Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.04.2023 – 6 ZB 22.1587
Titel:

Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz für Reservistendienst Leistenden – erfolgloser Berufungszulassungsantrag

Normenketten:
VwGO § 124, § 124a
USG § 6 (idF bis zum 31.10.2015)
SGB IV § 14
Leitsätze:
1. Die Vorschrift des § 6 USG (idF bis zum 31.10.2015) dient der Sicherung des Nettoerwerbseinkommens der Reservistendienst Leistenden, das ohne den Reservistendienst erzielt worden wäre. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verdienstausfallentschädigung ist keine (volle) Entschädigung für die infolge des Wehrdienstes entfallenden Einkünfte des Wehrpflichtigen. Sie wird vielmehr ebenso wie die übrigen Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz als Leistung zur Unterhaltssicherung gewährt und dient der Sicherung des Lebensbedarfs. Wehrdienstbedingte Einkommensverluste sind deshalb für die Zuteilung und Bemessung der Verdienstausfallentschädigung nicht als solche und nicht schlechthin, sondern nur insoweit erheblich, als in ihnen der Verlust der den anerkannten Lebensbedarf des Wehrpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen sichernden materiellen Lebensgrundlage zutage tritt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Soldatenrecht, Reservistendienst, Leistungen an Nichtselbständige, Verdienstausfall, Bemessung, Netto-Arbeitsentgelt, Arbeitgeberbescheinigung, Verdienstausfallentschädigung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 18.05.2022 – RO 1 K 20.1652
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8766

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Mai 2022 – RO 1 K 20.1652 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 564,90 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO, auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist, liegen nicht vor oder wurden nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2
Der Kläger leistete in der Zeit vom 8. bis 20. September 2019 Reservistendienst, wofür er von der Beklagten Verdienstausfall nach § 6 Abs. 1 USG a.F. beansprucht. Nach der Bescheinigung seines Arbeitgebers betrug der Verdienstausfall 1.784,80 € brutto und 869,65 € netto sowie 78,02 € netto entgangenes anteiliges Weihnachtsgeld. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (Bundesamt) bewilligte zuletzt Leistungen in Höhe von 947,67 €. Der Kläger hat mit seiner Klage weitere Leistungen in Höhe von 564,90 € mit der Begründung verlangt, sein tatsächlicher Nettoverlust durch den weniger als einen Monat dauernden Reservistendienst sei höher als in der Bescheinigung seines Arbeitgebers ausgewiesen. Denn diese erfasse nicht die lohn- und einkommensteuerlichen Nachteile, die ihm durch den Reservistendienst entstanden seien. Zum einen müsse für die Berechnung der für das Steuerjahr maßgebliche individuelle Steuersatz angesetzt werden (Verlustvortrag; kein ganzjähriges Arbeitsverhältnis). Zum anderen müsse bei Dienstzeiten von weniger als einem Monat zumindest der „normale“ Monatslohnsteuersatz angewendet werden, um zu vermeiden, dass der ausgefallene Lohnanteil mit der höchsten Progression berücksichtigt werde, während für den verbleibenden Lohnanteil ein geringerer Steuersatz maßgeblich sei und es dadurch zwangsläufig zu Steuernachforderungen komme.
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Das Verwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt und hat die Klage mit Urteil vom 18. Mai 2022 abgewiesen. Die vom Kläger gegen diese Entscheidung vorgebrachten Einwände rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung.
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1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
6
Der Senat teilt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Leistungen in Höhe von weiteren 564,90 € nach dem Unterhaltssicherungsgesetz in der einschlägigen, vom 1. September 2019 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung vom 29. Juni 2015 (BGBl. I S. 1061), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1147; USG a.F.), nicht zusteht. Das bedarf keiner weiteren Prüfung in einem Berufungsverfahren.
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a) Nach § 6 Abs. 1 USG a.F. (entspricht § 5 Abs. 1 USG n.F.) wird Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die – wie der Kläger – Reservistendienst leisten, der Verdienstausfall in Höhe des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) ersetzt.
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Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 SGB IV, auf den § 6 Abs. 1 USG a.F. zur Bemessung der Verdienstausfallentschädigung verweist, alle laufenden oder einmaligen Einnahmen, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Hierzu gehören auch anteilig eingebüßte Gratifikationen, wie etwa Weihnachtsgeld (Eichler/ Oestreicher/Decker, Unterhaltssicherungsgesetz, Stand 1. August 2022, Band 1, Teil 2B, § 6 Anm. 13). Dieser Bruttobetrag ist nach § 6 Abs. 1 USG a.F. „um die gesetzlichen Abzüge“ zu vermindern. Danach sind neben den gesetzlichen (Arbeitnehmer-)Anteilen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung die auf das Arbeitsentgelt entfallenden Steuern in Abzug zu bringen (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV im Umkehrschluss). Aus dem sich so ergebenden (auf den Monat bezogenen) Netto-Arbeitsentgelt ist sodann ein Tagessatz zu bilden, der – gegebenenfalls beschränkt auf den Höchstsatz nach § 6 Abs. 3 USG a.F. – mit der Zahl der Tage, an denen Reservistendienst geleistet wurde, zu multiplizieren ist (Eichler/Oestreicher/Decker, Unterhaltssicherungsgesetz, Stand 1. August 2022, Band 1, Teil 2B, § 6 Anm. 16).
