Titel:
Nachweis des Masernimpfschutzes von Kindern
Normenketten:
IfSG § 20 Abs. 12, Abs. 13
VwGO § 80 Abs. 5, § 114 S. 1
Leitsatz:
Die Nachweispflicht für die Masernschutzimpfung schulpflichtiger Kinder ist bei summarischer Prüfung nicht verfassungswidrig. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachweis eines ausreichenden Masernschutzes bei Schülern, keine (evidente) Verfassungswidrigkeit einheitliches Zwangsgeld, Masernschutz, Schüler, Nachweis, Impfung, Verfassungswidrigkeit, Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8348
Tenor
1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine behördliche Aufforderung zum Nachweis eines ausreichenden Masernimpfschutzes oder einer medizinischen Kontraindikation der Masernimpfung bei ihrer minderjährigen Tochter.
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Die im Jahr … geborene Tochter der Antragsteller besucht das …Gymnasium in … Mit Schreiben des Landratsamts … – Gesundheitsamt – vom 5. August 2022 wurden die Antragsteller darüber informiert, dass für ihre Tochter ein ausreichender Masernschutz bzw. die medizinische Kontraindikation einer Masernschutzimpfung nachzuweisen ist. Gleichzeitig wurden die Antragsteller gebeten, einen entsprechenden Nachweis bis zum 23. August 2022 vorzulegen. Da sie dem nicht nachgekommen sind, wurden sie mit Schreiben vom 24. August 2022 erneut angehalten, einen entsprechenden Nachweis bis zum 7. September 2022 zu erbringen. Mit Anhörungsschreiben vom 12. September 2022 wurde den Antragstellern eine erneute Frist zur Vorlage des geforderten Nachweises bis zum 14. Oktober 2022 gesetzt. Mit E-Mails vom 26. September 2022, 29. September 2022 und 8. Oktober 2022 teilten die Antragsteller mit, dass nach ihrer Ansicht die Nachweispflicht aufgrund der Freiwilligkeit der Entscheidung nicht für schulpflichtige Kinder gelte. Hierauf habe das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zu Kita-Kindern hingewiesen. Weiter beantragten sie die Ruhendstellung des Verwaltungsverfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde betreffend schulpflichtige Kinder (Az. 1 BvR 2700/20), was seitens des Gesundheitsamtes mit E-Mail vom 2. November 2022 abgelehnt wurde.
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Mit Bescheid vom 3. November 2022 – mittels Postzustellungsurkunde am 5. November 2022 zugestellt – verpflichtete das Landratsamt die Antragsteller bis spätestens 7. Dezember 2022 entweder (a) einen Masernschutzimpfnachweis in Form einer Impfdokumentation nach § 22 Abs. 1 und 2 IfSG oder ein ärztliches Zeugnis, darüber, dass bei der Tochter ein nach Maßgaben von § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG ausreichender Impfschutz besteht, oder (b) ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei der Tochter eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann, vorzulegen oder (c) eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen in § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG genannten Einrichtung darüber, dass ein Nachweis i.S.d. Buchstaben a) oder b) bereits vorgelegen hat (Ziffer 1). Für den Fall, dass die Antragsteller dieser Verpflichtung nicht, nicht vollständig oder nicht fristgemäß nachkommen, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 400,00 EUR angedroht (Ziffer 2). Den Antragstellern wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffern 3 und 4).
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Mit bei Gericht am 5. Dezember 2022 eingegangenem Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 29. November 2022 haben die Antragsteller gegen den Bescheid Klage erhoben (AN 18 K 22.02542) sowie zugleich einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, der Bescheid sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig.
