Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.04.2023 – 19 ZB 22.2326
Titel:

Kein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht des pakistanischen Ehegatten einer Unionsbürgerin nach Ehescheidung

Normenketten:
FreizügG/EU § 3, § 5 Abs. 4, § 11 Abs. 14
AufenthG § 31
Leitsätze:
1. Eine besonderen Härte iSv § 31 Abs. 2 S. 2 Var. 3 AufenthG liegt dann vor, wenn dem ausländischen Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an  der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist, was insbesondere dann angenommen werden kann, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt geworden ist. Zwischen den Fällen ehelicher Gewalt und der späteren Trennung vom gewalttätigen Ehepartner muss ein kausaler Zusammenhang bestehen (VGH München BeckRS 2018, 14527). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. § 11 Abs. 14 S. 1 FreizügG/EU setzt für die Anwendung des AufenthG nur eine wirksame, nicht hingegen eine unanfechtbare oder rechtmäßige Verlustfeststellung voraus (OVG Bautzen BeckRS 2021, 32352). Ob in diesem Zusammenhang § 31 AufenthG gegenüber der Regelung in § 3 Abs. 4 FreizügG/EU Sonderregelungen zum Fortbestehen des ehegattenunabhängigen Aufenthaltsrechts enthält, kann offenbleiben. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Soweit § 3 Abs. 4 Nr. 1 FreizügG/EU das Ende der Ehebestandsdauer an die Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Eheaufhebungsverfahrens knüpft, kann diesbezüglich sowohl auf den Zeitpunkt des Anhängigwerdens des Scheidungsantrags beim Familiengericht nach § 124 S. 1 FamFG (OVG Münster BeckRS 2019, 20934) wie auch auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags an den Antragsgegner abgestellt werden. (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Hat ein Unionsbürger vor Einleitung des Ehescheidungsverfahrens den Aufnahmemitgliedstaat verlassen, kann der dort verbleibende (Noch)Ehegatte von ihm kein Aufenthaltsrecht mehr ableiten (BVerwG BeckRS 2019, 9296). Denn aufgrund des Tatbestandsmerkmals des "Begleitens" erlischt das abgeleitete Freizügigkeitsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten, wenn der Unionsbürger nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft das Bundesgebiet verlässt. (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Es spricht viel dafür, dass auch die Anwendung der Härtefallklausel des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU einen kausalen Zusammenhang zwischen den Fällen ehelicher Gewalt und der späteren Trennung von dem gewalttätigen Ehepartner verlangt. (Rn. 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Darlegungsgebot, Kumulative Mehrfachbegründung, Verlustfeststellung, Ehescheidung, Besondere Härte, Günstigkeitsprinzip, Eheunabhängiges Aufenthaltsrecht, pakistanischer Staatsangehöriger, drittstaatsangehöriger Familienangehöriger, Freizügigkeitsrecht, eheunabhängiges Aufenthaltsrecht, Härtefall
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 14.09.2022 – AN 5 K 20.2071
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8743

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsantragsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den abweisenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. September 2022 (Az.: AN 5 K 20.02071) hat keinen Erfolg.
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1. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich der Kläger (ein pakistanischer Staatsangehöriger, der am 26. Januar 2015 aus Italien kommend – wo er am 10. Oktober 2014 mit einem italienischen Visum zum Zweck der Erwerbstätigkeit eingereist war – in das Bundesgebiet einreiste, am ... Mai 2015 in Dänemark mit einer rumänischen Staatsangehörigen die Ehe schloss, dem die Beklagte am 27. August 2015 eine Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU als Familienangehöriger einer Unionsbürgerin mit Gültigkeit bis zum 26. August 2020 [als elektronischen Aufenthaltstitel, S. 119 der Behördenakte] ausstellte, dessen Ehe aufgrund des dem Kläger am 28. Februar 2018 zugestellten Scheidungsgesuchs der Ehefrau [vgl. Aktenvermerk vom 27.5.2020, S. 252 der Behördenakte] am 5. November 2018 rechtskräftig geschieden wurde – die Eheleute leben unstreitig seit dem 20. Oktober 2016 räumlich getrennt [vgl. Aktenvermerk vom 27.5.2020, S. 252 der Behördenakte] –, der seit 18. April 2017 als Reinigungskraft in Vollzeit im Universitätsklinikum E. beschäftigt ist, über Deutschkenntnisse auf B1-Niveau sowie über einen pakistanischen Bachelorgrad verfügt, der mit Schreiben vom 19. Mai 2020 – bei der Beklagten eingegangen am 22. Mai 2020 – einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stellte – den die Beklagte als Antrag auf Feststellung des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechtes auslegte und der aufgrund einer Erklärung des Bevollmächtigten des Klägers vom 24. Juli 2020 [S. 283 der Behördenakte] als zurückgenommen behandelt wurde – und der eine begonnene Ausbildung im Pflegebereich nach eigenen Angaben im August 2022 nach etwa einem Jahr Ausbildungsdauer abbrach) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. September 2022, soweit dieses seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2020 abgewiesen hat.