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Auf das Arbeitsentgelt entfallende Steuern können nur solche sein, welche die Einkünfte als Arbeitnehmer aus einer nichtselbständigen Tätigkeit betreffen, das heißt die Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag. Wie § 6 Abs. 1 USG a.F. mit der Formulierung „in Höhe des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts“ zum Ausdruck bringt, können ferner allein solche Steuerbeträge gemeint sein, die der Arbeitgeber bezogen auf den Zeitraum des Reservistendienstes durch Abzug vom Arbeitslohn als Lohnsteuer hätte einbehalten und an das Finanzamt abführen müssen, wenn der Arbeitnehmer keinen Reservistendienst geleistet hätte (vgl. VG Arnsberg, U.v. 6.7.1994 – 3 K 768/93 – abgedruckt bei Eichler/Oestreicher/Decker, Unterhaltssicherungsgesetz, Stand 1. August 2022, Band 4, 713 S. 494). Entgegen der Sichtweise des Klägers kommt es demnach nicht auf seine endgültige Einkommensteuerschuld nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs als maßgeblichem Veranlagungszeitraum (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG) an.
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Dafür sprechen nicht nur der Gesetzeswortlaut, sondern auch Sinn und Zweck sowie die Systematik des Unterhaltssicherungsgesetzes, wie das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat. Die Vorschrift des § 6 USG a.F. dient der Sicherung des Nettoerwerbseinkommens der Reservistendienst Leistenden, das ohne den Reservistendienst erzielt worden wäre (BT-Drs. 18/4632, S. 29; vgl. auch BayVGH, B.v. 5.11.2018 – 6 ZB 18.2012 – juris Rn. 7). Bereits zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift hatte das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Verdienstausfallentschädigung keine (volle) Entschädigung für die infolge des Wehrdienstes entfallenden Einkünfte des Wehrpflichtigen ist. Sie wird vielmehr ebenso wie die übrigen Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz als Leistung zur Unterhaltssicherung gewährt und dient der Sicherung des Lebensbedarfs. Wehrdienstbedingte Einkommensverluste sind deshalb für die Zuteilung und Bemessung der Verdienstausfallentschädigung nicht als solche und nicht schlechthin, sondern nur insoweit erheblich, als in ihnen der Verlust der den anerkannten Lebensbedarf des Wehrpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen sichernden materiellen Lebensgrundlage zutage tritt (BVerwG, U.v. 28.11.1974 – VIII C 90.73 – juris Rn. 13). Es ist dem damaligen Gesetzgeber vor allem darauf angekommen, die im Einzelfall zu beanspruchende Leistung unverzüglich, das heißt ohne besonderen Verfahrensaufwand, zu ermitteln und dem Wehrpflichtigen möglichst rasch zukommen zu lassen (BVerfG, U.v. 11.12.1973 – 2 BvL 47/71 – juris Rn. 14).