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Hinsichtlich der Grundverfügung in Ziffer 1 fehle es bereits an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Die seitens des Beklagten zitierten Normen aus dem IfSG seien verfassungswidrig und würden die Antragsteller sowie ihre Tochter in ihren Grundrechten verletzen. Daran ändere auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2022 (Az. 1 BvR 469/20 u.a.) nichts, da die Nachweispflicht bei Schülern und Schülerinnen von der Entscheidung ausdrücklich nicht umfasst gewesen sei; vielmehr sei die Verfassungsbeschwerde hierzu noch anhängig (Az. 1 BvR 2700/20). Es sei auch völlig offen, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden werde. Ein wesentliches Argument des Bundesverfassungsgerichts für die Verfassungsmäßigkeit der Masernimpfpflicht für Kindergarten-Kinder sei gewesen, dass das Gewicht des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dadurch abgemildert werde, dass die angegriffenen Maßnahmen die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern als solche nicht aufheben und diesen damit die Ausübung der Gesundheitssorge für ihre Kinder im Grundsatz belassen würde. Sorgeberechtigte Eltern könnten auf eine Schutzimpfung des Kindes verzichten, müssten dann allerdings den Nachteil in Kauf nehmen, eine andere Form der Kinderbetreuung in Anspruch nehmen zu müssen. Diese Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts greifen indes bei schulpflichtigen Kindern gerade nicht durch. Aufgrund der allgemeinen Schulpflicht könnten Eltern nicht einfach entscheiden, dass ihr Kind zu Hause bleibe bzw. zu Hause unterrichtet werde. Sofern beim Kind keine Kontraindikation oder eine schon bestehende Immunität vorliege, seien die Eltern gezwungen, ihre Kinder impfen zu lassen oder ein sich wiederholendes Zwangsgeld in Kauf zu nehmen. Damit stelle die Nachweispflicht der Masernimpfung für Schüler einen erheblich schwerwiegenderen Grundrechtseingriff dar, der auch nicht (mehr) gerechtfertigt werden könne.
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Auch das in Ziffer 2 angedrohte Zwangsgeld verstoße gegen höherrangiges Recht. Der Gesetzgeber habe gerade keine mit Zwang durchzusetzende Masernimpfpflicht statuiert. Vielmehr solle den Eltern die Impfentscheidung weitgehend belassen bleiben. Damit lasse sich aber die Androhung von Zwangsgeld nicht vereinbaren. Auch wenn die Androhung von Zwangsgeld hier unmittelbar nur der Durchsetzung einer Nachweispflicht diene, laufe es jedoch mittelbar auf die zwangsweise Durchsetzung einer Impfpflicht hinaus. Anders als bei Kita-Kindern könnten sich die Eltern – aufgrund der Schulpflicht – der Nachweispflicht gerade nicht entziehen. Aus diesem Grund sei die Androhung von Zwangsgeld verfassungs- und damit rechtswidrig (unter Verweis auf NdsOVG, B.v. 22.6.2022 – 14 ME 258/22 zur COVID-19 Impfnachweispflicht). Zudem verstoße die Zwangsgeldandrohung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, da der Betrag von 400,- EUR nur einmal genannt sei und aus der Androhung nicht ersichtlich sei, ob er für den Fall der Nichterfüllung gegenüber jedem Elternteil separat oder gegenüber beiden Elternteilen als Gesamtschuldner nur einmal fällig werde.
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Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren AN 18 K 22.02542 anzuordnen.