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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. September 2020 hat die Beklagte (nach Anhörung des Klägers) den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland festgestellt (Ziffer 1 des Bescheides), die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer 1 angeordnet (Ziffer 2 des Bescheides), den Kläger aufgefordert, das Bundesgebiet spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen (Ziffer 3 des Bescheides), für den Fall der nicht oder nicht fristgerecht erfolgenden Ausreise die Abschiebung des Klägers nach Pakistan angedroht (Ziffer 4 des Bescheides) und für den Fall der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet angeordnet, welches auf zwei Jahre ab der Ausreise befristet wurde (Ziffer 5 des Bescheides). Die Verlustfeststellung stütze sich auf § 5 Abs. 4 FreizügG/EU. Ein Daueraufenthaltsrecht sei nicht entstanden, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts mit Einreichung des Scheidungsantrags vom 28. Februar 2018 entfallen seien. Zum einen sei die erforderliche Familienangehörigeneigenschaft nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU entfallen, weshalb der Kläger die Voraussetzungen für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 Satz 2 bzw. § 4a Abs. 5 FreizügG/EU nicht erfülle (was von ihm auch nicht in Abrede gestellt werde). Zum anderen habe der Kläger kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 5 FreizügG/EU erwerben können, da die damalige Ehefrau des Klägers vor dem Ablauf der erforderlichen dreijährigen Ehebestandszeit mit der Zustellung des Scheidungsantrags am 28. Februar 2018 das gerichtliche Scheidungsverfahren eingeleitet habe. Auch ein Härtefall gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 3 FreizügG/EU liege nicht vor. Insbesondere bemesse sich die Zumutbarkeit des Festhaltens an der Ehe in erster Linie danach, ob der betreffende Ehepartner selbst das Festhalten an der Ehe als unzumutbar empfinde oder nicht (m.V.a. BayVGH, B.v. 14.6.2005 – 24 ZB 05.242). Der Kläger habe sich jedoch nicht scheiden lassen, sondern die Ehe weiterführen wollen. Bereits deshalb sei nicht von einer besonderen Härte auszugehen. Dass die Ehefrau den Fortbestand der Ehe an eine hohe Geldleistung geknüpft habe – was indes nicht belegt sei –, spreche jedoch vorliegend eher für den ursprünglich im Jahr 2015 bestehenden Anfangsverdacht einer Zweckehe, der zum damaligen Zeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit habe erhärtet werden können. Eine Freizügigkeitsberechtigung könne seit der Ehescheidung auch nicht mehr auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden. Die im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erforderliche Abwägung führe zu einem Vorrang des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, den Aufenthalt von Personen, die erkennbar nur sehr eingeschränkt die Voraussetzungen für das Entstehen oder den Fortbestand des Freizügigkeitsrechtes erfüllt hätten – wie vorliegend der Kläger –, zügig zu beenden. Auch im Hinblick auf den Schutz des Rechts auf Privatleben nach Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG liege kein unverhältnismäßiger Eingriff vor. Fraglich sei bereits, ob der Schutzbereich mangels familiärer Bindungen oder einer entsprechenden Verwurzelung im Bundesgebiet bei gleichzeitiger Entwurzelung aus dem Herkunftsstaat überhaupt eröffnet sei. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger sich inzwischen über fünf Jahre im Bundesgebiet aufhalte, seinen Lebensunterhalt aufgrund der Beschäftigung als Reinigungskraft selbständig sichern könne und über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1 verfüge. Jedoch habe der Kläger den größten Teil seines bisherigen Lebens in seinem Herkunftsland verbracht, sei dort zur Schule und auf die Universität gegangen und im Alter von 25 Jahren nach Deutschland eingereist. Er sei daher mit den Lebensverhältnissen in seinem Heimatland bestens vertraut und spreche auch die dortige Sprache. Der Kläger könne darüber hinaus keine anderweitigen besonderen Bleibeinteressen für sich geltend machen. Die aufenthaltsbegründende Ehe sei lediglich von kurzer Dauer gewesen. Sonstige aufenthaltsbegründende familiäre Bindungen oder soziale Kontakte von erheblichem Gewicht seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Selbst bei einem – unterstellten – Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK wäre die Entscheidung verhältnismäßig und zur Verfolgung legitimer staatlicher Ziele erforderlich. In die Abwägung werde insofern auch eingestellt, dass der Kläger am 26. Januar 2015 ohne erforderliches Visum und mithin unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist sei. Als pakistanischer Staatsangehöriger unterliege er nach dem Erlass der Verlustfeststellung dem Aufenthaltsgesetz. Die inzidente Prüfung einer irgendwie gearteten Aufenthaltserlaubnis sei in Ermangelung der maßgeblichen Voraussetzungen jedoch ebenfalls erfolglos verlaufen. Es seien weder erkennbar die spezialgesetzlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 AufenthG oder der §§ 18 ff. und 19c AufenthG noch die allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 5 AufenthG, hier insbesondere die Visumpflicht, erfüllt. Das private Interesse des Klägers, ohne ein irgendwie geartetes Bleiberecht weiter im Inland verbleiben zu können, stehe daher gegenüber dem öffentlichen Interesse zurück. Es sei weder vorgetragen, noch ersichtlich, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf einer anderen Rechtsgrundlage, beispielsweise aus humanitären Gründen, in Betracht komme.
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2. Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil das Einreise- und Aufenthaltsverbot unter der Ziffer 5 des Bescheides vom 3. September 2020 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen verwies es auf die Begründung des angefochtenen Bescheides sowie auf die Gründe seines Beschlusses vom 6. September 2022, durch welchen es den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Klageverfahren sowie für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO – AN 5 S 20.02070 – abgelehnt hatte.
