Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 21.03.2023 – AN 16 E 23.495
Titel:

Eilrechtsschutzes gegen eine weitere gutachterliche ärztliche Untersuchung zur Beurteilung Dienstfähigkeit

Normenketten:
VwGO § 44a S. 1, § 123
BBG § 44 Abs. 6, § 46 Abs. 7, § 48
ZPO § 294, § 920
Leitsätze:
1. Eine ärztliche Untersuchungsanordnung ist nicht als bloße Verfahrenshandlung zu qualifizieren, die nicht gesondert mit Rechtsmitteln angreifbar ist. § 44a S. 1 VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine Untersuchungsanordnung nicht entgegen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen, in der Untersuchungsaufforderung angeben, damit der Beamte anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen kann, ob die angeführten Gründe tragfähig sind. Ein etwaiger Mangel dieser Aufforderung kann nicht im weiteren behördlichen oder gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Zudem muss die Untersuchungsanordnung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Belieben des Arztes überlassen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine erneute vollständige amtsärztliche Untersuchung des Beamten ist nur zulässig, wenn die Erstbegutachtung des Amtsarztes als nicht tragfähig erachtet werden musste, weil Dienstherr begründete Zweifel an dessen Sachkunde haben musste oder dessen medizinische Beurteilung auf unzutreffenden Tatsachengrundlagen beruhte, in sich unstimmig und nicht nachvollziehbar war. Zweifel an der Verwertbarkeit einer amtsärztlichen Stellungnahme ergeben sich aber nicht bereits daraus, dass der Dienstherr die Ergebnisse der Begutachtung auf Grund eigener Hintergrundinformationen in Zweifel zieht. Für eine Zweitbegutachtung besteht auch dann hinreichender Anlass, wenn Anhaltspunkte für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Beamten vorliegen oder wenn sonstige Umstände den Schluss zulassen, dass das Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens keinen Bestand mehr haben kann. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamtenrecht, (rechtswidrige) Untersuchungsanordnung, formelle und materielle Anforderungen an die Untersuchungsanordnung, Rechtsschutzbedürfnis, Rechtsmissbräuchlichkeit (verneint), Erledigung des Eilrechtsschutzverfahrens (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8336

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines noch einzulegenden Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung freizustellen, der Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung zur Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit aufgrund der Untersuchungsanordnung des Hauptzollamtes … vom 15. Februar 2023 Folge zu leisten.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen eine weitere gutachterliche ärztliche Untersuchung zur Beurteilung ihrer Dienstfähigkeit.
2
Die Antragstellerin steht als Beamtin (Zolloberinspektorin) im Dienst der Antragsgegnerin.
3
Sie war von 26. März 2019 bis 13. September 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 20. Juni 2022 liegt bei der Antragstellerin erneut Arbeitsunfähigkeit vor.
4
Mit Schreiben vom 12. September 2022 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin um Vorlage eines ärztlichen Attestes, das eine Prognose zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit enthalten solle.
5
Die Antragstellerin legte daraufhin ein nervenärztliches Attest vom 6. Oktober 2022 vor, ausweislich dessen prognostisch der zeitliche Rahmen zur Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit nicht sicher eingeschätzt werden könne. Avisiert werde die stufenweise Wiederaufnahme der Tätigkeit ab Anfang des Jahres 2023.
6
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 ordnete die Antragsgegnerin eine amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin zur Überprüfung ihrer allgemeinen Dienstfähigkeit an.
