Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 15.03.2023 – 3 K 72/23
Titel:

Abgewiesene Klage im Streit um Geltendmachung von Verlusten aus Tierzucht

Normenkette:
EStG § 7g, § 15b Abs. 4
Leitsatz:
Ein Steuerstundungsmodell iSv § 15b I 1 und II EStG kann nicht nur dann vorliegen, wenn die prognostizierten Verluste auf Sonderabschreibungen beruhen, die in geminderten Bilanzansätzen oder Gewinnminderungen im Rahmen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zum Ausdruck kommen (vgl. BFH IV R 7/16 vom 6.6.2019), sondern auch dann, wenn die prognostizierten Verluste auf einen nur außerbilanziell wirkenden Investitionsabzugsbetrag beruhen. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Einkommensteuer
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – IV R 14/23
Fundstellen:
EFG 2023, 823
StEd 2023, 287
LSK 2023, 8620
DStRE 2024, 385
BeckRS 2023, 8620

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Anwendung des § 15b Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).
2
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 12.12.2012 in Form einer GmbH & Co. KG gegründet und unter HRA … ins Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb von Windkraftanlagen. Zum Gründungszeitpunkt war persönlich haftende Gesellschafterin die V GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer C; Kommanditistin mit einer Einlage i.H.v. … € war die B GmbH & Co. KG (im Folgenden „Beteiligungs-KG“), die Beigeladene, ebenfalls vertreten durch den Geschäftsführer C. Die V-GmbH ist an Gewinn und Verlust der Klägerin nicht beteiligt.
3
Im Laufe des Jahres 2013 sind insgesamt zwölf weitere Kommanditisten eingetreten. Hierzu hat die Klägerin über einen Anlegerprospekt (Prospektdatum … 2013) Beteiligungen ab … € geboten. Nach Zeichnung des vorgesehenen Eigenkapitals i.H.v. … € wurde der Fonds geschlossen.
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Die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Anlegerprospekts (dort S. xx) umfasst die Jahre 2012 bis einschließlich 2038. Ausgehend von einer Betriebsdauer von 25 Jahren wird für die Jahre 2012 (Verlust: … €) und 2013 (Verlust … €) ein „steuerliches Ergebnis in % des Eigenkapitals“ von zusammen ./. … % ausgewiesen. Für 2014 und ab 2017 wird für die einzelnen Jahre jeweils ein positives Ergebnis dargestellt, für 2015 und 2016 nochmals geringe Verluste (./. … € und ./. … €). Die Ertragsprognose für den Anleger (Prospekt S. xx) weist für einen Kommanditanteil i.H.v. … € im Jahr 2013 einen Ergebnisanteil des Gesellschafters i.H.v. ./. … € aus, das sind ./. … % des eingebrachten Eigenkapitals.
5
Mit Bescheid vom 29.04.2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für 2012 stellte das Finanzamt für die Klägerin erklärungsgemäß laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ./. … € fest, die der Beigeladenen zugerechnet wurden („Nach Anwendung des § 15a EStG sind im Folgebescheid anzusetzen – laufende Einkünfte ./. … €“), davon „laufender Verlust vor Anwendung des § 15a EStG (ohne Sonderbilanz)“ … € und „Abrechnung wegen Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG“ … €. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und teilweise vorläufig, §§ 164 Abs. 1, 165 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO).
6
In der Zeit von 08.06.2016 bis 16.11.2016 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 2012 bis 2014 statt (Betriebsprüfungsbericht vom 17.11.2016). Nach Auffassung des Prüfers erfüllte die Klägerin im Prüfungszeitraum die Voraussetzungen zur Anwendung des § 15b EStG, weshalb die von ihr erwirtschafteten Verluste nicht sofort abziehbar seien, sondern nur mit späteren Gewinnen aus dieser Firma verrechnet werden könnten.
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Aufgrund der tatsächlichen Zahlen 2012 bis 2014 errechnete er einen Gesamtverlust i.H.v. … €; darin enthalten war ein Investitionsabzugsbetrag (IAB) gemäß § 7g EStG i.H.v. … € (geltend gemacht in 2012). Dieser wurde außerbilanziell hinzugerechnet. Damit betrug der Verlust 20,37% des Eigenkapitals. Nach Auffassung des Prüfers sind in die Beurteilung, ob § 15b EStG anzuwenden ist, auch steuerliche Wahlrechte miteinzubeziehen. Bei Überschreiten der 10% Grenze greife die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG greifen.
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Im Hinblick auf das zum Zeitpunkt der Prüfung noch anhängige BFH-Verfahren IV R 7/16 konnte hinsichtlich der Anwendung des § 15b EStG keine Einigung erzielt werden. Die Höhe der festgestellten Verluste war hingegen unstreitig.
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Das Finanzamt folgte den Feststellungen und der Rechtsauffassung der Außenprüfung und erließ am 28.12.2016 für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2014 jeweils nach§ 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG. (2012: „Nach Anwendung des § 15b EStG sind im Folgebescheid anzusetzen – laufende Einkünfte 0,00 €“). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben,§ 164 Abs. 3 AO.
10
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin durch ihren steuerlichen Vertreter mit Fax vom 24.01.2017 Einspruch ein.
11
Zur Begründung wurde vorgetragen, die Anwendbarkeit des § 15b EStG sei anlegerbezogen zu prüfen. Dies sei bei der Außenprüfung nicht beachtet worden, da die Anwendung des § 15b EStG bei der Gründungsgesellschafterin, der Beteiligungs-KG, welche auch 100 Prozent der Anteile der Komplementär-GmbH halte, nicht separat beurteilt worden sei. Weiter sei § 15b EStG nicht auf Anlaufverluste von Existenz- und Firmengründern, wie hier der Beteiligungs-KG, anzuwenden. Auch sei ein Indiz für die Annahme eines Steuerstundungsmodells, dass vorrangig eine kapitalmäßige Beteiligung ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung angestrebt werde. Dies sei hier widerlegt, da die Beteiligungs-KG die faktische Geschäftsführung innehabe. Die Vergütung für Zusatz- und Nebenleistungen, die auch bei allen anderen Gesellschaftern nicht zu sofort abziehbarem Aufwand geführt hätten, zahle sie also anteilig an sich selbst. Sie nehme diese Leistungen gewissermaßen nicht in Anspruch. Auch aus diesem Grund schreibe der Erlass vom 17.07.2017 (BMF IV B 2 – S. 2241, BStBl I 2017, 542) vor, dass § 15b EStG zwingend anlegerbezogen zu beurteilen sei.
