Titel:
Besoldungseinbußen eines Beamten bei einem Bundeslandwechsel – erfolgloser Berufungszulassungsantrag
Normenketten:
VwGO § 124, § 124a
AAG § 1, § 3 Abs. 1
BayBesG Art. 106a
Leitsatz:
Der Beamte hat keinen Anspruch darauf, bei einem späteren Dienstherrn nach einem bundeslandübergreifenden Dienstherrnwechsel mindestens die Besoldung zu erlangen, die er beim früheren Dienstherrn erhalten hat; es handelt sich bei den Bundesländern um unterschiedliche Träger öffentlicher Gewalt, die insbesondere den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nur innerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereichs zu beachten haben. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stufenfestlegung, Anfangsstufe, bundeslandübergreifende Versetzung, Darlegung der Berufungszulassungsgründe, Anerkennung förderlicher Dienstzeiten, Besitzsstand, Besoldung, Systemwechsel, Lebensaltersstufe, Erfahrungsstufe
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 01.02.2023 – M 5 K 20.5702
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8757
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.279,84 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Zulassungsantrag des Klägers bleibt ohne Erfolg.
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Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen.
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Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO notwendige Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Erstgerichts erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte – und auch in sich schlüssige – Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 21.9.2022 – 15 ZB 22.1621 – juris Rn. 12). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen hier nicht gerecht.
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Der mit einem Grad der Behinderung von 30 schwerbehinderte Kläger wurde am 9. November 2011 in ein Beamtenverhältnis auf Probe, am 9. November 2014 in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Land Nordrhein-Westfalen berufen und zuletzt in der Besoldungsgruppe A 9 Stufe 9 besoldet. Mit Wirkung zum 1. Mai 2015 erfolgte auf eigenen Antrag seine Versetzung in den Dienst des Beklagten. Auf seinen Antrag auf Anerkennung förderlicher Dienstzeiten vom 15. Mai 2015 hin, erhielt er ab Juni 2015 Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 9 Stufe 4 (Mai 2015 noch Stufe 2). Seinen Antrag vom 14. Mai und 27. Juni 2019 auf Neufestsetzung seiner Bezüge basierend auf der Festlegung einer höheren Anfangsstufe lehnte das Landesamt mit Bescheid vom 29. Juli 2019 und Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2020 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Beklagte nach Art. 30 Abs. 4 BayBesG so behandelt werde, wie wenn er zur Zeit des Eintritts in ein Beamtenverhältnis in Nordrhein-Westfalen am 9. November 2011 in den Dienst des Beklagten getreten wäre.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Anhebung der Anfangsstufe der Besoldungsgruppe A 9 zum Zeitpunkt seiner Versetzung in den Dienst des Beklagten zum 1. Mai 2015 von Gehaltsstufe 2 auf Gehaltsstufe 9 des Grundgehaltes zu Recht abgewiesen.
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Indem der Kläger einwendet, er habe auf den Besitzstand hinsichtlich Besoldung und Versorgung vertrauen dürfen, weil der Gesetzgeber den Schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Menschen die Möglichkeit eingeräumt habe, bis zum 40. Lebensjahr in den Beamtendienst einzutreten, wiederholt er lediglich wörtlich seinen erstinstanzlichen Vortrag (Schr. v. 18.1.2021). Damit genügt sein Zulassungsvorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Denn der Kläger setzt sich hierbei nicht ansatzweise mit der Urteilsbegründung zum fehlenden Vertrauensschutz und zum nicht bestehenden Anspruch auf das Erreichen der Endstufe der Besoldungstabelle (Rn. 29 f.) auseinander.