5
In diesem Beschluss hatte das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage der Verlustfeststellung unter Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides sei § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verlustfeststellung sei der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bzw. der Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Dabei sei die Verlustfeststellung im vorliegenden Fall nicht bereits wegen der Entstehung eines Daueraufenthaltsrechtes nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU ausgeschlossen, weil das Recht des Klägers aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet entfallen sei. Für den Kläger sei nur eine abgeleitete Freizügigkeitsberechtigung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. §§ 3 und 4 FreizügG/EU in Betracht gekommen, da der Kläger als pakistanischer Staatsangehöriger kein Unionsbürger (i.S.d. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 AEUV) sei. Zwar sei der Kläger mit einer Unionsbürgerin aus Rumänien verheiratet gewesen. Die damit begründete Familienangehörigeneigenschaft (i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 3 a) FreizügG/EU) sei jedoch mit dem rechtskräftigen Scheidungsbeschluss des AG E. vom 5. November 2018 entfallen. Daran ändere auch die u.a. auf die Scheidung einer Ehe bezogene Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 4 FreizügG/EU nichts. Insoweit hätte die Ehe nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 FreizügG/EU bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre Bestand haben müssen. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen, da die Ehe am ... Mai 2015 geschlossen worden und der Scheidungsantrag dem Kläger am 28. Februar 2018 zugestellt worden sei. Im Übrigen habe die Beklagte mit Verweis auf die zur Zeit des Bescheiderlasses gültige Norm des § 3 Abs. 5 Nr. 3 FreizügG/EU zutreffend eine besondere Härte abgelehnt. Der Tatbestand über das Behalten eines Aufenthaltsrechtes zur Vermeidung einer besonderen Härte sei nunmehr – wort- und inhaltsgleich – in § 3 Abs. 4 FreizügG/EU geregelt. Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt und sei zum Überwiegen des öffentlichen Interesses gegenüber den persönlichen Interessen des Klägers an der Aufrechterhaltung des Aufenthalts gelangt. Sie habe die Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet, aber auch den langen Aufenthalt in seinem Herkunftsland mit der damit einhergehenden Sozialisation und Bildung eingestellt. Sie habe auch berücksichtigt, dass es sich bei der Ehe nach dem nunmehrigen Vortrag des Klägers wohl um eine Zweckehe gehandelt habe. Sie habe gesehen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt sichere und Deutschkenntnisse auf B1-Niveau erworben habe. Ferner habe sie eingestellt, dass für den Kläger keine besonderen Bleibeinteressen – etwa familiäre Bindungen – ersichtlich seien. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte weitere Aspekte hätte in den Blick nehmen müssen oder dass ihre Würdigung einzelne Belange nicht oder fehlerhaft gewichtet habe. Da die Verlustfeststellung rechtsfehlerfrei sei, seien auch die in Ziffer 3 und 4 des gegenständlichen Bescheids gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2, 3 FreizügG/EU i.V.m. §§ 58, 59 AufenthG verfügten Annexentscheidungen rechtmäßig. Die Klage erweise sich in ihrem Hilfsantrag zu II. als voraussichtlich unzulässig. Eine Klage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels setze die Stellung eines Antrags bei der zuständigen Behörde voraus. Eine Klage auf Erlass eines Verwaltungsaktes sei unzulässig, wenn nicht zuvor bei der Behörde ein Antrag auf dessen Erlass gestellt worden sei. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, der Behörde vorgreifend ein vollständiges Verwaltungsverfahren durchzuführen. Insofern könne dahinstehen, dass der nicht weiter begründete Antrag das klägerische Begehren unbestimmt erscheinen lasse. Das gleiche gelte dafür, dass sich mangels Antragsbegründung und angesichts des voraussichtlichen Erfolgs der Klage gegen Ziffer 5 des Bescheides nur erahnen lasse, unter welcher Bedingung der (Hilfs-)Antrag als gestellt gelten solle.
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Ergänzend führte das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14. September 2022 aus, selbst wenn man die Klage in ihrem Hilfsantrag als zulässig betrachten wollte, sei sie jedenfalls unbegründet. Ein Antrag des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 81 Abs. 1 AufenthG sei schwer erkennbar. Der Kläger habe am 19. Mai 2020 ausschließlich und explizit einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gestellt, den die Beklagte als Antrag auf Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU ausgelegt habe. Nichts Anderes folge daraus, dass eine Mitarbeiterin der Beklagten in einer E-Mail-Nachricht vom 13. Mai 2020 von der „Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis“ geschrieben habe. Diese Nachricht datiere auf einen Zeitpunkt vor der Antragstellung des Klägers. Denknotwendig könne die Beklagte an diesem Tag somit noch keine Kenntnis davon gehabt haben, was der Kläger beantragen werde. Die Beklagte könne zu diesem Zeitpunkt folglich nicht angenommen haben, dass der Kläger jedenfalls auch eine Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG beantragen wolle. Zudem habe der Bevollmächtigte am 24. Juli wörtlich ausgeführt: „Im Hinblick auf einen etwaigen Antrag unseres Mandanten erklären wir Antragsrücknahme.“ Im selben Schriftsatz habe er ferner erklärt: „Im Hinblick auf das AufenthG nehmen wir Bezug auf die Regelungen von § 31 AufenthG (…). Die Ehefrau und deren Familie knüpfte den Fortbestand der Ehe an eine hohe Geldzahlung (…). Es ist damit zumindest die Regelung des § 31 Abs. 2 AufenthG zu beachten. Zumindest im Rahmen der Anwendung von § 31 Abs. 3 AufenthG besteht nach analoger Anwendung ein Rechtsanspruch unseres Mandanten. Darüber hinaus ist die besondere Tätigkeit unseres Mandanten im Rahmen seiner über seit drei Jahren praktizierten Tätigkeit bei der Klinik Service GmbH E. zu beachten. (…) Selbst wenn nicht von einer Qualifikation als Fachkraft ausgegangen werden sollte, so sind die besondere Erfahrung und die Kenntnisse im Rahmen von § 19c AufenthG zu beachten (…).