Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 01.02.2023 – W 5 S 23.100
Titel:

Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für Betrieb einer Wettvermittlungsstelle

Normenketten:
AEUV Art. 49, Art. 56
GG Art. 3, Art. 12, Art. 14
GlüStV 2021 § 4, § 9 Abs. 4 S. 2, § 21a
BayAGGlüStV Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2
BayVwVfG Art. 36 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
Leitsätze:
1. Nebenbestimmungen – wie Befristungen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG) – können zwar grundsätzlich isoliert angefochten werden; die isolierte Aufhebung im Rahmen einer Anfechtungsklage ist jedoch nur möglich, wenn nicht eine isolierte Aufhebbarkeit von vornherein ausscheidet, weil der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung nicht sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben rechtmäßigen aktiven Duldung des Weiterbetriebs einer Spielhalle, die der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Erlaubnisverfahrens sowie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes dient, ist aufgrund der Verwaltungsakzessorietät des § 284 Abs. 1 StGB und § 28a Abs. 1 Nr. 1 GlüStV 2021 eine das Straf- und Ordnungswidrigkeitenunrecht ausschließende Wirkung beizumessen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Abstandsgebot stellt einen zulässigen und verhältnismäßigen Eingriff in die in Art. 49 und Art. 56 AEUV garantierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar und genügt insbesondere dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot. (Rn. 42 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
4. An der Verfassungsmäßigkeit der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 BayAGGlüStV bestehen im Hinblick auf Art. 12 GG, Art. 14 GG und Art. 3 GG keine durchgreifenden Bedenken (Rn. 54 – 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Glücksspielrecht:, Mindestabstand von einer Wettvermittlungsstelle zu Schulen, Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie zur Suchtberatung;, Ausnahme;, Befristung bis zum 31. Dezember 2022;, glücksspielrechtliche Erlaubnis, Befristung, Nebenbestimmungen, Anfechtbarkeit, Wettvermittlungsstelle, Duldung, Abstandsgebot, Mindestabstand, Kohärenzgebot, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8564

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle und begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Hauptsacheklage, hilfsweise die Duldung des Weiterbetriebs bis zur Entscheidung in der Hauptsache.
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1. Die Antragstellerin ist Sportwettvermittlerin. Sie ist die Betreiberin der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle B., 6. E. Der Veranstalter ... hat mit Schreiben 2. November 2020 für die Antragstellerin die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle beantragt. Vorgelegt wurden mit dem Antrag in der Folge u.a. der Wettvermittlungsvertrag der Antragstellerin mit dem Veranstalter, der Konzessionsbescheid, das Sozialkonzept, ein Führungszeugnis, eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis, eine vom Finanzamt erstellte Bescheinigung bezüglich der steuerlichen Unbedenklichkeit sowie ein Gewerbezentralregisterauszug. Mit E-Mail vom 31. Mai 2022 wies die Regierung von Unterfranken den Bevollmächtigten der ... darauf hin, dass einer über den 31. Dezember 2022 hinausgehenden Erlaubniserteilung ein Konflikt mit einer Einrichtung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV, im konkreten Fall mit der G. der Gemeinde E. … … (.*), entgegenstünde. Der Bevollmächtigte nahm mit Schreiben vom 8. Juli 2022 hierzu Stellung.
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Mit Bescheid vom 20. Juli 2022 erlaubte die Regierung von Unterfranken der Antragstellerin (Erlaubnisinhaberin), in der Wettvermittlungsstelle B., 6. E. … …, Sportwetten an den mit Konzession des Regierungspräsidiums D. vom 9. Oktober 2020 (Gz. RPDA – Dez. III 34 – 73 c 38.01/6 – 2019/4) erlaubten Veranstalter ... im dort erlaubten Umfang zu vermitteln (Ziffer 1). Diese Erlaubnis wurde widerruflich erteilt (Ziffer 2). In Ziffer 3 des Bescheids ist geregelt, dass die Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 gilt (Satz 1) und die Erlaubnis mit Beendigung des Wettvermittlungsvertrags oder mit dem Verlust der Konzession des Veranstalters erlischt (Satz 2). Ziffer 4 des Bescheids enthält weitere Nebenbestimmungen.
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Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Erlaubnis befristet mit Nebenbestimmungen habe erteilt werden können. Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 sei eine Erlaubnis widerruflich zu erteilen und zu befristen. Im vorliegenden Fall stehe der Erlaubniserteilung Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Danach sei der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV auch zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt würden ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richteten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen könne. Innerhalb des 250 m-Radius um die Wettvermittlungsstelle befinde sich die …, wobei insbesondere der Eingangsbereich innerhalb des Abstandsbereiches liege. Der erforderliche Mindestabstand von 250 m Luftlinie zur G. E. sei somit nicht eingehalten. Der Kreis der schutzwürdigen Einrichtungen sei mit Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ausreichend und abschließend benannt. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Antragstellerin sei bezüglich einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der bestehenden Schule für Kinder und Jugendliche, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richte, keine abweichende Beurteilung geboten, da es sich bei einer G. sowohl nach dem Wortlaut der Norm als auch bei deren systematischer Auslegung und vor dem Hintergrund der Gesetzeshistorie um eine bestehende Schule für Kinder und Jugendliche i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, 1. Fall AGGlüStV handele. Der Gesetzgeber habe gerade G. vom Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, 1. Fall AGGlüStV umfasst gesehen, vgl. Protokollauszug, 48. Plenum, 28.5.2020, des Bayerischen Landtags, S. 5 f.. Eine Ausnahme von dieser Mindestabstandsregelung erteile die Regierung von Unterfranken bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht. Der Weg zwischen den beiden Örtlichkeiten sei ohne große Beschwerlichkeiten zu bewältigen. Ferner seien auf der Verbindungsstrecke keine natürlichen Geländehindernisse oder andere Sonderverhältnisse gegeben, die eine andere Sichtweise erforderten als die pauschalisierende Bemessung des Abstands mittels Luftlinie. Die Wettvermittlungsstelle befinde sich unmittelbar in Sichtweite der Schule; durch ihre zentrale Lage am Bahnhof sei sie direkt am hochfrequentierten Schulweg zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Schulinstitut angesiedelt. Ein atypischer Einzelfall im Sinne besonderer örtlicher Verhältnisse, der ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen könnte, liege daher nicht vor. Aus diesem Grund müsse hier das Interesse des Wettvermittlers hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels zurückstehen.
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Die Regierung habe überdies die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV uneingeschränkt anzuwenden. Ihr stehe als Verwaltungsbehörde keine Normverwerfungskompetenz zu. Des Weiteren habe weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Normen festgestellt, noch habe ein nationales Gericht einen Anwendungsvorrang der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit bezüglich dieser Regelungen angenommen. Eine Verfassungs- bzw. Unionsrechtswidrigkeit liege auch nicht offensichtlich auf der Hand. Die Regelungen seien vielmehr verfassungs- und unionsrechtsmäßig. Insbesondere genügten sie dem Gebot der Normenklarheit und der Transparenz. Der Feststellung eines Versagungsgrundes nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV stehe auch kein Bestandsschutz der Wettvermittlungsstelle entgegen. Der Bestandsschutz ergebe sich nicht einfachgesetzlich, da Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV i.V.m. Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV aufgrund der Duldung vom 12. Juni 2020 keinen Bestandsschutz über den 31. Dezember 2022 hinaus vorsehe. Auch aus dem zeitweisen unionsrechtswidrigen Fehlen eines transparenten Erlaubnisverfahrens lasse sich nicht folgern, dass jede vor dessen Einführung ausgeführte Vermittlungstätigkeit dauerhaften Bestandsschutz genießen müsste. Des Weiteren rechtfertige auch das Vorbringen des Bevollmächtigten bezüglich des Erfordernisses einer Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen der Antragstellerin keine abweichende Beurteilung. Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV könne die Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen. Als Lage des Einzelfalls sei insoweit bereits nach einer allgemeinen Wortbedeutung die Örtlichkeit zu verstehen, an der die Wettvermittlungsstelle in Bezug auf ihre Umgebung liege. Lediglich im Rahmen der befristeten Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV berücksichtige der Gesetzgeber ergänzend wirtschaftliche Interessen von bestehenden und geduldeten Wettvermittlungsstellen. Aufgrund der Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV könne die Erlaubnis aber befristet bis zum 31. Dezember 2022 erteilt werden. Die Länge der Frist richte sich nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV, wonach die Übergangsregelung mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft trete.
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Der Erlaubnisbescheid, der zunächst unter dem Datum „12.07.2022“ erlassen wurde, konnte ausweislich eines Aktenvermerks der Regierung von Unterfranken (Bl. 322 d.A.) aufgrund einer Adressänderung nicht an die Antragstellerin zugestellt werden. Daher wurde der Bescheid mit dem Datum „20.07.2022“ der Antragstellerin erneut am 29. Juli 2022 zugestellt.
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2. Gegen den Erlaubnisbescheid der Regierung von Unterfranken vom 12. Juli 2022 ließ die Antragstellerin am 12. August 2022 Klage erheben (Az. W 5 K 22.1287), über die noch nicht entschieden ist. In die Klage wurde mit Schriftsatz vom 18. August 2022 der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 20. Juli 2022 einbezogen. Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2023, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, ließ die Antragstellerin in der Hauptsache beantragen,
1. die Befristung bis zum 31. Dezember 2022 in Ziffer 3 Satz 1 der Entscheidung des Beklagten vom 12. Juli 2022 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung der Ziffer 3 Satz 1 der Entscheidung des Beklagten vom 12. Juli 2022 die erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle an dem Standort „B., 6. E. … …“ bis zum 30. Juni 2031 zu befristen,
3. hilfsweise die Erlaubnis jeweils bis zu einem angemessenen über den 31. Dezember 2022 hinausreichenden Zeitraum zu befristen,
4. weiter hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Befristung der Erlaubnis der Klägerin zu entscheiden,
5. höchsthilfsweise den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Juli 2022 die beantragte glücksspielrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle an dem Standort „B., 6. E. … …“ zu erteilen mit einer Frist bis zum 30. Juni 2031, aber jedenfalls bis zu einem angemessenen über den 31. Dezember 2022 hinausreichenden Zeitpunkt, jedenfalls aber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der ... auf Erteilung der Erlaubnis zu entscheiden.
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Im vorliegenden Verfahren ließ die Antragstellerin beantragen,
1. nach § 80 Abs. 5 VwGO analog festzustellen, dass die Klage gegen Ziffer 3 Satz 1 des Erlaubnisbescheids aufschiebende Wirkung hat und daher ein Vollzug gegen die Antragstellerin aufgrund angeblich fehlender Erlaubnis nicht zulässig ist;
2. hilfsweise, den Betrieb der Wettvermittlungsstelle vorübergehend weiter zu dulden bis zur Entscheidung in der Hauptsache.
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Zur Begründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vortragen: Es werde primär der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, hilfsweise der Antrag nach § 123 VwGO. Wenn eine isolierte Anfechtung statthaft sei, habe die Klage aufschiebende Wirkung. Soweit die Kammer bisher davon ausgehe, dass eine isolierte Aufhebung der Befristung ausscheide, da eine unbefristete glücksspielrechtliche Erlaubnis in Widerspruch zum glücksspielrechtlichen Regelungsmodell stehe, werde ein wesentlicher Gesichtspunkt übersehen. Die Antragstellerin habe die Klage auf Ziffer 3 Satz 1 der Entscheidung des Antragsgegners beschränkt. Die Befristungsregelung Ziffer 3 Satz 1 und Satz 2 laute allerdings in Gänze: „Diese Erlaubnis gilt bis zum 31. Dezember 2022. Die Erlaubnis erlischt mit Beendigung des Wettvermittlungsvertrags oder mit dem Verlust der Konzession des Veranstalters.“ Danach liege in Satz 2 weiterhin eine Befristung vor. Selbst wenn hier die Frist gemäß Ziffer 3 Satz 1 der Entscheidung bis zum 31. Dezember 2022 wegfallen sollte, würde die Erlaubnis weiterhin nur für den Zeitraum gelten, in dem die Konzession des Veranstalters gilt und der Vermittlungsvertrag besteht. Die Erlaubnis sei daher immer noch an die Befristung der Veranstalterkonzession gekoppelt. In der vorliegenden Standorterlaubnis stelle dies letztlich auch eine Befristung dar. Hierin liege insbesondere auch keine Bedingung nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG. Diese läge nur vor, wenn der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhinge. Dies sei aber nicht der Fall, weil die Befristung der Veranstaltererlaubnis nicht derart ungewiss sei. Außerdem sei es nicht das alleinige Rechtsschutzziel der Antragstellerin, überhaupt keine Befristung in die Erlaubnis aufzunehmen. Neben der isolierten Anfechtung der Befristung begehre die Antragstellerin auch die Verpflichtung zum Erlass einer angemessenen Befristungsregelung, die über den 31. Dezember 2022 hinausgehe. Auch insoweit komme der in dieser Verpflichtungsklage im Übrigen auch stets mitenthaltenen (isolierten) Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zu. Dies gebiete die Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG), da sonst regelmäßig während der Dauer des Gerichtsverfahrens vollendete Tatsachen geschaffen würden, so dass ein effektiver Rechtsschutz nicht möglich wäre.