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Das Landratsamt … tritt dem für den Antragsgegner entgegen und beantragt,
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Die angeordneten Maßnahmen seien rechtmäßig. Es werde insofern auf die Begründung des Bescheides verwiesen. Aus dem von der Antragstellerseite angesprochenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Masernimpfung bei Kita-Kindern könne nicht einfach abgeleitet werden, dass eine entsprechende Nachweisvorlageverpflichtung bei Schulkindern rechtswidrig wäre. Bezüglich des Zwangsgeldes hätten die Antragsteller selbst eingeräumt, dass sich dieses nicht auf eine Durchsetzung der Impfpflicht beziehe, sondern nur darauf, dass ein Nachweis des Masernschutzimpfnachweises oder eines ausreichenden sonstigen in § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG genannten Nachweises vorgelegt werde. Der zitierte Beschluss des OVG Niedersachsen sei hier nicht einschlägig. Auch lasse die zulässige Verpflichtung beider Personensorgeberechtigten in Ziffer 1 des Bescheides und die sich darauf beziehende Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 ausreichend klar erkennen, dass das Zwangsgeld nur einmal gegenüber beiden Antragstellern angedroht worden sei und dadurch auch nur einmal gesamtschuldnerisch fällig werden könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, wobei die Antragsteller eine mögliche Rechtsverletzung nur aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG herleiten können, nicht hingegen aus dem ihrer Tochter zustehenden Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Angesichts der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO, die im vorläufigen Rechtsschutz entsprechend anzuwenden ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das Institut der gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozessrecht anders als im Zivilprozessrecht kein Raum (BVerwG, U.v. 26.10.1995 – 3 C 27/94). Der Antrag erweist sich allerdings als unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfes kraft Gesetzes entfällt, was vorliegend hinsichtlich der in Ziffer 1 des Bescheides – der vom Landratsamt nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG – erlassenen Grundverfügung gemäß § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG bzw. hinsichtlich der in Ziffer 2 des Bescheides verfügten Zwangsgeldandrohung nach Art. 21a VwZVG der Fall ist, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das erkennende Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung und dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller zu treffen, die notwendigerweise nur vorläufigen summarischen Charakter hat. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht Ersatz für das Verfahren der Hauptsache sein, welches in erster Linie den Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt; demgegenüber dient das Eilverfahren vornehmlich der Verhinderung von Rechtsnachteilen und Rechtsverlusten bis zum (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Wegen des summarischen Charakters des Eilverfahrens müssen dabei weder schwierige Rechtsfragen vertieft noch abschließend geklärt werden. Solches muss dem Verfahren der Hauptsache überlassen bleiben (vgl. OVG NRW, B.v. 26.1.1999 – 3 B 2861/97 – juris Rn.4). Im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten bzw. noch einzulegenden Rechtsbehelfs eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 6.7.1994 – 1 VR 10.93 – juris Rn. 4). Wird dieser voraussichtlich keinen Erfolg haben, ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags.
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Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg.
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1. Rechtsgrundlage der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheides ist § 20 Abs. 13 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG. Danach haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen (§ 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Soweit – wie hier – die verpflichtete Person minderjährig ist, hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG). Dabei hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG nicht nur eine Vertretung des Kindes durch den Personensorgeberechtigten, sondern eine Übertragung der Verpflichtung auf den Sorgeberechtigten statuiert (BayVGH, B.v. 6.10.2021 – 25 CE 21.2383 – juris Rn. 8).
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1.1 Die seitens der Antragsteller gerügte Verfassungswidrigkeit der vorstehend zitierten Normen ist für die Kammer nicht erkennbar. Da im Eilverfahren an die Nichtanwendung eines Gesetzes im formellen Sinn durch das Fachgericht wegen Annahme seiner Grundgesetzwidrigkeit mit Blick auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts (Art. 100 Abs. 1 GG) hohe Anforderungen zu stellen sind, ist das Gericht bei der hier vorzunehmenden Prüfung auf das Vorliegen evidenter Verfassungsverstöße beschränkt. Eine „Selbstermächtigung“ des Gerichts zur Verwerfung und Nichtanwendung einer als verfassungswidrig erkannten Norm im Eilverfahren hat die Ausnahme zu bleiben (vgl. zum Ganzen NdsOVG, B.v. 9.10.2020 – 10 ME 207/20 – juris Rn. 6 f., m.w.N.). Eine solche greifbare materielle Verfassungswidrigkeit der vorstehend genannten Normen des Infektionsschutzgesetzes zur Nachweispflicht gegenüber schulpflichtigen Kindern vermag die Kammer hier allerdings nicht festzustellen. Insoweit wurde bereits von der erkennenden Kammer und auch von anderen Fachgerichten entschieden, dass die durch das Masernschutzgesetz eingeführten Bestimmungen des § 20 Abs. 8 bis 14 IfSG jedenfalls nicht derart offensichtlich verfassungswidrig sind, dass ihre Nichtanwendung im Eilverfahren in Betracht käme (VG Ansbach, B.v. 5.11.2021 – AN 18 S 21.1884 – juris Rn. 28f.; OVG Münster, B.v. 22.7.2022 – 13 B 1466.21 – juris Rn. 71 ff.; VG Bayreuth, B.v. 14.11.2022 – B 7 S 22.1038 – juris Rn. 42).
