Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.04.2023 – 10 C 23.632
Titel:

mangels Beschwer unzulässige Streitwertbeschwerde

Normenketten:
GKG § 3 Abs. 1
RVG § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 1
Leitsatz:
Ein Beteiligter kann durch die Streitwertfestsetzung grundsätzlich nur dann beschwert sein, wenn er kostenpflichtig und der Streitwert seiner Auffassung nach zu hoch festgesetzt worden ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde, Rechtsschutzbedürfnis
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 02.03.2023 – M 12 K 23.275
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8710

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die in Nr.
III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. März 2023 getroffene Streitwertfestsetzung wird verworfen.

Gründe

1
Der Kläger begehrt mit seiner Streitwertbeschwerde in Bezug auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. März 2023, mit dem dieses das Klageverfahren gerichtet auf Aufhebung einer auflösenden Bedingung einer Duldung eingestellt und dem Beklagten die Kosten auferlegt hat, eine Heraufsetzung des dort festgesetzten Streitwerts von 2.500,- Euro auf 5.000,- Euro.
2
1. Über die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung entscheidet gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG und § 66 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 GKG die Berichterstatterin, weil die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch den Berichterstatter getroffen wurde (vgl. Senatsakte, Bl. 7 Rückseite).
3
2. Die Streitwertbeschwerde des hinsichtlich der Kosten aufgrund der summarischen Billigkeitsprüfung siegreichen Klägers, die auf die Heraufsetzung des Streitwerts von 2.500,- Euro auf 5.000,- Euro gerichtet ist, ist mangels eines anerkennenswerten Rechtsschutzbedürfnisses für das genannte Rechtsschutzbegehren als unzulässig zu verwerfen.
4
a) Die Streitwertbeschwerde setzt wie jedes Rechtsmittel ein anerkennenswertes Interesse des Rechtsmittelführers an der Rechtsverfolgung voraus. Da sich die Berechnung der Gerichtsgebühren gemäß § 3 Abs. 1 GKG und der Rechtsanwaltskosten gemäß § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 und § 32 Abs. 1 RVG nach dem festgesetzten Streitwert richtet, kann ein Beteiligter durch die Streitwertfestsetzung grundsätzlich nur dann beschwert sein, wenn er kostenpflichtig und der Streitwert seiner Auffassung nach zu hoch festgesetzt worden ist. Das Begehren im Streitwertbeschwerdeverfahren kann daher im Allgemeinen schutzwürdig nur auf eine Herabsetzung des Streitwerts gerichtet sein, um die dem Beteiligten auferlegte Kostenlast zu mindern, nicht jedoch darauf, den Prozessgegner mit höheren Kosten zu belasten. Bei einer zu niedrigen Streitwertfestsetzung ist regelmäßig lediglich der Bevollmächtigte des Beteiligten beschwert, der aus eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG Streitwertbeschwerde einlegen kann. Ein schutzwürdiges Interesse des obsiegenden und kostenberechtigten Beteiligten an einer Streitwerterhöhung kann nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann vorliegen, wenn dieser mit seinem Bevollmächtigten eine Honorarvereinbarung getroffen hat, die von einem höheren als dem gerichtlich festgesetzten Streitwert ausgeht. In diesem Fall kann er bei einer höheren Streitwertfestsetzung von seinem Prozessgegner einen höheren Betrag liquidieren und so zugleich seine eigene Zahlungsverpflichtung aus der Honorarvereinbarung mindern. Eine Auslegung beziehungsweise eine Umdeutung einer ausdrücklich im Namen des Beteiligten erhobenen Streitwertbeschwerde in eine solche des Bevollmächtigten nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG kommt in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte angesichts des insoweit klaren und eindeutigen Wortlauts nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2020 – 15 C 20.700 – juris Rn. 3; B.v. 20.12.2018 – 15 C 15.747 – juris Rn. 7; B.v. 11.12.2013 – 10 C 13.904 – juris Rn. 2; B.v. 9.3.2012 – 10 C 12.381 – juris Rn. 3; OVG Bremen, B.v. 3.6.2021 – 1 S 217/21 – juris Rn. 5 m.w.N.; NdsOVG, B.v. 4.11.2014 – 7 OA 82/14 − juris Rn. 3 f.; OVG NW, B.v. 6.9.2022 – 6 E 640/22 – juris Rn. 7 ff.; SächsOVG, B.v. 3.9.2010 – 3 E 32/10 – juris Rn. 2 ff.; Olbertz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL, Stand: August 2020, VwGO, Vorb. § 154 Rn. 40 m.w.N.).
5
b) Gemessen daran fehlt es der eingelegten Streitwertbeschwerde an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die Bevollmächtigte des Klägers hat die Streitwertbeschwerde mit dem Ziel der Streitwerterhöhung (vgl. Senatsakte, Bl. 5 Rückseite: „auf 2.500 EUR festgesetzte Streitwert ist auf 5.000 EUR zu erhöhen“) ausdrücklich im Namen des Klägers erhoben (vgl. Senatsakte, Bl. 5: „namens und im Auftrag unseres Mandanten“). Zu einer etwaigen Honorarvereinbarung ist nichts vorgetragen. Weitere entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Angesichts der vorgenannten Erwägungen und Umstände kann die Streitwertbeschwerde des Klägers nicht als Streitwertbeschwerde der Bevollmächtigten ausgelegt oder umgedeutet werden (s.o.).