“ Im Ergebnis sei objektiv kaum ersichtlich, welchen Antrag der – anwaltlich vertretene – Kläger gestellt und welchen er zurückgenommen zu haben meine. Möge man trotzdem die Zulässigkeit der Klage annehmen – immerhin habe die Beklagte in ihrem Bescheid zwar nicht explizit einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verbeschieden, im Rahmen der Prüfung der Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU aber inzident Vorschriften nach dem AufenthG angeprüft – sei sie auch im Hinblick auf den Hilfsantrag unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das AufenthG sei auf den Kläger nicht anwendbar. § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU sei schon deshalb nicht erfüllt, weil § 31 AufenthG an eine bestehende Ehe sowie an eine (ununterbrochene) eheliche Lebensgemeinschaft für die Dauer von drei Jahren im Bundesgebiet anknüpfe. Demgegenüber setze § 3 Abs. 4 FreizügG/EU nur eine bestehende Ehe voraus. Folglich vermittle das AufenthG keine günstigere Rechtsstellung als das FreizügG/EU (m.V.a. Sächs.OVG, B.v. 11.10.2021 – 3 B 275/21 – juris Rn. 17 sowie VG Berlin, U.v. 28.6.2022 – 21 K 90/22 – juris Rn. 30). Dahingestellt könne demnach bleiben, ob § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU im Fall einer Verlustfeststellung überhaupt in Betracht komme – immerhin lasse sich § 11 Abs. 14 Satz 2 FreizügG/EU so lesen, dass eine Anwendung des AufenthG im Fall einer Verlustfeststellung allein nach Satz 2 dieser Vorschrift möglich sein solle. Doch auch über diese Vorschrift sei eine Anwendung des AufenthG nicht möglich: Die Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts führe nur dann zur Anwendbarkeit des AufenthG, soweit das FreizügG/EU keine besonderen Regelungen treffe (m.V.a. Hailbronner, Ausländerrecht, § 11 Rn. 106). Nach der Auffassung der Kammer enthalte das FreizügG/EU in seinem § 3 aber eine gegenüber § 31 AufenthG spezielle Regelung eines vom Stammberechtigten abgeleiteten „Bleiberechts“. Wie ausgeführt habe § 31 AufenthG strengere Voraussetzungen als § 3 FreizügG/EU, da er nicht nur an den Bestand des formellen Bandes der Ehe anknüpfe; er beziehe sich vielmehr auf den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet. Treffe das FreizügG/EU aber eine solche von unionsrechtlichen Erwägungen geleitete spezielle Regelung, statuiere es eine „besondere Regelung“ i.S. des § 11 Abs. 14 Satz 2 FreizügG/EU, die den Rückgriff auf das AufenthG sperre.
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3. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besonderen rechtlichen Schwierigkeit nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind schon nicht ausreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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3.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen nur dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen jedoch nach dem Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Maßgeblich für die Beurteilung dieses Zulassungsgrundes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), so dass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7).
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Der Kläger lässt zur Begründung der geltend gemachten ernstlichen Zweifel ausführen, es bestünden unterschiedliche Rechtsmeinungen hinsichtlich des Verhältnisses des § 3 FreizügG/EU zu § 31 AufenthG. Dazu werde auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (U.v. 28.6.2022 – 21 K 90/22 – juris Rn. 38) verwiesen. Mit der dort vertretenen Meinung habe sich das Erstgericht nicht auseinandergesetzt. Das Verwaltungsgericht verkenne außerdem, dass die Regelungen des § 31 AufenthG sehr wohl eine günstigere Regelung als die Regelungen des FreizügG/EU träfen. Die Aussage am Anfang von Seite 9 des angefochtenen Urteils, dass § 31 AufenthG strengere Voraussetzungen als § 3 FreizügG/EU habe, da er nicht nur an den Bestand des formellen Bandes der Ehe, sondern vielmehr an den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet anknüpfe, verkenne jeweils eine Auseinandersetzung mit der vollständigen Norm. § 31 AufenthG nenne in Abs. 2 Satz 1 gerade ein Absehen [von] der dreijährigen Zeitspanne und bilde demnach eine Privilegierung. Gerade diese Privilegierung müsse aber bei einem Vergleich der Normen ebenso beachtet werden, sodass die rechtliche Argumentation des Gerichts in diesem Falle fehlgehe. Die (von dem Kläger aufgeworfenen) Vorschriften des § 31 Abs. 2 und 3 AufenthG hätten demnach in dem angefochtenen Urteil beachtet werden müssen.
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Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel.
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Das Verwaltungsgericht ist mit der Beklagten zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger kein eigenständiges Aufenthaltsrecht auf der Grundlage des § 31 AufenthG beanspruchen kann, weshalb es den auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 8 Abs. 1 AufenthG) gerichteten Hilfsantrag (jedenfalls) im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
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Der Kläger ist insoweit bereits dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht ausreichend nachgekommen. Obwohl das Verwaltungsgericht die Klage selbständig tragend – wegen des Fehlens eines wirksamen Antrags des Klägers auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der Klageerhebung, welcher eine nicht nachholbare Sachentscheidungsvoraussetzung bzw. Zugangsvoraussetzung der Verpflichtungsklage darstellt (vgl. dazu Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 42 Rn. 96; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 37; jeweils m.w.N.) – als unzulässig abgewiesen hat, greift der Kläger diesen Teil der Entscheidungsgründe mit seinem Zulassungsvorbringen nicht an. Ist ein Urteil entscheidungstragend auf mehrere selbständige Begründungen gestützt (kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung aber nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt, da anderenfalls das Urteil mit der nicht in zulassungsbegründender Weise angefochtenen Begründung Bestand haben könnte (BayVGH, B.v. 21.9.2022 – 15 ZB 22.1621 – juris Rn. 18 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 61).
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Im Übrigen bestünde auch kein materiell-rechtlicher Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage eines eigenständigen Aufenthaltsrechtes nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 AufenthG oder einer anderen Rechtsgrundlage. Der Kläger trägt hierzu (sinngemäß) vor, ihm stehe nach der (u.a.) vom Verwaltungsgericht Berlin (U.v. 28.6.2022 – 21 K 90/22 – juris Rn. 38) vertretenen Auffassung – mit der sich das Erstgericht nicht auseinandergesetzt habe – ein solcher Anspruch aus § 31 AufenthG zu, weil die Vorschrift auf die Situation des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers nach Scheidung der Ehe entsprechend anzuwenden sei. Ob diese Rechtsauffassung des Klägers zutrifft, muss jedoch vorliegend nicht entschieden werden, weil der Kläger schon nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 oder 3 AufenthG erfüllt, was er im Übrigen auch nicht dargelegt hat.