7
Laut amtsärztlichem Gutachten des Gesundheitsamtes … vom 23. Januar 2023 ist die Antragstellerin aus medizinischer Sicht derzeit dienstunfähig. Sie leide unter chronischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus dem nervenärztlichen bzw. psychiatrischen sowie aus dem orthopädischen Fachgebiet mit negativer Auswirkung auf die dienstliche Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit. Es bestünden krankheitsbedingt insbesondere Einschränkungen der psychophysischen und psychischen Leistungsfähigkeit. Im psychophysischen Bereich seien insbesondere die allgemeine Belastbarkeit, die Stresstoleranz und das Durchhaltevermögen deutlich reduziert. Die Erschöpfbarkeit sei erhöht. Im psychischen Bereich seien insbesondere Antriebs- und Konzentrationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und emotionale Stabilität deutlich reduziert. Es komme bereits unter regelhafter Belastung rasch zu Überforderungssymptomen, Erschöpfung und Ängsten. Unter fortlaufender Therapie bestehe innerhalb der nächsten sechs Monate Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit. Zur Erhaltung der dienstlichen Leistungsfähigkeit sollten Überforderungssituationen mangels strukturierter Einarbeitung vermieden werden. Die Ermöglichung von Telearbeit mit flexibleren Arbeitszeiten würde sich dauerhaft günstig auf die Erhaltung der Dienstfähigkeit auswirken. Gesundheitliche Rehabilitationsmaßnahmen seien nicht erfolgversprechend, derzeit würden bereits die therapeutischen Optionen ausgeschöpft werden. Mit einem stationären kurativen oder rehabilitativen Aufenthalt sei nicht in höherem Maße und mit höherer Wahrscheinlichkeit von einer schnelleren Verbesserung oder Wiederherstellung der tätigkeitsbezogenen Dienstfähigkeit auszugehen. In das Gutachten einbezogen worden seien neben dem nervenärztlichen Attest vom 6. Oktober 2022 ein Befundbericht vom 19. Januar 2023 sowie ein Radiologischer Befundbericht vom 18. Januar 2023. Auf das Gutachten (vgl. Bl. 24ff der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
8
Mit Schreiben vom 15. Februar 2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass auf Grund der Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten vom 23. Januar 2023 weiterhin erhebliche Zweifel an der (dauerhaften) Dienstfähigkeit der Antragstellerin bestünden. Im Rahmen einer gutachterlichen Untersuchung solle daher überprüft werden, ob ihre Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate wieder voll hergestellt sein werde. Das Universitätsklinikum … sei entsprechend beauftragt worden. Die Untersuchung des Gesundheitszustandes umfasse ein Anamnesegespräch, die Erhebung eines psychischen und ggf. körperlichen Untersuchungsbefundes sowie evtl. auch eine Laboruntersuchung. Beigefügt war ein tabellarischer Gutachtensauftrag „Begutachtung der Dienstfähigkeit nach § 48 BBG“. Die Antragstellerin werde für den Fall einer ungerechtfertigten schuldhaften Weigerung, sich einer amtsärztlichen/gutachterlichen Untersuchung zu unterziehen, auf mögliche disziplinarische Folgen und zulässige ungünstige Rückschlüsse auf eine Dienstunfähigkeit hingewiesen.
9
Laut internem Vermerk der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2023 (vgl. Bl. 71 ff. der Gerichtsakte unter Ziffer 1) sei das amtsärztliche Gutachten widersprüchlich. Daher werde zur abschließenden Klärung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin eine Begutachtung im Universitätsklinikum … in Auftrag gegeben.
10
In dem Gutachtensauftrag an den Ärztlichen Direktor des Universitätsklinikums … (vgl. Entwurf eines entsprechenden Schreibens Bl. 72 ff. der Gerichtsakte) führte die Antragsgegnerin aus: „[…] Trotz dieser erheblichen und chronischen Gesundheitsbeeinträchtigungen besteht nach Einschätzung des Amtsarztes Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate. Aufgrund der bisherigen enormen Krankheitsausfälle, den o. g. Funktionseinschränkungen und meiner Wahrnehmung der Beamtin, habe ich erhebliche Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit. […] Im Rahmen Ihrer Untersuchung bitte ich um Überprüfung der psychischen und physischen Gesundheitsbeeinträchtigungen.“
11
Mit Schreiben vom 27. Februar 2023 forderte das Universitätsklinikum …, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Betreff: „Psychiatrisches Gutachten im Auftrag des Hauptzollamtes …“, die Antragstellerin auf, sich im Zuge der Begutachtung am Montag, den 13. März 2023 um 8:30 Uhr in der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, …, vorzustellen.
12
Am 10. März 2023 verfasste die Antragsgegnerin ein an die Antragstellerin bzw. deren Bevollmächtigte adressiertes Schreiben, wonach sie unter Bezugnahme auf die Terminsmitteilung des Universitätsklinikums … vom 27. Februar 2023 gemäß § 62 Bundesbeamtengesetz (BBG) angewiesen werde, sich am 13. März 2023 um 08:30 Uhr im Zimmer Nummer 0.816 des Sekretariates Gutachten und Lehre der Universitätsklinik … bei … zur Begutachtung einzufinden. Ihre Dienstfähigkeit sei aufgrund ihrer langen ununterbrochenen Erkrankung zu überprüfen. Aufgeführt war im Folgenden tabellarisch, für welche Zeiträume ab 26. Juni 2022 bis 2. Mai 2023 der Antragsgegnerin ärztliche Atteste bzw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Antragstellerin vorliegen. Laut Antragsgegnerin ist das Schreiben am 10. März 2023 um 14:20 Uhr unter Zeugen und mit Videodokumentation in den Briefkasten der Antragstellerin eingelegt worden.