6
c) Im Übrigen dürften auch die Argumente, die für die zwingende Anwendung des Auffangstreitwerts im Fall einer Klage im Zusammenhang mit einer Duldung geltend gemacht worden sind, in der Sache nicht durchgreifen.
7
Die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (i.d.F.v. 31.5./1.6.2012 u. v. 18.7.2013 – im Folgenden: Streitwertkatalog) sehen für den Fall der Abschiebung in Nr. 8.3. einen halben Auffangwert pro Person vor. Davon sind Rechtsschutzbegehren im Zusammenhang mit der Aussetzung der Abschiebung, also mit einer Duldung, umfasst. Der Streitwertkatalog spricht Empfehlungen aus, denen das Gericht bei der Festsetzung des Streitwerts beziehungsweise des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit aus eigenem Ermessen folgt oder nicht. Er bietet gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung für die genannten Verfahren eine gewichtige Orientierung, zumal darin auch Anregungen der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltsvereins eingeflossen sind.
8
Dem Einwand, dass die „Natur des „Auffangwerts“ einer weiteren Differenzierung, gemeint wohl einer Halbierung, entgegenstehe, wenn der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bedeutung der Sache biete, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass diese Auffassung den Streitwertkatalog, der für verschiedene Gebiete des Verwaltungsrechts derartige Empfehlungen ausspricht, an entscheidenden Stellen obsolet machen würde, wird der Streitwert rechtstechnisch durch den Streitwertkatalog in dem Sinne nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmbar, dass auf die Hälfte des Auffangstreitwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG rekurriert wird.
9
Die geltend gemachte „Bedeutung der Sache“ erfordert ebenfalls keine zwingende Anwendung des Auffangstreitwerts. Zwar geht es bei der Klage im Zusammenhang mit einer Duldung um die Frage, ob die betroffene Person abgeschoben werden kann oder nicht. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung auf der Grundlage einer (bereits) vollziehbaren Ausreisepflicht im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu treffen ist. Das Interesse an einer bloß vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung wegen Abschiebungshindernissen ist niedriger zu veranschlagen als das Interesse an einem legalen Aufenthalt, wie es im Klageverfahren im Zusammenhang mit einem Aufenthaltstitel zum Ausdruck kommt, für das nach Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs der volle Auffangstreitwert anzusetzen ist (vgl. SächsOVG, B.v. 22.3.2016 – 3 E 3/16 – juris Rn. 5 a.E.).
10
Schließlich überzeugt auch der Einwand nicht ohne Weiteres, im Duldungsrechtsstreit seien oft schwierige rechtliche und tatsächliche Fragen zu klären, etwa im Zusammenhang mit gesundheitlichen Abschiebungshindernissen. Dass die Maßstäbe für die rechtliche und tatsächliche Prüfung, insbesondere auch für die Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts, ungeklärt wären, ist weder aufgezeigt noch anderweitig ersichtlich. Im Übrigen kommt es auf die Anwendung dieser Prüfungsmaßstäbe im Einzelfall an, wobei es insoweit auch an konkreten Erläuterungen zu den Schwierigkeiten im zugrundeliegenden Fall mangelt.
11
Insgesamt dürfte daher kein Anlass bestehen, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach grundsätzlich in Bezug auf Duldungen in Klageverfahren ein Streitwert in Höhe von 2.500,- Euro pro Person und in Eilverfahren − unter Berücksichtigung zusätzlich von Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs, soweit nicht die Hauptsache vorweggenommen wird – ein Streitwert in Höhe von 1.250,- Euro pro Person anzusetzen ist (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2023 – 10 CE 22.2164 – juris Rn. 19 <für 4 Personen im Eilverfahren>; B.v. 23.9.2022 – 10 C 22.1131 – juris 4; vgl. bereits zu dem Vorgängerstreitwertkatalog: BayVGH, B.v. 21.12.2006 – juris Rn. 52; B.v. 9.2.2004 – 24 C 03.2851, 24 ZB 03.3207 u. 24 C 03.3210 – juris Rn. 41; vgl. in der Sache ebenso: NdsOVG, B.v. 6.12.2022 – 13 ME 270/22 – juris Rn. 23; SächsOVG, B.v. 22.3.2016 – 3 E 3/16 – juris Rn. 5; OVG Bremen, B.v. 23.5.2011 – 1 S 94/11 – juris Rn. 3 f.). Die zitierte anderslautende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat dieser, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, ausdrücklich wieder aufgegeben (vgl. VGH BW, B.v. 26.7.2010 – 11 S 1505/10 – juris Rn. 7 f.).
12
3. Eine Kostenentscheidung ist aufgrund von § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.
13
4. Dieser Beschluss ist nach § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG sowie § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.