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Zunächst fehlt es an der Voraussetzung des dreijährigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil der Kläger – wie aus dem Verwaltungsvorgang der Beklagten hervorgeht und von den Beteiligten nicht bestritten wird – bereits am 20. Oktober 2016 aufgrund des Trennungswunsches der (damaligen) Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung in der I.-Straße in E. ausgezogen ist (vgl. die Feststellungen im Scheidungsendbeschluss des Amtsgerichts E. vom 5.11.2018, Bl. 211 ff. der Behördenakte; Meldeauskunft vom 3.7.2018, Bl. 130 der Behördenakte). Keiner Vertiefung bedarf deshalb die Frage, ob bis zu dem genannten Zeitpunkt eine eheliche Lebensgemeinschaft überhaupt bestanden hat (vgl. zu den Anforderungen an das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft trotz Beendigung der Hausgemeinschaft der Ehegatten: BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 10 CS 16.638 – juris). Dies unterliegt insofern Zweifeln, als die Ehefrau des Klägers laut dem Melderegister zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der (damaligen) Wohnung des Klägers in der I.-Straße in E. gemeldet war (vgl. Meldeauskunft vom 27.5.2020, Bl. 249 der Behördenakte, wonach die Ehefrau nur bis zum 1.10.2015 in der I.-Straße in E., sodann vom 1.10. bis 1.12.2015 unter einer anderen Adresse in E. gemeldet war und am 1.12.2015 erneut innerhalb des Stadtgebiets von E. umgezogen ist).
16
Außerdem kann sich der Kläger nicht auf eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG berufen, um über die fehlende Voraussetzung des mindestens dreijährigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft hinwegzukommen. Soweit eine besondere Härte in § 31 Abs. 2 Satz 2 Var. 3 AufenthG dahingehend definiert wird, dass dem (ausländischen) Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist, was insbesondere anzunehmen ist, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist, kann der Kläger dies nicht für sich in Anspruch nehmen. Insoweit gelten die Ausführungen zu § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU entsprechend (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 25.6.2018 – 10 ZB 17.2436 – juris Rn. 12; Nds.OVG, B.v. 4.12.2018 – 13 ME 458/18 – juris Rn. 8; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 31 Rn. 65 m.V.a. BT-Drs. 14/2368, S. 4). Die Eingriffe des stammberechtigten Ehepartners müssen auf Seiten des Opfers zu einer Situation geführt haben, die maßgeblich durch Angst vor physischer oder psychischer Gewalt geprägt ist; insoweit kommt es nicht auf die subjektiv empfundene Unzumutbarkeit an, sondern die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange muss objektiv eine gewisse Intensität erreicht haben. Bringt der betroffene Ehepartner allerdings – wie hier – zum Ausdruck, dass er trotz allem an der ehelichen Lebensgemeinschaft festhalten will, ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass ihm das Festhalten an der Lebensgemeinschaft eben nicht unzumutbar ist. Daher ist eine Kausalität zwischen den Fällen ehelicher Gewalt und der späteren Trennung von dem gewalttätigen Ehepartner zu verlangen (BayVGH, B.v. 25.6.2018 – 10 ZB 17.2436 – juris Rn. 12 m.w.N.). Des Weiteren ist es Grundvoraussetzung für die Annahme der dritten Fallgruppe des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, dass der zugezogene Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft aus eigener Initiative beendet hat (BayVGH, B.v. 30.6.2021 – 19 ZB 20.1221 – juris Rn. 17; B.v. 25.6.2018 – 10 ZB 17.2436 – juris Rn. 12). Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt, dass ihm eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange durch die aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsende Rückkehrverpflichtung im Sinne der zweiten Variante des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG droht, weil er durch die Rückkehr in sein Herkunftsland ungleich härter getroffen würde als andere Ausländer, die die Bundesrepublik nach einem kurzen Aufenthalt verlassen müssen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11.08 – juris; BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 10 CS 16.638 – juris).
17
Liegen somit schon die Verlängerungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AufenthG nicht vor, so kommt auch eine Erteilung einer Niederlassungserlaubnis anstelle der Aufenthaltserlaubnis an den Kläger gemäß § 31 Abs. 3 AufenthG nicht in Betracht (vgl. dazu Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. Stand 1.10.2021, AufenthG § 31 Rn. 25), abgesehen davon, dass deren besondere Erteilungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 3 AufenthG ersichtlich nicht erfüllt sind.
18
Offenbleiben kann damit auch, ob eine Anwendbarkeit des § 31 AufenthG auf die Situation eines drittstaatsangehörigen ehemaligen Ehegatten eines Unionsbürgers nach der Scheidung oder Auflösung der Ehe im Falle einer Verlustfeststellung aus der Spezialitätsregel des § 11 Abs. 14 Satz 2 FreizügG/EU folgen kann. Zwar setzt die Regelung nur eine wirksame, nicht aber eine unanfechtbare oder rechtmäßige Verlustfeststellung voraus (vgl. Sächs.OVG, B.v. 11.10.2021 – 3 B 275/21 – juris Rn. 18; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2023, FreizügG/EU § 11 Rn. 112). Durch die wirksame Verlustfeststellung tritt ein Wechsel des Rechtsregimes ein. Der bisher dem Freizügigkeitsgesetz/EU als abschließender Regelung unterworfene Ausländer wird künftig dem allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regime zugewiesen, sofern das Freizügigkeitsgesetz keine besonderen Regelungen trifft, welche seine Rechtsstellung nach der Verlustfeststellung bzw. der Feststellung des Nichtbestehens des Einreise- und Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 1 ausgestalten. Ob auf dieser Grundlage § 31 AufenthG anwendbar ist, obwohl § 3 Abs. 4 FreizügG/EU Sonderregelungen zum Fortbestehen eines ehegattenunabhängigen Aufenthaltsrechtes enthält (in diesem Sinne wohl Sächs.OVG, B.v. 11.10.2021 – 3 B 275/21 – juris Rn. 18; VG Berlin, U.v. 28.6.2022 – 21 K 90/22 – juris Rn. 30), muss vorliegend jedoch nicht entschieden werden.
