Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.04.2023 – 23 C 23.541
Titel:

Unbegründete Beschwerde gegen die Ablehnung einer Beiladung eines Sportwettveranstalters zum Klageverfahren eines Sportwettvermittlers    

Normenketten:
VwGO § 65 Abs. 1, Abs. 2
AGGlüStV Art. 2 Abs. 1 Nr. 3, Art. 7 Abs. 2
Leitsätze:
1. Da die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten personenbezogen (vgl. Art. 7 Abs. 2 iVm Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 AGGlüStV) und Inhaltsadressat des Erlaubnisbescheids daher der Sportwettvermittler ist, entfaltet die Erlaubniserteilung für den Sportwettveranstalter keine rechtsgestaltende Wirkung. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar kann dem Vermittler eine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten nur erteilt werden kann, wenn der Wettanbieter über eine entsprechende Veranstaltererlaubnis verfügt; umgekehrt hängt die Erteilung der Veranstaltererlaubnis aber nicht vom Bestehen der Vermittlererlaubnis ab. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine Beiladung eines Sportwettveranstalters zum Klageverfahren eines Sportwettvermittlers, Vertriebsorganisation, Prozessökonomie, Prozessbeteiligte, Verfahrensposition, Zweck, Eigene Rechte, Rechtsstellung, Beiladung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 30.01.2023 – AN 15 K 22.1440
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8748