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Eine modellhafte Gestaltung liege nicht vor, da dafür das Konzept vorgefertigt und bereits vor der eigentlichen Investitionsentscheidung durch die Initiatoren festgelegt sein müsse. Außerdem müsse es von einer vom Steuerpflichtigen verschiedenen Person erstellt worden sein (BFH Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10; BMF vom 19.05.2014). Zum Zeitpunkt des Beitritts der Beteiligungs-KG habe ein solches Konzept nicht existiert. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sei auf den Zeitpunkt der Gründung der Klägerin abzustellen. Das Konzept sei aber erst später unter Beteiligung der Beigeladenen – aufgrund ihrer 100-prozentigen Beteiligung am Komplementär – erstellt worden.
13
Ein weiteres (Ausschluss-)Kriterium betreffe auch alle anderen Beteiligten. Für die Modellhaftigkeit sei die Bereitstellung eines Bündels an Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen typisch, durch die der sofort abziehbare Aufwand erhöht werden könne („Fondserlass“ BMF-Schreiben vom 20.10.2003, BStBl I 2003, 546). Dies sei hier aber bei keinem der Gesellschafter der Fall, da es bei der Klägerin keine „weichen“ Kosten gebe und sie auch den sofort abziehbaren Aufwand nicht habe erhöhen können. Abschreibungen gehörten entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung nicht zu den „weichen“ Kosten, da es sich dabei nicht um „sofort abziehbare Aufwendungen“ handle. Eine Abschreibung nach § 7g EStG sei hier nicht vorgenommen worden.
14
Weiter sei die Inanspruchnahme des IAB nicht in die Berechnung des Verlustes miteinzubeziehen, da diese Berechnung lediglich übliche Erträge und Aufwendungen berücksichtigen solle. Berücksichtige man den IAB nicht, übersteige der Verlust die Nichtaufgriffsgrenze nicht.
15
Auch nach Veröffentlichung des BFH-Urteils IV R 7/16 vom 06.06.2019 (BStBl II 2019, 513) blieb der Klägervertreter bei seiner Rechtsauffassung, dass die Beteiligungs-KG als Gründungsgesellschafter nicht unter § 15b EStG falle; nur diese habe im Veranlagungszeitraum 2012 einen IAB geltend gemacht (Schreiben vom 08.10.2020; Antwort auf das Schreiben des Finanzamts vom 24.06.2020). Im Streitfall sei das genannte BFH-Urteil nicht relevant, weil hier anders als dort keine AfA nach § 7g EStG geltend gemacht worden sei.
16
Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2020, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies das Finanzamt die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Einsprüche als unbegründet zurück.
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Nach § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG dürften Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürften auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste minderten jedoch nach § 15b Abs. 1 Satz 2 EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erziele.
18
Ob in der Sache ein Steuerstundungsmodell gegeben sei, sei im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln (BFH-Urteile vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465; vom 06.06.2019 IV R 7/16, im BStBl II 2019, 513). Ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG sei anzunehmen, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollten (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG). Ausweislich des Satzes 2 der Vorschrift sei dies der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund des vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden solle, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (auch BMF vom 17.07.2007, BStBl I 2007, 542). Dazu zählten sowohl die negativen Einkünfte des Einkommensteuerrechts als auch sonstige negative Ergebnisse, die in die Gewinnermittlung einflössen (vgl. HHR/Hallerbach, § 15b EStG Rz. 35). Auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhten, sei gemäß § 15b Abs. 2 Satz 3 EStG unerheblich. Die Norm unterscheide nicht, ob es sich dabei um eine Fiskal- oder Lenkungsnorm handele.
19
Ein Konzept bezeichne einen Plan für ein bestimmtes Vorhaben als Ergebnis eines Prozesses des Erkennens und Entwickelns von Zielen und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung eines größeren strategisch zu planenden Vorhabens (BFH-Urteil in BStBl II 2014, 465). Entsprechend könne als Konzept nicht jegliche Investitionsplanung, sondern nur die Erstellung einer umfassenden und regelmäßig an mehrere Interessenten gerichtete Investitionskonzeption angesehen werden (BFH-Urteil in BStBl II 2014, 465).
20
Hinsichtlich der steuerlichen Vorteile seien nicht die tatsächlich erzielten, sondern die sich aus dem Konzept ergebenden negativen Einkünfte entscheidend (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465). Maßgeblich sei die Perspektive des Anbieters, wonach es darauf ankomme, ob dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der Verlustverrechnung „geboten“ werden solle. Nicht erforderlich sei aber, dass die Möglichkeit der Verlustverrechnung die alleinige Zielrichtung sei und dass sie im Vordergrund stehe (vgl. Seer, in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 15b EStG Rz. 40a). Nicht erforderlich sei es auch, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv werbe (BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465, Rz. 25).
21
Anfangsphase sei derjenige Zeitraum, in dem konzeptionell aus der Einkunftsquelle zunächst Verluste/negative Einkünfte erzielt werden sollten (BMF vom 17.07.2007, BStBl. I 2007, 542). Dies sei gemäß Anlageprospekt hier das Jahr 2013. Dem Prospekt vom ...2013 sei zu entnehmen, dass dem Anleger in diesem Jahr bei einer Beteiligung von … € ein Verlust von … € geboten werde (siehe S. xx des AP). Nach dem prospektierten Konzept solle sich der Kaufanreiz zum einen aufgrund der nach dem EEG gesicherten Stromabnahme und -vergütung ergeben, zum anderen aber auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die persönliche Steuerlage. Die Prospektierung sei damit nicht nur rein renditeorientiert, sondern ziehe auch steuerliche Aspekte in ihre Betrachtung mit ein (siehe S. .xx des AP).
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Hinsichtlich der Gründungsgesellschafter sei von der für ein Stundungsmodell charakteristischen Passivität der Investoren/Gesellschafter auszugehen, wenn sich Initiatoren in der Gründungsphase „als vertrauensbildende Maßnahme“ ebenfalls als Gesellschafter an dem aufgelegten Fonds beteiligten, um dadurch leichter Anleger zu gewinnen. Es sei zu differenzieren zwischen der Rolle als Initiator und Entwickler des Konzepts und der Rolle des zu den Bedingungen des entwickelten Konzepts beitretenden Gesellschafters. Träten die Initiatoren zu denselben Bedingungen wie die übrigen Anleger der modellhaft vorgefertigten Gemeinschaftskonstruktion bei, so seien sie insoweit ebenfalls wie diese zu behandeln. Ausschlaggebend sei dann nicht, dass das Konzept von ihnen entwickelt worden sei, sondern dass sie sich wie die übrigen Anleger zu den Bedingungen des vorgefertigten Konzeptes beteiligten (vgl. Seer in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 15b EStG Rz. 39).