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In der Sache werde hier letztlich der nicht eingehaltene Mindestabstand entgegengehalten. Währenddessen gebe es in Bayern für Spielhallen keine Mindestabstände. Bayern sei neben Niedersachsen das einzige Bundesland, in dem Spielhallen derart bevorzugt würden. Dies sei weder unter verfassungsrechtlichen Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) noch unter unionsrechtlichen Kohärenzgesichtspunkten (Art. 56 AEUV) gerechtfertigt. Die Abstandsregelungen für Wettvermittlungsstellen würden durch dieses Vorgehen bei den – weitaus gefährlicheren Spielhallen – konterkariert. Das Kriterium der Kohärenz gelte auch in nicht monopolisierten Bereichen des Glücksspielrechts. Selbst wenn es zutreffe, dass es keine Uniformität der Regelungen und auch keine Optimierung der Zielverwirklichung oder gar eine föderale Zuständigkeiten übergreifende Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen verlange, gebiete es aber gleichwohl Folgendes: Die Geeignetheit von Regelungen, die die Dienstleistungsfreiheit in einem Bereich einschränken, dürfe zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels nicht durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial konterkariert werden. Diese unionsrechtlich gebotene Kohärenzprüfung sei durch das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Vergleichs mit der bayerischen Spielhallenregulierung nicht ausreichend vorgenommen worden. Denn es bestünden gerade keine sachlichen Gründe, die Spielhallen zeitlich derart uferlos zu gestatten, die Wettvermittlungsstellen im Bestand aber bis zum 31. Dezember 2022 zu beschränken. Soweit argumentiert werde, dass die Ungleichbehandlung zu Spielhallen, die keine Abstände einhalten müssten, in der besonderen Empfänglichkeit von Kindern und Jugendlichen für Sportwetten begründet sei und dem Gesetzgeber eine der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle weitestgehend entzogene Einschätzungsprärogative zustehe, sei diese Auffassung in keiner Weise fachlich belegt. Sie dürfte offensichtlich falsch sein, insbesondere was die Betroffenen von Suchtberatungs- und -behandlungsstellen betreffe, in denen zu ca. 80% Kunden von Spielhallen wegen Glücksspielsucht behandelt würden. Es werde seitens der Gerichte dem Landesgesetzgeber damit nachträglich eine Begründung untergeschoben, die dieser selbst nicht vor Augen gehabt habe. Die Ungleichbehandlung erfolge ausschließlich deshalb, weil der bayerische Landesgesetzgeber die Spielhallen bevorzugen wolle. Diese sollten letztlich aus wirtschaftlichen Gründen erhalten bleiben. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung könne außerdem nicht in einer unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten gegeben sein. Denn Spielhallen seien wie Wettvermittlungsstellen in weiter Zahl verfügbar in Bayern. Sie hätten sich – schon allein aufgrund der baulichen Vorgaben zur Steuerung von Vergnügungsstätten – in den gleichen Bereichen angesiedelt wie Wettvermittlungsstellen, nämlich regelmäßig in Kern- und Mischgebieten. Die Verfügbarkeit von Spielhallen sei sogar noch weitaus verbreiteter als das Angebot in Wettvermittlungsstellen. Auch die Mindestabstände bei Spielhallen untereinander, die im Bestand aber überhaupt nicht umgesetzt würden, könnten nicht als maßgebliches Unterscheidungskriterium gelten. Wenn es im Jahr 2020 in Bayern noch 1.969 Spielhallenkonzessionen an 1.097 Standorten gebe, dann seien die Mindestabstände für Neukonzessionen letztlich ein „Papiertiger“, der nicht dazu führe, das Spielhallenangebot zu drosseln – wie es aber bei Wettvermittlungsstellen durch die strengen Mindestabstandsvorgaben vollzogen werde. Des Weiteren könne ein sachlicher Grund nicht in der Aufmachung der Betriebe liegen. Denn Spielhallen wie Wettvermittlungsstellen dienten hauptsächlich dem Glücksspiel. Dies bestimme auch ihr äußeres Erscheinungsbild. Der Schwerpunkt der Gewerbetätigkeit liege im Aufstellen und Bereithalten von Spielgeräten (Geldspielgeräten einerseits und Wettterminals andererseits). Die Spielanreize seien in Wettvermittlungsstellen nicht größer als in Spielhallen. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung könne auch nicht darin gesehen werden, dass die Spielhallen anderweitig strenger reguliert wären und deshalb bei ihnen aus Jugend- und Spielerschutzgesichtspunkten auf einen Mindestabstand verzichtet werden könnte. So dürfe die Erlaubnis in beiden Fällen nur erteilt werden, wenn die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen nach § 4 Abs. 3 GlüStV 2021, der Internetbeschränkungen nach § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2021, der Werbebeschränkungen nach § 5 GlüStV 2021, der Anforderungen an das Sozialkonzept nach § 6 GlüStV 2021 und der Anforderungen an die Aufklärung über Suchtrisiken nach § 7 GlüStV 2021 sichergestellt sei (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a bis e AGGlüStV und Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und b sowie d bis f). Auch im Übrigen gebe es weitgehend übereinstimmende Anforderungen, zum Teil strengere Vorgaben für Wettvermittlungsstellen. Es sei demnach nicht ersichtlich, dass die Jugend- und Spielerschutzvorgaben bei Spielhallen strenger seien als bei Wettvermittlungsstellen. Vielmehr seien Wettvermittlungsstellen zum Teil sogar noch weitreichenderen Regelungen unterworfen. So werde bezeichnenderweise auch in denjenigen Bundesländern, in denen die Abstandsregelungen zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen gleichlaufend seien, gerade damit argumentiert, dass die Mindestabstandsregeln bei Wettvermittlungsstellen nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen seien, wie sie in der Rechtsprechung zur unions- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit entsprechender Abstandsregelungen zu Spielhallen entwickelt und geklärt worden seien.
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Nach alledem seien die unterschiedlichen Regelungen zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen im Bestand im Hinblick auf die Mindestabstände zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstätten weder aus Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) noch aus Kohärenzgesichtspunkten (Art. 56 AEUV) gerechtfertigt. Die Mindestabstands- und mit ihr die angegriffene Befristungsregelung sei deshalb offensichtlich unionsrechtswidrig und aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar im vorliegenden Verfahren.
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Im Übrigen verwies der Bevollmächtigte der Antragstellerin auf die Klagebegründung vom 3. Oktober 2022 im Hauptsacheverfahren W 5 K 22.1287. Darin führte er u.a. aus, dass des Weiteren ein Verstoß gegen Art. 12 GG vorliege. Ferner finde Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV vorliegend keine Anwendung. Die Regelungen in Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV und Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV seien in einer Zusammenschau vielmehr so zu verstehen, dass für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war, Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV keine Anwendung finde. Auch sei die Erlaubnis zwar zu befristen (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021). Die Frist müsse aber angemessen sein. Eine Befristung bis zum 31. Dezember 2022 sei offensichtlich nicht angemessen. Denn die Klägerin habe ihre Betriebe im Vertrauen auf die Ausübung ihrer Dienstleistungsfreiheit mit erheblichen Investitionen errichtet. Ein Betriebsverbot mit einer Übergangsregelung von nur 1 ½ Jahren sei offensichtlich nicht angemessen – wenn man bedenke, dass bereits den gefährlicheren Spielhallen bundesweit grundsätzlich 5 Jahre Übergangszeitraum eingeräumt worden sei, der in Bayern kürzlich auf 19 Jahre erweitert worden sei. Eine entsprechende Befristung sei daher auch hier erforderlich. Darüber hinaus seien Grundschulen keine im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV relevanten Einrichtungen. Es bedürfe einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung der Norm. Im Rahmen einer solchen Auslegung könne die Abstandsregelung dann jedenfalls entsprechend reduziert werden auf solche Einrichtungen, die schützenswerte Besucher haben. Die außerbayerische Rechtsprechung nehme insofern unter Verweis auf Fachstudien an, dass erst die Zielgruppe der Minderjährigen ab dem 10. Lebensjahr besonders gefährdet sei. Jedenfalls bedürfe es hier der Erteilung einer Ausnahme. Bei einer G. sei zu beachten, dass eine Ausnahme dann eher in Betracht komme, wenn eine Gefährdung Minderjähriger im Hinblick auf ihr Alter ausgeschlossen sei bzw. – wenn überhaupt – allenfalls gering sei. Auch bestehe – anders als die Regierung wohl meint – auch keine direkte Sichtbeziehung; die Entfernung sei mit ca. 350 Metern Fußweg weit. Die Antragstellerin erkläre sich darüber hinaus auch bereit, auf jede werbliche Darstellung des Angebots nach außen hin zu verzichten. Vor diesem Hintergrund gingen keinerlei Gefahren von der Wettvermittlungsstelle aus, denen mit der Mindestabstandsregelung begegnet werden solle; jedenfalls seien diese nicht größer als bei den staatlichen ODDSET-Annahmestellen. Es handele sich bei der vorliegenden Wettvermittlungsstelle vor allen Dingen auch um einen baurechtlich genehmigten Bestandsbetrieb. Bei der Erteilung einer Ausnahme seien die grundfreiheitliche und die grundrechtliche Betroffenheit des Bestandsbetreibers angemessen zu berücksichtigen – hilfsweise unterstellt, dass die Regelung unionsrechts- und verfassungskonform sei. Die Antragstellerin habe daher für ihren Bestandsstandort mangels Gefährdung im vorliegenden konkreten Fall sowie des Verzichts auf Außenwerbung einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Ausnahme.
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3. Die Regierung von Unterfranken beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht: Für die (bedingt) beantragte Zwischenverfügung dürfte es unter Berücksichtigung des Schreibens der Regierung von Unterfranken vom 25. Januar 2023 an das Verwaltungsgericht, in dem zugesichert werde, bis zur Entscheidung im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von Vollzugs- bzw. Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen, bereits am Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Im Übrigen habe das Begehren des Antragstellers, im Wege eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO (analog) die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der anhängigen Anfechtungsklage gegen die Befristung in Ziffer 3 Satz 1 des Tenors im Bescheid vom 20. Juli 2022 zu erreichen, keine Aussicht auf Erfolg. Es fehle ungeachtet der Modifizierung der Klageanträge in der Hauptsache insoweit an der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs. Es sei gegen die Befristung bereits die isolierte Anfechtungsklage unzulässig, da die Befristung einer Wettvermittlungsstellenerlaubnis keine isoliert anfechtbare Nebenbestimmung sei. Im Bereich des Glücksspielrechts sei wegen § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 ohne eine ins Detail gehende Prüfung offensichtlich, dass ohne die Nebenbestimmung ein rechtswidriger Rest-Verwaltungsakt übrigbleibe. Die Ausführungen der Antragstellerpartei, dass insbesondere durch Satz 2 der Ziffer 3 weiterhin eine Befristung vorliege, gingen fehl. Der Satz „[d]ie Erlaubnis erlischt mit Beendigung des Wettvermittlungsvertrags oder mit dem Verlust der Konzession des Veranstalters[…]“ beinhalte hier nichts Anderes als zwei, von der Befristung des Satz 1 unabhängige auflösende Bedingungen der glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Bereits nach dem Wortlaut sei die Erlaubnis vom Bestand der Konzession des Veranstalters abhängig. Soweit diese befristet sei, könne der Fristablauf zum Ende der Konzession führen, unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Verlängerung müsse dies aber nicht der Fall sein. Ob eine Verlängerung seitens des Inhabers der Konzession beantragt werde, sei dessen Entscheidung vorbehalten und insoweit ein ungewisses Moment. Eine Befristung der Veranstalterkonzession stelle entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin jedenfalls nicht eine Befristung der Erlaubnis des Vermittlers im Rechtssinne dar.