19
Die weiteren Maßnahmen im angegriffenen Bescheid, soweit sie Gegenstand der Klage sein können (d.h. mit Ausnahme der Anordnung des Sofortvollzugs unter der Ziffer 2, siehe dazu den Beschluss des Senats vom heutigen Tag im Verfahren 19 CS 22.2219) und nicht durch das Verwaltungsgericht aufgehoben worden sind (letzteres betrifft das unter der Ziffer 5 angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot), greift der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht an, sodass auch insoweit eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht kommt.
20
3.2 Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
21
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.).
22
Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Ob besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen, ist unter Würdigung der aufklärenden Tätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beurteilen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 33). Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt – insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts – die Durchführung des Berufungsverfahrens (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 16, 25, 27). Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 25). Schwierigkeiten solcher Art liegen vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund des Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint und sich die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen nicht schon ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden lassen.
23
Für die Darlegung der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten genügt dabei nicht die allgemeine Behauptung eines überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads. Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Kläger mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sollen (BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 21 m.w.N.).
24
Der Kläger führt aus, die Rechtssache weise besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, da das Urteil im Rahmen des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU auf einen auslegungsfähigen Rechtsbegriff stoße. Das Gericht hätte ausführlicher die konkrete Lebenssituation, insbesondere den Verlauf der Ehe betrachten müssen. Angesichts der Tatsache, dass die deutsche gesetzliche Regelung auf eine Richtlinie der EU zurückgehe, wäre die Auslegung der europäischen Vorschriften zwingend durch den Europäischen Gerichtshof vorzunehmen und demnach vorzulegen gewesen, da es sich bei den Ausnahmetatbeständen keinesfalls um eine(n) „acte claire“ handele. Ergänzend trägt der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Januar 2023 vor, dass die angesprochene nationale Regelung aus § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU auf die Regelungen der EG-Freizügigkeitsrichtlinie zurückgehe. Diese enthalte in Art. 13 die Ausnahmeregelungen im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehe. Da Absatz 2 Satz 1 c) auf den Kläger zutreffen könnte, sei die Prüfung, ob dies tatsächlich der Fall sei, den europäischen Gerichten, mithin dem EuGH vorbehalten.
25
Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeit.
26
Die aufgeworfene Frage der Auslegung des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU weist keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Vielmehr lässt sie sich anhand der anerkannten Auslegungsmethoden eindeutig beantworten. (Ernstliche) Zweifel an der Richtigkeit des im Urteil des Verwaltungsgerichts gefundenen Auslegungsergebnisses bestehen nicht. Damit ist das Ergebnis des Rechtsstreits nicht in einer Weise offen, welche die besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache charakterisieren würde und – insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts – die Durchführung des Berufungsverfahrens rechtfertigte.
27
Dem Kläger stand kein eigenständiges Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a Abs. 5 FreizügG/EU zu, weil er im maßgeblichen Zeitpunkt nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 bis 4 FreizügG/EU erfüllte. Nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU behält der Ehegatte eines Unionsbürgers bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe ein Aufenthaltsrecht, wenn er die für Unionsbürger geltenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 FreizügG/EU erfüllt und zusätzlich einer der alternativen Tatbestände der Nummern 1 bis 4 vorliegt. Gemessen daran hat der Kläger sein Aufenthaltsrecht nach der Ehescheidung nicht behalten. Zwar hielt (und hält) er sich seit Beginn seines – seit 17. April 2019 unbefristeten – Arbeitsverhältnisses im Klinikum E. am 18. April 2017 (vgl. Arbeitsvertrag, Bl. 262, sowie „Leumundszeugnis“ des Arbeitgebers vom 16.7.2020, Bl. 285 der Behördenakte) durchgehend als Arbeitnehmer bzw. Auszubildender gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU – was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – im Bundesgebiet auf. Der Kläger erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 FreizügG/EU in den hier in Betracht kommenden Varianten der Nrn. 1 und 3:
28
Der Kläger kann sein Begehren nicht auf § 3 Abs. 4 Nr. 1 FreizügG/EU stützen, welcher voraussetzt, dass die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet. Ob für die Einleitung des Scheidungsverfahrens insoweit der Zeitpunkt des Anhängigwerdens des gerichtlichen Scheidungsverfahrens durch Eingang des Scheidungsantrags beim Familiengericht gemäß § 124 Satz 1 FamFG (in diesem Sinne wohl OVG NW, B.v. 5.9.2019 – 18 A 322/18 – juris Rn. 4 ff., 12 f.) oder die Zustellung desselben an den Antragsgegner maßgeblich ist – worauf die Beklagte und ihr folgend das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 6. September 2022 abstellen –, kann vorliegend offenbleiben, denn auch im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags der Ehefrau an den Kläger am 28. Februar 2018 (vgl. Aktenvermerk vom 27.5.2020, S. 254 der Behördenakte) hatte die am ... Mai 2015 geschlossene Ehe noch nicht drei Jahre bestanden. Nicht weiter nachzugehen ist deshalb der Frage, ob beide Ehepartner sich während der Dauer der Ehe im Aufnahmestaat Deutschland aufgehalten haben (laut Aktenvermerk vom 16.6.2015 befand sich die Ehefrau nach Angaben des Klägers wegen familiärer Probleme vorübergehend in Rumänien, vgl. Bl. 18 der Behördenakte; am 22. 6. 2015 erklärten beide Ehepartner jedoch, in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben, Bl. 12/13 der Behördenakte). Nur ergänzend sei deshalb angemerkt, dass der verbleibende (Noch-)Ehegatte kein Aufenthaltsrecht von dem Unionsbürger ableiten kann, wenn dieser bereits vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens den Aufenthaltsmitgliedstaat verlassen hat (vgl. BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 1 C 9.18 – juris Rn. 20 m.V.a. EuGH, 16.7.2015 – C-218/14, Singh – juris Rn. 54; BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 10 ZB 19.2131 – juris Rn. 9; Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. Stand 1.10.2021, FreizügG/EU § 3 Rn. 30a). Denn aufgrund des Tatbestandsmerkmals des „Begleitens“ § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erlischt das abgeleitete Freizügigkeitsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten, wenn der Unionsbürger nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft das Bundesgebiet verlässt (BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 1 C 9.18 – juris Rn. 21 m.V.a. EuGH, 16.7.2015 – C-218/14, Singh – juris Rn. 58; BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 10 ZB 19.2131 – juris Rn. 9).