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

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Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30. Januar 2023, mit dem dieses ihren Antrag auf Beiladung der auf Malta ansässigen Wettveranstalterin Ti. … …, deren Sportwetten sie in ihrer Wettvermittlungsstelle in der O. …straße … in N. … vermittelt, zum Klageverfahren AN 15 K 22.01440, in dem sie sich gegen die Befristung der ihr erteilten Erlaubnis zur Sportwettvermittlung wendet, abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.
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1. Die Klägerin wird durch das Unterbleiben der Beiladung der Wettveranstalterin nicht in eigenen Rechten betroffen. Die Ablehnung der Beiladung wirkt sich in keiner Weise auf die prozessuale oder materielle Rechtsstellung der Klägerin aus, so dass diese durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht beschwert ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2010 – 7 C 09.2267 – juris Rn. 10; B.v. 15.8.2011 – 21 ZB 10.1314 – juris Rn. 15 m.w.N.). Zweck der Beiladung ist es nicht, die Verfahrensposition anderer Prozessbeteiligter zu stärken (vgl. BVerwG, B.v. 14.8.2019 – 9 B 24.19 – juris Rn. 31; B.v. 26.1.2018 – 8 B 2.17 – juris Rn. 21 m.w.N.). Das Institut der Beiladung soll vielmehr in erster Linie sicherstellen, dass betroffene Dritte ihre Rechte im Verfahren wahren können (vgl. OVG RP, B.v. 25.8.2020 – 1 E 10895/20 – juris Rn. 4). Sie soll daher die Rechte des (notwendig) Beizuladenden schützen und dient darüber hinaus der Prozessökonomie, indem sie die Rechtskraft des Urteils auf alle am streitigen Rechtsverhältnis Beteiligten erstreckt. Dies schließt kein subjektives Recht der Prozessbeteiligten auf fehlerfreie Anwendung des § 65 Abs. 1, 2 VwGO mit ein (vgl. OVG NW, B.v. 13.3.2019 – 15 E 12/19 – juris Rn. 2), sodass die Klägerin als bereits am Verfahren Beteiligte durch die unterbliebene Beiladung nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. OVG Hamburg, B.v. 15.9. 2020 – 1 So 78/20 – juris Rn. 8 m.w.N.; OVG Saarl, B.v. 19.9.2017 – 2 E 426/17 – juris Rn. 4).
3
2. Darüber hinaus liegen weder die Voraussetzungen für eine notwendige (§ 65 Abs. 2 VwGO) noch für eine einfache Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) der Wettveranstalterin vor (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2022 – 23 C 22.1156 – juris).
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2.1 Die Wettveranstalterin der von der Klägerin vermittelten Sportwetten ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO). Dies ist dann der Fall, wenn die begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte oder Rechtsverhältnisse Dritter gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 70.94 – NVwZ-RR 1995, 196 m.w.N.). Dagegen genügt für die notwendige Beiladung nicht, dass eine einheitliche Entscheidung durch tatsächliche Verhältnisse gefordert wird oder logisch notwendig erscheint. Der besondere Zweck einer notwendigen Beiladung besteht nicht darin, die Verfahrensposition des einen oder anderen Prozessbeteiligten zu stärken und in dessen Interesse die Möglichkeiten der Sachaufklärung zu erweitern (vgl. BVerwG, U.v. 7.2.1986 – 4 C 30.84 – BVerwGE 74, 19/23).
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Unabhängig von der Frage, ob auch die Wettveranstalterin selbst wegen einer möglichen Verletzung ihrer unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) Klage auf Erteilung einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an die für sie tätige Klägerin als Vermittlerin erheben kann (zur Klagebefugnis eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Sportwettanbieters für eine Klage gegen eine gegenüber dem Sportwettvermittler ergangene Untersagungsverfügung vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2012 – 10 B 10.2959 – juris Rn. 25), wird jedenfalls bei der Entscheidung über die streitgegenständliche Klage auf Erteilung einer unbefristeten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten durch die Klägerin in der von ihr betriebenen Wettvermittlungsstelle nicht zugleich über Rechte der Wettveranstalterin mitentschieden, da sie von der Rechtskraft eines gegenüber der Klägerin als Vermittlerin ergehenden Urteils nicht erfasst wird (vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2012 a.a.O. Rn. 18). Da die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten personenbezogen (vgl. Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 AGGlüStV) und Inhaltsadressatin des Erlaubnisbescheids daher die Klägerin ist, entfaltet die Erlaubniserteilung an die Klägerin bzw. ein entsprechendes Urteil für die Wettveranstalterin keine rechtsgestaltende Wirkung (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2022 – 23 C 22.1156 – juris Rn. 5).
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Daran ändert nichts, dass der Wettveranstalter den Antrag auf Erteilung der Vermittlungserlaubnis für den Vermittler stellt, wenn dieser – wie hier – in dessen Vertriebsorganisation eingegliedert ist (§ 21a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV). Dies ist lediglich Folge der Eingliederung in die Vertriebsorganisation des Veranstalters und dient der besseren Ausübung der Aufsicht über die Vermittler (vgl. LT-Drs. 18/11128 S. 160) sowie – wie entsprechende Vorgängervorschriften (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2008) – der Verfahrensvereinfachung (vgl. LT-Drs. 15/8486 S. 20). Auch die Tatsache, dass die Erteilung einer nach § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV erforderlichen Erlaubnis für das Vermitteln von Sportwetten eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten durch die zuständige Behörde im ländereinheitlichen Verfahren nach § 9a Abs. 1 Nr. 3 GlüStV voraussetzt (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 AGGlüStV) und dass die Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sowohl für das Vermitteln von Sportwetten als auch für das Veranstalten von Sportwetten nur unter den in Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV genannten Voraussetzungen erteilt werden darf, sodass sowohl der Veranstalter als auch der Vermittler insbesondere zuverlässig i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AGGlüStV sein muss, führt nicht dazu, dass Wettveranstalter und Wettvermittler in einem untrennbaren rechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen würden, sodass eine Entscheidung über die Befristung der Vermittlererlaubnis nur einheitlich ergehen könnte. Es trifft zwar zu, dass dem Vermittler eine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten nur erteilt werden kann, wenn der Wettanbieter über eine entsprechende Veranstaltererlaubnis verfügt; umgekehrt hängt die Erteilung der Veranstaltererlaubnis aber nicht vom Bestehen der Vermittlererlaubnis ab. Da die Wettveranstalterin aufgrund der Befristung der Vermittlungserlaubnis für die Klägerin bzw. ein entsprechendes Urteil deshalb nicht unmittelbar rechtlich, sondern allenfalls mittelbar faktisch betroffen ist, weil sie ab 1. Januar 2023 in der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle keine von ihr veranstalteten Sportwetten mehr anbieten kann, ist sie nicht notwendig beizuladen.
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Im Übrigen kommt eine notwendige Beiladung auch immer nur dort in Betracht, wo der klägerische Antrag (und eine dementsprechende Gerichtsentscheidung) den Dritten in negativer Weise betrifft, d.h. dessen rechtlich geschützten Interessen abträglich wäre, nicht jedoch in Fällen wie dem vorliegenden, wo eine Parallelität der Interessen des Klägers und des Dritten besteht (vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2012 – 10 B 10.2959 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 26.7.2016 – 10 S 16.1423 – juris Rn. 16 ff.; NdsOVG, B.v. 8.5.2017 – 11 LA 24/16 – juris Rn. 7 f.; OVG NW, B.v. 14.4.2016 – 4 B 860/15 – juris Rn. 8 ff.).
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2.2 Auch eine einfache Beiladung der Wettveranstalterin nach § 65 Abs. 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt. Zwar werden durch die Entscheidung über die Klage der Klägerin betreffend die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten auch rechtliche Interessen der Wettveranstalterin berührt. Jedoch steht es im Einklang mit dem Sinn und Zweck dieser Regelung, im Rahmen der Ausübung des durch § 65 Abs. 1 VwGO eingeräumten Ermessens von einer Beiladung der Wettveranstalterin abzusehen. Dabei ist der Verwaltungsgerichtshof als Beschwerdegericht nicht auf die Nachprüfung der Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichts beschränkt. Vielmehr hat er nach eigenem Ermessen über die Beiladung zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2022 – 23 C 22.1156 – juris Rn. 7).
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Der Senat sieht demgemäß von einer Beiladung der Wettveranstalterin ab, weil diese nicht prozessökonomisch und zur Wahrnehmung ihrer Interessen nicht erforderlich ist. Eine Beiladung ist nicht zweckmäßig, weil die Klägerin und die Wettveranstalterin dieselben Interessen verfolgen. Aufgrund der vertraglichen Bindungen zwischen der Wettveranstalterin und der Klägerin sowie der Einbindung der Wettvermittlungsstelle in die Vertriebsorganisation der Wettveranstalterin (§ 3 Abs. 6 GlüStV, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV) ist deshalb davon auszugehen, dass die Wettveranstalterin ihre Interessen über die Klägerin in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einführen kann und dass der Vortrag der Klägerin die für das Klageverfahren maßgeblichen Gesichtspunkte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig – auch hinsichtlich der Vereinbarkeit der Abstandsreglung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV mit Unions- und Verfassungsrecht – anführen wird, zumal im Vordergrund des Rechtsstreits die Frage steht, ob die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten gegen das Mindestabstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV verstößt. Dabei erscheint auch im Sinne einer Aufklärung des Sachverhalts die Beiladung der Wettveranstalterin nicht erforderlich, weil es für die Frage des Vorliegens der Erlaubnisvoraussetzungen neben der Person des Wettvermittlers maßgeblich auf die konkrete Lage der Wettvermittlungsstelle zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und -behandlungsstellen ankommt. Insoweit liegt es hier auch anders als in der Entscheidung des OVG NW (B.v. 14.4.2016 – 4 B 860/15 – juris Rn. 16 ff.), wo dem dortigen Vermittler die Unzulässigkeit des Angebots der Wettveranstalterin entgegengehalten wurde.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 VwGO unanfechtbar.