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Entgegen des Vortrags der Antragsteller ergibt sich die Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht für schulpflichtige Kinder auch nicht aus den Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 21. Juli 2022 (Az. 1 BvR 469/20 u.a.) betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Masernimpfpflicht von Kindern, die eine Kindertagesstätte besuchen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat dazu in seinem Beschluss vom 14. November 2022 (B 7 S 22.1038 – juris Rn. 42) Folgendes ausgeführt:
„Die Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht für schulpflichtige Kinder ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2022 (Az. 1 BvR 469/20). Soweit mit der Antragsbegründung vorgetragen wird, im Beschluss vom 21.07.2021 würden nur die Regelungen des Masernschutzgesetzes, als sie Kinder beträfen, die in einer Kindertageseinrichtung oder in einer nach § 43 Abs. 1 SGB VIII erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, als verfassungsgemäß erachtet, folgt nicht ohne Weiteres – gewisser Maßen in einer Art „Umkehrschluss“ –, dass die Nachweispflicht bei betroffenen Schülern verfassungswidrig ist. In der zitierten Rn. 49 des Beschlusses vom 21.07.2022 stellt das Bundesverfassungsgericht vielmehr nur klar, dass Gegenstand der dort entschiedenen Verfassungsbeschwerde nur die Regelungen des Masernschutzgesetzes für Kinder, die in einer Kindertageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege betreut werden, sind. Auch aus der zitierten Rn. 145 des vorstehenden Beschlusses vermag das Gericht keine offenkundige Verfassungswidrigkeit der „Nachweispflicht“ bei Schulkindern zu erkennen. Insoweit führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass keine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht bestehe. Vielmehr verbleibe den für die Ausübung der Gesundheitssorge zuständigen Eltern im Ergebnis ein relevanter Freiheitsraum, da diese auf eine Schutzimpfung verzichten könnten, dann allerdings den Nachteil in Kauf nehmen müssten, eine andere Form der Kinderbetreuung zu finden. Soweit die Antragsteller meinen, die „Masernimpfungsnachweispflicht“ für Schüler stelle einen erheblich schwerwiegenderen Eingriff in die Grundrechte dar, als es bei Kindergartenkindern der Fall sei, da aufgrund der allgemeinen Schulpflicht die Eltern nicht einfach entscheiden könnten, ob ihr Kind zu Hause bleibe bzw. zu Hause unterrichtet werde, ist dies ebenfalls kein Indiz für eine offensichtliche Verfassungswidrigkeit der Nachweisverpflichtung bei schulpflichtigen Kindern. Im Gegenteil, anders als bei „Kindergartenkindern“, die bzw. deren Sorgeberechtigte der Nachweispflicht nicht nachkommen und denen dann gem. § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG ein Betreuungsverbot droht, dürfen schulpflichtige Kinder – trotz der Nichtvorlage des geforderten Nachweises – gem. § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG gerade nicht vom Unterricht ausgeschlossen werden. Letztlich ergibt sich auch aus Randnummer 163 des Beschlusses vom 21.07.2022 keine evidente Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht bei schulpflichtigen Kindern. Insoweit wird zwar hinsichtlich der unterschiedlichen Rechtsfolgen bei ausbleibendem Nachweis bei „Kindergartenkindern“ einerseits und schulpflichtigen Kindern andererseits differenziert, es wird jedoch vom Bundesverfassungsgericht gerade auch ausgeführt, dass ein Betreuungsverbot bei schulpflichtigen Kindern zu einer Impfpflicht gegen Masern führen würde, die der Gesetzgeber gerade nicht statuiert habe und dementsprechend – da auch hier der Gesetzgeber den Eltern die Impfentscheidung weitgehend belassen wollte – es konsequent sei, dass die Schulpflicht Vorrang vor der Auf- und Nachweispflicht habe.“
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Diesen zutreffenden Ausführungen hat die Kammer nichts Wesentliches hinzuzufügen. Vielmehr schließt sie sich diesen vollumfänglich an.