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Im Übrigen wäre eine Anfechtungsklage gegen die Befristung zudem auch unbegründet. Die Befristung der Erlaubnis verletze die Antragstellerin nicht in eigenen Rechten, da die Befristung rechtmäßig sei. Nach der Rechtsprechung der bayerischen Verwaltungsgerichte sei eine Befristung vormals formal geduldeter Wettvermittlungsstellen aufgrund der Regelungen des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV bis zum 31. Dezember 2022 rechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen begegneten auch die Abstandsregelungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV in der bisherigen Rechtsprechung der bayerischen Verwaltungsgerichte keinen unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass diese Beurteilung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in den dort anhängigen Beschwerdeverfahren bestätigt werde. Durch die Rechtsprechung der bayerischen Verwaltungsgerichte sei zudem geklärt, dass die der Wettvermittlungsstelle entgegenstehende Einrichtung „…“ (. …, 6. E. … …*) eine Einrichtung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV sei und damit eine Erlaubnis nach dem 31. Dezember 2022 aufgrund der bereits im Erlaubnisbescheid ausgeführten Gründe, auf die hier verwiesen werde, nicht möglich sei, insbesondere auch, da vorliegend keine Ausnahme aufgrund eines atypischen Sonderfalls erteilt werden könne.
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Zu den Ausführungen der Antragstellerpartei bzgl. der vermeintlichen Unions- und Verfassungswidrigkeit der Mindestabstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüstV sei an dieser Stelle vorab erwähnt, dass die Regierung von Unterfranken als glücksspielrechtliche Erlaubnisbehörde im Regierungsbezirk Unterfranken die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV uneingeschränkt anzuwenden habe. Ihr stehe als Verwaltungsbehörde keine Normverwerfungskompetenz zu. Des Weiteren habe weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Normen festgestellt, noch habe ein nationales Gericht einen Anwendungsvorrang der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit bzgl. dieser Regelungen angenommen. Eine Verfassungs- bzw. Unionsrechtswidrigkeit liege auch nicht offensichtlich auf der Hand. Die Regelungen seien vielmehr verfassungs- und unionsrechtsmäßig. Insbesondere genügten sie dem Gebot der Normenklarheit und der Transparenz. Die mit den Regelungen verbundenen Eingriffe in die Grundrechte bzw. Grundfreiheiten seien durch Gründe des Allgemeinwohls, hier der Suchtprävention im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 und Art. 1 Abs. 1 AGGlüStV, gedeckt. Schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin stehe dem nicht entgegen. Die Regelungen und der Normvollzug verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz. Darüber hinaus habe sich die Rechtsprechung mit der unions- und verfassungsrechtlichen Konformität von Abstandsregelungen im Glücksspielrecht bereits im Zusammenhang mit dem in anderen Bundesländern seit längerem normierten Mindestabstand zwischen Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. und Spielhallen befasst. Auf diese Ergebnisse könne und solle hier im Grundsatz verwiesen werden, obgleich in Bayern nur ein Mindestabstand zwischen Spielhallen und nicht zu Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. vorgegeben werde (vgl. Art. 10 Abs. 3 AGGlüStV) sowie der GlüStV 2021 Neuregelungen beinhalte. Auch mache der Antragsgegner sich die umfänglichen rechtlichen Ausführungen der bayerischen Verwaltungsgerichte Augsburg, Regensburg, München und Würzburg zu eigen (vgl. VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 – 8 S 22.765 – juris Rn. 81 ff. sowie B.v. 29.7.2022 – Au 8 S 22.1487; VG Regensburg, B.v. 15.11.2022 – RN 5 S 22.1333 – juris Rn. 58 ff., VG München, U.v. 1.12.2022 – M 27 K 22.5658 – Rn. 16 sowie U.v. 1.12.2022 – M 27 K 22.5829 – Rn. 16; VG Würzburg, B.v. 10.1.2022 – W 5 E 22.1986), in denen die Gerichte sich detailliert zu allen von der Antragstellerin aufgebrachten Einwendungen äußern und im Ergebnis die Unionskonformität und Verfassungsmäßigkeit des hier anwendbaren Rechts darlegen. Im Übrigen sei auch auf die außerbayerische Rechtsprechung verwiesen, die sich mit der Thematik Abstandsregelungen betreffend Wettvermittlungsstellen befasse.
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Für den hilfsweise gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragten Regelung, nämlich über die in Ziffer 3 des Erlaubnisbescheids enthaltene Befristung zum 31. Dezember 2022 hinaus die Wettvermittlungsstelle betreiben zu dürfen, fehle es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Ein Anspruch, die Wettvermittlungsstelle über die o.g. Frist betreiben zu dürfen, ergebe sich aus den Ausführungen zur Begründung des Eilantrags vom 24. Januar 2023 nicht. Die glücksspielrechtliche Erlaubnis sei gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 zwingend zu befristen, da diese ohne Befristung nicht rechtmäßiger Weise bestehen bleiben könne. Eine Befristung über den 31. Dezember 2022 hinaus widerspräche zudem den gesetzlichen Regelungen des Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV.
18
4. Mit Schreiben vom 25. Januar 2023 an das Verwaltungsgericht, welches dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am gleichen Tag übermittelt wurde, sicherte die Regierung von Unterfranken für den Antragsgegner zu, bis zur Entscheidung im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von Vollzugs- bzw. Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.
19
5. Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (vgl. auch W 5 K 22.1287) sowie die Behördenakte Bezug genommen.
II.
20
Der Antrag ist im Hauptantrag unzulässig, im Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet.
21
1. Die Antragstellerin begehrt im Hauptantrag und damit primär die Feststellung, dass die Klage gegen die Befristungsregelung in Ziffer 3 Satz 1 des Tenors im Bescheid vom 20. Juli 2022 aufschiebende Wirkung entfaltet und daher ein Vorgehen gegen die Antragstellerin im Wege des Vollzugs bzw. der Vollstreckung nicht zulässig ist. Ein solcher Antrag erweist sich als nicht zulässig.
22
1.1. Streitgegenstand ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 20. Juli 2022. Die Regierung von Unterfranken hat den ursprünglichen Bescheid vom 12. Juli 2022 insofern abgeändert, als die neue Adresse der Antragstellerin erfasst wurde. Unter dieser Adresse erfolgte schließlich die förmliche Zustellung. Gleichzeitig ist damit davon auszugehen, dass mit der Erstellung des Bescheids vom 20. Juli 2022 der ursprüngliche Bescheid vom 12. Juli 2022, der nicht förmlich zugestellt werden konnte und an die Behörde zurückgesendet wurde (vgl. Bl. 322 ff. d.A.), „aus der Welt geschafft“ werden sollte, womit letztlich eine konkludente Aufhebung verbunden ist.
23
1.2. Es handelt sich vorliegend um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO analog gerichtet auf die Feststellung, dass die Hauptsacheklage aufschiebende Wirkung hat. Es entspricht ganz h.M., dass ein solcher Antrag in Fällen der sog. faktischen Vollziehung statthaft sein kann, wenn Behörden trotz Einlegung eines Rechtsbehelfs Vollzugsmaßnahmen bereits getroffen haben oder solche Maßnahmen drohen (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 181; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 120 jeweils m.w.N.). Vorliegend hat die Regierung von Unterfranken zuletzt mit Schreiben vom 12. Januar 2023 gegenüber dem Bevollmächtigten der Antragstellerin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie seine Ansicht, die Anfechtung der Ziffer 3 Satz 1 der Erlaubnis habe aufschiebende Wirkung, nicht teilt und daher Maßnahmen der Glücksspielaufsichtsbehörden im Falle des illegalen Vermittelns von Sportwetten zu erwarten sind. Insofern ist die Annahme der Antragstellerseite berechtigt, dass Vollzugsmaßnahmen bzw. eine Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden unmittelbar bevorstehen.
24
1.3. Trotzdem stellt sich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im konkreten Fall nicht als statthaft dar. Zwar ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin sich gegen die Befristung der Erlaubnis wendet und primär zunächst eine unbefristete Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle anstrebt (vgl. angekündigter Klageantrag zu 1, S. 1 des Schriftsatzes des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 24. Januar 2023 im Verfahren W 5 K 22.1287). Dies kann jedoch nicht im Wege der isolierten Anfechtung der Befristung in Ziffer 3 Satz 1 des Tenors des streitgegenständlichen Erlaubnisbescheids erreicht werden, weswegen eine aufschiebende Wirkung einer zu erhebenden Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO ausscheidet.
25
Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
26
Nebenbestimmungen – wie Befristungen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG) – können zwar grundsätzlich isoliert angefochten werden. Die isolierte Aufhebung im Rahmen einer Anfechtungsklage ist jedoch nur möglich, wenn nicht eine isolierte Aufhebbarkeit von vornherein ausscheidet, weil der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung nicht sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 22.11.2000 – 11 C 2.00 – BVerwGE 112, 221 = juris Rn. 25). Daran hat sich auch im Zuge der neueren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Problematik der Anfechtung von Nebenbestimmungen nichts geändert (vgl. 4. Senat des BVerwG, B.v. 29.3.2022 – 4 C 4/20 – juris sowie 8. Senat des BVerwG, U.v. 6.11.2019 – 8 C 14.18 – BVerwGE 167, 60 = juris und B.v. 12.10.2022 – 8 AV 1/22, 8 AV 1/22 (4 C 4/20) – juris). Der 4. Senat des BVerwG, dem sich schließlich auch der 8. Senat angeschlossen hat, stellt hierzu nochmals deutlich heraus, dass „maßgeblich ist, ob zwischen der Nebenbestimmung und dem eigentlichen Inhalt des Verwaltungsakts ‚ein Zusammenhang besteht, der die isolierte Aufhebung ausschließt‘. […] Es ging stets darum, ob die Genehmigung (Begünstigung) ohne die belastende Nebenbestimmung rechtswidrig wäre bzw. erteilt werden dürfte. Das heißt, die Formulierung‚ sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann‘ zielt darauf, ob die Rechtsordnung eine Genehmigung (Begünstigung) ohne die angefochtene Nebenbestimmung erlaubt. […] Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der verbleibende Verwaltungsakt über die in Zusammenhang mit der Nebenbestimmung stehenden rechtlichen Anforderungen hinaus in jeder Hinsicht rechtmäßig ist oder ein Anspruch auf seinen Erlass besteht“ (BVerwG, B.v. 29.3.2022 – 4 C 4/20 – juris Rn. 9).
27
Übertragen auf den vorliegenden Fall einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis bedeutet dies, dass entscheidend für die Frage der materiellen Teilbarkeit von Verwaltungsakt und Nebenbestimmung ist, ob die Rechtsordnung eine glücksspielrechtliche Erlaubnis auch ohne Befristungsregelung kennt, und nicht, ob eine solche im Übrigen rechtmäßig ist oder ein Anspruch auf die Erlaubnis besteht. Der Antragsgegner weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 die Befristung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis zwingend vorsieht, womit eine Erlaubnis ohne Befristungsregelung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist und somit auch die materielle Teilbarkeit von Hauptverwaltungsakt und Nebenbestimmung ausscheidet. Eben dadurch wird verhindert, dass „das Gericht eine neue Rechtswidrigkeitslage herbeiführt, die es selbst nicht beseitigen kann“ (BVerwG a.a.O. mit Verweis auf Bumke, FS Battis, 2014, S. 177, 188 und Sproll, NJW 2002, 3221, 3222). Dies gilt ungeachtet der Frage, ob es sich bei Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV um eine „Befristungsregelung“ im eigentlichen Sinne handelt oder nur um eine ermessenslenkende Bestimmung. Die glücksspielrechtliche Erlaubnis ist eben in jedem Fall nur mit einer Befristungsregelung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 denkbar.
