde gegen alle Entscheidungen zur Verfahrenskostenhilfe, unabhängig davon, ob es sich um Entscheidungen im Bewilligungs- oder Festsetzungsverfahren handelt. (Rn. 14 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird vom Gericht das persönliche Erscheinen zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet, dann sind Reisekosten bei entsprechender Anwendung des § 122 Abs. 1 ZPO grds. erstattungsfähig, da die Reise zum Termin notwendig ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erstattungsfähigkeit von Auslagen im Rahmen gewährter Verfahrenskostenhilfe bestimmt sich nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen, so dass eine entsprechende Anwendung der Entschädigungssätze nach § 5, § 6 JVEG ausscheidet. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Da der Berechtigte im Rahmen des Zumutbaren sämtliche Einsparmöglichkeiten zu nutzen hat, kommt die Erstattung der Kosten der Nutzung des eigenen Fahrzeugs nur dann in Betracht, wenn entweder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ganz ausnahmsweise mit höheren Kosten verbunden ist, oder deren Nutzung aufgrund der verkehrstechnischen Anbindung oder in der Person des Berechtigten liegender unabweisbarer Gründe unmöglich oder unzumutbar ist. Bei Arbeitslosigkeit ist eine längere An- und Abreise in Kauf zu nehmen. (Rn. 24 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die mittellose Partei, der Verfahrenskostenhilfe gewährt wurde, hat Anspruch auf eine preiswerte Unterkunft ohne sonderlichen Komfort. (Rn. 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahrenskostenhilfe, Mittellosigkeit, Übernachtungskosten, Prozesskostenhilfe, Arbeitslosigkeit, 9-Euro-Ticket, öffentlicher Personennahverkehr
Vorinstanz:
AG Aschaffenburg, Beschluss vom 26.01.2023 – 5 F 798/22
Fundstellen:
JurBüro 2023, 319
RPfleger 2023, 519
MDR 2023, 936
FamRZ 2023, 1731
FuR 2023, 391
LSK 2023, 9139
NJOZ 2023, 620
BeckRS 2023, 9139

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht – Aschaffenburg vom 26.01.2023, Az. 5 F 798/22, abgeändert. Die erstattungsfähigen Auslagen des Antragstellers werden auf 173,80 € festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
1. Der in Berlin wohnhafte Antragsteller wurde unter Anordnung des persönlichen Erscheinens in einem Verfahren betreffend das Umgangsrecht mit seinen minderjährigen Kindern mit Verfügung vom 05.08.2022 zu einem Termin am 09.09.2022 um 08:30 Uhr vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Aschaffenburg geladen.
2
Mit Schreiben vom 19.08.2022 beantragte der Antragsteller unter Vorlage eines Bescheides über den Bezug von Leistungen nach dem SGB II aufgrund Mittellosigkeit die Übernahme der Fahrtkosten. Mit richterlicher Verfügung vom 26.08.2022 genehmigte die zuständige Amtsrichterin die Übernahme der Kosten einer entsprechenden Bahnfahrkarte.
3
Am 01.09.2022 erfolgte eine telefonische Kontaktaufnahme der Geschäftsstelle des Amtsgerichts mit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers. Diese teilte mit, dass sie noch Rücksprache mit dem Antragsteller wegen der konkreten Ausgestaltung der Fahrkarte nehmen werde. Gemäß einem Aktenvermerk der Geschäftsstelle (Bl. 29 d.A.) teilte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers sodann am 05.09.2022 mit, dass der Antragsteller mit dem eigenen Pkw anreise und eine Bahnfahrkarte nicht benötigt werde.
4
Mit Beschluss vom 06.09.2022 wurde dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt.
5
Zum Termin am 09.09.2022 erschien der Antragsteller mit einem beauftragten Korrespondenzanwalt. Im Termin erfolgte eine Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Kindseltern, Jugendamt sowie Verfahrensbeistand. Das Ende des Termins ist im Protokoll zeitlich nicht mit einer Uhrzeit vermerkt. Das Verfahren ist derzeit noch nicht beendet.