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1.2 Bei summarischer Prüfung liegen auch die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 13 Satz 1 IfSG vor. Die …jährige Tochter der Antragsteller besucht das …Gymnasium in … und wird daher in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut, nämlich in einer Einrichtung gem. § 33 Nr. 3 IfSG (Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen). Ein Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ist bis heute unstreitig nicht vorgelegt worden. Die Antragsteller haben weder einen „Impfnachweis“ erbracht, noch ein ärztliches Zeugnis dahingehend vorgelegt, dass bei ihrer Tochter eine Immunität gegen Masern vorliegt bzw. dass diese aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden könne. Auch eine Bestätigung im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 IfSG wurde nicht vorgelegt. Die Antragsteller ersuchten aufgrund ihrer Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Pflicht zum Nachweis eines hinreichenden Masernschutzes bei Schülern bereits im Behördenverfahren um eine Ruhendstellung des Verfahrens. Letztlich sind die Antragsteller trotz mehrmaliger Aufforderung und Fristsetzung ihrer gesetzlichen Nachweispflicht nicht nachgekommen, so dass seitens der Kammer keinerlei Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der nunmehr mittels Bescheid eingeforderten Nachweispflicht bestehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass – trotz der Nichtvorlage des Nachweises – bei Schülern kein Betretungsverbot besteht bzw. ausgesprochen werden darf (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG). Aus schulorganisatorischen Gründen besteht dennoch ein gewichtiges Interesse der Einrichtungsleitung bzw. des Gesundheitsamts, verbindlich über einen etwaigen Masernschutz der Betreuten Kenntnis zu haben.
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1.3 Auch gegen die vom Gesundheitsamt auf der Rechtsfolgenseite getroffene Ermessensentscheidung, die Antragsteller unter Fristsetzung bis zum 7. Dezember 2022 zur Einreichung eines Nachweises über die Masernschutzimpfung ihrer Tochter oder über eine medizinische Kontraktion einer solchen Impfung zu verpflichten, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Spezifische Ermessenfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) dahingehend, dass das Gesundheitsamt das ihm obliegende Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt hat und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – wobei hier in besonderem Maße der durch die Vorlage letztlich bezweckte Schutz der Gesundheit vor einer Maserninfektion zu berücksichtigen ist (vgl. Gerhardt in Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Auflage 2021, § 20 Rn. 119) – nicht beachtet haben könnte, sind nicht ersichtlich. Auch die gesetzte Frist zur Nachweisvorlage bis 7. Dezember 2022 – gerechnet vom Tag des Bescheiderlasses am 7. November 2022 sind dies mehr als vier Wochen – ist nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch Gerhardt in Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Auflage 2021, § 20 Rn. 120, welcher regelmäßig eine Frist im Normalfall von etwa zehn Tagen als ausreichend erachtet), zumal im Bescheid im Hinblick auf den Mindestabstand von vier Wochen zwischen zwei Masernschutzimpfungen explizit darauf hingewiesen ist, dass es bei einer erst noch zu veranlassenden Impfung genügt, wenn innerhalb der gesetzten Frist zunächst der Nachweis über die Erstimpfung vorgelegt wird.