28
Der Einwand der Antragstellerseite, dass in Ziffer 3 Satz 2 des Tenors des streitgegenständlichen Erlaubnisbescheids eine Befristungsregelung gemäß Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG auch bei Aufhebung von Satz 1 weiterhin vorliege, greift nicht durch und führt zu keinem anderen Ergebnis. Entscheidend dafür, ob eine Befristung als Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt vorliegt, ist die Vorstellung der Behörde (Tiedemann in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 57. Ed. Stand: 1.7.2022, § 36 Rn. 42). Die zuständige Regierung von Unterfranken hat diesbezüglich klar zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der Befristung bis zum 31. Dezember 2022 in Ziffer 3 Satz 1 ihrer Verpflichtung als zuständiger Behörde aus § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nachkommen wollte. Jeder unbefangene Betrachter muss daher den Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Bescheids nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) so interpretieren, dass in Ziffer 3 Satz 1 die Geltungsdauer der Erlaubnis im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 geregelt ist und Ziffer 3 Satz 2 eben nicht dem Befristungserfordernis geschuldet ist. Vielmehr ging es der Regierung von Unterfranken als der den Bescheid erlassenden Behörde mit Ziffer 3 Satz 2 darum zu verhindern, dass eine Erlaubnis für das Vermitteln nicht erlaubter Glücksspiele erteilt wird (vgl. S. 10 des Bescheids vom 20.7.2022 unter 2.2 der Gründe). Zugrunde liegt die zutreffende Feststellung, dass gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021 und Art. 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AGGlüStV eine Erlaubnis nicht für das Vermitteln nach dem Glücksspielstaatsvertrag nicht erlaubter Glücksspiele erteilt werden darf und es aus diesem Grund „verhältnismäßig [ist], dass die Erlaubnis auch beim Verlust der Konzession des Wettveranstalters endet, zumal eine Erlaubnis zur Vermittlung von Glücksspielen eine Erlaubnis zur Veranstaltung dieser Glücksspiele voraussetzt“ (vgl. S. 10 des Bescheids vom 20.7.2022 unter 2.2 der Gründe).
29
Es handelt sich bei der Regelung in Ziffer 3 Satz 2 des Tenors des streitgegenständlichen Erlaubnisbescheids zudem nicht um eine Befristung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG, sondern um eine Bedingung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG. Die zuständige Behörde wollte im konkreten Fall eine auflösende Bedingung formulieren, nach welcher der Wegfall einer Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses (= Def. Bedingung) abhängen soll. Die Regierung von Unterfranken geht nämlich allgemein – d.h. losgelöst von einer „konkreten“ Konzession und einer diesbezüglich geregelten Befristung – von einer Kopplung der Geltung der Vermittlungserlaubnis an die Veranstalterkonzession aus. So knüpfen die Formulierungen „Beendigung des Wettvermittlungsvertrags“ und „Verlust der Konzession des Veranstalters“ gerade nicht (nur) an eine etwaige Befristung an, sondern an zukünftige ungewisse Ereignisse im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG.
30
Ebenso wenig geht mit der Befristung der Erlaubnis vom 20. Juli 2022 ein Entzug einer Rechtsposition der Antragstellerin im Sinne einer Verschlechterung des „individuellen rechtlichen status quo“ (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 10.10.2022 – 3 M 89/22 – juris Rn. 6) einher, welcher als Verwaltungsakt mit der Anfechtungsklage angegriffen werden könnte. Die Situation stellt sich vielmehr als teilweise Ablehnung einer beantragten Begünstigung dar. Ebenso wie bei jeder anderen Versagungsgegenklage ist dann in der Hauptsache ein Anspruch geltend zu machen. Soweit die Antragstellerseite ausführt, ihr gehe es nicht um eine „unbefristete“ Erlaubnis, sondern um eine „angemessene“ Befristung, und der in dieser Verpflichtungsklage im Übrigen mitenthaltenen Anfechtungsklage komme aufschiebende Wirkung zu, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist es in diesem Fall unstreitig, dass eine isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung dem klägerischen Begehren nicht gerecht wird. Im vorliegenden Fall scheidet eine Teilanfechtung aufgrund der materiellen Unteilbarkeit von Erlaubnis und Nebenbestimmung – wie soeben dargelegt – aus. Dem auf die Beifügung einer anderen, weniger belastenden Nebenbestimmung zielenden Begehren kann somit nur die (Teil-)Verpflichtungsklage auf Erlass einer neuen Nebenstimmung zum Haupt-Verwaltungsakt (unter Aufhebung der alten Nebenbestimmung) gerecht werden (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2022, § 36 Rn. 55b; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 25 und 28). Dieser kommt gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, sondern nur der (isolierten) Anfechtungsklage. Darüber hinaus wäre das Rechtsschutzziel der Antragstellerin, die Fortführung des Betriebs der Wettvermittlungsstelle über den 31. Dezember 2022 hinaus, mit der bloßen aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zu erreichen. Die Antragstellerin begehrt eben nicht nur, vor Beeinträchtigungen während des laufenden Klageverfahrens geschützt zu werden, sondern eine Erweiterung ihrer Rechtsposition über die bereits erteilte Erlaubnis hinaus, also eine Erweiterung ihres Rechtskreises. Hierfür bedarf es einer vorläufigen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO (so auch VG Stuttgart, B.v. 14.9.2021 – 18 K 3812/21 – juris Rn. 10 m.w.N.).
31
2. Der Hilfsantrag, den Betrieb der Wettvermittlungsstelle vorübergehend weiter zu dulden bis zur Entscheidung in der Hauptsache, ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zulässig.
32
Der Antrag ist statthaft als Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, da kein Fall der §§ 80 und 80a VwGO vorliegt (§ 123 Abs. 5 VwGO; vgl. hierzu oben unter 1.).
33
Auch besteht für einen solchen Antrag auf Duldung des Weiterbetriebs ein Rechtsschutzbedürfnis, da dem zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzziel, die Wettvermittlungsstelle (B. * in E.*) über den 31. Dezember 2022 hinaus legal betreiben zu können, schon dadurch genügt wird. Nach Ansicht der Kammer ist einer nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben rechtmäßigen aktiven Duldung des Weiterbetriebs einer Spielhalle, die der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Erlaubnisverfahrens sowie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes dient, aufgrund der Verwaltungsakzessorietät des § 284 Abs. 1 StGB und § 28a Abs. 1 Nr. 1 GlüStV 2021 eine das Straf- und Ordnungswidrigkeitenunrecht ausschließende Wirkung beizumessen (vgl. etwa auch VGH Bad.-Württ., B.v. 20.7.2021 – 6 S 2237/21 – juris Rn. 6 ff.; OVG NRW, B.v. 30.6.2022 – 4 B 1864/21 – juris Rn. 48).
34
3. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist jedoch unbegründet.
35
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Diese Voraussetzungen sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht gegeben. Dabei kann offenbleiben, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist. Die Antragstellerin hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
36
3.1. Die Antragstellerin begehrt gegenüber dem Antragsgegner die vorläufige Duldung des Betriebs der Wettvermittlungsstelle „B. * in E. … …“ über den 31. Dezember 2022 hinaus. Ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen den Antragsgegner steht der Antragstellerin jedoch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht zu.
37
Die – allerdings vor Inkrafttreten des hier anwendbaren GlüStV 2021 ergangene Rechtsprechung – geht davon aus, dass ein Anspruch auf Duldung eines formell illegalen Glücksspiels nur dann bestehen kann, wenn die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind und dies für die Behörde offensichtlich, das heißt ohne weitere Prüfung, erkennbar ist (siehe BVerwG, U.v. 16.5.2013 – BVerwG 8 C 14.12 = juris Rn. 54; OVG Lüneburg, B.v. 4.7.2018 – 7 ME 32/18 – NVwZ-RR 2018, 725 Rn. 21 ff.; VG München, B.v. 17.6.2015 – M 16 S 14.4667 – juris Rn. 17). Unabhängig von der Frage, inwiefern und in welchen Fällen eine „Duldung“ bei Zugrundelegung des GlüStV 2021 überhaupt noch vorgesehen ist (vgl. hierzu VG Gießen, B.v. 18.3.2022 – 4 L 207/22.GI – juris Rn. 36), steht der Erlaubniserteilung für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle über den 31. Dezember 2022 hinaus und damit im vorliegenden Verfahren einer Duldungsanordnung bis zur Hauptsacheentscheidung jedoch Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Im Einzelnen beruht dies auf folgenden Erwägungen:
38
3.2. Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 bedarf die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021. Das Nähere regeln ausweislich des § 21a Abs. 5 GlüStV 2021 die Ausführungsbestimmungen der Länder. Diese Ausführungsbestimmungen finden sich für den Freistaat Bayern im Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV vom 20. Dezember 2007, GVBl. 2007, 922; zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 22.4.2022, GVBl. S. 147). Nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 AGGlüStV bedarf das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele der Erlaubnis. Die weiteren Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung zum Betreiben von Wettvermittlungsstellen sind in Art. 7 AGGlüStV geregelt. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV besagt, dass der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 auch zu versagen ist, wenn Sportwetten vermittelt werden […] 4. ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen kann.
39
3.3. Die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV stellt sich nicht als unions- bzw. verfassungsrechtswidrig dar. Seitens der Antragstellerin wird vorgetragen, die geltenden glücksspielrechtlichen Regelungen würden gegen Europarecht – insbesondere gegen das Kohärenzgebot – wie auch gegen Verfassungsrecht verstoßen.
40
Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität der Abstandsregelung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV zwischen Wettvermittlungsstellen und Schulen bzw. Einrichtungen, die von Kindern, Jugendlichen und Suchtgefährdeten besucht werden, liegt noch keine ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Allerdings haben sich das Verwaltungsgericht Augsburg (VG Augsburg, B.v. 4.6.2022 – Au 8 S 22.765 – juris Rn. 81 ff. und B.v. 29.7.2022 – Au 8 S 22.1487 – bislang unveröffentlicht) und das Verwaltungsgericht Regensburg (VG Regensburg, B.v. 15.11.2022 – RN 5 S 22.1333 – juris Rn. 58 ff.) ausführlich mit diesen Fragestellungen auseinandergesetzt. Auch die Kammer hat kürzlich hierzu Stellung genommen (VG Würzburg, B.v. 10.1.2023 – W 5 E 22.1987 – juris). Auf diese Ausführungen wird zunächst ausdrücklich Bezug genommen.
41
Im Bereich der außerbayerischen Rechtsprechung sind vereinzelt Entscheidungen zu der Thematik der Abstandsregelungen betreffend Wettvermittlungsstellen ergangen (vgl. OVG NRW, B.v. 30.6.2022 – 4 B 1864/21 – juris; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris; VG Köln, U.v. 5.10.22 – 24 K 1472/21 – juris). Umfangreiche Rechtsprechung liegt dagegen zu Abstandsregelungen zwischen Schulen und Einrichtungen, die von Kindern und Jugendlichen besucht werden, und Spielhallen vor (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 – juris = BVerfGE 145, 20; BVerwG, U.v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 – juris = BVerwGE 157, 127; SächsOVG, U.v. 11.5.2016 – 3 A 314/15 – juris). Soweit seitens der Antragstellerin darauf verwiesen wird, dass die klare Rechtsprechung im Spielhallenbereich aufgrund einer abweichenden Gefahrenlage und anderer Rahmenbedingungen für den Bereich der Sportwetten nicht übertragbar sei, kann dem im Ergebnis nicht gefolgt werden. Zum einen entbindet die Sichtung der für den Spielhallenbereich bestehenden Rechtsprechung nicht von einer eigenständigen Prüfung anhand der Grundfreiheiten und Grundrechte, soweit Wettvermittlungsstellen betroffen sind; die ungeprüfte Übernahme der Argumentation und der Ergebnisse im Spielhallenbereich ist daher überhaupt nicht beabsichtigt. Zum anderen ist die Ausgangslage in wesentlichen Punkten vergleichbar, da es sowohl beim Betrieb von Spielhallen als auch beim Betrieb von Wettvermittlungsstellen um regulierte Teilbereiche des Glücksspielsektors geht, die gleichermaßen an den in § 1 GlüStV 2021 formulierten Zielen ausgerichtet sind und nicht per se verschiedenartig zu behandeln sind.