11
An dem Zweck der raschen Sicherung des Lebensbedarfs hat sich durch die Neufassungen des Unterhaltssicherungsgesetzes in der Sache nichts geändert. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 USG in der bis zum 31. Oktober 2015 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 2008 (BGBl. I S. 1774) wurden die Leistungen nach diesem Gesetz den nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes einberufenen Wehrpflichtigen und ihren Familienangehörigen „zur Sicherung des Lebensbedarfs (Unterhaltssicherung)“ gewährt. Die Leistungen zur Unterhaltssicherung sollten mithin den zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen und ihren Familienangehörigen für den Zeitraum, in dem sie unter Wegfall ihres bisherigen Einkommens ihrer Wehrpflicht nachkommen, die Aufrechterhaltung einer den bisherigen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechenden Lebenshaltung ermöglichen (Eichler/Oestreicher/Decker, Unterhaltssicherungsgesetz, Stand 1. August 2022, Band 1, Teil 2B, § 1 Anm. 2). Eine vergleichbare Regelung findet sich zwar in § 1 USG in der ab 1. November 2015 geltenden Fassung vom 29. Juni 2015 (BGBl. I S. 1061), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4.8.2019 (BGBl. I S. 1147), nicht (mehr). Das Gesetz sieht nun „Leistungen an Reservistendienst Leistende“, insbesondere Leistungen „zur Sicherung des Einkommens“ (vgl. Kapitel 2, Abschnitt 1), sowie „Leistungen an freiwilligen Wehrdienst Leistende und Sicherung des Unterhalts ihrer Angehörigen“ (vgl. Kapitel 3) vor. Das bedeutet jedoch nicht, dass das neue Gesetz eine andere Zielrichtung verfolgen würde. Insbesondere die Regelung in § 6 USG a.F. ist laut Gesetzesbegründung an die bisher geltende Vorschrift des § 13 USG angelehnt (BT-Drs. 18/4632, S. 29). Sinn und Zweck des Unterhaltssicherungsgesetzes ist nach wie vor, den Lebensbedarf der Reservistendienst oder freiwilligen Wehrdienst Leistenden und ihrer Familie zu sichern (Eichler/Oestreicher/Decker, Unterhaltssicherungsgesetz, Stand 1. August 2022, Band 1, Teil 2B, § 1 Anm. 2; vgl. auch VG München, U.v. 2.8.2018 – M 15 K 16.4689 – juris Rn. 21).
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b) Mit seinen gegen diese Gesetzesauslegung gerichteten Einwänden vermag der Kläger weder einzeln noch bei Gesamtschau ernstliche Zweifel zu begründen, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre. Insbesondere kann dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 USG a.F. nicht entnommen werden, dass das Gesetz allein die Sichtweise des Klägers zuließe und zu einer Nettoentgeltberechnung auf Grundlage der nachträglich auf das Kalenderjahr abstellende einkommensteuerrechtlichen Feststellungen oder zumindest des „normalen Monatslohnsteuersatzes“ zwinge. Im Übrigen hat der Kläger nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass sich unter Berücksichtigung eines solchen Steuersatzes der geltend gemachte Verdienstausfall in Höhe von weiteren 564,90 € errechnen würde.
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Ebenfalls nicht überzeugen kann das Argument, es sei mit dem Gesetzeszweck vereinbar, zunächst nur den Unterhalt während der Wehrübung zu sichern und den Rest später zu erstatten, etwa wenn die Steuer fällig werde. Wie bereits das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat, wurde vom Gesetzgeber der zügigen Unterhaltssicherung der Vorrang vor dem Ausgleich von Einkommensverlusten gegeben. Eine nur vorläufige Bewilligung unter dem Vorbehalt einer Nachberechnung und Neuverbescheidung ist damit nicht vereinbar und findet auch im Gesetz keine Stütze. Zwar mag der Reservistendienst Leistende im Ergebnis finanziell schlechter stehen, als derjenige, der – bei im Übrigen gleicher Sachlage – nicht zum Reservistendienst herangezogen wurde. § 6 USG a.F. begegnet gleichwohl keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn Art. 3 Abs. 1 GG belässt dem Gesetzgeber gerade dann eine weite Gestaltungsfreiheit, wenn er – wie in §§ 1 ff. USG – dem Bürger einen Anspruch auf staatliche Leistungen einräumt. Es genügt, wenn sich für die Differenzierung ein sachlicher Grund – hier die möglichst zügige Sicherung des Lebensbedarfs ohne besonderen Verfahrensaufwand – anführen lässt (vgl. BVerfG, B.v. 11.12.1973 – 2 BvL 47/71 – juris Rn. 13). Auch aus dem Sozialstaatsprinzip lässt sich regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren (vgl. BVerfG, U.v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84 – juris Rn. 83), mithin auch kein Anspruch auf volle Entschädigung für den Verdienstausfall infolge des Reservistendienstes herleiten.
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Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus dem Einwand, die Berechnungsmethode der Beklagten führe wegen des Progressionsvorbehalts, dem die Leistung nach dem Unterhaltssicherungsgesetz unterliege, zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung. Der Kläger meint, der Reservistendienst Leistende werde aufgrund der Berechnungsmethode des Beklagten so behandelt, als hätte er den Grenzsteuersatz und nicht den Durchschnittssteuersatz bezahlt. Wenn aber der Verdienstausfall schon mit dem Grenzsteuersatz besteuert worden sei, dürfe er nicht zusätzlich dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Diese Argumentation überzeugt nicht. Die Leistungen nach § 6 USG a.F. sind steuerfrei, unterliegen allerdings dem Progressionsvorbehalt (vgl. § 3 Nr. 48, § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h EStG in der einschlägigen Fassung vom 29.6.2015, BGBl. I, S. 1061). Dass die Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz doppelt besteuert würden, ist nicht ersichtlich. Denn im Rahmen des Progressionsvorbehalts werden die steuerfreien Leistungen gerade nicht dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet, es erhöht sich lediglich der auf das zu versteuernde Einkommen anzuwendende Steuersatz. Eine doppelte Besteuerung liegt damit nicht vor (so BFH, B.v. 29.7.2005 – VI B 199/04 – juris Rn. 3 zum Progressionsvorbehalt bei – insoweit vergleichbaren – Lohnersatzleistungen gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG a.F., jetzt § 32 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 i.V.m. § 32a EStG).