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2. Die in Ziffer 2 enthaltene Zwangsgeldandrohung erweist sich jedenfalls bei hier allein gebotener summarischer Prüfung ebenfalls nicht als rechtswidrig. Soweit die Antragsteller für ihre gegenteilige Auffassung auf die oben genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 21. Juli 2022 (1 BvR 469/20 u.a.) verweisen und dies aus der darin enthaltenen Aussage, der Gesetzgeber habe keine zwangsweise Impfpflicht einführen wollen, abzuleiten versuchen, verfängt dies nicht. Wie die Antragsteller selbst zugestehen, geht es vorliegend in erster Linie nicht um die zwangsweise Durchsetzung einer Impfpflicht, sondern um die Durchsetzung einer Nachweispflicht. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber selbst explizit klargestellt, dass – trotz Verzicht auf eine zwangsweise durchsetzbare Impfpflicht – diese Nachweispflicht einer Vollstreckung mittels Zwangsgeld offen steht (BT-Drs. 19/13452, S. 30). Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang vorbringen, dass die Androhung von Zwangsgeld für den Fall der Nichterfüllung der Nachweispflicht quasi mittelbar doch zu einem Erzwingen der Impfpflicht führt, ändert dies nichts. Dieser Einwand würde voraussetzen, dass einer Vollstreckung ausschließlich durch eine Impfung entgangen werden könnte. Nur dann liegt überhaupt eine ausreichende Kausalität vor, um der Rechtsfrage nachzugehen, wie ein lediglich mittelbar wirkender Zwang zur Impfung rechtlich zu beurteilen ist. Dies kann aber vorliegend offen bleiben, da die Antragsteller ihren Pflichten nicht nur durch Vorlage des Nachweises einer bereits erfolgten Impfung, sondern auch durch anderweitige Nachweise (insbesondere Immunitätsnachweis) gerecht würden und so ein Zwangsgeld vermeiden könnten. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch maßgeblich von der seitens der Antragsteller in Bezug genommenen Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22.06.2022 (14 ME 258/22), in dem die mit Zwangsgeld bedrohte Pflicht ausschließlich auf Vorlage eines Impfnachweises gerichtet war. Soweit das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Übrigen überhaupt auf die Vorschrift des § 20 Abs. 12 IfSG betreffend den Masernschutz einging – die Entscheidung betraf streitgegenständlich nur § 20a Abs. 5 IfSG a.F. im Zusammenhang mit der Impfung gegen das Corona-Virus – deuten die Ausführungen ohnehin eher darauf hin, dass insoweit die Vorlage eines Nachweises mit Zwangsgeld durchsetzbar sei (so auch VG Bayreuth, B.v. 14.11.2022 – B 7 S 22.1038 – juris Rn. 49). Insofern hilft die Entscheidung den Antragstellern hier nicht weiter. Schließlich haben die Antragsteller auch nichts dazu vorgetragen, dass es ihnen unmöglich sei, einen der anderen Nachweise zu erbringen. Stattdessen beschränken sich die diesbezüglichen Ausführungen lediglich darauf, dass (auch) kein Immunitätsnachweis vorgelegt wurde. Auch ansonsten ist für das Gericht nichts ersichtlich, dass seitens der Antragsteller überhaupt der Versuch unternommen wurde, einen anderweitig im Bescheid geforderten Nachweis zu erbringen. Die Zwangsgeldandrohung verstößt nach summarischer Prüfung auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Entgegen der Sichtweise der Antragsteller hat der Beklagte im Bescheid nicht offen gelassen, ob das Zwangsgeld im Falle der Nichterfüllung der angeordneten Pflicht nur einmal gegen beide Antragsteller zusammen oder gegen jeden Antragsteller fällig wird. Ausweislich der Ziffer 1 richtet sich die Verpflichtung gegen beide Antragsteller. Die Zwangsgeldandrohung nimmt hierauf Bezug, richtet sich mithin ebenfalls an beide Antragsteller, bestimmt aber zugleich, dass im Falle der Nichterfüllung (also gleich durch welchen der beiden Antragsteller), nur „ein“ Zwangsgeld im Raum steht. Ausgehend von diesem Regelungsgefüge hätte es einer Klarstellung im Sinne eines „jeweils“ bedurft, wenn der Beklagte ein Zwangsgeld gegen jeden der Antragsteller fordern hätte wollen. Dies ist aber eben nicht erfolgt (vgl. dazu auch VG Bayreuth, B.v. 14.11.2022 – B 7 S 22.1038 – juris Rn. 46).
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Nach alledem ist der Antrag folglich abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei an Nr. 1.5 des Streitwertskatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des Streitwerts im Hauptsacheverfahren beträgt.