29
Des Weiteren geht das Verwaltungsgericht mit der Beklagten zu Recht davon aus, dass dem Kläger die Regelung des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU nicht zugutekommt, weil der Fortbestand seines Aufenthaltsrechtes nicht zur Vermeidung einer besonderen Härte der dort näher bezeichneten Art erforderlich war. § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU kompensiert das Fehlen der in Nummer 1 vorausgesetzten dreijährigen Ehebestandszeit durch das Merkmal einer besonderen Härte (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, FreizügG/EU § 3 Rn. 103). Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es darauf an, dass „dem Ehegatten (…) wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange ein Festhalten an der Ehe (…) nicht zugemutet werden konnte“. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 c) der RL 2004/38/EG, welcher in ähnlicher Weise von „besonders schwierigen Umständen (…)“ spricht und beispielhaft Opfer von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft nennt. Die Härtefallklausel zielt darauf ab, von Opfern häuslicher Gewalt, deren Aufenthaltsrecht vom Bestehen der Ehe oder Lebenspartnerschaft abhängig ist, den Druck einer Scheidungsandrohung zu nehmen (vgl. EuGH, U.v. 2.9.2021 – C-930/19, X gegen Belgien – juris Rn. 38 ff., 42; Berlit, GK-AufenthG, Stand 1.12.2022, FreizügG/EU § 3 Rn. 70; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, FreizügG/EU § 3 Rn. 106 m.V.a. die Erläuterungen zum Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission, KOM (2001) 257 endg. zu Art. 13). Der Begriff der besonderen Härte bezieht sich somit auf den Ausgleich oder die Vermeidung von außergewöhnlichen Schwierigkeiten, die durch eine Ehe oder Lebenspartnerschaft bedingt sind (Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2023, FreizügG/EU § 3 Rn. 56 m.V.a. Nds.OVG, B.v. 25.9.2020, 13 PA 279/20 – juris Rn. 15 f.). Es soll dem Opfer nicht zugemutet werden, an der Ehe festzuhalten, um das Aufenthaltsrecht nicht zu verlieren (Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. Stand 1.10.2021, FreizügG/EU § 3 Rn. 31; Gerstner-Heck in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 14. Ed. Stand 15.1.2023, FreizügG/EU § 3 Rn. 19). Gemessen daran kann nicht zugunsten des Klägers von einem derartigen Härtefall ausgegangen werden. Der Kläger trägt zur Begründung einer besonderen Härte vor, seine Ex-Ehefrau sowie deren Familie habe ihr Festhalten an der Ehe an die Zahlung einer hohen Geldsumme geknüpft. Damit macht der Kläger aber schon keine Rechtsgutsbeeinträchtigung zu seinem Nachteil geltend, welche angesichts ihrer Intensität einen Härtefall im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU begründen könnte. „Schutzwürdige Belange“ im Sinne dieser Vorschrift sind, wie die Formulierung des Art. 13 Abs. 2 UAbs. 2 c) der RL 2004/38/EG zeigt, nur unter „besonders schwierigen Umständen“ wie bei den beispielhaft genannten Gewalttätigkeiten im häuslichen Bereich beeinträchtigt. Derartiges trägt der Kläger aber nicht vor. Im Übrigen hat der Kläger als betroffener Ehepartner zum Ausdruck gebracht, dass er trotz allem an der ehelichen Lebensgemeinschaft festhalten will, was ein gewichtiges Indiz dafür darstellt, dass ihm das Festhalten an der Lebensgemeinschaft eben nicht unzumutbar ist. Es spricht viel dafür, auch für einen Härtefall im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU – wie im Rahmen des § 31 Abs. 2 Satz 2 Var. 3 AufenthG – eine Kausalität zwischen den Fällen ehelicher Gewalt und der späteren Trennung von dem gewalttätigen Ehepartner zu verlangen (vgl. zu § 31 AufenthG: BayVGH, B.v. 25.6.2018 – 10 ZB 17.2436 – juris Rn. 12 m.w.N.). Nur ergänzend ist anzumerken, dass Härten, die typischerweise mit einer Ausreise verbunden sind, angesichts der – im Vergleich zu § 31 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 AufenthG – engeren Formulierung des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU sowie des Art. 13 Abs. 2 UAbs. 2 c) der RL 2004/38/EG nicht unter den Begriff der besonderen Härte im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU fallen (vgl. Hailbronner, a.a.O.; offenlassend Nds.OVG, B.v. 25.9.2020, 13 PA 279/20 – juris Rn. 16).