23
Der Einwand, dass das Konzept zum Zeitpunkt des Beitritts der Beteiligungs-KG noch nicht vorgelegen habe und somit nicht habe angeboten werden können, sei entgegenzuhalten, dass die Rahmenbedingungen bereits zum Gründungszeitpunkt 12.12.2012 modellhaft vorgegeben gewesen seien. Als Datum der Prospekterstellung sei der ...2013 angegeben. Da bei einem geschlossenen Fonds von Anfang an feststehe, wie viel Kapital für welchen Geschäftszweck investiert werden solle und bereits Vollwartungsverträge, sowie Finanzierungsverträge für die Fremdfinanzierung vorgelegen hätten, sei es nicht glaubhaft, dass ein Konzept zum Zeitpunkt der Gründung nicht vorgelegen haben solle. Sowohl der Geschäftsgegenstand (Betrieb von Windkraftanlagen) als auch die Konstruktion der Klägerin seien nicht durch die Beteiligten selbst ausgehandelt, sondern ist bereits vorher festgelegt worden. Die modellhafte Gestaltung ziele darauf ab, dass die Investitionskonzeption an mehrere Interessenten gerichtet werde (Beitritt der weiteren Kommanditisten). Im Streitfall seien alle Kommanditisten zu den gleichen Bedingungen (als Kapitalgeber) beigetreten. Der Gesellschaftsvertrag vom 12.12.2012 gelte unverändert für alle Beteiligten. Der Kern der Investition in eine Windkraftanlage sei modellhaft vorgegeben. Auf die Gesamtkonzeption und die Vertragsgestaltungen im Einzelnen hätten die Beteiligten mit der Übernahme der Kommanditanteile keinen Einfluss mehr nehmen können. Sie seien in ein bestehendes, bis ins Detail vorkonzipiertes Modell eingetreten. Daran ändere auch die Personenidentität des Geschäftsführers von K. KG und Komplementär-GmbH nichts. Denn hier sei ausschließlich seine Beteiligung an der Klägerin als Kommanditist maßgebend.
24
Bei der Klägerin handle es sich auch nicht um eine Existenz- oder Firmengründerin, deren Anlaufverluste nicht unter die Anwendung des § 15b fallen würden. Eine Existenz- oder Firmengründung, wie sie z.B. zum Zwecke der Realisierung einer beruflichen Selbständigkeit eines Einzelunternehmers der Fall wäre, liege hier nicht vor. Die D Unternehmensgruppe bestehe seit 19xx mit der Gründung der V-GmbH. Sie entwickle und realisiere regionale Wind- und Solarkraftprojekte. Die Klägerin sei als Betreiberfirma der Windkraftanlagen mit der V-GmbH als Komplementärin gegründet worden.
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Im Streitfall werde auch unter Zugrundelegung der tatsächlich erwirtschafteten Zahlen nach den Feststellungen der Betriebsprüfung die 10%-Nichtaufgriffsgrenze überschritten, da der Anteil des Gesamtverlustes i.H.v. … € im Verhältnis zum Eigenkapital i.H.v. … € 20,37% betrage.
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Mit Fax vom 05.01.2021 hat der Klägervertreter Klage erhoben und wie schon im Einspruchsverfahren vorgebracht, die Klage richte sich gegen die rechtswidrige Anwendung des § 15b EStG. Ob § 15b EStG zur Anwendung komme, sei gesellschafterbezogen festzustellen. Danach sei der Gründungsgesellschafter, die Beteiligungs-KG, von der Anwendung des § 15b EStG vorweg auszunehmen. Der Investitionsabzugsbetrag (IAB) in 2012 sei abzusetzen bzw. sofort abziehbar.
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Die sogenannte Nichtaufgriffsgrenze nach § 15b Abs. 3 EStG sei zu prüfen. Es sei kein Antrag auf Abzug der Abschreibung nach § 7g EStG gestellt worden. Lediglich für den Gesellschafter, der nicht unter § 15b EStG falle, sei ein Investitionsabzugsbetrag in 2012 beantragt. Die Verluste in der Anlaufphase ab 2013 lägen unter 10% des Eigenkapitals.
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Werde die Anwendung des § 15b EStG auf die Veranlagungen ausschließlich durch die Anträge der Abschreibungen bzw. dem Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG begründet, sei durch das Gericht die Verletzung von Artikel 3 GG zu prüfen bzw. festzustellen.
29
In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter dem Gericht und dem Finanzamt das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 12.12.2012, das Abschlusskonto zum 31.12.2013 für die Klägerin und den Gesellschaftsvertrag für die Klägerin in der Fassung vom 04.07.2013 übergeben. Außerdem ist eine ausgedruckte Email des Geschäftsführers E an das Finanzgericht Nürnberg vom 15.03.2023 (12:29 Uhr) übergeben worden. Dieser Email waren beigefügt eine betragsmäßig beschränkte Bürgschaft der Beteiligungs-KG vom 05.03.2014 für die Klägerin gegenüber der Bank 1 und ein Schreiben der Bank 1 vom 22.04.2014 über das Erlöschen der Bürgschaft. Auf diese Unterlagen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
30
Der Klägervertreter beantragt,
den Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG vom 28.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2020 dahin zu ändern, dass die Verlustfeststellung nach § 15b EStG aufgehoben wird (Verluste sofort abziehbar).
31
Die Vertreterin des beklagten Finanzamtes beantragt,
die Klage abzuweisen.
32
Die Beteiligten beantragen jeweils für den Fall des Unterliegens die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu zulassen.
33
Das Finanzamt hat ergänzend vorgetragen, die Klagebegründung enthalte keinen neuen, entscheidungsrelevanten Sachvortrag, der zu einer von der Einspruchsentscheidung abweichenden Rechtsauffassung führen könnte.