42
(a) Das Abstandsgebot stellt einen zulässigen und verhältnismäßigen Eingriff in die in Art. 49 und Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar und genügt insbesondere dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot. Die Ausgestaltung des Erlaubnisverfahrens ist auch im Übrigen nicht aus unionsrechtlichen Gründen zu beanstanden.
43
Mit den Regelungen betreffend die Erlaubnispflicht zum Betreiben von Wettvermittlungsstellen, namentlich den streitgegenständlichen Abstandsregelungen, wird in den Schutzbereich der genannten Grundfreiheiten eingegriffen. Da die Abstandsregelungen auch für Wettanbieter mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Union gelten, beeinträchtigen sie die Veranstalter, die Sportwetten in Deutschland anbieten, sowie mittelbar diejenigen, die dieses Angebot in Wettvermittlungsstellen vermitteln wollen. Die Abstandsregelungen haben jedoch nicht ein vollständiges Verbot, sondern (lediglich) eine räumliche Steuerung und damit ein punktuelles Verbot zum Gegenstand.
44
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Vielzahl von Entscheidungen, die ausdrücklich auch und gerade den Bereich von Glücksspieltätigkeiten betreffen, klargestellt, dass Beschränkungen der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit zulässig sind, wenn sie nicht diskriminierend sind, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. EuGH, U.v. 6.11.2003 – C-243/01 – juris Rn. 65; U.v. 22.6.2017 – C-49/16 unter Bezugnahme auf U.v. 8.9.2010 – C-46/08, ECLI:EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; U.v. 19.7.2012 – C-470/11 und U.v. 16.2.2012 – C-72/10 und C-77/10; EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 –; jeweils veröffentlicht unter juris). Soweit zugleich Art. 49 AEUV berührt ist, ergeben sich aus der Niederlassungsfreiheit keine weitergehenden Anforderungen als aus der Dienstleistungsfreiheit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 8 C 5/10 – juris Rn. 31).
45
Da die Vorschriften betreffend die Erlaubniserteilung für das Betreiben von Wettvermittlungsstellen gleichermaßen für Inländer wie für Ausländer gelten, sind Anhaltspunkte für eine diskriminierende Anwendung nicht ersichtlich.
46
Im Übrigen dürfen die Mitgliedstaaten ihre Glücksspielpolitik grundsätzlich ihrer eigenen Werteordnung entsprechend ausrichten und das angestrebte Schutzniveau selbst bestimmen. Bei der Festlegung der umzusetzenden Ziele und der Anforderungen, die sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben, steht den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum zu und sie sind nicht gehindert, den lokalen Behörden ein weites Ermessen einzuräumen (vgl. EuGH, U.v. 12.6.2014 – C 1567/13 – juris Rn. 32; U.v. 19.7.2012 – C-470/11; U.v. 8.9.2010 – C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07; jeweils juris).
47
Es ist daher Sache des Mitgliedstaates zu beurteilen sowie der mitgliedstaatlichen Gerichte zu prüfen, ob es im Zusammenhang mit den verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten, die die Veranstaltung von Glücksspielen betreffen, vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen ist (so EuGH, U.v. 22.6.2017 – C-49/16 unter Bezugnahme auf Urteil vom 8.9.2010 – C-46/08, ECLI:EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; U.v. 8.9.2010 – C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 – juris; U.v. 19.7.2012 – C-470/11; U.v. 16.2.2012 – C-72/10 und C-77/10 – jeweils auch veröffentlicht unter juris).
48
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben stellt sich die Abstandsregelung in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV als geeignet, erforderlich und angemessen dar. Die Problematik wurde vor allem im Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Juli 2022 (Au 8 S 22.765 – juris Rn. 81 ff.) umfassend aufgearbeitet. Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die Kammer an. Das Verwaltungsgericht Augsburg führt hierzu u.a. aus (vgl. VG Augsburg a.a.O. Rn. 87 ff.):
„Zur Überzeugung des Gerichts hat jüngst das Verwaltungsgericht Leipzig in seinem Beschluss vom 31. Januar 2022 (5 L 23/22) zur Rechtslage in Sachsen und einem mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbaren Sachverhalt zutreffend herausgearbeitet, dass ähnlich wie Geldspielgeräte in Spielhallen auch Sportwettangebote ein hohes Gefährdungspotenzial, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, besitzen und deshalb mindestens vergleichbare Maßnahmen rechtfertigen. Kinder und Jugendliche sollen vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Wettvermittlungsstellen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. geschützt werden. Dies gilt entsprechend auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen. Für jenen Ausgangspunkt des Gesetzgebers, der auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt (LT-Drs. 18/5861, S. 9), lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur hinreichende Belege finden. So weist schon der – von der Antragstellerin in Bezug genommene – aktuelle Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (BZgA-Forschungsbericht, „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland – Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends“, Januar 2020; abrufbar unter: www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/BZgA-Forschungsbericht _Gluecksspielsurvey_2019.pdf; zuletzt abgerufen am 8. Juni 2022) auf die von Sportwetten ausgehenden Gefahren hin. Dort wird verschiedentlich dargelegt und näher begründet, dass neben den Automaten- und Casinospielen auch Sportwetten ein erhöhtes Risiko für problematisches Spielverhalten aufwiesen (vgl. ebd., S. 13, 160). Während sich im Falle der Teilnahme an Lotterien vergleichsweise geringe Risiken einer Glücksspielproblematik ergäben, seien relativ deutliche Zusammenhänge zwischen Glücksspielautomaten, Casinospielen, Glücksspielen im Internet und Sportwetten zu finden. Für die besondere Vulnerabilität von Jugendlichen gebe es dabei verschiedene Erklärungsansätze. In Betracht komme eine besondere Experimentierfreudigkeit bzw. ein ausgeprägtes Risikoverhalten, eine hohe Verführbarkeit durch verbreitete Glücksspielangebote im Internet oder im öffentlichen Raum (Wettbüros, Sportbars usw.), aber auch eine scheinbar hohe Akzeptanz in der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 27). Angesichts dessen ist die Momentaufnahme eines generell starken Rückgangs der Glücksspielteilnahme Jugendlicher, auch ob der Suchtprävention, unerheblich (vgl. ebd.). Nach den aktuellen Zahlen liegt die 12-Monats-Prävalenz bei Automaten- und Casinospielen bei 4,1%, bei Sportwetten immerhin bei 2,2%. Nach einem langen Abwärtstrend der Prävalenz ist diese im Jahre 2019 erstmals wieder geringfügig angestiegen. In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen betrug sie für das Jahr 2019 14,5%, jeder siebte Angehörige dieser Altersgruppe hatte also in den letzten 12 Monaten an einem Glücksspiel teilgenommen (vgl. ebd., S. 72 ff.). Auch beim Korrespondenzverhalten zeigt sich das große Suchtpotenzial von Sportwetten. Denn Personen, die Sportwetten spielen, nehmen mehr als doppelt so häufig auch an Automatenspielen teil im Vergleich mit Personen, die Lotterien nachfragen (vgl. ebd., S. 80). Bei einer Betrachtung der glücksspielassoziierten Probleme ergibt sich, dass zwar Automaten- und Casinospiele als am gefährlichsten einzustufen sind, Sportwetten aber ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko besitzen und Lotterien das geringste Risiko einer Glücksspielproblematik aufweisen (vgl. ebd., S. 84). Knapp 10% aller Automaten- und Casinospieler zeigen ein mindestens problematisches Spielverhalten, 14,8% spielen auffällig bzw. risikoreich. Sportwetten weisen sogar einen noch höheren Anteil an mindestens problematischem Spielverhalten auf, der Unterschied ist aber nicht signifikant. Die Chance, bei Sportwetten auffällig bzw. risikoreich zu spielen, ist mithin signifikant erhöht. Lotterien (mit Ausnahme der Lotterie Keno) weisen insgesamt das geringste Gefährdungspotenzial auf (vgl. ebd., S. 90 f.). Bei der Lebenszeitprävalenz liegen alle Formen der Lotterien mit insgesamt 68,4% vor den Automaten- und Casinospielen mit insgesamt 30% und den Sportwetten mit insgesamt 6,6%. Auf einen Wert von 17,6% kommen Geldspielautomaten (vgl. ebd., S. 142). Bei den 12-Monats-Prävalenzen ist der Unterschied zwischen Automaten- und Casinospielen einerseits sowie Sportwetten andererseits jedoch wesentlich geringer mit 4,1 bzw. 2,2% (vgl. ebd., S. 143). Die Prävalenzen nach Altersgruppen gegliedert sind ebenso aussagekräftig. In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen haben danach 2,6% der Befragten bereits einmal an Geldautomaten gespielt, während es bei den Sportwetten sogar 2,8% sind. An Lotterien haben in dieser Altersklasse bereits 26% teilgenommen (vgl. ebd., S. 146 f.). Bei den Spielorten zeigen sich ähnliche Tendenzen: In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen haben 3,5% der Befragten in einer Lotto-Annahmestelle Glücksspiel betrieben, 0,1% in einer Spielhalle und immerhin 0,6% in einem Wettbüro oder auf der Rennbahn (vgl. ebd., S. 153). Im Internet lag der entsprechende Wert bei 2,6% (vgl. ebd., S. 153). Im Ergebnis zeigen sich bei einer Risikobewertung der Glücksspielformen sowohl bei Automaten- und Casinospielen einerseits wie auch Sportwetten andererseits deutlich erhöhte Werte auffälligen bzw. risikoreichen und mindestens problematischen Spielverhaltens, während diese bei den Lotterien wesentlich niedriger liegen (vgl. ebd., S. 160) (vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 61).
Der Antragsgegner hat zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Untersagung in Bezug auf die (etwaigen) wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin auf die gesetzgeberischen Ziele des § 1 GlüStV 2021, namentlich die Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie den Jugend- und Spielerschutz (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9) abgestellt. Im Lichte des weiten Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers, wie ihn auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Rechtsprechung anerkennt (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 – C-316/07 u.a. – Stoß – juris Rn. 91 f.), lagen damit unter Berücksichtigung des Vorstehenden hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse dazu vor, dass von Sportwetten mindestens vergleichbare Gefährdungen ausgehen wie von Spielhallen. Gerade auch die Prävalenzen in der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen zeigen ein ausgeprägtes Interesse dieser Altersklasse an Sportwetten. Deren Gefährdungspotenzial wird von der BZgA als hoch eingeordnet (vgl. auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 63).
Obzwar in der aktuellen Studie der BZgA nicht eigens betont wird, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Sportwetten und der Erreichbarkeit insbesondere für Kinder und Jugendliche im näheren Umfeld ihres täglichen Lebens gebe, kann insoweit jedoch auf die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und dem Spielverhalten bei Spielhallen zurückgegriffen werden (vgl. a.a.O.). Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen keine beachtlichen Unterschiede (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 64). Eine etwaig geringere „Anziehungskraft“ wegen des von der Antragstellerin angebotenen Verzichts auf Außenwerbung und -darstellung ändert an einer leichten und alltäglichen Erreichbarkeit nichts.