30
Hinsichtlich der behaupteten Vorlageverpflichtung an den EuGH genügt der Hinweis auf die Regelung des Art. 267 Abs. 1 b) i.V.m. Abs. 2 AEUV. Aus dieser ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht – abgesehen davon, dass es in seinem Urteil keine Zweifel an der Auslegung des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU geäußert hat – nicht zur Vorlage einer Auslegungsfrage an den EuGH verpflichtet war, weil seine Entscheidung mit Rechtsmitteln im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV anfechtbar ist (vgl. EuGH, U.v. 15.9.2005 – C-495/03, Intermodal Transports – juris Rn. 31). Der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO ist ein solches Rechtsmittel (vgl. EuGH, U.v. 4.6.2002 – C-99/00, Lyckeskog – juris Rn. 16; BVerfG, B.v. 25.6.2015 – 1 BvR 439/14 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 22.12.2004 – 10 B 21.04 – juris Rn. 34; BayVGH, B.v. 27.3.2013 – 4 ZB 12.1477 – juris Rn. 25; vgl. auch EGMR, U.v. 11.4.2019 – Nr. 50053/16 – juris Rn. 37). Soweit es dem Kläger um die Auslegung des § 3 Abs. 4 Nr. 3 FreizügG/EU und nicht der zugrundeliegenden unionsrechtlichen Vorschrift des Art. 13 der RL 2004/38/EG geht, handelt es sich ohnehin um eine Auslegungsfrage des nationalen Rechts, für deren Entscheidung der EuGH nicht zuständig ist. Daran ändert der Umstand nichts, dass diese nationale Vorschrift unionsrechtskonform ausgelegt werden muss. Der EuGH kann dem nationalen Gericht aufgrund einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 2 AEUV lediglich diejenigen Hinweise zur Auslegung der RL 2004/38/EG geben, welche dieses benötigt, um § 3 Abs. 4 FreizügG/EU richtlinienkonform auszulegen (EuGH, U.v. 15.12.1993 – C-292/92, Hünermund – juris Rn. 8; U.v. 30.4.1998, verb. Rs. C-37/96 u. C-38/96, Sodiprem – juris Rn. 22; Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl 2018, AEUV Art. 267 Rn. 14; Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 267 Rn. 4 ff.). Einer Vorlage der von dem Kläger aufgeworfenen Auslegungsfragen in Bezug auf Art. 13 Abs. 2 UAbs. 1 c) der RL 2004/38/EU an den EuGH bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn – wie dargelegt – erlaubt es bereits die fehlende Vergleichbarkeit der Situation des Klägers mit der Situation von Opfern häuslicher Gewalt aufgrund der fehlenden hinreichenden Intensität der Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht, von „besonders schwierigen Umständen“ im Sinne des Art. 13 Abs. 2 UAbs. 1 c) der RL 2004/38/EG auszugehen. Die Auslegung der fraglichen Richtlinienvorschrift ist damit jedenfalls in dem hier streitgegenständlichen Umfang für den Senat derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (sog. acte claire, vgl. EuGH, U.v. 6.10.1982 – Rs. 283/81, C.I.L.F.I.T. – juris; Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 267 Rn. 33; Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl 2018, AEUV Art. 267 Rn. 47). Einer Berufungszulassung zur Ermöglichung einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 1 b), Abs. 2 AEUV durch den Senat bedarf es damit vorliegend nicht.
31
3.3 Die Rechtssache hat auch nicht die von dem Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
32
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (stRspr., vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2019 – 10 ZB 19.275 – juris Rn. 7; B.v. 8.9.2019 – 10 ZB 18.1768 – Rn. 11; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 16 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72). Klärungsbedürftig sind solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07 – juris Rn. 21; Roth in Posser/Wolff, BeckOK, VwGO, Stand 1.1.2019, § 124 Rn. 55 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 38). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr., BVerwG, B.v. 9.4.2014 – 2 B 107.13 – juris Rn. 9 m.w.N.; BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – juris Rn. 64). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72 m.w.N.).
33
Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, „ob die Aufenthaltskarte als Familienangehöriger-EU eines Ehegatten als Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen im Sinne von § 31 AufenthG anzusehen ist“, und verweist hierzu auf das Urteil des VG Berlin vom 28. Juni 2022 (Az.: 21 K 90/22, juris Rn. 41). Dem Gesetz selbst lasse sich hierzu nichts entnehmen. Der aufgeworfenen Frage komme grundsätzliche Bedeutung zu. Sie sei für den vorliegenden Fall auch entscheidungserheblich, da der Ehefrau die Wichtigkeit des Bestandes der Ehe für den Aufenthalt des Klägers bekannt zu sein schiene und diese „Machtposition“ scheinbar habe ausgenutzt werden sollen.
34
Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
35
Der Kläger erfüllt schon nicht die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinsichtlich der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung. Der Verweis auf eine Einschätzung eines anderen Gerichts – welche überdies nur als obiter dictum formuliert ist, da das VG Berlin die Berufung mangels Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage nicht zugelassen hat (vgl. VG Berlin a.a.O., Rn. 38) – vermag eine entsprechende Darlegung nicht zu ersetzen.
36
Des Weiteren fehlt es, wie ausgeführt, an der Entscheidungserheblichkeit und damit auch an der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren. Auch wenn, wie der Kläger meint, davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Aufenthaltskarte um einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 31 Abs. 1 AufenthG handelt, erfüllte der Kläger – wie unter 3.1.2 und 3.2 dargelegt – die Voraussetzungen eines Härtefalls nach § 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AufenthG zur Abweichung von der nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geforderten mindestens dreijährigen Bestandszeit der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht. Auch wenn der Vortrag des Klägers zuträfe, der Ex-Ehefrau sei die Wichtigkeit des Bestandes der Ehe für seinen Aufenthalt bekannt gewesen und diese habe ihre (dadurch begründete) „Machtposition“ ausgenutzt, würde dies nach den getätigten Ausführungen (unter 3.1, 3.2) mangels erforderlicher Intensität der Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Klägers keine Annahme eines Härtefalls rechtfertigen.
37
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
38
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).
39
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).