34
Die Klägerin verkenne weiterhin, dass die Anfangsphase der konzeptgemäßen Verlustphase gemäß § 15b Abs. 3 EStG entspreche (BMF BStBl I 2007, 542 Rz. 15). Im Übrigen habe nicht die Beteiligungs-KG in 2012 einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) in Anspruch genommen, sondern die Klägerin. Gemäß § 15b Abs. 2 Satz 3 EStG sei es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhten.
35
Mit Schreiben vom 28.01.2022 hat das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Beiladung der Kommanditistin gegeben.
36
Mit Beschluss vom 17.01.2023 ist das Verfahren wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG für 2012 vom übrigen Verfahren (3 K 18/21) abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 3 K 72/23 fortgeführt worden.
37
Mit Beschluss vom 17.01.2023 ist die B GmbH & Co. KG nach § 60 Abs. 3 FGO i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO notwendig beigeladen worden.
38
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegten Akten des Finanzamts und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

39
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht festgestellt, dass der auf die Beigeladene entfallende Verlust des Streitjahres 2012 der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG unterfällt. Die Klägerin und die Beigeladene sind durch den angefochtenen Feststellungsbescheid vom 28.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2020 nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
40
1. Gegenstand des Klageverfahrens ist – wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – allein die Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15b Abs. 4 EStG. Zwar durfte das Finanzamt den angegriffenen Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4 EStG mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung i.S. der §§ 179 Abs. 1 und Abs. 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO für die Streitjahre verbinden (§ 15b Abs. 4 Satz 5 EStG). Gleichwohl handelt es sich jeweils um zwei eigenständige Verwaltungsakte mit selbständigem Regelungsgehalt (BFH-Urteil vom 19.01.2017 IV R 50/14, BStBl II 2017, 456, Rz. 102, m.w.N.), die auch selbständig angefochten werden und in Bestandskraft erwachsen können; insoweit gilt nichts anderes als für die Gewinnfeststellung und die Feststellung des verrechenbaren Verlustes i.S.d. § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG, die nach Satz 5 jener Vorschrift ebenfalls miteinander verbunden werden können (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20.11.2014 IV R 47/11, BStBl II 2015, 532, Rz 20 ff.; BFH-Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BStBl II 2019, 513).
41
Zwar bezieht sich der von der Klägerin in der Klageschrift gestellte Klageantrag und auch deren Betreffzeile ohne nähere Differenzierung (u.a.) auf den Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG vom 28.12.2016. Gleichwohl folgt hieraus nicht, dass die Klägerin auch die in dem Bescheid enthaltene gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012 anfechten wollte. Denn sie hat weder die Höhe der im Streitjahr festgestellten Einkünfte aus Kapitalvermögen noch die Verteilung des Ergebnisses auf die Beigeladene angegriffen. Ihre Ausführungen in der Klagebegründung machen deutlich, dass es ihr allein um die Klärung der Frage der Verrechenbarkeit des Verlustes ging. Dementsprechend ist – wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch übereinstimmend erklärt haben – lediglich die Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15b Abs. 4 EStG Gegenstand der Klage. (Vgl. auch BFH-Urteil vom 17.01.2017 VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700, Rz. 20).
42
2. Die Klägerin war in Bezug auf die streitige Feststellung des verrechenbaren Verlustes für die Streitjahre gemäß § 15b Abs. 4 EStG i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, denn die Feststellung des verrechenbaren Verlustes war im Streitfall mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der Gesellschaft verbunden (vgl. BFH-Urteil vom 17.01.2017 VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700, Rz. 21). Danach erfolgte auch die Verlustfeststellung gesondert und einheitlich (§ 15b Abs. 4 Satz 5 Halbsatz 2 EStG), so dass § 48 FGO eingreift. Insoweit gilt nichts anderes als für die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG, denn § 15b Abs. 4 EStG entspricht mit seinen verfahrensrechtlichen Regelungen den in § 15a Abs. 4 EStG getroffenen Regelungen weitgehend. Dass die Klägerin sich mit der Klage allein gegen die Feststellung des verrechenbaren Verlustes wendet, lässt ihre Klagebefugnis als Prozessstandschafterin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht entfallen; ebenso nicht der Umstand, dass es im vorliegenden Rechtsstreit allein um Fragen geht, die die Kommanditisten der Klägerin i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO persönlich angehen (vgl. BFH-Urteil vom 17.01.2017 VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700, Rz 21 m.w.N; BFH-Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BStBl II 2019, 513, Rn. 17).
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3. Hinsichtlich des an eine Personengesellschaft gerichteten, mit dem Gewinnfeststellungsbescheid verbundenen Verlustfeststellungsbescheids nach § 15b Abs. 4 EStG sind neben der Gesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch deren Gesellschafter, für die nicht ausgleichsfähige Verluste festgestellt worden sind, nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt. Klagt nur die Personengesellschaft gegen den Verlustfeststellungsbescheid, sind die betroffenen Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO notwendig beizuladen (BFH-Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BStBl II 2019, 513). Dementsprechend wurde die Beteiligungs-KG zum Verfahren beigeladen.
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Die Komplementär-GmbH war nicht beizuladen, da sie an Gewinn und Verlust nicht beteiligt war, so dass für sie keine Feststellung eines Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG in Betracht kommt.
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4. Nach § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt (Satz 2). Der nach Abs. 1 nicht ausgleichsfähige Verlust ist jährlich gesondert festzustellen, § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG.
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4.1. Dazu führte der BFH (vgl. Urteil vom 26.04.2018 IV R 33/15, BStBl II 2020, 645) aus: Mit § 15b EStG wollte der Gesetzgeber die Attraktivität geschlossener Fonds in Form von Personengesellschaften, die ihren Anlegern in der Anfangsphase hohe Verluste zuweisen und so zu einer Steuerstundung führen, einschränken. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass immer mehr Steuerpflichtige versuchten, durch Zeichnung derartiger Steuerstundungsmodelle ihre Steuerbelastung zu reduzieren, was jährlich zu erheblichen Steuerausfällen führe. Vielfach handle es sich in solchen Fällen zudem um betriebswirtschaftlich wenig sinnvolle Investitionen, die ohne die damit verbundenen steuerlichen Vorteile nicht getätigt würden (BT-Drucks 16/107, S. 1, 6). Die unbeschränkte steuerliche Abzugsfähigkeit von Verlusten aus derartigen Steuerstundungsmodellen führe mittelbar zu einer volkswirtschaftlich fragwürdigen Förderung von Steuersparmodellen, die insbesondere von Steuerpflichtigen mit höheren Einkünften genutzt werde, um die Steuerbelastung gezielt zu senken (BT-Drucks 16/254, S. 1). Eine wirkungsvolle Einschränkung der Steuerstundungsmodelle sah der Gesetzgeber in der Einführung einer Verlustverrechnungsbeschränkung, der zufolge die Verluste aus derartigen Steuerstundungsmodellen nur noch mit späteren positiven Einkünften aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden können (BT-Drucks 16/107, S. 1, 4, 6; BT-Drucks 16/254, S. 1, 3).