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2. Mit Schreiben vom 12.09.2022 (Bl. 19 UH VKH) machte der Antragsteller die Erstattung seiner Fahrtkosten geltend. Ergänzend beantragte er zudem die Übernahme von Übernachtungskosten in Höhe von 79,00 €, da er aufgrund des frühen Terminzeitpunkts und der Entfernung zwischen Wohnort und Gerichtsort am Vortag angereist sei. Beigefügt war eine auf eine dritte Person ausgestellte Hotelrechnung vom 08./09.09.2022 für eine Übernachtung für zwei Personen inklusive Frühstück über einen Gesamtbetrag von 99,00 €. Mit Schreiben vom 30.09.2022 teilte der Antragsteller mit, dass die Reservierung durch eine zur Unterstützung mitreisende Begleitperson erfolgt sei, die Zahlung der Hotelrechnung jedoch durch ihn selbst in bar. Es sei seiner Verfahrensbevollmächtigten telefonisch bestätigt worden, dass er zur Anfahrt ein Privatfahrzeug nutzen könne, da eine Fahrkarte mit der Bahn bei der erforderlichen kurzfristigen Buchung teurer gewesen wäre. Die einfache Wegstrecke zwischen Berlin und Aschaffenburg betrage 600 km. Mit Schriftsatz vom 30.11.2022 beantragte der Antragsteller insoweit, ihm Reisekosten von 392,70 € (0,35 € x 561 km x 2) zu erstatten. Die Anreise mit der Bahn unter Nutzung des 9-Euro-Tickets sei ihm unzumutbar.
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Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Aschaffenburg erklärte mit Stellungnahme vom 21.11.2022, dass eine Fahrtkostenerstattung ausscheide, da der Antragsteller offensichtlich nicht mittellos gewesen sei, so dass nach Nr. 1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Gewährung von Reiseentschädigungen vom 14. Juni 2006 (ReiBek) eine Übernahme der Reisekosten ausscheide. Jedenfalls sei der Entschädigungsbetrag auf 9,00 € begrenzt, da dem Antragsteller bei möglicher Voraberteilung der Fahrkarte das zu diesem Zeitpunkt noch geltende bundeseinheitliche 9Euro-Ticket zur Verfügung gestellt worden wäre.
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3. Mit Beschluss vom 26.01.2023 hat der Rechtspfleger beim Amtsgericht die dem Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 48,50 € festgesetzt. Hinsichtlich der Fahrtkosten sei die Erstattung auf die günstigste Anreise mit der Bahn in der 2. Klasse beschränkt. Dieses sei die Nutzung des 9,00 € Tickets. Die gegenüber der Anreise mit dem ICE etwa verdoppelte Fahrzeit sei dem arbeitslosen Antragsteller zumutbar gewesen.
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Entgegenstehende gesundheitliche Gründe seien nicht glaubhaft gemacht. Die Übernachtungskosten (ohne Frühstück) von 79,00 € seien hälftig anzusetzen.
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4. Gegen diese seiner Verfahrensbevollmächtigten am 27.01.2023 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner am 10.02.2023 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der er seine beantragte Kostenerstattung in vollem Umfang weiterverfolgt.
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Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23.02.2023 nicht abgeholfen.
12
Der Einzelrichter beim Senat hat das Verfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO)
II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist teilweise begründet. Ihm sind im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe Auslagen für Fahrtkosten und Übernachtung für die Terminswahrnehmung am 09.09.2022 in Höhe von 173,80 € zu erstatten.
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1. Die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 Satz 2, §§ 567ff ZPO statthaft. Zwar erfasst die vorliegend mit Beschluss vom 06.09.2023 erfolgte Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in entsprechender Anwendung von §§ 76 Abs. 1 FamFG, 122 Abs. 1
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Satz ZPO auch die Reiseauslagen der mittellosen Partei zur Terminswahrnehmung, vgl. Nr. 2007 VV-FamGKG (vgl. BVerwG, Beschluss v. 28.02.2017, Az. 6 C 28/16; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 07.06.2017, Az. 5 WF 75/17; OLG Dresden, Beschluss v. 06.12.2013, Az. 20 WF 1161/13; Zöller-Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 122 Rn. 8; Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 76 Rn. 59). Damit wendet sich der Antragsteller nicht gegen die Versagung der Verfahrenskostenhilfe (anders gelagert BGH, Beschluss v. 19.03.1975, Az. IV ARZ (VZ) 29/74 = BGHZ 64, 139 betreffend die vollständige Versagung von Fahrtkosten für die Partei außerhalb der Bewilligung von Prozesskostenhilfe). Vielmehr handelt es sich in der Sache um die Beschwerde gegen die Festsetzung geltend gemachter Auslagen im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe. Im Gegensatz zur Festsetzung anwaltlicher Gebühren bei aus der Staatskasse zu zahlender Vergütung (vgl. §§ 55f RVG) existieren für die Festsetzung der erstattungsfähigen Auslagen des Beteiligten im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe keine speziellen gesetzlichen Bestimmungen und Rechtsmittel.