Dessen ungeachtet gilt es zu berücksichtigen, dass es dem Gesetzgeber mit dem Abstandsgebot nicht nur darum geht, eine tatsächliche Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Glücksspielen zu verhindern, welche auch bereits rechtlich ausgeschlossen ist. Spielhallen wie auch Wettvermittlungsstellen im täglichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen begründen – was entsprechend für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen gilt – darüber hinaus die Gefahr, dass Glückspiel als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen wird. Gerade auch dieser Wirkung soll entgegengetreten werden, zumal wenn Kinder und Jugendliche aufgrund der Schulpflicht oder Betroffene ob einer Suchtberatung/ -behandlung auf ihrem (S.)Weg zu Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen zwingend (respektive notwendig) einem Angebot an Sportwetten ausgesetzt sind; eine geringere „Anziehungskraft“ wird durch den von der Antragstellerin angebotenen Verzicht auf Außenwerbung sowie -darstellung nicht in dem gleichen Maße erreicht, sondern mag vielmehr den „Reiz des Verbotenen“ zu verstärken (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145, 20 Rn. 152 ff.; SächsOVG, B.v. 20.8.2019 – 6 B 295/18 – juris Rn. 9; B.v. 29.11.2019 – 6 B 143/18 – juris Rn. 68; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 64 m.w.N.). Auf diesen Gesichtspunkt bezogen sind keine Unterschiede zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen dergestalt auszumachen, als letzteren ein geringeres Gefährdungspotenzial zukäme. Gegenläufig kann wegen eines starken Bezugs zum Sport und deren Akteuren zur Überzeugung des Gerichts davon ausgegangen werden, dass Sportwetten, was die Gestaltung und Angebote angeht, noch deutlich attraktiver auf (sportbegeisterte) Kinder und Jugendliche wirken (können) bzw. sie solche in ihrem täglichen Umfeld entsprechend deutlich stärker wahrnehmen als Geldspielautomaten, was damit nicht nur vergleichbare, sondern insoweit „strengere“ Maßnahmen in Bezug auf Wettvermittlungsstellen zu rechtfertigen vermag (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. im Ansatz ebenso VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 64), zumal auch in der aktuellen Studie der BZgA 0,6% der befragten 16- und 17-jährigen angaben, bereits Wettbüro/ Rennbahn genutzt zu haben, während lediglich 0,1% Glücksspiel in einer Spielhalle betrieben hätten (vgl. ebd., S. 153). In höheren Altersgruppen kommt es dann zwar zu einer Angleichung beider Glücksspielformen (vgl. ebd.). Für Sportwetten gilt es allerdings zu beachten, dass viele (potentielle) Sportwetter meinen, sich durch ihr „(Sport-)Fachwissen“ besonders gut auszukennen und Sportwetten lediglich eingeschränkt als Glücksspiel wahrnehmen (vgl. ebd., S. 92). Vor diesem Hintergrund gelten obige Ausführungen auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen analog. Betroffene sind (unabhängig von der Sucht) im besonderen Maße – ähnlich wie auch Kinder und Jugendliche – für eine (solche) Kompetenzüberschätzung vulnerabel. Die Suchtprävention (§ 1 GlüStV 2021), die gegenüber vulnerablen Bevölkerungsteilen a priori besonderes Gewicht erfährt, rechtfertigt es, die insoweit spezifische Gefahr, ein Angebot an Sportwetten als Gut des täglichen Lebens wahrzunehmen, zu verhindern, zumal aufgrund eines (gesellschaftlich gemeinhin) „leichten“ Zugangs über den starken Bezug zum Sport und deren Akteuren.
(i) Der Einwand der Antragstellerin einer fehlenden wissenschaftlichen Grundlage (zur Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Mindestabstände) verfängt daher nicht. Dabei begegnet es insoweit auch keinen rechtlichen Bedenken, als die Bundesländer unter Umständen unterschiedliche Mindestabstände vorgeben. Zum einen hat der Gesetzgeber einen weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum. Zum anderen ist eine Festlegung unterschiedlicher Abstandsregelungen insbesondere in Bezug auf eine unterschiedliche Verbreitung des Sportwettangebots und länderspezifische Gegebenheiten unbedenklich (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145, 20 Rn. 111). Eine Unverhältnismäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Abstandsregelung von 250 m Luftlinie ist vor allem in Bezug darauf, Sportwetten nicht als Gut des alltäglichen Lebens wahrzunehmen, jedenfalls nicht ersichtlich.
(ii) Soweit die Antragstellerin eine Unverhältnismäßigkeit des Abstandsgebots auf die fehlende Differenzierung nach dem Alter der Kinder und Jugendlichen stützt, weil bei Einrichtungen für Kinder im Grundschulalter eine geringere Schutzbedürftigkeit bestehe, geht dieser Einwand fehl. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Schutzbedürftigkeit von Kindern in erheblichem Maße von der jeweiligen Altersstufe abhänge bzw. es fernliegend erscheine, dass etwa schon Kinder im Grundschulalter von den „Reizen“ des Sportwettangebots angezogen werden könnten (vgl. VG Arnsberg, B.v. 21.10.2013 – 1 L 395/13 – juris Rn. 11). Gegen ein solches Verständnis spricht bereits, dass das Abstandsgebot, gerade auch einem (frühzeitigen) Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen entgegenwirken will. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf kleinere Kinder, auch bereits im Grundschulalter (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 – 8 C 4.16 – juris Rn. 22; VG Köln, U.v. 10.9.2021 – 24 L 1199/21 – juris Rn. 28 f. m.w.N.). Unerheblich ist daher, dass Kindern und Jugendlichen der Aufenthalt ohnehin nicht gestattet ist. Dessen ungeachtet ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg – fußend auf der damaligen NRWGlüSpVO – ob des weiteren Beurteilungs- und Prognosespielraums des bayerischen Landesgesetzgebers bei seiner Regelung durch Parlamentsgesetz, soweit ersichtlich, nicht übertragbar (vgl. Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 80 Rn. 21 ff.). Die Abstandsregelung genügt auch dem Bestimmtheitsgrundsatz, insbesondere soweit sich die Regelung auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahre „richten“, erstreckt und damit hinreichend bestimmbar den geschützten Kreis nach dem Angebot bzw. Zuschnitt einer Einrichtung festlegt bzw. abgrenzt.
(iii) Auch unter den von der Antragstellerin angeführten Vertrauensschutzgesichtspunkten ist eine Unverhältnismäßigkeit nicht zu erkennen. Die Situation stellt sich insoweit deutlich anders dar, als bei der Schaffung der Abstandsregelungen für Spielhallen, die mit entsprechenden Übergangs- bzw. Befreiungsregeln (vgl. näher zum Hintergrund nur LT-Drs. 18/11128, S. 160 f.) einherging. Denn bei den Spielhallen wurde seinerzeit eine erstmalige glücksspielrechtliche Erlaubnispflichtigkeit geschaffen, die neben die gewerberechtliche Erlaubnispflicht nach § 33i GewO trat. Damit wurde bei Bestandsspielhallen in eine unanfechtbare, regelmäßig auch zeitlich unbefristete Genehmigung eingegriffen, aus der sich möglicherweise eine wehrfähige Rechtsposition ergeben könnte (vgl. hierzu etwa VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 76 m.w.N.). Vorliegend verhält es sich aber deutlich anders. Denn bereits der Glücksspielstaatvertrag vom 15. Dezember 2011 sah in § 10a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 die Erlaubnispflichtigkeit eines Betriebs von Wettvermittlungsstellen für Sportwetten vor. Letztlich konnten solche Erlaubnisse nicht erteilt werden, da das Konzessionierungsverfahren für die Veranstalter von Sportwetten nicht beendet wurde. Der Betrieb von entsprechenden Einrichtungen wurde deshalb mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts lediglich geduldet. Das bloße Absehen von einem repressiven Einschreiten gegen ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten lässt sich mit einer behördlichen Genehmigung, die eine Legalisierungswirkung für die von ihr erlaubte Tätigkeit entfaltet, indes nicht gleichsetzen (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 – 23 ZB 17.2446 – juris Rn. 45). Auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. u.a. OVG NRW, U.v. 23.1.2017 – 4 A 3244/06 – juris; B.v. 20.2.2017 – 4 B 609/16 – juris; B.v. 29.3.2017 – 4 B 919/16 – juris) steht dem nicht entgegen. Die Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da in Bayern keine rechtmäßigen Wettvermittlungsstellen bestanden. Ein Vertrauen auf den weiteren, längerfristigen oder gar zeitlich unbefristeten Betrieb der Wettvermittlungsstellen konnten Inhaber von Wettvermittlungsstellen nach alledem von vornherein nicht bilden. Vielmehr mussten sie jederzeit, insbesondere auch bei der aufgrund der Laufzeit absehbaren Verabschiedung eines neuen Glückspielstaatsvertrages, mit einer Änderung der Rechtslage und weitergehenden Anforderungen an den Betrieb der Wettvermittlungsstellen rechnen. Dies galt umso mehr, als in anderen Bundesländern, wie beispielsweise in Berlin, schon nach der alten Rechtslage Abstandregelungen für Wettvermittlungsstellen vorgesehen waren. Soweit die Betreiber vor diesem Hintergrund unter Berufung auf die unionsrechtswidrige Ausgestaltung des Sportwettmonopols und ihre Grundfreiheiten längerfristige Verbindlichkeiten eingingen oder größere Investitionen tätigten, geschah dies bewusst unter der Inkaufnahme des Risikos zeitnaher Rechtsänderungen, die zur Überwindung der im bisherigen System vorhandenen Defizite in jedem Fall erfolgen mussten. Insbesondere verlangt auch das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des damaligen Sportwettmonopols keine – und erst recht keine sofortige – Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es einem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 – 23 ZB 17.2446 – juris Rn. 35; vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 77). Daran gemessen bestand – ungeachtet eines etwaigen formalen Duldungsbescheids für Wettvermittlungsstellen, demgemäß Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV eine entsprechende Übergangsregelung vorsieht – kein (schutzwürdiges) Vertrauen von Betreibern einer Wettvermittlungsstelle, dem mit Blick auf die getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen durch angemessene Übergangs- bzw. Befreiungsregelungen zu begegnen gewesen wäre.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre die Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens mit der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs als LT-Drs. 18/5861 vom 28. Januar 2020 beseitigt worden, weil ein schutzwürdiges Vertrauen in die geltende Rechtslage bereits dann entfällt, wenn – wie hier ab 28. Januar 2020 – mit einer Neuregelung ernsthaft zu rechnen war (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145, 20 Rn. 199). Der bis zum Inkrafttreten der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV am 17. Juni 2020 (GVBl Nr. 17/2020, S. 287) jedenfalls „faktisch“ geschaffene Übergang von etwa vier Monaten erweist sich vor dem obigen Hintergrund als (noch) ausreichend. Innerhalb dieser Frist lassen sich in der Regel die mit der ggf. notwendigen Aufgabe des Betriebs verbundenen Maßnahmen, wie etwa die Kündigung von Arbeitsverträgen oder des Mietvertrages für Räumlichkeiten und Geräte ergreifen, jedenfalls hinreichend einleiten (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 77 zu einer neunmonatigen Frist). Dabei drohte wegen der Eingliederung in die Vertriebsorganisation eines Sportwettveranstalters außerdem lediglich in begrenztem Maße ein Verlust des Kundenstamms (vgl. ebd.). Ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen besteht gerade nicht (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145, 20 Rn. 199).