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4.2. Zu den Fonds, die der Gesetzgeber als Steuerstundungsmodelle mit der Regelung des § 15b EStG erfassen will, gehören auch die geschlossenen Fonds, die der früheren [„der dargestellten“] Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung unterfallen, d.h., insbesondere auch Immobilienfonds, Schiffsfonds und Windkraftfonds. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Fondsgestaltungen, für die nach der Rechtsprechung sofort abzugsfähige Betriebsausgaben unter Anwendung des § 42 AO als Anschaffungskosten behandelt werden, aus dem Anwendungsbereich des § 15b EStG ausklammern wollte. (Ausführlich dazu: BFH-Urteil vom 26.04.2018 IV R 33/15, BStBl II 2020, 645, Rz. 26 – 31).
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4.3. Ein Steuerstundungsmodell i.S.d. Absatzes 1 liegt nach § 15b Abs. 2 EStG vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (ausführlich dazu BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465, Rz. 23 ff.). Dazu muss der Initiator das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausrichten, so dass der wirtschaftliche Erfolg des Konzepts auf entsprechenden Steuervorteilen aufbaut; im Vordergrund stehen muss die Erzielung negativer Einkünfte allerdings nicht. Nicht erforderlich ist es auch, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv wirbt (BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465, Rz. 25). Insoweit kommt es auch nicht darauf an, in welchem seitenmäßigen Verhältnis steuerliche Erläuterungen eines Prospekts zu dessen Gesamtumfang stehen.
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§ 15b Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG setzen auch nicht voraus, dass der Steuerpflichtige das vorgefertigte Konzept selbst kennt oder dieses überhaupt Auslöser seiner Investitionsentscheidung gewesen ist. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG vielmehr die Perspektive des Anbieters, wonach es darauf ankommt, ob dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der Verlustverrechnung „geboten“ werden soll (BFH-Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BStBl II 2019, 513, Rz. 23 – 29).
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4.4. Es genügt für die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG allerdings nicht allein, dass eine rechtliche Gestaltung vorliegt, die auf steuerliche Vorteile durch Verlustabzug/-verrechnung ausgelegt ist und ohne die Möglichkeit der (sofortigen) Verlustverrechnung nicht gewählt worden wäre. Voraussetzung für die Annahme eines Steuerstundungsmodells ist vielmehr stets auch, dass auf ein vorgefertigtes Konzept i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG zurückgegriffen wird. Daher führt auch das bloße Aufgreifen einer (in Fachkreisen) bekannten Gestaltungsidee mit dem Ziel einer sofortigen Verlustverrechnung nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells (BFH-Urteil vom 17.01.2017 VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700).
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4.4.1. Ein Konzept bezeichnet einen Plan für ein bestimmtes Vorhaben als Ergebnis eines Prozesses des Erkennens und Entwickelns von Zielen und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung eines größeren strategisch zu planenden Vorhabens. Entsprechend kann als Konzept nicht jegliche Investitionsplanung, sondern nur die Erstellung einer umfassenden und regelmäßig an mehrere Interessenten gerichteten Investitionskonzeption angesehen werden (BFH-Urteil vom 17.01.2017 VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
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4.4.2. Da das Konzept nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes vorgefertigt sein muss, muss es bereits vor der eigentlichen Investitionsentscheidung festgelegt worden sein. Ist Teil des Konzeptes die Gründung einer Gesellschaft, gilt dies sowohl bezogen auf den Geschäftsgegenstand der Gesellschaft als auch auf ihre Konstruktion vor der eigentlichen Investitionsentscheidung (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465). Ein Konzept ist danach vorgefertigt, wenn der Anwender es vorfindet und zumindest die wesentlichen Grundlagen für ein geplantes Vorhaben einsetzen kann und nicht erst selbst die Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung seines Vorhabens entwickeln muss (BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465).
53
4.5. Das vorgefertigte Konzept muss von einer vom Steuerpflichtigen verschiedenen Person (Anbieter/Initiator) erstellt worden sein, denn nur dann kann diesem dem Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG entsprechend die Möglichkeit „geboten“ werden, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen.
54
4.5.1. Charakteristisch ist insoweit die Passivität des Investors/Anlegers bei der Entwicklung der Geschäftsidee und der Vertragsgestaltung (BFH-Urteil vom 17.01.2017 VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700 m.w.N.). Bei Beteiligung an einer Gesellschaft oder Gemeinschaft kann es als Indiz für das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells gesehen werden, dass der Anleger vorrangig eine kapitalmäßige Beteiligung ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung anstrebt (vgl. Gesetzesbegründung, Besonderer Teil, BT-Drucks 16/107, S. 7). Das heißt allerdings nicht, dass bei geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft, die ihren Anlegern in der Anfangsphase steuerliche Verluste zuweisen, regelmäßig ein Steuerstundungsmodell anzunehmen wäre, auch wenn die Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit die Möglichkeit haben, auf die Vertragsgestaltung Einfluss zu nehmen (so aber BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 542, Tz. 7; ähnlich für Blindpools in Tz. 10). Fällt allerdings der Einfluss des Gesellschafters auf die Vertragsgestaltung und Geschäftsführung nicht ins Gewicht oder ist er nur rein formal, so liegt regelmäßig ein Steuerstundungsmodell vor (BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465, Rz. 21).
55
4.5.2. Gibt hingegen der Investor/Anleger die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung – sei es von Anfang an oder in Abwandlung des zunächst vorgefertigten Konzepts – selbst vor und bestimmt er damit das Konzept nicht nur unwesentlich mit, so handelt es sich nicht (mehr) um ein vorgefertigtes Konzept (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465).