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Dies gilt auch für das pauschale Zulassungsvorbringen, die in der Urteilsbegründung angewandten Normen des Bayerischen Besoldungsrechts seien „in erheblichem Maße rechts- bzw. verfassungswidrig“. Den ausführlichen Begründungen des Verwaltungsgerichts zum erstinstanzlichen Einwand der Diskriminierung wegen seines Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG (UA Rn. 27 ff.), zur geltend gemachten unbilligen Härte (UA Rn. 29) und der vorgetragenen Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Anwendung der erst mit Wirkung zum 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Übergangsvorschrift des Art. 106a BayBesG (UA Rn. 34) setzt der Kläger lediglich seine eigene, davon abweichende Auffassung entgegen, indem er schlichtweg behauptet, das Gericht verkenne, dass der Kläger „sehr wohl“ im Sinne von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG diskriminiert werde und eine unbillige Härte erfahren habe. Für seine Annahme, das Gericht sei rechtsirrig von sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung ausgegangen, legt der Kläger keinerlei Begründung vor. Damit hat er sich in der Sache darauf beschränkt, das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts lediglich pauschal in Zweifel zu ziehen, indem er seiner eigenen Rechtsauffassung den Vorzug einräumt. Insbesondere ist der Kläger im Berufungszulassungsverfahren damit nicht näher und detailliert auf die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts eingegangen, wonach ein nach Erfahrungsstufen geregelter Aufstieg der Besoldung durch ein rechtmäßiges Ziel, die Honorierung von Berufserfahrung, sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels in der Regel angemessen und erforderlich ist (vgl. EuGH, U.v. 3.10.2006 – C-17/05 – Cadman, juris Rn. 35; EuGH, U.v. 8.9.2011 – C-297/10 und C-298/10 – Hennigs und Mai, juris Rn. 74; EuGH, U.v. 19.6.2014 – C-501/12 – Specht, juris Rn. 50; BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 6.13 – juris Rn. 64 ff.; BVerwG, B.v. 27.6.2019 – 2 B 7.18 – juris Leitsatz 1 und Rn. 25, 35 f.).
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Der geltend gemachten unbilligen Härte hält das Verwaltungsgericht zutreffend entgegen, dass der Kläger den länderübergreifenden Dienstherrenwechsel durch einen eigenen Willensentschluss herbeigeführt habe. In der Folge habe er willentlich in Kauf genommen, auf Grundlage des zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre existierenden Systems des Bayerischen Besoldungsgesetzes eingeordnet zu werden. In diesem Zusammenhang hätte der Kläger durchaus damit rechnen müssen, dass mit dem Systemwechsel von der Lebensaltersstufe zur Erfahrungsstufe Besoldungseinbußen ebenso verbunden sein können wie Besoldungssteigerungen. Denn der Beamte habe keinen Anspruch darauf, beim späteren Dienstherrn nach einem bundeslandübergreifenden Dienstherrnwechsel mindestens die Besoldung zu erlangen, die er beim früheren Dienstherrn erhalten hat (vgl. VG Augsburg, U.v. 6.12.2012 – Au 2 K 12.369 – juris Rn. 17). Es handele sich bei den Bundesländern um unterschiedliche Träger öffentlicher Gewalt, die insbesondere den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nur innerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereichs zu beachten haben.
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Schließlich führte das Verwaltungsgericht zu Recht im Hinblick auf Art. 106a BayBesG aus, dass der Kläger nicht mit Erfolg das Vorrücken um eine Stufe infolge des ersatzlosen Entfallens der ersten Besoldungsstufe mit dem Gesetz zur Anpassung der Bezüge 2019/2020/2021 vom 24. Juli 2019 (GVBl S. 347, §§ 3, 14 Satz 2 Nr. 4) mit Wirkung zum 1. Januar 2020 geltend machen könne. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Besoldungsgesetzgeber die Besoldungsgruppe mit Wirkung für neu eingestellte Beamte nicht wie bisher in der Erfahrungsstufe 1, sondern in der Erfahrungsstufe 2 beginnen lasse, aber für nicht unmittelbar in Stufe 1 oder 2 befindliche Bestandsbeamte die Erfahrungsstufe nicht rückwirkend anhebe. Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall sei der Gesetzeszweck, Fachkräfte zu gewinnen, ein legitimer Zweck, der eine Besserstellung neu eingestellter Beamte rechtfertige (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2018 – 2 B 55.17 – juris Rn. 16).
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Mit diesen tragenden Auslegungsargumenten hat sich der Kläger nicht im Ansatz auseinandergesetzt, so dass er insofern den Darlegungsobliegenheiten gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht gerecht geworden ist.
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2. Dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen würde (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO), hat der Kläger ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Allein daraus, dass „die obergerichtliche Judikatur hierzu bislang gering erscheint“ und der Kläger „in eine zeitliche Lücke nach 2011 und vor 2019 fällt“ ergeben sich keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten.
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3. Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. Nichts von alldem formuliert der Zulassungsantrag.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 40, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG (wie Vorinstanz).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).