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Soweit der Kläger sinngemäß rügt, das Verwaltungsgericht habe jedenfalls zu Unrecht das Vorliegen einer offenbar nicht beabsichtigten Härte im Sinn des § 3 USG a.F. verneint, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Dass hier ein atypischer Sachverhalt vorliegt, den der Gesetzgeber ungeachtet der seit Jahrzehnten vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Sinn und Zweck des Unterhaltssicherungsgesetzes (BVerwG, U.v. 28.11.1974 – VIII C 90.73 – juris Rn. 12) nicht bedacht haben könnte, ist vielmehr auszuschließen. Der Umstand, dass § 6 USG a.F. ausdrücklich an die Vorgängervorschrift angelehnt ist (BT-Drs. 18/4632, S. 29), spricht vielmehr umgekehrt dafür, dass dem Gesetzgeber bewusst gewesen ist, dass die Leistungen nach § 6 USG a.F. – wie bisher – nicht darauf ausgerichtet sind, jeglichen individuellen steuerlichen Nachteil vollumfänglich auszugleichen.
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2. Die Rechtssache weist aus den oben dargelegten Gründen keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
17
3. Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO legt der Zulassungsantrag nicht dar. Zum einen fehlt es schon an der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage im Zusammenhang mit der Bemessung des zu erstattenden Verdienstausfalls. In der Sache ist zum anderen kein grundsätzlicher Klärungsbedarf dargetan, weil die sinngemäß angesprochenen Fragen insbesondere auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung hierzu ohne weiteres im Sinn des Verwaltungsgerichts zu beantworten sind.
18
4. Eine Divergenz im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO legt der Kläger ebenfalls nicht den Anforderungen des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend. dar.
19
Die Zulassungsbegründung zitiert zwar Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. U.v. 6.3.2002 – 2 BvL17/99), bezeichnet jedoch keinen hiervon abweichenden, die Entscheidung tragenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichts. Vielmehr rügt der Kläger lediglich, die erstinstanzliche Entscheidung sei aufgrund der Doppelbesteuerung mit der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar. Damit wendet sich der Kläger der Sache nach gegen die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts im Einzelfall, legt aber keine Abweichung von einem bezeichneten Rechtssatz dar. Die Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechts- oder Tatsachensätze ist zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge aber unverzichtbar (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, B. v. 24.4.2017 – 1 B 22.17 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 6 ZB 17. 31910 – Rn. 3).
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5. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
21
Soweit der Kläger als Verfahrensmangel rügt, das Verwaltungsgericht hätte die „steuertechnischen“ und progressionsbedingten Fragen weiter aufklären und Beweis erheben müssen, kann das die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht rechtfertigen. Zum einen kam es auf die konkreten steuerlichen Nachteile nach der materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich an. Zum anderen verletzt ein Gericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, B.v. 16.4.2012 – 4 B 29.11 – BayVBl 2012, 640; BayVGH, B.v. 31.8.2015 – 6 ZB 15.36 – juris Rn. 21). Der durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger hätte in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) zu Protokoll stellen können (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO); das ist jedoch ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2022 nicht geschehen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Aufklärung zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen hätte aufdrängen sollen.
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Ein Gehörsverstoß (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) wird ebenfalls nicht aufgezeigt. Das Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber dem Tatsachenvortrag und der Rechtsansicht des Beteiligten zu folgen (ständige Rechtsprechung, BVerfG, B.v. 4.9.2008 – 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 10 ZB 18.487 – Rn. 3 jeweils m.w.N.). Das Gericht ist nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, B.v. 23.7.2003 – 2 BvR 624/01 – juris Rn. 16 m.w.N.) Vorliegend hat das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers zur Berechnung des von ihm auf (insgesamt) 1.512,57 € bezifferten Verdienstausfalls (vgl. Bl. 31 der Verwaltungsakte) zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Art. 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass das Gericht einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung beimisst oder die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt. Dass das Gericht das vom Kläger zur Begründung seiner Rechtsauffassung herangezogenen Fallbeispiel verkürzt wiedergegeben hat, ist nicht entscheidungserheblich.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
24
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).