(iv) Entgegen dem Einwand der Antragstellerin liegt in diesem Kontext auch keine rechtswidrige Anknüpfung an den „Duldungsbescheid“ nach Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV vor. Wie bereits dargelegt konnten Betreiber einer Wettvermittlungsstelle im Grunde von vornherein kein (schutzwürdiges) Vertrauen bilden, dem mit Blick auf getroffene wirtschaftliche Dispositionen durch angemessene Übergangs- und Befreiungsregelungen wie im Spielhallenbereich zu begegnen gewesen wäre. Gleichwohl bestimmt die nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft tretende Regelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV, dass das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war, keine Anwendung findet. Aufgrund des damals gestoppten Verfahrens zur Erteilung der Konzessionen für Sportwettveranstalter konnten keine Erlaubnisse für Wettvermittlungsstellen erteilt werden. Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben insbesondere zur Zuverlässigkeit des Betreibers und zum Spielerschutz effektiver überprüfen zu können, hat Bayern im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Wettvermittlung für Wettvermittlungsstellen der Veranstalter, die im Konzessionsverfahren bereits die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben – insbesondere zur Zuverlässigkeit und zum Spielerschutz – nachgewiesen haben, die Möglichkeit eröffnet, eine formelle Duldung zu erhalten. Diejenigen Anbieter bzw. Betreiber der Wettvermittlungsstellen, die sich dem Duldungsverfahren freiwillig unterworfen haben, war durch die Schaffung einer Übergangsregelung insoweit zu begegnen, als im Vertrauen auf den Bestand des formalen Duldungsbescheids getätigte Investitionen in begrenzten Maße schutzwürdig sind (vgl. dazu auch LT-Drs. 18/5861, S. 12). Diesen alleinigen, rechtlich nicht zu beanstandenden Anknüpfungspunkt des Vertrauensschutzes sieht die Antragstellerin nicht. Die von ihr zitierte Judikatur (vgl. u.a. EuGH, U.v. 4.2.2016 – C-336/14 – Ince – juris; BayVGH, U.v. 8.3.2018 – 10 B 15.990 – juris; OVG NRW, U.v. 23.1.2017 – 4 A 3244/06 – juris; HessVGH, B.v. 29.5.2017 – 8 B 2744/16 – juris) zur Frage der Notwendigkeit der Teilnahme an einem Duldungsverfahren bzw. dessen Verfassungs- und Unionsrechtskonformität zieht die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Anknüpfungspunktes daher nicht in Zweifel.“
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Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an. Ergänzend zum Vorbringen der Antragstellerseite ist vorliegend nochmals zu betonen, dass den Mitgliedstaaten im Bereich des Glücksspielrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Soweit geltend gemacht wird, es fehle ein Gefahrennachweis, kann dem nicht gefolgt werden. Im Bereich staatlicher Monopolregelungen mag die Mitgliedstaaten eine weitgehende Ermittlungs- und Nachweispflicht treffen. Hier geht es jedoch um punktuelle Regelungen zur Tätigkeit von Wettvermittlungsstellen. Eine Verpflichtung, vor Erlass einer Maßnahme eine Untersuchung vorzulegen, die ihre Verhältnismäßigkeit belegt, existiert in diesem Zusammenhang nicht (so auch VG Köln, U.v. 5.10.2022 – 24 K 1472/21 – juris Rn. 334 ff.). Darüber hinaus dürfte es nach dem u.a. vom VG Augsburg (vgl. oben) Ausgeführtem unstreitig sein, dass Sportwetten grundsätzlich ein Gefährdungspotential mit Blick auf Kinder, Jugendliche und Suchtgefährdete aufweisen und eine Regelung, die die alltägliche Konfrontation mit Wettvermittlungsstellen und der Wettbetätigung einschränken, grundsätzlich geeignet ist, einem Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken. Im vorliegenden Fall einer Grundschule im maßgeblichen Radius um das Wettbüro besteht in der Folge auch keine Verpflichtung, die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV europarechtskonform (bzw. verfassungskonform) auszulegen in dem Sinne, dass Schulen, die sich an Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren richten, vom Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen sind. Die Einschätzung, dass eine Mindestabstandsregelung zur Bekämpfung der Spielsucht bei Minderjährigen über den Ausschluss ihres Zutritts hinaus auch erforderlich ist, überschreitet nicht den dem Landesgesetzgeber zustehenden weiten Beurteilungsspielraum. Wie das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 16.12.2016 – 8 C 4.16 – juris Rn. 22) zu einer ähnlichen Regelung im rheinland-pfälzischen Glücksspielrecht und in Bezug auf Spielhallen ausgeführt hat, gilt dies selbst im Hinblick auf den Schutz von kleineren Kindern davor, dass sie entweder allein oder in Begleitung einer Betreuungsperson im Umfeld ihrer Bildungs-, Freizeit- oder sonstigen Betreuungseinrichtungen mit Spielhallen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können. Gleiches muss für Wettvermittlungsstellen im Bereich der Sportwetten gelten, da nicht ersichtlich ist, dass das von Sportwetten ausgehende Spielsuchtrisiko derart geringfügig wäre, dass es vernünftigerweise keinerlei vorbeugenden Schutzes davor durch eine Mindestabstandsvorgabe zwischen allgemeinbildenden Schulen und Wettvermittlungsstellen bedürfen würde, oder dass die Regelung aus sonstigen Gründen nicht geeignet wäre, systematisch und kohärent zur Zweckerreichung beizutragen (so Sächs. OVG, B.v. 17.10.2022 – 6 B 62/22 – juris Rn. 34).
50
Insofern sieht die Kammer auch keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die Kohärenz der streitgegenständlichen Regelung. Das Kohärenzgebot besagt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV nur gerechtfertigt sind, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung der zu ihrer Rechtfertigung angeführten Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 09.2259 – juris Rn. 68 unter Hinweis auf: EuGH, U.v. 6.11.2003 – C-243/01 Gambelli u.a. – juris Rn. 67; EuGH, U.v. 10.3.2009 – C-169/07 Hartlauer – juris Rn. 55; EuGH, U.v. 8.9.2009 – C-42/07 Liga Portuguesa de Futebol Profissional – juris Rn. 61; EuGH, U.v 3.6.2010 – C-258/08 Ladbrokes Betting & Gaming – juris Rn. 21; vgl. auch BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 8 C 5.10 – juris Rn. 32). Außerdem dürfen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, um den unionsrechtlichen Anforderungen zu genügen, nicht in diskriminierender Weise angewandt werden (BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 09.2259 – juris Rn. 69; vgl. EuGH, U.v. 30.11.1995 – C-55/94 Gebhard – juris Rn. 37; EuGH, U.v. 6.11.2003 – C-243/01 Gambelli u.a. – juris Rn. 65; EuGH, U.v. 6.3.2007 – C-338/04 Placanica – juris Rn. 45; BVerwG, U.v. 1.6.2011 – C 5.10 – juris Rn. 32). Ein Mitgliedstaat darf somit nicht scheinbar legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere – namentlich fiskalische – Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können.
51
Die Anforderungen, die das Kohärenzgebot stellt (vgl. hierzu ausführlich VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 – Au 8 S 22.765 – juris Rn. 96 ff.), gehen jedoch nicht so weit, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, in einem regulierten Glücksspielmarkt für alle Glücksspielarten gleichförmige Regelungen zu treffen, d.h. etwa im vorliegenden Fall jegliches Glücksspielangebot in der Nähe von Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Suchtgefährdete auszuschließen. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin nennt diesbezüglich zuvörderst die Spielhallen, für die nach dem AGGlüStV keine derartigen Abstandsregelungen gelten.
52
Der Umstand, dass Spielhallen keinen Mindestabstand u.a. zu Schulen einhalten müssen, führt aufgrund des eigens für diesen Bereich bestehenden Regelungssystems, das seinerseits ineinandergreifende Vorschriften zum Schutz vor den Gefahren des Glücksspiels enthält (vgl. etwa Abstandsgebot von Spielhallen untereinander), nicht dazu, dass die Verwirklichung des mit dem hier streitgegenständlichen Abstandsgebot verfolgten Ziels aufgehoben würde (für den Bereich der Geldspielgeräte/Spielhallen vgl. OVG NRW, U.v. 10.3.2021 – 4 A 3178/19 – juris Rn. 56; VGH Baden-Württemberg, U.v. 10.2.2022 – 6 S 1922/20 – juris Rn. 87 m.w.N.). Der Bevollmächtigte der Antragstellerin verweist in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Sächs. OVG (vgl. B.v. 17.10.2022 – 6 B 62/22 – juris Rn. 38), wonach „die Geeignetheit von Regelungen, die die Dienstleistungsfreiheit in einem Bereich einschränken – hier bei Wettvermittlungsstellen –, zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels nicht durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höheren Suchtpotential konterkariert werden“ dürfe. In Bezug auf die Bestandsspielhallen lägen nach Ansicht der Antragstellerseite keine sachlichen Gründe vor, die Spielhallen zeitlich „derart uferlos“ zu gestatten. Dabei ist der Antragstellerseite im Ergebnis beizupflichten, dass der Spielhallensektor in einigen Punkten nicht so sehr reglementiert ist wie der Bereich der Wettvermittlungsstellen. Was die Antragstellerin jedoch weitgehend ausblendet, ist die Tatsache, dass es im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht darauf ankommt, die gesetzlichen Regelungen in den verschiedenen Bereichen des Glücksspiels im Einzelnen auf ihre Sinnhaftigkeit, Vergleichbarkeit und Regulierungsauswirkungen zu überprüfen. Das Sächs. OVG (a.a.O.) führt nämlich des Weiteren mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (bezüglich der Prüfung von Einschränkungen der Berufsfreiheit und deren konsequenter Ausrichtung auf die Bekämpfung von Spielsucht) aus, dass andere Glücksspielformen nur und „insbesondere“ dann einzubeziehen sind, „wenn der Gesetzgeber in einer Konfliktlage mit staatlicher Beteiligung am Spiel- und Wettmarkt (auch) eigene fiskalische Interessen verfolgt und die Glücksspielformen potentiell in Konkurrenz zueinander stehen (BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. – juris Rn. 122 f., 132 und 141 ff.; vgl. auch BVerwG, B.v. 1.8.2022 – 8 B 16.22 – juris Rn. 6)“. Das betrifft etwa den Bereich der staatlichen Spielbanken, nicht aber den der Spielhallenregulierung. Insofern muss es bei der Feststellung bleiben, dass die unterschiedliche Handhabung von Abständen, die im Gesetzgebungsverfahren durchaus thematisiert wurde (vgl. LT-Drs. 18/16499, Plenarprotokoll vom 16.6.2021, S. 6), der Einschätzungsprärogative des Landesgesetzgebers unterliegt und die verwaltungsgerichtliche Kontrolle insofern beschränkt ist (so auch VG München, U.v. 1.12.2022 – M 27 K 22.5829 – juris Rn. 16; VG Augsburg, B.v. 17.1.2023 – Au 8 S 22.2457 – n.v. Rn. 31). Dafür, dass aufgrund der unterschiedlichen Abstandsregelungen für Spielhallen und Wettvermittlungsstellen zu Schulen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen und Suchtberatungs- bzw. -behandlungsstellen das System der Glücksspielaufsicht, welches an den Zielen des § 1 GlüStV 2021 und insbesondere am Kinder- und Jugendschutz ausgerichtet ist, konterkariert würde, gibt es jedenfalls keinen Anhaltspunkt. Dementsprechend bedarf es für die Frage der Gefährlichkeit der einzelnen Glücksspiele und die Gefahren für Kinder und Jugendliche auch keiner weiteren fachlichen Belege im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen und Gutachten. Dass Sportwetten ein Suchtpotential enthalten, dürfte nach den vorliegenden Erkenntnissen unstreitig sein (vgl. etwa BZgA-Forschungsbericht, „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland – Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends“, Januar 2020). In der Folge obliegt es der Einschätzung des Gesetzgebers, ob und wie er mit Abstandsregelungen einem Gewöhnungseffekt von Kindern und Jugendlichen (vgl. VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 – Au 8 S 22.765 – juris Rn. 92) entgegenwirken will.
53
Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus der Öffnung des Online-Glücksspielmarktes. Das Online-Glücksspiel stellt sich als gänzlich andere, mit dem stationären Glücksspiel nicht vergleichbare Kategorie dar, die wiederum einem eigenständigen Regulierungssystem unterliegt (vgl. BayLT Drs. 18/14870, S. 1). Die Regelungen in §§ 6a ff. GlüStV 2021 erschweren insbesondere den Zugang zu dieser Glücksspielform für Kinder und Jugendliche erheblich.
54
(b) Auch an der Verfassungsmäßigkeit der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV bestehen im Hinblick auf Art. 12 GG, Art. 14 GG und Art. 3 GG keine durchgreifenden Bedenken (vgl. hierzu etwa VG Regensburg, B.v. 15.11.2022 – RN 5 S 22.1333 – juris Rn. 84 ff.).
55
Die Abstandsregelung greift als Berufsausübungsregelung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Derartige Regelungen sind bereits dann gerechtfertigt, wenn sie sich auf vernünftige Gründe des Gemeinwohls stützen lassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. auch BVerfG, B.v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13 – juris Rn. 52 = BVerfGE 141, 82). Es ist dabei vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12 – juris Rn. 53 f. m.w.N.). Gemessen hieran stellt sich die Abstandsregelung als verhältnismäßige Berufsausübungsregelung dar. Die Abstandsregelung verfolgt in erster Linie die Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes und ist – was bereits ausgeführt wurde – hierfür auch geeignet und angemessen. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Berufsausübung von Betreibern von Wettvermittlungsstellen ist für die betroffenen Gewerbetreibenden hinnehmbar, da sie ohne weiteres auf andere Standorte ausweichen können, bei denen kein Konflikt mit der geltenden Abstandsregelung besteht. Den betroffenen Unternehmen ist dies zuzumuten, weshalb eine gerechtfertigte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt. Insbesondere vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Standortkapazität für Wettvermittlungsstellen derart erschöpft ist, dass die Abstandsregelung faktisch eine Kontingentierung bewirkt und somit auch die Berufswahl einschränkt (so auch VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 – Au 8 S 22.765 – juris Rn. 110).