13
Bereits mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 9. März 2023 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie ist der Auffassung, die Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2023 sei rechtswidrig. Mit ihr werde nicht das Ziel verfolgt, über die amtsärztliche Untersuchung vom 23. Januar 2023 eine ergänzende Zusatzbegutachtung durchführen zu lassen. Vielmehr gehe es der Antragsgegnerin darum, das amtsärztliche Gutachten durch ein „Obergutachten“ ersetzen zu lassen. Dies gehe daraus hervor, dass dem Gutachtensauftrag an das Universitätsklinikum derselbe Gutachtensauftrag wie an das Gesundheitsamt beigefügt gewesen sei. Da dem amtsärztlichen Gutachten des Gesundheitsamtes … jedoch rechtlich ein großes Gewicht zukomme, bestehe für eine weitere Begutachtung der Antragstellerin kein Bedürfnis. Zudem sei in der Untersuchungsanordnung an keiner Stelle und nicht einmal ansatzweise erläutert, warum die Antragsgegnerin „weiterhin erhebliche Zweifel“ an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin habe, worin diese Zweifel bestünden und weshalb sich diese „auf Grund der Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten“ ergeben sollten. Die fehlende Begründung stelle einen schweren Mangel der Untersuchungsanordnung dar, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Behörden- oder Gerichtsverfahren weder geheilt noch durch Ergänzungen kompensiert werden könne. Das amtsärztliche Gutachten sei im Übrigen klar und enthalte eindeutige Aussagen dazu, dass und wie die volle Leistungsfähigkeit der Antragstellerin wieder erreicht werden könne. In nachvollziehbarer Weise gehe das amtsärztliche Gutachten mit entsprechender Begründung davon aus, dass die Antragstellerin keineswegs dauerhaft dienstunfähig sei.
14
Die Antragstellerin beantragt,
Die Antragstellerin wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung zur Durchführung einer gutachterlichen ärztlichen Untersuchung beim Universitätsklinikum … gemäß Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin – Hauptzollamt … – vom 15. Februar 2023 freigestellt.
15
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag nach § 123 VwGO abzulehnen.
16
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die Weisung über die ärztliche Untersuchung vom 15. Februar 2023 in der Fassung vom 10. März 2023 sei hinreichend begründet. Die Antragstellerin sei vom 29. Juli 2021 bis 24. Juni 2022 an über 30 Kalendertagen und im Anschluss ab 26. Juni 2022 bis heute durchgehend an zumindest 183 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt. Ausweislich der amtsärztlichen Feststellungen bedürfe es keiner gesundheitlichen Rehabilitationsmaßnahme für die Antragstellerin, deren Dienstunfähigkeit dauere aber aus Sicht des Amtsarztes als sachverständiger Helfer und Berater der allein zur Entscheidung befugten Dienstvorgesetzten weiterhin an. Allein aus diesem Umstand heraus würden sich gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG greifbare Anhaltspunkte für die Möglichkeit ihrer dauerhaften Dienstunfähigkeit bzw. einer anderweitigen Verwendung oder einer Teildienstfähigkeit ergeben. Insoweit bedürfe es „weiter fachärztlicher Expertise“, über die die für den Dienstherrn handelnden Entscheidungsträger nicht verfügen würden. Weiter ist die Antragsgegnerin der Auffassung, es sei rechtsmissbräuchlich, dass die Antragstellerin erst so kurz vor dem eigentlichen Untersuchungstermin rechtliche Schritte eingeleitet habe. Der Antragsgegnerin sei damit faktisch die Möglichkeit genommen worden, adäquat auf das rechtsirrige Vorbringen zu reagieren. Im Übrigen sei der Antrag unzulässig geworden bzw. habe sich der Rechtsstreit erledigt. Nachdem der Untersuchungstermin mittlerweile verstrichen sei, fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis. Der beauftragten Universitätsklinik sei bekannt, dass es im Falle eines vonseiten des Dienstherrn fortbestehenden Wunsches einer Begutachtung der Antragstellerin eines neuen schriftlichen Gutachtensauftrages mit neuer Terminvereinbarung bedürfe, welcher gemäß Schreiben der Antragsgegnerin vom 10. März 2023 aktuell nicht erteilt werde. Die auf einen Einzeltermin fixierte Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 in der