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Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die gerichtliche Festsetzung und Beschwerde nach dem JVEG (§ 4 Abs. 3 JVEG) scheidet aus, da sich die Bewilligung und Festsetzung der Verfahrenskostenhilfe und damit auch die Höhe ersatzfähiger Auslagen an sozialhilferechtlichen Maßstäben orientiert (a.A. OLG Frankfurt, Beschluss v. 14.06.2022, Az. 6 WF 86/22; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.11.2017, Az. III-2 Ws 455/17). Die Ansprüche nach dem JVEG sind hingegen in der Sache weitergehend, da sie sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 JVEG an einen Personenkreis richten, bei dem Dritte zur ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens herangezogen werden. Es fehlt somit an einer vergleichbaren Interessenlage als Voraussetzung einer analogen Anwendung.
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Für die Verfahrenskostenhilfe beantragende Partei eröffnen daher §§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO bei behaupteter Beeinträchtigung in eigenen Rechten die sofortige Beschwerde gegen alle Entscheidungen zur Verfahrenskostenhilfe, unabhängig davon, ob es sich um Entscheidungen im Bewilligungs- oder Festsetzungsverfahren handelt.
18
Im Übrigen unterliegt die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde keinen Bedenken.
19
Insbesondere ist der Mindestbeschwerdewert von 200,00 € gemäß § 76 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 Satz 2, § 567 Abs. 2 ZPO überschritten.
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2. Die erstattungsfähigen Reisekosten des Antragstellers betragen 173,80 €. Soweit ein hierüber hinausgehender Auslagenbetrag geltend gemacht wird, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
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a) Reisekosten sind analog § 122 Abs. 1 erstattungsfähig, wenn die Reise zum Termin notwendig ist. Dieses ist unter Berücksichtigung der Grundsätze des fairen Verfahrens und des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu entscheiden, wobei es dem Beteiligten möglich sein muss, alle Verfahrensrechte im Termin wahrzunehmen (vgl. BGH, Beschluss v. 19.03.1975, Az. IV ARZ (VZ) 29/74; ablehnend BGH, Beschluss v. 17.12.2019, IV ZR 240/18; BVerwG, Beschluss v. 28.02.2017, Az. 6 C 28/16 jeweils für das Revisionsverfahren als reine Rechtsinstanz). Nachdem vorliegend mit Verfügung vom 05.08.2023 das persönliche Erscheinen des Antragstellers zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet wurde, unterliegt die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Reisekosten keinen Bedenken.
22
b) Dem Antragsteller sind Auslagen für Fahrtkosten in Höhe von 108,80 € zu erstatten. Eine Verweisung auf die Möglichkeit der Nutzung eines 9-Euro-Tickets überspannt im vorliegenden Einzelfall die Anforderungen an den Antragsteller zur Nutzung der ihm zumutbaren kostengünstigsten Beförderungsmöglichkeit.
23
(1) Die Erstattungsfähigkeit von Auslagen im Rahmen gewährter Verfahrenskostenhilfe bestimmt sich nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen, da es sich bei der Verfahrenskostenhilfe um eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege handelt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 03.07.1973, Az. 1 BvR 153/69 = BVerfGE 35, 348; BGH, Beschluss v. 16.02.2022, Az. XII ZB 19/21). Eine entsprechende Anwendung der Entschädigungssätze nach §§ 5, 6 JVEG scheidet daher aus. Nicht maßgeblich in materieller Hinsicht ist ferner die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 14. Juni 2006 über die Gewährung von Reiseentschädigung. Diese kann als bloßes Innenrecht der Verwaltung keine bindenden und ggfs. beschränkenden Voraussetzungen der Kostenerstattung für den Berechtigten begründen (vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 06.12.2013, Az. 20 WF 1161/13; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 19.12.2005, Az. 5 WF 140/05).
24
Bei den Reisekosten handelt es sich in der Sache um einen Mehrbedarf des Leistungsberechtigten, der diesem zur Wahrung seiner grundrechtlich gesicherten Verfahrensrechte zu erstatten ist. Dabei müssen die Auslagen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen im Sinne des Grundsicherungsrechts sein; der Leistungsberechtigte muss also die kostengünstigste und gleichwohl im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz seiner Beteiligungsmöglichkeit im Verfahren verhältnismäßige sowie zumutbare Variante zur Bedarfsdeckung wählen bzw. hat nur Anspruch auf Leistungen in deren Höhe. Der Berechtigte hat daher im Rahmen des Zumutbaren sämtliche Einsparmöglichkeiten zu nutzen (vgl. BSG, Urteil v. 18.11.2014, Az. B 4 AS 4/14 R = BSGE 117, 240 zu § 21 Abs. 6 SGB II; ebenso Urteil v. 07.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242 für § 73 SGB XII; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.11.2022, Az. L 34 AS 1588/18 für § 28 Abs. 4 SGB II; LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.07.2019, Az. 22 Ta 87/19).