56
Auch im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG begegnet die geltende Abstandsregelung keinen Bedenken. Ein ungerechtfertigter Eingriff in die Eigentumsgarantie käme insoweit in Betracht, wenn der Gesetzgeber bei der Neuregelung Vertrauensschutzgesichtspunkte außer Acht gelassen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bereits an anderer Stelle wurde dargelegt, dass der bayerische Gesetzgeber für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt war, mit Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV eine Übergangsregelung geschaffen hat. Demnach findet die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV (zunächst) keine Anwendung. Darüber hinaus steht – anders als die Antragstellerin meint – ein formeller Bestandsschutz aufgrund der Duldung ihres Betriebs der Anwendung der Abstandsregelung nicht entgegen. In diesem Zusammenhang ist den Ausführungen des Antragsgegners zu folgen, der in der Antragserwiderung darlegt, dass in Folge der Rechtsprechung des EuGH zu den staatlichen Monopolen im Bereich der Sportwetten (EuGH, U.v. 4.2.2016 – C-336/14 (Ince), NVwZ 2016, 369) die Konzessionsverfahren nicht beendet wurden und eben keine glücksspielrechtlichen Erlaubnisse an die Vermittler erteilt wurden, auf deren Fortgeltung ein Vertrauen entwickelt werden könnte (vgl. oben unter 3.3.(a)).
57
Zuletzt vermag das Gericht auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Bereits im Rahmen der Ausführungen zum Kohärenzgebot wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung insbesondere zu Spielhallen und sonstigen Annahmestellen sachliche Gründe bestehen, die ihren Ursprung im jeweils vom Gesetzgeber gewählten Regulierungssystem haben (vgl. oben unter 3.3.(a)).
58
3.4. Schließlich stellt sich auch die Anwendung der Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 15 Abs. 2 und 16 Abs. 2 AGGlüStV im konkreten Fall, d.h. die Befristung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 in Ziffer 3 Satz 1 des Tenors im Bescheid vom 20. Juli 2022, als rechtmäßig dar.
59
(a) Die Regierung von Unterfranken hat zunächst zutreffend festgestellt, dass sich mit der … eine der in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV bezeichneten Einrichtungen innerhalb des Bereichs von 250 m Luftlinie zur streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle befindet und somit ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot zu verzeichnen ist. Darauf, ob eine Sichtbeziehung besteht, kommt es nach der gesetzlichen Regelung nicht an.
60
(b) Die Rechtsgrundlage für eine Befristung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 ist in Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG und §§ 9 Abs. 4 Satz 1, 4c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, 15 Abs. 2 sowie 16 Abs. 2 AGGlüStV zu sehen.
61
Demnach ist eine glücksspielrechtliche Erlaubnis zu befristen, wobei die Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten in der Regel für fünf bzw. sieben Jahre zu erteilen ist, in begründeten Fällen aber auch für eine kürzere Dauer festgelegt werden kann. Im vorliegenden Fall ist ein solcher begründeter Fall verwirklicht, da die in Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV vorgesehene Ausnahme vom Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV gemäß Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft tritt.
62
Dabei regelt Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV nicht lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV in dem Sinne, dass sich die Vorschrift überhaupt nicht zur Dauer einer nach § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 zu befristenden Erlaubnis verhält, sondern ist für die Frage der Befristungsdauer „ermessenslenkend“ dahingehend, dass die Geltung der Erlaubnis bei Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nicht über den 31. Dezember 2022 hinaus erstreckt werden kann. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV gibt im Rahmen der Auslegung der Vorschrift keinen Hinweis, so dass im Wesentlichen auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abzustellen ist. Zwar findet sich in den Erläuterungen zum Glückspielstaatsvertrag 2021 kein ausdrücklicher Hinweis auf den Sinn und Zweck der Befristungsregelung im Allgemeinen; dieser ist daher in den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages zu suchen. Der Sinn der Befristungsregelung in Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV ist dementsprechend, aber auch anhand der Gesamtkonzeption der Regelungen des AGGlüStV infolge des GlüStV 2021 zu bestimmen.
63
Der Neuregelung liegt u.a. die Annahme zugrunde, dass die Länder einen Begrenzungsauftrag für Wettvermittlungsstellen haben, der in Bayern durch die qualitativen Kriterien in Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV umgesetzt wird (vgl. Heimerl/Reiter, BayVBl. 2022, 837, 839). Die bisherige Befristung der Ausnahmeregelung bis zum 1. Juli 2021 war an der Geltungsdauer des vormaligen Glücksspielstaatsvertrages orientiert. Die Verlängerung der Geltung der Ausnahmeregelung bis zum 31. Dezember 2022 rechtfertigt sich mit Vertrauensschutzerwägungen. Insbesondere sollen zuverlässige Betreiber von Wettvermittlungsstellen in ihren, im Vertrauen auf den Bestand des Duldungsbescheids getätigten Investitionen geschützt werden (vgl. LT-Drs. 18/14870, S. 17). Hierbei stellt der Gesetzgeber einen eindeutigen Bezug des Vertrauensschutzgesichtspunkts zu dem Datum 31. Dezember 2022 her. Der Verweis in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf auf § 29 Abs. 3 GlüStV 2021, an welchem sich die Befristung in Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV orientiert, bekräftigt die vom Antragsgegner vorgenommene Auslegung der Art. 15 Abs. 2 und 16 Abs. 2 AGGlüStV. In § 29 Abs. 3 GlüStV 2021 ist geregelt, dass die bis zum Inkrafttreten dieses Staatsvertrages erteilten und am 30. Juni 2021 wirksamen Erlaubnisse für die Veranstaltung von Sportwetten, auch wenn im Bescheid eine kürzere Frist festgelegt ist, bis zum 31. Dezember 2022 als Erlaubnis mit der Maßgabe fortgelten, dass abgesehen vom Erlaubniserfordernis nach § 4 Absatz 1 Satz 1 die Regelungen dieses Staatsvertrages Anwendung finden. Spätestens zum 1. Januar 2023 ist gemäß § 29 Abs. 3 Satz 3 GlüStV 2021 eine neue Erlaubnis einzuholen. Das bedeutet mit Blick auf die hier vorliegende Fragestellung, dass nur bei einer Befristung bis zum 31. Dezember 2022 so ein Gleichlauf im Bereich der bis dahin fortgeltenden Erlaubnisse herbeigeführt werden kann. Mit der Verpflichtung zur Einholung neuer Erlaubnisse zum 1. Januar 2023 werden damit die Voraussetzungen für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für alle Betreiber von Wettvermittlungsstellen an der gesetzlichen Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ausgerichtet. Damit wird einerseits den gesetzlichen Anforderungen an die Einhaltung des Mindestabstandsgebots und damit dem Gesetzeszweck, insbesondere Kinder und Jugendliche vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen, und andererseits dem Vertrauensschutz zugunsten der Wettvermittler hinreichend genüge getan.
64
(c) Die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022, d.h. die Befristung einer Erlaubnis bis zu diesem Zeitpunkt, stellt sich auch im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung der Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 12 und 14 GG als rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig dar.
65
Zwar wurde für die betroffenen Wettvermittlungsstellen – wie hier –, die im Konzessionsverfahren bereits die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nachgewiesen haben, mit der Möglichkeit eines formellen Duldungsbescheids ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Es ist jedoch mit der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung zu konstatieren, dass die Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens zum einen dadurch begrenzt wird, dass in Bayern eben keine Erlaubnisse, sondern nur Duldungen ausgesprochen wurden und damit keine „rechtmäßigen“ Wettvermittlungsstellen bestanden. Zum anderen musste aufgrund der begrenzten Laufzeit des „alten“ GlüStV und spätestens mit der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs als LT-Drs. 18/5861 vom 28. Januar 2020 mit einer Neuregelung der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV gerechnet werden, womit sich ein Vertrauen der Inhaber auf einen längerfristigen oder unbefristeten Betrieb nicht bilden konnte (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 77; VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 – Au 8 S 22.765 – juris Rn. 93 f.). Dementsprechend ist den betroffenen Betreibern von Wettvermittlungsstellen zuzumuten, die erforderlichen Maßnahmen zu einer Betriebsaufgabe bzw. -verlagerung rechtzeitig einzuleiten (VG Augsburg a.a.O. Rn. 94).
66
3.5. Die Entscheidung, dass im vorliegenden Fall keine Ausnahme von dem Mindestabstandsgebot gewährt werden kann, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
67
Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV kann die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen. Wie der Antragsgegner zutreffend dargelegt hat, ist dabei auf die örtlichen Verhältnisse abzustellen, die sich durch Besonderheiten auszeichnen müssen. Dies ergibt sich zum einen aus der Formulierung „Umfeld des jeweiligen Standorts“ und „Lage des Einzelfalls“, zum anderen aus der Systematik innerhalb des Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV, in dem durchgehend auf örtliche Gegebenheiten abgestellt wird. Diesbezüglich ist jedoch kein atypischer Fall ersichtlich, weswegen die Regierung von Unterfranken zu einer möglichen Erteilung einer Ausnahme zu Recht keine weiteren Überlegungen angestellt hat. Insbesondere ist keine direkte Sichtbeziehung zwischen den Zugängen zu Wettbüro und Schule erforderlich. Soweit von Antragstellerseite geltend gemacht wird, im Rahmen der Erwägungen zu einer Ausnahmeerteilung hätte die Regierung von Unterfranken andere gleich geeignete und mildere Mittel wie die Anpassung der Außengestaltung oder der Öffnungszeiten in Betracht ziehen müssen, geht dies folglich ins Leere, da diese Aspekte schon aufgrund der gesetzlichen Regelung in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV mit dem Bezug auf die „örtlichen“ Verhältnisse keine Rolle spielen. Das gleiche gilt hinsichtlich des Arguments, dass vorliegend lediglich eine Grundschule betroffen ist und die Gefahren für Sechs- bis Zehnjährige hinsichtlich eines Gewöhnungseffekts gering sind.
68
4. Der Erlaubnisbescheid vom 20. Juli 2022 erweist sich mithin nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis über den 31. Dezember 2022 hinaus und folglich auch keinen Anspruch auf einstweilige Duldung des Weiterbetriebs der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle bis zum Abschluss des Hauptsacheklageverfahrens glaubhaft gemacht.
69
Im Ergebnis ist der Antrag der Antragstellerin nach § 123 VwGO daher abzulehnen.
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5. Eine Zwischenentscheidung, wie vom Bevollmächtigten in seinem Antragsschriftsatz beantragt (Untersagung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids während der Dauer des Eilverfahrens), ist mit der Zusicherung der Regierung von Unterfranken vom 25. Januar 2023, bis zur Entscheidung im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von Vollzugs- und Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen, entbehrlich geworden.
71
Mit einer Zwischenentscheidung (sog. Hänge- oder Schiebebeschluss) im Rahmen eines anhängigen Eilrechtsschutzverfahrens kann das Gericht in Ausnahmefällen Regelungen für den Zeitraum zwischen dem Eingang des Eilantrags und der Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag treffen, sofern dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn der Eilantrag – sei es wegen den Sachverhalt oder die Rechtslage betreffenden erheblichen Unklarheiten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 20 CE 20.951 – juris Rn. 6) – noch nicht entscheidungsreif ist, nicht offensichtlich aussichtslos erscheint und aus Gründen eines wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes zur Vermeidung irreversibler Zustände bzw. schwerer und unabwendbarer Nachteile nicht bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung im Verfahren nach § 123 VwGO abgewartet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2022 – 10 CS 22.128 – juris Rn. 18, 21; OVG SH, B.v. 9.2.2021 – 3 MB 2/21 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 17.12.2020 – 15 CS 20.3007 – juris Rn. 14).
72
Da vorliegend infolge der Zusicherung der Regierung von Unterfranken vom 25. Januar 2023 für die Antragstellerin keine schweren und unabwendbaren Nachteile drohten, stellt sich ein Antrag auf eine Zwischenentscheidung – unabhängig von der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses – jedenfalls als unbegründet dar.
73
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 63 Abs. 2 GKG sowie Nr. 1.5 und Nr. 54.2.1 (entspr.) des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Streitwert in der Hauptsache 15.000,00 EUR, Halbierung im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz).