Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 14.04.2023 – RO 4 S 23.593
Titel:

vorläufiger Rechtsschutz gegen Schonzeitaufhebung durch Jagdbehörde

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
UmwRG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3
BayJG § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5
BJagdG § 22 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
1. Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 iVm Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 S. 3 BJagdG (Aufhebung der Schonzeit durch Verwaltungsakt) ist eine unter § 1 Abs. 4 UmwRG fallende umweltbezogene Rechtsvorschrift. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als Ausnahmebestimmung ist § 22 Abs. 1 S. 3 BJagdG bzw. Art. 33 Abs. 5 iVm Abs. 3 Nr. 1 BayJG eng auszulegen. Erforderlich ist, dass die Ausweitung der Jagdzeiten unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände vernünftigerweise geboten ist und die besonderen Gründe höheres Gewicht haben als die Gründe für die allgemeine (regelmäßig dem Schutz von Brut- und Setzzeit dienende) Schonzeitregelung. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wildschäden kommt das Gewicht eines besonderen Grundes für eine Schonzeitaufhebung nur zu, wenn „übermäßige Wildschäden“, dh das übliche Maß in erheblichem Umfang übersteigende Wildschäden zu befürchten sind und diese nur durch Aufhebung der Schonzeit vermieden werden können. Das Kriterium der Vermeidung von übermäßigen Wildschäden ist nicht schon allein dann erfüllt, wenn wegen mangelnder Abschussplanerfüllung beim Rehwild sich die Verbisssituation (wesentlich) zu verschlechtern droht, vielmehr muss die Aufhebung der Schonzeit darüber hinaus noch durch andere jagdliche und forstliche Aspekte im Gebiet (Jagdbezirk) geboten sein, was in jedem Einzelfall besonders geprüft und bewertet werden muss. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antragsbefugnis einer nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigung, Beteiligung der Unteren, Naturschutzbehörde sowie des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Aufhebung der Schonzeit nur aus besonderen Gründen, Solche Gründe liegen hier nicht vor, insbesondere ist das Kriterium „zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden“ nicht erfüllt, fehlerhafte Ermessensentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8488

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes Regensburg vom 27.3.2023 (Gz.: S 21 – 7512/Fk) wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine vom Landratsamt Regensburg (Landratsamt) zugelassene Verkürzung der Schonzeit bei der Jagd auf Rehwild.
2
Mit Schreiben vom 13.3.2023 beantragte der Beigeladene beim Landratsamt zur Vermeidung von Wildschäden an nicht gesicherten Forstkulturen und Naturverjüngungsflächen im Eigenjagdrevier (EJR) … und dem Gemeinschaftsjagdrevier (GJR) … IV, ihm ab 1.4.2023, ersatzweise zum frühestmöglichen Termin die Bejagung von Rehböcken und Schmalrehen in den vorgenannten Waldflächen zu gestatten. Begründet wird der Antrag insbesondere damit, dass die forstliche Beratung durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) auf den Waldumbau hin zu klimastabilen Mischwäldern dränge. Trotz günstiger Prognosen des Vegetationsgutachtens für die genannten Revierteile möchte er die ersten sichtbaren Erfolge in der Waldverjüngung nicht gefährden. Die Zuwanderung von Rehwild aus den angrenzenden Gemeinschaftsjagdrevieren erlaube seit Jahren die Erfüllung der Abschussplanvorgaben und lasse auf eine stabile Rehpopulation schließen. Die Verbisssituation innerhalb der Hegegemeinschaft 369 (Anm.: …) werde im Forstlichen Gutachten 2021 allgemein als zu hoch bewertet. Die konsequente Fortführung einer Rehwildbejagung bereits zu Beginn der Vegetationsperiode liege im Interesse der Jagdgenossen und gewährleiste den Erhalt der zwingend notwendigen Mischbaumarten bis hin zur gesicherten Kultur. Zudem seien seine Revierjäger und er auf eine ausreichende Sichtung des Wildes vor dem vollständigen Laubaustrieb und der aufkommenden hinderlichen Begleitvegetation angewiesen, um ein sicheres Ansprechen und ein tierschutzgerechtes Erlegen zu garantieren. Während der Vegetationszeit der Feldfrüchte und Grünflächen würden die Bejagungsschwerpunkte ohnehin an die Wald-Feld-Grenzen bzw. Feldfluren verlagert, so dass während dieser Zeit wieder längere Wildruhephasen in den meisten Waldteilen der Reviere sichergestellt seien. Auf dem Antragsschreiben befindet sich ein „Bestätigungsvermerk der Jagdgenossenschaft (JG) … mit folgendem Inhalt: Die JG …, vertreten durch den Jagdvorstehenr (…) unterstützt den Antrag des Jagdpächters (…) auf Schonzeitverkürzung bei Rehwild (…) im GJR … IV zur Sicherung bestehender Kultur- und Verjüngungsflächen und insbesondere deren Mischbaumartenanteile.
3
In der Behördenakte (Bl. 3) findet sich eine Notiz mit im Wesentlichen folgendem Inhalt: Fläche: EJR 109 ha, davon 40% Wald, GJR: 107 ha, davon 45% Wald (zusammenhängend). Entscheidungsvorschlag: zulassen; s. Begründung EJB / Pächter und Bestätigung JV; auf diesen Flächen wirkt sich der Wilddruck aus den Nachbarrevieren aus, die z.T. zu hohe Verbissbelastung haben (starke Zuwanderung). Im EJR ist der Verjüngungsanteil nach Hiebsmaßnahmen und umfangreichen Neupflanzungen sehr hoch. In den großflächigen Dickungen ist das Wild nicht mehr anzusprechen. Auch im GJR intensiver Waldumbau. Abschussquoten: EJR: 2010 = 16 Stück / 100 ha; 2022: 14 Stück / 100 ha; GJR: 2010 = 5 Stück / 100 ha; 2022: 16 Stück / 100 ha.
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Weiter finden sich in der Behördenakte (Bl. 4 bis 9) Auswertungen zur Verjüngungsinventur und zu Verbissschäden für die Hegegemeinschaft 369 (…).
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In der ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation zum Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 (im Folgenden: ergänzende revierweise Aussage) wird das EJR … aus forstlicher Sicht wie folgt beschrieben: Fast ausschließlich großflächige Fichtenkulturen und JP / JD mit SLh, einzelne Kir, Bah und Eichen an den Rändern (Vogelsaat). Altbäume nur in geringem Umfang in Randbereichen (Fichte, Kiefer, etwas Tanne, Buche). Im Punkt „Naturverjüngung“ ist aufgelistet, dass alle dort genannten Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen gegen Schalenwildeinfluss erfolgreich aufwachsen könnten. Erläuternd ist vermerkt, dass durch das große Lichtangebot in vielen Flächen auch Eiche und Edellaubholz in geringem Umfang beteiligt seien. Laut Auflistung ist das erfolgreiche Aufwachsen von Pflanzungen bzw. Saaten (Forstkulturen) bei den dort genannten Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich. Zu diesem Punkt ist erläuternd vermerkt, dass wegen Kalamitäten der letzten Jahre eine steigende Zahl an Kulturen vorhanden sei. Die Verbisssituation wird insgesamt als „günstig“ bewertet, was formularmäßig beschrieben wird als „Sämtliche Baumarten wachsen im Wesentlichen ohne Behinderung auf. Auch an stärker verbissgefährdeten Baumarten ist nur geringer Schalenwildverbiss feststellbar.“ Unter „ergänzende Anmerkungen“ ist vermerkt: „Die positive Gesamtbilanz aus der letzten revierweisen Aussage konnte auch bei dieser Beurteilung gehalten und entwickelt werden. Alle vorkommenden Baumarten verjüngen sich nahezu ungestört. Eine Selektion besonders ge- (Anm. gemeint wohl ver-)bissgefährdeter Baumarten wie z.B. Tanne findet zwar statt, jedoch führt diese nur noch zu geringen Zeit- und Qualitätsverlusten“.
6
Das GJR wird in der ergänzenden revierweisen Aussage so beschrieben: Fichte mit Kiefer und Tanne, wenig Buche, großflächige Altbestände mit reichlich Tannenanflug, Buche nur im Randbereich nennenswert vorhanden. Im Punkt „Naturverjüngung“ ist aufgelistet, dass alle dort genannten Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen gegen Schalenwildeinfluss erfolgreich aufwachsen könnten. Erläuternd ist vermerkt: Hohe Tannenanteile in der Verjüngung. Laut Auflistung ist das erfolgreiche Aufwachsen von Pflanzungen bzw. Saaten (Forstkulturen) bei der dort (allein) genannten Baumart Fichte im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich. Zu diesem Punkt ist erläuternd vermerkt, dass bisher kaum Pflanzungen vorhanden seien. Die Verbisssituation wird insgesamt als „günstig“ bewertet (Beschreibung: s.o.). Unter „ergänzende Anmerkungen“ ist vermerkt: „Seit der letzten Aufnahme hat sich die Situation weiter verbessert. Tanne verjüngt sich flächig in allen Altersstufen und kommt problemlos durch. Die Anteile von Buche und Eiche an der Verjüngung haben sich ausgeweitet und erhöht.“
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Unter dem 27.3.2023 erließ das Landratsamt folgenden Bescheid:
Aufgrund des erheblichen waldbaulichen Interesses an wirksamen Verbesserungen lasse ich daher ausnahmsweise und in stets widerruflicher Weise die Jagd auf Rehwild (Böcke und Schmalrehe) in der Zeit vom 10. bis 30. April 2023 zu.
Bei der Jagdausübung sind die Grundsätze der Waidgerechtigkeit sorgfältig zu beachten. Insbesondere ist aus wildbiologischen Gründen in den Sommermonaten eine Jagdruhe von mindestens vier Wochen einzuhalten (Intervalljagd).
(…)
Die sofortige Vollziehung dieser Ausnahmegenehmigung (…) wird angeordnet.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die beiden Reviere wiesen zusammen eine relativ kleine Fläche mit einem hohen Waldanteil auf. Sie seien von waldreichen Revieren umgeben, in denen die Verbissbelastung ausweislich der forstlichen Gutachten hoch sei. Sie hätten auf diesen Flächen aufgrund von Hiebsmaßnahmen und waldbaulichen Kalamitäten in den letzten Jahren einen erheblichen Waldanteil in Verjüngung. Der Zuwanderungsdruck aus benachbarten Gebieten sei daher sehr hoch und erfordere ein dauerndes jagdliches Engagement sowie umfangreiche Schutzmaßnahmen in den Verjüngungen, um den erreichten Zustand zu erhalten und die getätigten Investitionen sowie die staatlichen Fördermittel abzusichern. Dabei seien sie ganz besonders auf eine ausreichende Sichtbarkeit des Wildes für eine waidgerechte Bejagung angewiesen. Die Schonzeitverkürzung sei erforderlich, um die teils erheblichen Verbiss- und Fegeschäden in den Forstkulturen durch die Bejagung im Wald vor dem Beginn der Vegetationsperiode zu verringern und die waldbaulichen Maßnahmen der Jagdgenossen im Zusammenhang mit Schadensbewältigung und klimagerechten Waldumbau zu sichern. Das forstliche Gutachten 2021 stelle fest, dass die Verbissbelastung in weiten Bereichen des Landkreises in der Hauptverbisszone über alle Baumarten hinweg deutlich zu hoch sei und sich gegenüber den Vorjahren wieder leicht verschlechtert habe. Um wirksame Verbesserungen zu erreichen, halte das AELF ein verstärktes jagdliches Engagement – „gerade auch in Ihrem Revier“ – für erforderlich. Der Schutz vor Fegeschäden und der Schutz vor Entmischung durch zu hohen Verbissdruck sei im Hinblick auf die Verjüngungen (Kulturen und Naturverjüngung) geboten. Entsprechende Anforderungen der Waldbesitzer lägen konkret vor. Durch den Klimawandel hätten sich nicht nur die waldbaulichen Rahmenbedingungen verschlechtert (Schädlingsbefall, Hitze- und Trockenschäden). Vielmehr habe sich auch der Beginn der Vegetationsperiode für Land- und Forstwirtschaft zeitlich deutlich vorverlagert. Ziel der Maßnahme sei es somit, die verstärkte und gezielte Jagd im Wald und die schwerpunktmäßige Bejagung der in diesem Zeitraum leicht anzusprechenden Rehböcke und Schmalrehe zu erleichtern. Unabhängig von der Diskussion um die Wirksamkeit von festgelegten Abschusszahlen sollten damit spürbare Verbesserungen für den dringend erforderlichen Waldumbau und die Eigentumsrechte der Waldbesitzer erreicht werden. Der Jagdbeirat, der Kreisjagdberater, das staatliche Veterinäramt und die Untere Naturschutzbehörde hätten der Ausnahmegenehmigung unter Bezugnahme auf diese Feststellungen ausdrücklich zugestimmt, ebenso die Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer im BBV. Belange der Waidgerechtigkeit und des Tierschutzes stünden der Vorverlegung nicht entgegen, zumal der frühere Beginn in der bundesweit üblichen Zeitspanne für die Jagd auf Rehwild liege und in den Sommermonaten vom Beigeladenen eine angemessene Jagdruhe zugesichert worden sei.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass diese geeignet und sowohl im überwiegenden Interesse der Beteiligten (Revierinhaber) und der dadurch Begünstigten (Waldbesitzer, Grundeigentümer) als auch im öffentlich Interesse erforderlich sei, um die Umsetzung der angestrebten Bejagungsmöglichkeiten auch im Fall einer Klage zu ermöglichen. Die Revierinhaber/innen würden mit ihren Anträgen auf Schonzeitaufhebung im April seit einigen Jahren verstärkt auf die wachsenden Anforderungen der Waldbesitzer reagieren. Sie wollten sich auf deren berechtigte Belange einlassen, ihre Pflichten aus dem Jagdrecht (Anpassung der Wildbestände unter Beachtung der Hegeverpflichtung) und den Jagdpachtverträgen (Wildschadensvermeidung) erfüllen und ihren Beitrag zu einem gelingenden Waldumbau leisten. Die Schaffung dafür günstiger Rahmenbedingungen durch die Vorverlegung der Jagdzeit in die noch vegetationsarme Zeit sei auch Aufgabe der Unteren Jagdbehörde und diene diesem Zweck. Bei der Abwägung der widerstreitenden Belange überwiege das sofortige Vollzugsinteresse ein eventuelles Rechtsschutzinteresse Dritter deutlich. Wildbiologische Gründe gegen eine Vorverlegung der Jagdzeit auf den 10. April seien nicht erkennbar, zumal die bundesweit geltende Rahmenzeit deutlich länger sei (1.4. bis 31.1.). Im Vergleich zur gesamten Dauer der Jagdzeit auf Rehböcke (5 ½ Monate) und Schmalrehe (8 ½ Monate) falle die Verlängerung der Jagdzeit im Hinblick auf die erforderliche Wildschonung und Ruhezeiten kaum ins Gewicht, zumal der Revierinhaber Jagdruhe im Sommer zugesagt hat. Diese Zeit im April sei besonders bedeutsam und geeignet zur Bejagung des Rehwilds, weil die Vegetation zu dieser Zeit noch nicht weit entwickelt sei und im Wald relativ freie Sicht bestehe, was das Ansprechen des Wildes erheblich erleichtere. Zudem sei die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auch verhältnismäßig. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zum Schutze vor Wildschäden sei nicht ersichtlich, da einzelne Maßnahmen, etwa in Form des Verbiss-Schutzes in der Breite, nicht zielführend und mit der gleichen Effektivität angewandt werden könnten, wie die Bejagung im Wald (Schwerpunktbejagung). Dies sei insbesondere auch darauf zurückzuführen, dass der stark erhöhte Verbiss sich nicht nur auf einzelne Baumarten erstrecke, sondern über alle Baumarten hinweg. Aus der Verkehrsunfallstatistik ergebe sich zudem, dass die Zahl der Wildunfälle mit Rehwild im gesamten Landkreis im bayernweiten Vergleich weiterhin überdurchschnittlich hoch sei. Insgesamt komme nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre daher einer Jagdstrategie besondere Bedeutung zu, die sich intensiver an waldbaulichen Erfordernissen orientiere (insb. der Schwerpunktbejagung im Wald). Eine alleinige Steuerung über Abschusszahlen habe sich als nicht wirkungsvoll genug erwiesen.
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 3.4.2023 Klage erheben (Az. RO 4 K 23.556) und am 6.4.2023 um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass die Verbisssituation in den hier streitgegenständlichen Jagdrevieren (EJR … und GJR … IV) nach den ergänzenden revierweisen Aussagen günstig sei. Dies entspreche der Bestbewertung. In keinem der beiden streitgegenständlichen Reviere würden nennenswerte Beeinträchtigungen durch Schalenwild vorkommen. Übermäßige Wildschäden im Sinne des Art. 33 BayJG lägen weder vor noch seien sie zu befürchten. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass sich die Antragsbefugnis des Antragstellers aus § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ergebe. Der Antragsteller sei eine nach § 3 UmwRG im Freistaat Bayern anerkannte Vereinigung (wird näher ausgeführt). Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers richte sich gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (wird näher ausgeführt). Die Anordnung des Sofortvollzugs sei schon formal unzureichend begründet. Sie sei formelhaft und mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt nicht in Übereinstimmung zu bringen. Was die Verbissbelastung „im Landkreis“ angehe, seien die Angaben zudem unspezifisch und ließen eine Befassung mit der konkreten Situation im Einzelfall nicht erkennen. Eine zutreffende inhaltliche Abwägung in Bezug auf den Einzelfall sei nicht vorgenommen worden. Das Landratsamt führe formelhaft an, die Schonzeitverkürzung sei erforderlich, um „die teils erheblichen Verbiss- und Fegeschäden in den Forstkulturen durch die Bejagung im Wald vor dem Beginn der Vegetationsperiode zu verringern und die waldbaulichen Maßnahmen der Jagdgenossen im Zusammenhang mit Schadensbewältigung und klimagerechtem Waldumbau zu sichern.“ Allerdings sei ausweislich der revierweisen Aussage in Bezug auf beide streitgegenständlichen Jagdreviere von erheblichen Verbiss- oder Fegeschäden keine Spur. Die Begründung des Landratsamtes sei wortgleich in – ca. 50 – erlassenen Bescheiden angeführt worden. Sie passe zu der vorherrschenden Situation in den beiden Revieren … und … IV jedoch in keiner Weise. Es fehlten mithin triftige Gründe, weshalb die (günstige) Wildschadenssituation im betroffenen Jagdrevier zu einem Erfordernis der sofortigen Umsetzung einer eng auszulegenden Ausnahmevorschrift über die Schonzeitaufhebung auch dann zwingen solle, wenn Rechtsbehelfe gegen die behördliche Entscheidung ergriffen würden. Die (im Sofortvollzug angestellte) Verhältnismäßigkeitsprüfung scheitere bereits daran, dass in beiden besagten Revieren überhaupt kein nennenswerter, durch Schalenwild verursachter Wildschaden und damit erst Recht kein „übermäßiger Wildschaden“ im Sinne des Art. 33 BayJG vorkomme oder auch nur drohe, die gesamte Begründung also am Fall vorbeigehe. Zudem habe es das Landratsamt unterlassen, die von ihm als „Schwerpunktbejagung“ bezeichnete Waldjagd anzuordnen. Beide Reviere wiesen breite Feldanteile (…: 40%, … IV: 60%) auf, d.h. die frühzeitige Bejagung des Rehwildes im Offenland, welche durch den Bescheid ebenfalls ermöglicht werde (eine Beschränkung auf den Wald erfolge nicht), führe zu einer erhöhten Wildschadensgefahr im Wald, denn die Tiere würden bei einer frühzeitigen Bejagung im Offenland die Deckung im Wald aufsuchen. Die Vorgehensweise des Landratsamtes gehe also an der konkreten Reviersituation vorbei und sei letztlich kontraproduktiv. Der Bescheid des Antragsgegners vom 27.3.2023 sei offensichtlich rechtswidrig, weshalb ein Vollzugsinteresse a priori ausscheide. Aus dem Bescheid und dem zugrundeliegenden Sachverhalt ergebe sich nicht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausnahme von der gesetzlichen Jagd- bzw. Schonzeit in den beiden betreffenden Jagdrevieren gegeben seien. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr.1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG ergebe, könnten die Schonzeiten nur aus besonderen Gründen, die den Regelbeispielen in der genannten Norm entsprächen, aufgehoben werden. Die bewilligte Verkürzung der Schonzeit sei vorliegend nicht erforderlich, um den Eintritt eines übermäßigen Wildschadens zu verhindern. Sie erfolge auch nicht im Allgemeininteresse. Übermäßige Wildschäden im Sinne des Art. 33 BayJG lägen offenkundig nicht vor. Nach der revierweisen Aussage liege in beiden streitgegenständlichen Jagdrevieren eine günstige Verjüngungssituation bei nur minimaler Verbissbelastung vor. Bereits deshalb stehe fest, dass „besondere Gründe“ für die Vorverlagerung der Jagdzeit nicht vorliegen könnten. Verbiss- oder Fegeschäden komme das Gewicht eines besonderen Grundes nur dann zu, wenn es um die Vermeidung von das übliche Maß in erheblichem Umfang übersteigenden Wildschäden gehe, die nicht allein auf mangelnder Abschusserfüllung beruhten, sondern auf andere jagdliche oder forstliche Faktoren zurückzuführen seien, denen durch zumutbare Schutzmaßnahmen nicht wirksam begegnet werden könne, wovon hier nicht die Rede sein könne. Soweit im Bescheid ausgeführt werde, der Zuwanderungsdruck aus benachbarten Gebieten sei sehr hoch und erfordere ein dauerndes jagdliches Engagement sowie umfangreiche Schutzmaßnahmen in den Verjüngungen, um den erreichten Zustand zu erhalten und die getätigten Investitionen sowie die staatlichen Fördermittel abzusichern, sei hierzu zu sagen, dass es im GJR … IV kaum Forstkulturen gebe, hier gehe der Bescheid an der tatsächlichen Reviersituation vorbei.
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Soweit das EJR … betroffen sei, spreche die Revieraussage zwar von einer steigenden Anzahl von Kulturen wegen zurückliegender Kalamitäten. Es werde aber ausdrücklich vermerkt, dass sich auch Forstkulturen – namentlich Fichte, Tanne und Edellaubholz – im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen problemlos verjüngten. Weshalb das AELF „ein verstärktes jagdliches Engagement“ auch in den beiden gegenständlichen Revieren … und … IV für erforderlich halte, werde in keiner Weise tragfähig untermauert. Soweit der Bescheid auf Jagdzeiten in anderen Ländern verweise, sei darauf zu verweisen, dass das Landratsamt als Vollzugsbehörde gehalten sei, § 19 AVBayJG und die dort festgelegten Jagdzeiten zu beachten. Die Änderung von Jagdzeiten obliege dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber. Soweit im Bescheid auf die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden abgestellt werde, sei zu berücksichtigen dass dieser Vorrang vor dem Gebot einer angemessenen Wildhege nicht schrankenlos gelte, denn § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG stelle ausdrücklich auf den Schutz (nur) der berechtigten Ansprüche der genannten Wirtschaftsbereiche auf Schutz gegen Wildschäden ab (wird näher ausgeführt). Ferner liege nach Aktenlage keine Situation vor, in der – wegen Nichterreichung des Abschuss-Solls beim Rehwild während der gesetzlichen Jagdzeiten – auf eine Ausdehnung der Jagdzeit zurückgegriffen werden müsste. Zudem fehle es bereits an übermäßigen Wildschäden. Es erschließe sich nicht, weshalb die Schonzeit in einem Revier mit günstigem Verbiss überhaupt verkürzt werden sollte. Das Ziel, (hier gar nicht vorhandene) Verbissschwerpunkte durch Schwerpunktbejagung zu entlasten, könne innerhalb der Jagdzeit ab 1.5. auf diesen Verjüngungsflächen ebenfalls erreicht werden. Dass die Hegemeinschaft … einen zu hohen Verbiss aufweise und eine Abschusserhöhung empfohlen werde könne zu keiner Schonzeitverkürzung in Revieren mit geradezu „idealer“ Verbisssituation führen. Es sei nicht angezeigt, bei einer durchwegs inhomogenen Verbisssituation im Landkreis die Schonzeiten auf möglichst großer Fläche zu verkürzen und entsprechend flächigen Jagddruck zu erzeugen. Soweit argumentiert werde, dass die klimabedingte Vorverlegung der Austreibungsphase der heimischen Flora dazu führe, dass die Waldverjüngung dadurch gefährdet sei, dass das Rehwild noch innerhalb der Schonzeit die frischen Triebe junger Baumsetzlinge äse und ggf. mehr Deckung habe, begründe das keine revierbezogene Sondersituation. Denn es handele sich um einen Umstand, der nicht nur in den streitgegenständlichen Jagdrevieren … und … IV, sondern allgemein zum Tragen komme. Soweit das im BayJG verankerte Waldverjüngungsziel hierdurch gefährdet sein sollte (was hier gerade nicht der Fall sei), wäre es Sache des Verordnungsgebers, diesen Umstand mit den Zielen abzuwägen, die mit den festgesetzten Schonzeiten verfolgt würden, und eine entsprechende Regelung zu finden. Soweit der Revierinhaber einem Jagdkonzept folgen wolle, nach dem (statt noch mehr) eher früher gejagt werden solle, müsse klar gesagt werden, dass sich diese gewünschte Praxis zu den geltenden Rechtsvorschriften in Widerspruch setze. Die Schonzeit diene (neben der Aufzucht der Jungtiere, die hier nicht tangiert sei) der Hege des Wildes. Es sei weder angebracht, die Schonzeit zur „Jagdoptimierung“ angesichts früherer Austriebszeiten, noch wegen der damit angestrebten weiteren Optimierung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Grundeigentümer zu verkürzen. Im Gegenteil sollte bedacht werden, dass bei früherem Jagdbeginn in zwei Revieren, die nur zu 40% bzw. 60% aus Wald bestünden, das auf der Gesamtfläche stehende Rehwild (auch Geißen, die nicht vorzeitig freigegeben wurden) beunruhigt würde, sich in den Wald zurückziehe und dort ggf. den Verbiss mehre. Demgegenüber habe das Landratsamt von einer Regelung, die sich auf besonders verbissgefährdete Verjüngungsflächen im Wald beschränke, abgesehen. Dies wäre jedoch vorzugswürdig, denn eine Schwerpunktbejagung auf Verjüngungsflächen würde es ermöglichen, andere Flächen (z.B. Waldteile, die bereits dem Äser entwachsen sind) als Einstand zur Verfügung zu stellen, gerade weil dort keine nennenswerten Schäden durch Verbiss zu befürchten seien. Dies ziehe das Landratsamt nicht einmal in Erwägung, was einen Ermessensfehler begründe. Es sei zudem jagdfachlich unstreitig, dass die – freigegebenen – Schmalrehe im April nicht leichter, sondern schwerer von trächtigen Geißen, die dann noch nicht so dick seien, zu unterscheiden seien. Zuletzt könne auch das Argument, eine überdurchschnittliche Zahl von Wildunfällen spreche für die Vorverlegung der Jagd, nicht überzeugen. Es sei nicht erkennbar, dass die Statistik oder sonstige Erkenntnisse für eine hohe Zahl von Unfällen in den besagten Revieren spreche. Selbst bei angenommenen offenen Erfolgsaussichten überwiege das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Tiere, die aufgrund eines vorläufig vollziehbaren Bescheides erlegt würden, seien – als Umweltbestandteile – zunächst einmal unwiederbringlich verloren.
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Es wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes Regensburg vom 27.3.2023 über die Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Rehböcke und Schmalrehe) vom 10.4.2023 bis 30.4.2023 für das Eigenjagdrevier … und das daran angeschlossene Gemeinschaftsjagdrevier … IV wiederherzustellen.
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Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt
den Antrag abzulehnen.
14
Die Begründung des Sofortvollzugs genüge den gesetzlichen Anforderungen. Aus dem gegenständlichen Bescheid werde deutlich, dass die Behörde bei ihrer Prüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordere. Soweit sich der Antragsteller darauf berufe, eine zutreffende Abwägung der widerstreitenden Interessen sei in der Begründung des Sofortvollzugs nicht erfolgt, betreffe dieser Umstand die materielle Richtigkeit der Begründung. Hierzu erfolge im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens eine eigene Interessenabwägung des Gerichts, der die Antragsgegnerseite insoweit nicht vorgreifen könne und dürfe. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der gesetzlichen Jagd- und Schonzeit seien gegeben. Die insoweit gesetzlich geforderten besonderen Gründe gem. Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG lägen vor. Zwar stelle sich die Verbisssituation in den gegenständlichen Jagdrevieren nach dem letzten Forstlichen Gutachten aus 2021 als günstig dar. Im Eigenjagdrevier sei der Verjüngungsanteil jedoch nach umfangreichen Neupflanzungen sehr hoch und auch im Gemeinschaftsjagdrevier finde intensiver Waldumbau statt. Es sei eine starke Zuwanderung von Rehwild aus den Nachbarjagdrevieren, die teils eine hohe Verbissbelastung aufwiesen, zu verzeichnen. Im Übrigen werde auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen.
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Mit am 12.4.2023 eingegangenem Schreiben ließ der Antragsteller hierauf erwidern, dass er nach wie vor der Ansicht sei, dass die Begründung des Sofortvollzugs nicht ausreichend, weil schematisch sei. Im Übrigen genügten die Ausführung der Antragsgegnerseite, dass trotz günstiger revierweiser Einwertung der Verbissbelastung in beiden Revieren hohe Verjüngungsanteile in Form von Neuanpflanzungen zu verzeichnen seien und zudem eine starke Zuwanderung von Rehwild aus den Nachbarrevieren vorliege, nicht ansatzweise, um die Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 BayJG plausibel zu machen. Die Behauptung starker Zuwanderung sei unsubstantiiert, durch nichts belegt und werde bestritten. Sie sei angesichts der stetig hervorragenden Verbissinventuren in den beiden Revieren auch nicht glaubhaft. Die Revieren hätten in den forstlichen Begutachtungen 2018 und 2021 keinerlei nennenswerte Verbissbelastung aufgewiesen. Die Verjüngung laufe ungestört. Im Antrag des Jagdausübungsberechtigten sei überdies von umfangreichen Neuanpflanzungen nicht die Rede, sondern nur davon, dass die erzielten Erfolge nicht gefährdet werden sollten. Zudem habe das Landratsamt jedwede eigene Ermittlung der Reviersituation unterlassen und sich allein auf die unspezifischen Aussagen der Antragsteller gestützt. Weder der Umfang der Neupflanzungen noch dort auftretende oder auch nur zu befürchtende Wildschäden seien dargelegt oder in der Akte bewertet worden. Hinzu komme, dass die Abschusspläne seit Jahren erfüllt würden, weshalb kein Grund für eine Jagdzeitverlängerung bestehe. Eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde erscheine mangels inhaltlicher Stellungnahme derselben in der Akte zweifelhaft.
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Am 13.4.2023 reichte die Antragsgegnerseite auf gerichtliche Anforderung u.a. folgende Unterlagen nach, auf deren Inhalt Bezug genommen wird: Niederschrift über die Sitzung des gemeinsamen Jagdbeirates vom 24.5.2022 zur Abschussplanung für Rehwild für die Jagdjahre 2022-2024, Schreiben der Waldbesitzervereinigung Regensburg Süd an Frau Landrätin … vom 16.3.2023, Schrieben der Waldbesitzervereinigung Schierling w. V. an Frau Landrätin … vom 20.3.2023 sowie Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde vom 20.3.2023.
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Mit Beschluss vom 11.4.2023 hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage bis zum 14.4.2023 wiederhergestellt.
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Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die elektronisch vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie im Verfahren RO 4 K 23.556, die zum Verfahren beigezogen wurde.
II.
19
Der zulässige (dazu 1.) Antrag hat in der Sache Erfolg (dazu 2.).
20
1. Der Antrag ist zulässig.
21
Der Antragsteller ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG antragsbefugt.
22
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1) und geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2). Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG muss die Vereinigung bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.
23
Der Antragsteller ist eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 BNatSchG im Freistaat Bayern anerkannte, landesweit tätige Naturschutzvereinigung (vgl. Bekanntmachung nach § 3 Abs. 1 Satz 5 UmwRG, abrufbar unter https://www.stmuv.bayern.de/themen/naturschutz/organisation/naturschutzvereinigungen/index.htm?include_matomo=true, zuletzt abgerufen am 12.4.2023).
24
Bei der streitgegenständlichen Schonzeitverkürzung handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
25
Nach dem als weitem Auffangtatbestand (vgl. VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW, juris Rn. 20) konzipierten § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist die im Streit stehende Aufhebung der Schonzeit ein Verwaltungsakt, durch den unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union ein anderes als in den Nrn. 1 bis 2b genanntes Vorhaben zugelassen wird. Hierbei kann für die Bestimmung des Vorhabensbegriffs auf die weite Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, U. v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278, juris Rn. 28; Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, UmwRG § 1 Rn. 19). Vorhaben sind hiernach die Errichtung, der Betrieb und die Änderung von technischen und sonstigen Anlagen sowie die Durchführung und Änderung von sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahmen.
26
Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 UmwRG sind umweltbezogene Rechtsvorschriften Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) (Nr. 1) oder Faktoren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 des UIG (Nr. 2) beziehen. Der Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften ist weit zu verstehen. Es genügt, wenn die Bestimmungen wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl. BayVGH, U. v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278, juris Rn. 32). Erfasst sind damit alle Normen, die zumindest auch dazu beitragen, dass gegenwärtige und künftige Generationen in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt leben können, weiter auch Normen, die – wie § 1 Abs. 7 BauGB – verlangen, dass die Belange des Umweltschutzes gerecht abgewogen werden (Abwägungsgebote) sodass jeder im Rahmen eines Abwägungsvorgangs auch der Umwelt zuzurechnende Belang dessen Umweltbezogenheit insgesamt begründet (Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, UmwRG § 1 Rn. 31).
27
Nach diesen Maßstäben handelt es sich nach Auffassung des Gerichts bei Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG um eine unter § 1 Abs. 4 UmwRG fallende umweltbezogene Rechtsvorschrift. Das Jagdrecht weist in Art. 1 Abs. 2 BayJG zahlreiche Berührungspunkte mit dem Naturschutzrecht auf. So soll das Gesetz u.a. dazu dienen, einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes zu sichern und zu verbessern und die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (vgl. zu dem entsprechenden § 32 Abs. 1 Satz 3 LJG Rheinland-Pfalz VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW, juris Rn. 20 m.w.N.). Aufgrund des weiten Verständnisses ist ein Umweltbezug der Vorschrift bereits aufgrund der dargelegten (allgemeinen) Bezugnahmen auf das Naturschutzrecht gegeben. Darüber hinaus ergibt sich der Umweltbezug der streitgegenständlichen Vorschrift auch aus dem Sinn und Zweck der Schonzeiten, denn diese verfolgen den Zweck der Hege des Wildes und sollen die Aufzucht der Jungtiere sicherstellen (vgl. VG München, B. v. 24.1.2012 – M 7 SE 12.166, juris Rn. 17). Dass eine Aufhebung der Schonzeit direkte Auswirkungen auf die Hege des Wildes und die Aufzucht der Jungtiere haben kann, liegt schon in der Natur der Sache begründet.
28
Indem der Antragsteller Bedenken gegen die Schonzeitaufhebung erhoben hat und einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG rügt, macht er geltend, dass die erteilte Genehmigung Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Dabei macht der Antragsteller auch die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Schließlich macht der Antragsteller ebenfalls geltend, durch die Schonzeitaufhebung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Zweck des Antragstellers ist nach § 2 seiner Satzung die Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Wildtieren und ihren Lebensräumen, die Förderung des Tierschutzgedankens sowie des Natur- und Umweltschutzes (vgl. Satzung der … vom 18.6.2015, abrufbar unter …, zuletzt abgerufen am 12.4.2023). Damit ist der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich und der mit dem Rechtsbehelf angegriffenen Entscheidung gegeben.
29
2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
30
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO dann, wenn die Anordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist oder die Behörde – wie hier im streitgegenständliche Bescheid vom 27.3.2023 – nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch wiederherstellen.
31
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
32
Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe hat der Antrag Erfolg. Der angeordnete Sofortvollzug ist zwar in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (dazu 2.1). Eine summarische Prüfung der erhobenen Klage ergibt aber, dass diese in der Hauptsache voraussichtlich erfolgreich sein wird, sodass ein öffentliches Interesse am Vollzug des angegriffenen Bescheids nicht besteht (dazu 2.2).
33
2.1 Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung erweist sich bei summarischer Prüfung als formell rechtmäßig.
34
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es für die Frage ihrer formellen Rechtmäßigkeit nicht an (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55).
35
Eine Anordnung des Sofortvollzugs bedarf eines über das Erlassinteresse hinausgehenden besonderen Vollzugsinteresses. Die besonderen Gründe sind dabei allein auf die zeitliche Dimension und damit die Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit der Vollziehung der Handlungs- oder Unterlassungspflicht bezogen (vgl. zum Ganzen: Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022 § 80 Rn. 44).
36
Dies zugrunde gelegt, genügt die Begründung für den Sofortvollzug den formellen Anforderungen aus Sicht der Kammer gerade noch. Im Wesentlichen wird hierzu ausgeführt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs geeignet und sowohl im überwiegenden Interesse der Beteiligten (Revierinhaber) und der dadurch Begünstigten (Waldbesitzer, Grundeigentümer) als auch im öffentlichen Interesse erforderlich sei, um die Umsetzung der angestrebten Bejagungsmöglichkeiten auch im Fall einer Klage zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Bescheid sich naturgemäß am 1. Mai erledigt haben wird, ist die zeitliche Dimension hier ausschlaggebend, um einen Sofortvollzug zu rechtfertigen.
37
Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es erfolgt eine eigene Interessenabwägung des Gerichts. Die von Antragstellerseite im vorliegenden Verfahren gegen die Begründung des Sofortvollzugs vorgebrachten Argumente betreffen insoweit die materielle Richtigkeit der Begründung und sind deshalb allein im Rahmen der eigenen Interessenabwägung des Gerichts zu berücksichtigen.
38
2.2 Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird.
39
2.2.1 Die streitgegenständliche Schonzeitaufhebung erweist sich bei summarischer Prüfung voraussichtlich als formell rechtmäßig.
40
Nach Art. 49 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayJG sind beim Vollzug des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes – soweit wesentliche Belange der Land- und Forstwirtschaft berührt sind – die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und – soweit wesentliche Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege berührt werden – diejenigen Naturschutzbehörden zu beteiligen, die dem Zuständigkeitsbereich der Jagdbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe entsprechen.
41
Hiernach dürfte im vorliegenden Fall sowohl eine Beteiligung des AELF als auch der unteren Naturschutzbehörde erforderlich gewesen sein, da nach Auffassung des Gerichts die Erteilung einer Ausnahme von der bundesrechtlichen Jagd- und Schonzeitenregelung nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BJagdG im konkreten Fall wesentliche Belange des Naturschutzes berühren dürfte (vgl. VG München, B. v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1695, BeckRS 2022, 7185 Rn. 30). Denn zum einen handelt es sich hier um die Verkürzung der Schonzeit um fast drei Wochen und damit nicht um einen lediglich unerheblichen Zeitraum. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gestattung der Jagd auf Rehböcke und Schmalrehe auch Auswirkungen auf das übrige Rehwild hat, da der Zeitraum zwischen dem 15.1.2023 und dem 1.5.2023, in dem nach § 19 Abs. 1 Nr. 1c Der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG) die Jagd auf sämtliches Rehwild ruht und dieses in dieser Zeit grundsätzlich auch nicht durch jagdliche Handlungen beunruhigt wird, um einen nicht unerheblichen Zeitraum verkürzt wird.
42
Nach den Angaben im Bescheid habe das AELF das waldbauliche Interesse an der zeitlich vorgezogenen Bejagung im streitgegenständlichen Revier bestätigt und unterstütze die Forderungen der Waldbesitzer. Der Jagdbeirat, der Kreisjagdberater, das staatliche Veterinäramt und die Untere Naturschutzbehörde hätten der Ausnahmegenehmigung unter Bezugnahme auf diese Feststellungen ausdrücklich zugestimmt, ebenso die Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und die Eigenjagdbesitzer im BBV.
43
Laut einer hausinternen E-Mail der Unteren Naturschutzbehörde vom 20.3.2023 sei die Verkürzung der Schonzeit für das jagdbare Wild vom 1.5. auf den 10.4. weder im Einzelfall noch im Rahmen einer inzwischen verworfenen Allgemeinverfügung aus naturschutzfachlicher Sicht zu beanstanden. Aufgrund dieser umfassenden Formulierung geht das Gericht bei summarischer Prüfung davon aus, dass damit die Untere Naturschutzbehörde auch im hier zu entscheidenden Fall ordnungsgemäß beteiligt wurde.
44
Eine Stellungnahme des AELF ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen und wurde auch auf ausdrückliche Nachforderung bis dato nicht vorgelegt. Insoweit wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob das AELF tatsächlich – wie in den Bescheidsgründen angegeben – in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Bescheid ordnungsgemäß beteiligt wurde.
45
2.2.2 Nach summarischer Prüfung erweist sich der streitgegenständliche Bescheid jedenfalls als materiell rechtswidrig.
46
Gemäß Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG kann die Jagdbehörde durch Einzelanordnung für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdreviere aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, zur Beseitigung kranken und kümmernden Wildes, zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, zu wissenschaftlichen Zwecken, Lehr- und Forschungszwecken, bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder der Wildhege die Schonzeiten aufheben.
47
Nach der Vorgabe des § 19 Abs. 1 Nr. 1c AVBayJG, der insoweit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Jagdzeiten vom 2. April 1977 (BGBl I S. 531) entspricht, unterliegen Schmalrehe vom 1.5. bis 31.1. und Rehböcke vom 1.5. bis 15.10. der Jagd. Außerhalb der Jagdzeiten ist Wild gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BJagdG mit der Jagd zu verschonen (Schonzeiten). Schonzeiten verfolgen den Zweck der Hege des Wildes und sollen die Aufzucht der Jungtiere sichern (vgl. OVG SH, U.v. 22.5.2017 – 4 KN 11/15 – juris Rn. 51; VG Ansbach, B.v. 30.4.1998 – AN 15 E 98.00625 – juris Rn. 15).
48
Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr.1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG ergibt, können die Schonzeiten nur aus besonderen Gründen, die den Regelbeispielen in der genannten Norm entsprechen, aufgehoben werden. Als Ausnahmebestimmung ist § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG bzw. Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG wohl eng auszulegen (vgl. OVG NW, U.v.30.3.2015 – 16 A 1610/13 – NuR 2015, 580 = juris Rn. 65, 67; VG Ansbach, B.v. 30.4.1998 – AN 15 E 98.00625 – juris Rn. 15; VG München, B.v. 24.1.2012 – M 7 SE 12.166 – juris Rn. 17). Jedenfalls aber ist Voraussetzung, dass die Ausweitung der Jagdzeiten unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände vernünftigerweise geboten ist und die besonderen Gründe höheres Gewicht haben als die Gründe für die allgemeine (regelmäßig dem Schutz von Brut- und Setzzeit dienende) Schonzeitregelung (vgl. VG München, B.v. 20.1.2023 – M 7 E 23.132 – BeckRs 2023,1086, beck-online; BayVGH, U.v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022, juris Rn. 96 und U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420, juris Rn. 108).
49
Wildschäden kommt jedenfalls das Gewicht eines besonderen Grundes nur zu, wenn „übermäßige Wildschäden“, d.h. das übliche Maß in erheblichem Umfang übersteigende Wildschäden zu befürchten sind und diese nur durch Aufhebung der Schonzeit vermieden werden können (vgl. VG München, B.v. 20.1.2023 – M 7 E 23.132 – BeckRs 2023,1086, beck-online; Leonhardt in Leonhardt / Pießkalla, Jagdrecht, Stand: 97. Erg.lief. Aug. 2021, zu § 22 BJagdG, Nr. 4.2.4 m.w.N.). Das Kriterium der Vermeidung von übermäßigen Wildschäden ist nicht schon allein dann erfüllt, wenn wegen mangelnder Abschussplanerfüllung beim Rehwild sich die Verbisssituation (wesentlich) zu verschlechtern droht, vielmehr muss die Aufhebung der Schonzeit darüber hinaus noch durch andere jagdliche und forstliche Aspekte im Gebiet (Jagdbezirk) geboten sein, was in jedem Einzelfall besonders geprüft und bewertet werden muss. Eine unvollständige Abschussplanerfüllung kann aber Anlass sein, dass die Jagdbehörde prüft, ob die geforderten gesetzlichen Voraussetzungen, mithin also „besondere Gründe“ vorliegen. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn in einem Jagdbezirk nach dem letzten Verbissgutachten zu hohe oder deutlich zu hohe Verbissbelastungen festgestellt worden sind und der Jagdbezirk von Borkenkäferschäden betroffen ist (vgl. Leonhardt, a.a.O. zu § 22 BJagdG, Nr. 4.2.4). Von einem übermäßigen Wildschaden ist damit dann auszugehen, wenn er das übliche Maß von durch Wild verursachten Schäden erheblich und in einem Umfang übersteigt, dessen Hinnahme dem Geschädigten nicht mehr zuzumuten ist (vgl. VG München, B.v. 20.1.2023 – M 7 E 23.132 – BeckRs 2023,1086, beck-online; OVG NW, U.v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris).
50
Dies zugrunde gelegt liegen nach summarischer Prüfung die Voraussetzungen für die Aufhebung der Schonzeit im Zeitraum 10. bis 30.4.2023 nicht vor.
51
Der streitgegenständliche Bescheid regelt eine Schonzeitverkürzung für das EJR … sowie das angeschlossene GJR … IV. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Schonzeitverkürzung erforderlich sei, um die teils erheblichen Verbiss- und Fegeschäden in den Forstkulturen durch die Bejagung im Wald vor Beginn der Vegetationsperiode zu verringern und die waldbaulichen Maßnahmen der Jagdgenossen im Zusammenhang mit Schadensbewältigung und klimagerechtem Waldumbau zu sichern. Weiter wird Bezug genommen auf das forstliche Gutachten 2021, wonach die Verbissbelastung in weiten Bereichen des Landkreises in der Hauptverbisszone über alle Baumarten hinweg deutlich zu hoch sei und sich gegenüber den Vorjahren wieder verschlechtert habe. Ein verstärktes jagdliches Engagement werde vom AELF auch in den streitgegenständliche Revieren für erforderlich gehalten.
52
Unabhängig davon, dass in den vorgelegten Akten eine entsprechende Stellungnahme des AELF bezüglich der hier betroffenen Reviere nicht enthalten ist, liegen aus Sicht der Kammer die notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Verkürzung der Schonzeit in den Revieren … und … IV nicht vor.
53
Wie oben dargestellt, kommt Wildschäden das Gewicht eines besonderen Grundes im Sinne des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG nur zu, wenn übermäßige Wildschäden zu befürchten sind und diese durch die Verkürzung der Schonzeit vermieden werden können.
54
Vorliegend wurde schon nicht ausreichend dargelegt, dass in den streitgegenständlichen Revieren tatsächlich übermäßige – durch Rehwild – verursachte Verbissschäden vorliegen.
55
Den vorgelegten ergänzenden revierweisen Aussagen, die als Teil des forstlichen Gutachtens eine objektive und hinreichend umfassende Ermittlung der Schadenssituation bieten (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris), lassen sich solche Schäden gerade nicht entnehmen. Die Verbisssituation (durch Rehwild und Schwarzwild) im EJR … wird insgesamt als „günstig“ bewertet, was formularmäßig beschrieben wird als „Sämtliche Baumarten wachsen im Wesentlichen ohne Behinderung auf. Auch an stärker verbissgefährdeten Baumarten ist nur geringer Schalenwildverbiss feststellbar.“ Ergänzend wurde angemerkt, dass die positive Gesamtbilanz aus der letzten revierweisen Aussage auch bei dieser Beurteilung habe gehalten und entwickelt werden können. Alle vorkommenden Baumarten verjüngten sich nahezu ungestört. Eine Selektion besonders verbissgefährdeter Baumarten wie z.B. Tanne finde zwar statt, jedoch führt diese nur noch zu geringen Zeit- und Qualitätsverlusten. Für das GJR … IV wird die Verbisssituation (auch hier: Rehwild und Schwarzwild) ebenfalls als „günstig“ bewertet. Zudem wurde ergänzend angemerkt, dass sich die Situation seit der letzten Erhebung weiter verbessert habe, Tanne sich in allen Altersstufen flächig verjünge und problemlos durchkomme. Die Anteile von Buche und Eiche an der Verjüngung hätten sich ausgeweitet und erhöht. Diese Bewertung wurde vorgenommen, obwohl bei den Erläuterungen zu Forstkulturen angemerkt ist: „Wegen Kalamitäten der letzten Jahre steigende Zahl an Kulturen.“ Soweit der Beigeladene seinen Antrag auf Schonzeitverkürzung damit begründet, dass er die sichtbaren Erfolge in der Waldverjüngung nicht gefährden wolle, ist dem entgegen zu halten, dass bei der ergänzenden revierweisen Aussage der Umstand der steigenden Anpflanzflächen ausdrücklich gesehen wurde und dennoch keine Notwendigkeit gesehen wurde, die Verbisssituation anders einzuschätzen bzw. die Gefahr einer Verschlechterung der Verbisssituation auch nur ergänzend anzumerken. Im Gegenteil wird sogar ausgeführt, dass die positive Gesamtbilanz habe „entwickelt“ werden können.
56
Auch dass die Zuwanderung von Rehwild aus den angrenzenden Gemeinschaftsjagdrevieren seit Jahren die Erfüllung der Abschussplanvorgaben erlaube und auf eine stabile Rehpopulation schließen lasse, lässt nicht den Rückschluss auf übermäßigen Verbiss zu. Aus Sicht der Kammer ist es absolut schlüssig und nachvollziehbar, dass eine konsequente Fortführung einer Rehwildbejagung bereits zu Beginn der Vegetationsperiode – wie vom Beigeladenen vorgetragen – im Interesse der Jagdgenossen liegt und den Erhalt der zwingend notwendigen Mischbaumarten bis hin zur gesicherten Kultur gewährleistet. Allerdings ergibt sich daraus nicht die Notwendigkeit, dass die Bejagung zwingend bereits im April stattfinden muss. Die günstige Verbisssituation ist wohl mit dadurch entstanden, dass bisher zu den Jagdzeiten konsequent und zielgerichtet bejagt wurde und damit auch die Abschussplanvorgaben erfüllt wurden. Dass vor dem vollständigen Laubaustrieb das Wild besser gesichtet werden kann und die Begleitvegetation dem hinderlich ist, stellt die Kammer nicht in Abrede. Eine „einfachere“ Bejagung stellt aber keinen besonderen Grund dar, der die Verkürzung der Schonzeit rechtfertigen würde.
57
Dass die Verbisssituation für die Hegegemeinschaft …, in deren Gebiet die streitgegenständlichen Reviere liegen, als zu hoch bewertet wird, ändert nichts an der Einschätzung, dass in den hier relevanten Revieren kein übermäßiger Verbiss vorliegt. Die Hegegemeinschaft umfasst eine Gesamtfläche von 11.404 ha, so dass aus einer Bewertung, die für eine solch große Fläche gilt, keine Rückschlüsse auf die Situation in den hier streitgegenständlichen Jagdrevieren mit einer Fläche von zusammen lediglich 216 ha gezogen werden können, was die ergänzenden revierweisen Aussagen ja gerade bestätigen. Erst recht gilt dies, soweit die – deutlich zu hohe – Verbissbelastung im gesamten Landkreis Regensburg (Fläche: 1.396 km² bzw. 139.600 ha) im streitgegenständlichen Bescheid als Begründung für die Schonzeitverkürzung herangezogen wird.
58
Damit fehlt es für die hier streitgegenständlichen Reviere bereits an den notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Verkürzung der Schonzeit. Auf die Frage einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung des Landratsamtes – an der aus Sicht der Kammer erhebliche Zweifel bestehen – kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
59
Nach allem war dem Antrag daher stattzugeben.
60
3. Rechtsgrundlage der gerichtlichen Kostenentscheidung ist § 154 Abs. 1 VwGO. Dem Beigeladenen konnten keine Kosten auferlegt werden, weil er keine Anträge gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Umgekehrt entsprach es nicht der Billigkeit, dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
61
4. Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung sind § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag die Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb das Gericht von einer Reduzierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit abgesehen hat.