25
(2) Nach diesen Grundsätzen scheidet die mit der Beschwerde geltend gemachte Erstattung der Kosten der Nutzung des eigenen Fahrzeugs aus. Diese kommt nur dann in Betracht, wenn entweder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ganz ausnahmsweise mit höheren Kosten verbunden ist, oder deren Nutzung aufgrund der verkehrstechnischen Anbindung oder in der Person des Berechtigten liegender unabweisbarer Gründe unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. Leopold/Buchwald, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 28 Rn. 136 m.w.N.). Derartige Umstände sind mit der Beschwerde weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
26
(3) Die Erstattung der vom Antragsteller getätigten Auslagen für Fahrtkosten ist vorliegend auf die Kosten der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel unter Einschluss von Zügen des Fernverkehrs begrenzt. Eine Verweisung auf die alleinige Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zur Erreichung des Gerichtsortes würde zu einer im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der möglichen Kostenersparnis (9-Euro-Ticket) nicht zumutbaren Belastung des Antragstellers bei der Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte führen.
27
Der Ausschluss der Nutzung des Fernverkehrs würde regulär zu einer Fahrtdauer von durchschnittlich 9,5 Stunden führen bei 3 bis 6 Umsteigevorgängen. Es ist dem Senat bekannt, dass der Zeitraum der Geltung des 9-Euro-Tickets im öffentlichen Personennahverkehr unter gleichzeitiger Geltung der Einschränkungen aufgrund Maßnahmen gegen das Corona-Virus in einem stark erhöhten Maße durch eine weit überdurchschnittliche Auslastung (Überfüllung) sowie unzählige Verspätungen und auch Ausfälle im Zugverkehr geprägt war, so dass realistischerweise mit einer nochmals deutlich erhöhten Fahrtdauer zu rechnen gewesen wäre. Bei Nutzung des Fernverkehrs wären hingegen geschätzte Kosten für Hin- und Rückfahrt (Fahrt mit ICE von Berlin nach Aschaffenburg) in Höhe von 108,80 € angefallen. Dem Antragsteller wäre es möglich und zumutbar gewesen, sich unmittelbar nach Erhalt der Ladung zum Termin vom 09.09.2022 um eine kostengünstige Fahrkarte zu bemühen. Bei frühzeitiger Buchung ca. einen Monat vor dem Termin wäre nach den Feststellungen des Senats über das Buchungssystem der Deutschen Bahn die Nutzung eines Supersparpreises in dieser Höhe möglich gewesen. Es handelt sich, auch im Vergleich zur Nutzung des 9-Euro-Tickets, nicht um außergewöhnlich hohe Kosten, so dass der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt ist (hierzu BSG, Urteil v. 07.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R).
28
Zu keiner anderen Bewertung führt der Umstand, dass es dem Antragsteller aufgrund seiner Arbeitslosigkeit eher möglich gewesen wäre, ohne Beeinträchtigung einer Erwerbstätigkeit oder Verdienstausfall eine längere An- und Abreise in Kauf zu nehmen. Der Senat erachtet die Anreise allein mit Nahverkehrsmitteln unter den vorstehend dargelegten Umständen vorliegend in jedem Fall als nicht mehr zumutbar.
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c) Dem Antragsteller sind ferner Übernachtungskosten in Höhe von 65,00 € zu erstatten. Aufgrund des bereits für 08:30 Uhr angesetzten Beginn des Termins vor dem Amtsgericht Aschaffenburg war dem Antragsteller eine Anreise am Terminstag nicht möglich, so dass die Hotelkosten als notwendige Auslagen zu ersetzen sind. Die mittellose Partei, der Verfahrenskostenhilfe gewährt wurde, hat Anspruch auf eine preiswerte Unterkunft ohne sonderlichen Komfort (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 08.01.1988, Az. 14 W 878/87). Diesem wird das vom Antragsteller gebuchte Hotel noch gerecht.
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Soweit das Amtsgericht die erstattungsfähigen Auslagen lediglich in Höhe von 50% der Kosten für das vom Antragsteller mit einer Begleitperson benutzte Doppelzimmer angesetzt hat, kann dies keinen Bestand haben. Zwar sind lediglich Kosten für ein Einzelzimmer anzusetzen, da die Begleitung des Antragstellers durch eine dritte Person weder aus prozessualen noch aus in der Person des Antragstellers liegenden Gründen erforderlich war. Allerdings sind die Kosten für ein Doppelzimmer in aller Regel erheblich geringer als für zwei Einzelzimmer. Der Senat schätzt nach Recherche, dass bei Buchung eines Einzelzimmers im gleichen Hotel Kosten in Höhe von 65,00 € angefallen wären.
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Die erstattungsfähigen Gesamtreisekosten (Fahrtkosten und Übernachtung) des Antragstellers betragen somit 173,80 €.
32
3. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO). Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.