Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.04.2023 – 9 ZB 22.2388
Titel:

Bemessung des Zwangsgeldes 

Normenketten:
VwZVG Art. 31 Abs. 2 S. 4
VwGO § 86 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der Bestimmung der Zwangsgeldhöhe kommt es auf das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen an, das nach Art. 31 Abs. 2 S. 4 VwZVG zu schätzen ist. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15 EUR bis 50.000 EUR) ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigten sind. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Je weniger ein Pflichtiger zur Sachaufklärung beiträgt (etwa durch Darlegung seiner wirtschaftlichen Interessen im Verwaltungsverfahren), umso weniger kann er an Kenntnissen der Behörde verlangen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Isolierte Zwangsgeldandrohung gegenüber Rechtsnachfolger, Streitwert bei Änderung der Zwangsgeldandrohung im gerichtlichen Verfahren, Zwangsgeld, Bemessung, Ermessen, Entscheidungsspielraum, Zwangsgeldandrohung, Rechtsnachfolger, wirtschaftliches Interesse, Schätzung, Sachaufklärung, Aufklärungsmangel
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 27.10.2022 – AN 9 K 21.2179
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8768

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Oktober 2022 für beide Instanzen auf jeweils 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin, die ein Wettbüro im Stadtgebiet der Beklagten betreibt, wendet sich gegen eine isolierte Zwangsgeldandrohung.
2
Mit Bescheid vom 15. September 2014 untersagte die Beklagte der damaligen Betreiberin die Nutzung eines früheren Ladengeschäfts als Wettbüro und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 Euro an. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Beklagte forderte nach erfolgtem Betreiberwechsel die Klägerin mit Schreiben vom 27. August 2021 auf, den Betrieb des Wettbüros einzustellen. Bei einer Ortseinsicht am 11. Oktober 2021 wurde festgestellt, dass der Betrieb fortgesetzt wurde. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. November 2021 setzte die Beklagte der Klägerin daraufhin eine Nachfrist und drohte ihr für den Fall der Nichteinhaltung ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 Euro an. Mit Änderungsbescheid vom 26. April 2022 wurde die Höhe des Zwangsgeldes auf 10.000,00 Euro reduziert. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das Zwangsgeld erstmals gegen die Klägerin angedroht werde. Die Höhe übersteige das wirtschaftliche Interesse nicht und sei angemessen.
3
Die gegen den Bescheid vom 5. November 2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26. April 2022 gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2022 abgewiesen. Die Klägerin verfolgt im Zulassungsverfahren ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie beruft sich im Wesentlichen auf die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Festlegung der Zwangsgeldhöhe und entsprechende Begründungsmängel. Das Verwaltungsgericht habe auch seine Amtsermittlungspflicht verletzt.
II.
4
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, weil dieser Grund nicht in der nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Weise dargelegt ist bzw. nach dem Dargelegten nicht vorliegt.
6
Nach dem in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO enthaltenen Darlegungsgebot ist eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zu fordern. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 9 ZB 18.2090 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dem genügt das Vorbringen der Klägerin nicht, die im Ergebnis lediglich ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren folgendes zu bemerken:
7
Der Einwand, das Zwangsgeld sei unverhältnismäßig hoch und ermessensfehlerhaft festgesetzt worden, überzeugt nicht. Die Zwangsgeldhöhe von 10.000,00 Euro ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Streitgegenstand ist der Ausgangsbescheid in der Fassung durch den Änderungsbescheid vom 26. April 2022. Dieser enthält in den Gründen Ausführungen zur Möglichkeit, den Verwaltungsakt mittels Zwangsgelds durchzusetzen und damit zur im behördlichen Ermessen stehenden Wahl des Zwangsmittels. Zutreffend wurde auch erkannt, dass es bei der Bestimmung der Zwangsgeldhöhe auf das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen ankommt, das nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG zu schätzen ist. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15 Euro bis 50.000 Euro) aber ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigten sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2021 – 9 ZB 19.1586 – juris Rn. 10 m.w.N.). Nachdem eine besondere Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses regelmäßig nicht erforderlich ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2021 – 9 ZB 19.1586 – a.a.O. m.w.N.), kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf einen Begründungsmangel berufen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Pflichtiger, je weniger er zur Sachaufklärung beiträgt (etwa durch Darlegung seiner wirtschaftlichen Interessen im Verwaltungsverfahren), er auch umso weniger an Kenntnissen der Behörde verlangen kann (Zeiser, in Wernsmann, Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz, 2020, Art. 31 Rn. 14). Im Übrigen hat die Klägerin auch im Zulassungsverfahren keine Ausführungen dazu gemacht, welche wirtschaftliche Bedeutung die Angelegenheit für sie hat, obwohl es sich dabei um Umstände aus ihrer Sphäre handelt, die ohne Weiteres dargelegt und plausibilisiert werden könnten, etwa durch Offenlegung betrieblicher Kennzahlen. Die bloße Behauptung der Unverhältnismäßigkeit genügt dagegen nicht den Darlegungsanforderungen.
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2. Die Zulassung der Berufung hat nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu erfolgen. Es liegt vor allem kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) vor. Zur Darlegung eines solchen Verstoßes muss substantiiert ausgeführt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2006 – 6 B 53.05 – juris Rn. 20; B.v. 22.11.2013 – 7 B 16.13 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.1.2015 – 22 ZB 13.2608 – juris Rn. 14).
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Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Es finden sich keine Ausführungen dazu, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären sowie dazu, dass im Verfahren auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden wäre oder dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs nicht einschlägig, weil sich die Klägerin gegen eine isolierte Zwangsgeldandrohung wendet. Zudem ist in Fällen einer Klageänderung, von der das Verwaltungsgericht hier ausgegangen ist, nur der Wert des geänderten Anspruchs maßgeblich, hier also 10.000,00 Euro (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.1990 – 20 B 87.3406 – NVwZ-RR 1991, 277; VGH BW, B.v. 17.5.2011 – 9 S 1167/11 – NVwZ-RR 2011, 918 = juris Rn. 12 ff.; Wöckel, in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 91 Rn. 37). Der Streitwert war daher nach Anhörung der Beteiligten entsprechend abzuändern.
11
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).