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4.5.3. Es ist also zu differenzieren zwischen der Rolle als Initiator und Entwickler des Konzepts und der Rolle des zu den Bedingungen des entwickelten Konzepts beitretenden Gesellschafters/Gemeinschafters. Treten die Initiatoren zu denselben Bedingungen wie die übrigen Anleger der modellhaft vorgefertigten Gemeinschaftskonstruktion bei, so sind sie insoweit ebenfalls wie diese zu behandeln. Ausschlaggebend ist dann nicht, dass das Konzept von ihnen entwickelt wurde, sondern dass sie sich wie die übrigen Anleger zu den Bedingungen des vorgefertigten Konzepts beteiligen. Diese Unterscheidung ist freilich nur möglich und dann allerdings auch geboten, wenn es neben den Initiatoren überhaupt übrige Gesellschafter gibt und nach dem Konzept gerade auch geben soll. Auf deren Beitritt muss das Konzept auch in erster Linie zielen, während der gleichzeitigen Beteiligung von Initiatoren nur eine Hilfsfunktion, namentlich bei der Gründung und zur Vertrauensbildung zukommen darf. (So wörtlich Seer in: Kirchhof/Seer EStG, 20. Aufl., § 15b Rz. 39).
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4.5.4. Demnach liegt eine modellhafte Gestaltung i.S. des § 15b EStG vor, wenn eine von einem Anbieter/Initiator abstrakt entwickelte Investitionskonzeption für Interessierte am Markt zur Verfügung steht, auf die der Investor/Anleger „nur“ noch zugreifen muss, nicht hingegen, wenn der Investor/Anleger eine von ihm selbst oder dem in seinem Auftrag – nicht aber im Auftrag eines Anbieters/Initiators – tätigen Berater entwickelte oder modifizierte und individuell angepasste Investition umsetzt (BFH-Urteil vom 17.01.2017 VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700).
58
4.6. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 3 EStG ist es – entgegen der Auffassung des Klägervertreters – ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BStBl II 2019, 513, Rz. 28) zu berücksichtigen, dass der Inanspruchnahme degressiver AfA und von Sonderabschreibungen die Ausübung von Wahlrechten zugrunde liegt. Soweit durch die Ausübung steuerlicher Wahlrechte Verluste generiert werden, kann dies ein Indiz dafür sein, dass das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausgerichtet ist. Deshalb hat sich der BFH im vorgenannten Urteil ausdrücklich nicht der in Teilen des Schrifttums und vom FG Münster im Urteil vom 24.11.2015 12 K 3933/12 F, EFG 2016, 362 vertretenen Auffassung angeschlossen, dass prognostizierte Verluste, die auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden beruhen, nicht zur Anwendung des § 15b EStG führten.
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4.7. Weiterhin ist für die Anwendung des § 15b EStG nicht Voraussetzung, dass es sich um eine betriebswirtschaftlich nicht oder wenig sinnvolle Investition handelt. Dies hat der BFH im Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BStBl II 2019, 513, Rz. 28 ausdrücklich betont. Unabhängig von der Frage, wie eine solche Sinnhaftigkeit zu bemessen wäre, lasse sich eine solche Voraussetzung weder dem Gesetzeswortlaut noch dem Gesetzeszweck entnehmen. Selbst soweit in den Gesetzesmaterialien ausgeführt werde, bei den vom Gesetzgeber mit § 15b EStG in den Blick genommenen Fällen handele es sich vielfach um betriebswirtschaftlich wenig sinnvolle Investitionen, die ohne die damit verbundenen steuerlichen Vorteile nicht getätigt würden (BT-Drucks 16/107, S. 6; dazu auch BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465, Rz. 14), bringe dies keinen Lenkungszweck der Vorschrift zum Ausdruck; vielmehr enthalte dieser vom Gesetzgeber behauptete Erfahrungssatz nur eine zusätzliche Rechtfertigung einer Verlustausgleichsbeschränkung zur Begrenzung der Attraktivität sog. Steuerstundungsmodelle. Als Tatbestandsmerkmal habe er indes keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Deshalb seien auch an anderer Stelle staatlich geförderte Investitionen wie z.B. in erneuerbare Energien – selbst wenn sich deren betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit erst aus einer solchen Förderung ergebe – nicht von vorneherein von der Anwendung des § 15b EStG ausgeschlossen. Denn dem Gesetzgeber stehe es zum einen grundsätzlich frei, die Reichweite staatlicher Förderung von Investitionen zu bestimmen; zum anderen setze sich der Gesetzgeber mit § 15b EStG nicht in Widerspruch zu eventuell von ihm geschaffenen Lenkungsmaßnahmen, wenn man davon ausgehe, dass die Vorschrift nicht verhindern wolle, dass solche Lenkungsvorschriften von Einzelinvestoren genutzt würden, sie aber verhindern wolle, dass die Nutzung dieser Fördermöglichkeiten konzeptionell aufgearbeitet und einer Vielzahl von Steuerpflichtigen angeboten werde. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15b EStG – über die Nichtaufgriffsgrenze des § 15b Abs. 3 EStG hinaus – keine Ausnahmen hinsichtlich bestimmter Investitionen zugelassen habe.
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4.8. Nach § 15b Abs. 3 EStG ist Absatz 1 der Vorschrift nur anzuwenden, wenn innerhalb der Anfangsphase das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10% übersteigt. Der nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist nach näherer Maßgabe des § 15b Abs. 4 EStG jährlich gesondert festzustellen. Die „Anfangsphase“ i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG ist der Zeitraum, in dem nach dem zugrundeliegenden Konzept nicht nachhaltig positive Einkünfte erzielt werden (vgl. Gesetzesbegründung, Besonderer Teil, BT-Drucks 16/107, S. 6). Sie ist damit im Regelfall identisch mit der Verlustphase, während der Abschluss der Investitionsphase zur Bestimmung der Anfangsphase ohne Bedeutung ist; die Anfangsphase endet, wenn nach der Prognoserechnung des Konzepts ab einem bestimmten Veranlagungszeitraum dauerhaft und nachhaltig positive Einkünfte erzielt werden (BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 542, Tz. 15; BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BStBl II 2014, 465, Rn. 24 – 26).
61
5. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das Finanzamt zu Recht festgestellt, dass der auf die Beigeladene entfallende Verlust des Streitjahres 2012 der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG unterfällt. – Liegen im ersten Jahr der Beteiligung die Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG vor, so gilt dies denklogisch grundsätzlich, d.h. ohne nachträgliche Änderung des Modellkonzepts, auch für die Folgezeit der Beteiligung des einzelnen Anlegers (BFH-Urteil vom 06.06. 2019 IV R 7/16, 147, BStBl II 2019, 513 Rz. 25). – 5.1. Im Streitfall liegt ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG vor, weil aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollten, auch wenn diese nicht sofort und umfassend, sondern – eben wegen der Regelung des § 15b Abs. 1 EStG – nur mit künftigen Gewinnen aus dieser Einkunftsquelle verrechnet werden können.
62
5.1.1. Der Gründung der Klägerin lag ein „Konzept“ zugrunde, d.h., ein „Plan für ein bestimmtes Vorhaben als Ergebnis eines Prozesses des Erkennens und Entwickelns von Zielen und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung eines größeren strategisch zu planenden Vorhabens“, nämlich die Erstellung einer umfassenden Investitionskonzeption für die Finanzierung, Unterhaltung, den Betrieb und den Rückbau einer bestimmten Windkraftanlage an einem bestimmten Standort. So heißt es auch im Prospekt (S. xx): „Der Generalunternehmer bei der Errichtung des Windkraftwerks ist die F GmbH. Die F GmbH veräußert das Kraftwerk X nach Fertigstellung an die A GmbH & Co. KG […] Das Kraftwerk wird genehmigt und schlüsselfertig errichtet erworben. Das Risiko während des Genehmigungsprozesses trägt die Betriebsgesellschaft dadurch nicht.“ Zu dem „Plan“ gehörte u.a., das nötige Eigenkapital durch den Eintritt einer nach oben hin eng begrenzten Anzahl von Kommanditisten aufzubringen und zu halten, da diese – anders als reine Darlehensgeber – ihre Beteiligung nicht „einfach“ (vor allem nicht zur „Unzeit“) kündigen können. Da aber Geschäftsführer der Klägerin die Komplementär-GmbH sein sollte, waren die Geldgeber zugleich in ihrer Mitunternehmerstellung, insbesondere ihren Mitspracherechten auf die Rolle eines typischen Kommanditisten beschränkt.
63
5.1.2. Dieses Konzept war sowohl bezogen auf den Geschäftsgegenstand der Gesellschaft als auch auf ihre Konstruktion vor der eigentlichen Investitionsentscheidung „vorgefertigt“. Es hatte sich vom Grundsatz her bereits mehrfach bewährt. Im Streitfall stand eine von einem Anbieter/Initiator abstrakt entwickelte Investitionskonzeption für Interessierte am Markt zur Verfügung, auf die der Investor/Anleger „nur“ noch zugreifen musste.
64
Das gilt nicht nur für die nach Prospekterstellung im Jahr 2013 beigetretenen weiteren Kommanditisten, sondern auch für die Beigeladene, die gemeinsam mit der V-GmbH als Komplementärin die Klägerin in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG errichtete.
65
5.1.2.1. Wie das Finanzamt festgestellt hat, waren bereits zum Gründungszeitpunkt 12.12.2012 die Rahmenbedingungen modellhaft vorgegeben. Der Gesellschaftszweck (Betrieb einer Windkraftanlage) stand zu diesem Zeitpunkt fest, Vollwartungsverträge für die noch zu errichtende Anlage, sowie Finanzierungsverträge für die Fremdfinanzierung lagen vor. Dass möglicherweise im Gründungszeitunkt noch nicht feststand, ob und ggf. welche weiteren Kommanditisten später noch beitreten würden, ist nach Auffassung des Senats unerheblich. Maßgeblich ist, dass das Konzept als solches (Erwerb und Betrieb einer Windkraftanlage durch die Klägerin) zu diesem Zeitpunkt bereits feststand. Auf die Gesamtkonzeption und die Vertragsgestaltungen im Einzelnen konnten weder die Beigeladene noch die später eingetretenen Kommanditisten Einfluss nehmen. Daran ändert auch die Personenidentität des Geschäftsführers von Beteiligungs-KG und Komplementär-GmbH nichts oder die Tatsache, dass die Beigeladene sämtliche Anteile der Komplementär-GmbH hielt. Sowohl die Klägerin als auch die V-GmbH und die Beigeladene (ebenfalls eine GmbH Co. KG) sind eigenständige Rechtspersönlichkeiten und treten als solche eigenständig im Rechtsverkehr auf, auch wenn letztlich hinter allen dieselbe natürliche Person (Herr C) stand. Die Klägerin und die Beigeladene haben weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass und inwiefern der Einfluss der Beigeladenen auf die Vertragsgestaltung und Geschäftsführung mehr als nur formal gewesen wäre, indem sie die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung – sei es von Anfang an oder in Abwandlung des zunächst vorgefertigten Konzepts – selbst vorgegeben und damit das Konzept nicht nur unwesentlich mitbestimmt hätte.
66
Damit ist das Konzept auch von einer vom Steuerpflichtigen (hier: der Beigeladenen) verschiedenen Person (Anbieter/Initiator) erstellt. Initiator ist die nach außen hin auftretende V-GmbH.
67
5.1.2.2. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beigeladene das Konzept mitentwickelt hätte, würde das nichts an der Anwendung des § 15b EStG auf sie ändern. Denn treten die Initiatoren zu denselben Bedingungen wie die übrigen Anleger der modellhaft vorgefertigten Gemeinschaftskonstruktion bei, so sind sie insoweit ebenfalls wie diese zu behandeln. Ausschlaggebend ist dann nicht, dass das Konzept von ihnen entwickelt wurde, sondern dass sie sich wie die übrigen Anleger zu den Bedingungen des vorgefertigten Konzepts beteiligen. Das war hier der Fall. Die Beigeladene hat sich wie alle anderen Kommanditisten auch an der Klägerin beteiligt. Merkmal des Kommanditisten ist, dass er vorrangig eine kapitalmäßige Beteiligung ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung anstrebt („Passivität des Anlegers“). Das war nach der Überzeugung des Gerichts auch bei der Beigeladenen der Fall, die nicht umsonst „B GmbH & Co. KG“ heißt, und – wie dem Gericht u.a. aus dem Parallelverfahren 3 K 60/23 bekannt ist – regelmäßig Gründungskommanditistin der einzelnen Projektgesellschaften der „D-Gruppe“ ist.
68
Daran, dass sich die Beigeladene wie alle anderen Kommanditisten an dem vorgegebenen Konzept als überwiegend passiver Geldgeber beteiligt hat, ändert nach Auffassung des Senats auch die Übernahme der (befristeten, Tz. 13) Bürgschaft vom 05.03.2014 gegenüber der Bank 1 über … € zur Sicherung aller Forderungen der Sparkasse gegenüber der Klägerin (aus Darlehen i.H.v. … € und Avalkredit i.H.v. … €, die die Bürgschaft vom 17.02.2014 ersetzte (Tz. 13), nichts. Zwar trug sie dadurch ein gegenüber den anderen Kommanditisten, die – soweit bekannt – keine solchen Bürgschaften eingegangen sind, höheres finanzielles Risiko, welches allerdings bei einer GmbH & Co. KG wiederum überschaubar gewesen sein dürfte. Zudem hat die Sparkasse bereits mit Schreiben vom 22.04.2014 mitgeteilt, dass die Bürgschaft erloschen sei. – Dies ändert aber nichts daran, dass sie auf das Konzept als solches nicht mehr Einfluss nehmen konnte als die anderen Kommanditisten. Sie hat eben nicht einzelne Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung – sei es von Anfang an oder in Abwandlung des zunächst vorgefertigten Konzepts – selbst vorgegeben und damit das Konzept nicht nur unwesentlich mitbestimmt.
69
5.1.3. Aus der Perspektive des Anbieters – der Anleger muss nach der BFH-Rechtsprechung ja nicht einmal von dieser Möglichkeit wissen! – wurde den Kommanditisten die Möglichkeit der Verlustverrechnung „geboten“. Das vorgefertigte Konzept war insofern (auch) auf die Erzielung negativer Einkünfte ausgerichtet, als sein wirtschaftlicher Erfolg (auch) auf entsprechenden Steuervorteilen aufbaute. Das gilt insbesondere für die Beigeladene, die als damals einzige Kommanditistin im Jahr 2012 von dem aus der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags herrührenden Verlustes profitieren sollte. Im Vordergrund stehen muss die Erzielung negativer Einkünfte nicht. Nicht erforderlich ist es auch, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv wirbt.
70
5.2. Dass die negativen Einkünfte darauf beruhen, dass die Klägerin den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG in Anspruch genommen hat, hindert die Anwendung des § 15b EStG nicht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 3 EStG ist es – entgegen der Auffassung des Klägervertreters – ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BStBl II 2019, 513, Rz. 28) zu berücksichtigen, dass der Inanspruchnahme degressiver AfA und von Sonderabschreibungen die Ausübung von Wahlrechten zugrunde liegt. Soweit durch die Ausübung steuerlicher Wahlrechte Verluste generiert werden, kann dies ein Indiz dafür sein, dass das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausgerichtet ist. (Vor allem, wenn sonst keine negativen Einkünfte entstünden, die mit späteren Gewinnen verrechnet werden könnten.) Deshalb hat sich der BFH im vorgenannten Urteil ausdrücklich nicht der in Teilen des Schrifttums und vom FG Münster im Urteil vom 24.11.2015 12 K 3933/12 F, EFG 2016, 362 vertretenen Auffassung angeschlossen, dass prognostizierte Verluste, die auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden beruhen, nicht zur Anwendung des § 15b EStG führten.
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Das Gleiche muss für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags durch die Klägerin im Jahr 2012 gelten, da es sich dabei ebenfalls um die Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts handelt, das zur Entstehung von Verlusten führt.
72
5.2.1. Gemäß § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2012 geltenden Fassung können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). – Weitere Voraussetzungen siehe Satz 2. – Abzugsbeträge können gemäß Satz 3 der Norm auch dann in Anspruch genommen werden, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht. Die Summe der Beträge, die im Wirtschaftsjahr des Abzugs und in den drei vorangegangenen Wirtschaftsjahren nach Satz 1 insgesamt abgezogen und nicht nach Abs. 2 hinzugerechnet oder nach Abs. 3 oder 4 rückgängig gemacht wurden, darf je Betrieb 200.000 € nicht übersteigen, § 7g Abs. 1 Satz 4 EStG. Im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsgutes ist der dafür in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag i.H.v. 40% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend hinzuzurechnen; die Hinzurechnung darf den nach Abs. 1 abgezogenen Betrag nicht übersteigen, § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG. Gemäß § 7g Abs. 7 EStG sind bei Personengesellschaften und Gemeinschaften – die als solche ja nicht Subjekt der Einkommensteuer sind – die Absätze 1 bis 6 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft oder Gemeinschaft tritt.
73
5.2.2. Der Investitionsabzugsbetrag ermöglicht das Vorverlagern von Abschreibungspotential in ein Wirtschaftsjahr vor der Anschaffung/Herstellung des betreffenden Wirtschaftsguts. Die Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG führen zu einem (weiteren) beachtlichen Vorziehen des Abschreibungspotentials. B. Wege dieser indirekten Wirtschaftsförderung verbessern die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe, erhöhen deren Liquidität, erleichtern die Eigenkapitalbildung und stärken auf diese Weise die Investitions- und Innovationskraft. (Vgl. Lambrecht, in Kirchhof EStG, 11. Aufl. 2012, § 7g Rz. 1). Der Investitionsabzugsbetrag wird in der Weise gewinnmindernd geltend gemacht, dass der Steuerpflichtige ihn außerbilanziell in die Gewinn- und Verlustrechnung einstellt. Das buchmäßige Erfassen einer Rücklage entfällt. Im Regelfall wird er mit Abgabe der Steuererklärung geltend gemacht. (Lambrecht, in Kirchhof EStG, 11. Aufl. 2012, § 7g Rz. 12).
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5.2.3. Nach Auffassung des Senats kann es keinen Unterschied machen, dass der Investitionsabzugsbetrag außerbilanziell wirkt, während die Sonder-AfA in geminderten Bilanzansätzen oder in den betreffenden Gewinnminderungen im Rahmen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zum Ausdruck kommt. Im Ergebnis ist ein steuerlicher Verlust ein steuerlicher Verlust.
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5.3. Die Nichtaufgriffsgrenze des § 15b Abs. 3 EStG ist im Streitfall deutlich überschritten. Das gilt auch für die Beigeladene, die mit … € an der Klägerin beteiligt ist. Die Ertragsprognose für den Anleger (Prospekt S. xx) weist für einen Kommanditanteil i.H.v. … € im Jahr 2013 einen Ergebnisanteil des Gesellschafters i.H.v. ./. … € aus, das sind ./. … % des eingebrachten Eigenkapitals.
76
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
77
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.