Fassung vom 10. März 2023, wobei die Dienstvorgesetzte in letzterer die Terminierung einbezogen und zum Gegenstand gemacht habe, entfalte aufgrund der immanenten zeitlichen Begrenzung keine Gebotswirkung mehr. Es lägen keine zwei rechtlich und tatsächlich voneinander unabhängig ergangenen gemischt dienstlich-persönlichen Weisungen vor, sondern nur eine einzige beamtenrechtliche Weisung, die sich mittlerweile erledigt habe. Die Antragsgegnerin habe aufgrund der Gesamtdauer der durchgehenden Krankschreibung, der wiederholten vorhergegangenen Ausfallzeiten, des amtsärztlichen Ausschlusses weiterer medizinischer Therapiemöglichkeiten sowie des Umstandes, dass der Krankenstand trotz adäquater Einarbeitungsversuche des Dienstherrn bestanden habe, berechtigte Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin haben dürfen. Diese Zweifel sollten durch die ergänzend angeordnete fachärztliche Begutachtung einer abschließenden medizinischen und in der Folge beamtenrechtlichen Klärung zugeführt werden.
17
Mit Schreiben vom 10. März 2023 hat die Antragsgegnerin zugesichert, bis zur Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren von der Vollziehung der Untersuchungsanordnung abzusehen.
18
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
19
Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig und begründet.
20
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
21
Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch sowie ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
22
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung am Universitätsklinikum … vom 15. Februar 2023 ist zulässig.
23
a) Der Antrag ist statthaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – juris Rn. 24 ff.) ist eine Untersuchungsanordnung nicht als bloße Verfahrenshandlung zu qualifizieren, die nicht gesondert mit Rechtsmitteln angreifbar ist (so noch: BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – BVerwGE 165, 65-82). § 44a Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Vielmehr ist § 44a VwGO verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Vorschrift der Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersuchungsanordnung nicht entgegensteht, weil die angeordnete ärztliche Untersuchung zu Verletzungen materieller Rechtspositionen (Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) führen könnte, die nicht mit dem durch die abschließende Sachentscheidung berührten materiellen Rechtspositionen identisch sind und die in Rechtsschutzverfahren gegen eine Zurruhesetzungsverfügung nicht vollständig beseitigt werden können. Der Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens ist für den Betroffenen unzumutbar.
24
b) Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil der angesetzte Untersuchungstermin, dem die Antragstellerin aufgrund der Zusicherung der Antragsgegnerin vom 10. März 2023 keine Folge leisten musste, mittlerweile verstrichen ist, sich die streitbefangene Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 mithin „auf andere Weise“ erledigt haben könnte (aa). Die Untersuchungsanordnung hat weiterhin rechtlichen Bestand (bb). Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erweist sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich (cc)
25
aa) Streitbefangen ist vorliegend nicht die Terminsbestimmung des Universitätsklinikums … vom 27. Februar 2023 bzw. der Antragsgegnerin vom 10. März 2023, sondern die – grundlegende – Anordnung der angeordneten Untersuchung vom 15. Februar 2023. Diese hat sich nicht durch das Verstreichen des Untersuchungstermins am 13. März 2023 durch Zeitablauf erledigt (vgl. für vergleichbare Fälle so auch st. Rechtspr. des BayVGH, B.v. 28.1.2013 – 3 CE 12.1883 –, juris Rn. 29; B.v. 6.10.2014 – 3 CE 14.1357 –, juris Rn. 14; B.v. 1.9.2015 – 3 CE 15.1274 –, juris Rn. 29; OVG Rheinland-Pfalz, 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – juris Rn. 16, HessVGH, B.v. 26.1.2022 – 1 B 3115/20 – Rn. 34; OVG NRW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – juris Rn. 11; vgl. BayVGH anders nur für den Fall, dass Untersuchungsanordnung inkl. enthaltenem Untersuchungstermin erkennbar an ein bestimmtes, sich zeitlich unmittelbar anschließendes Ereignis, nämlich eine geplante Auslandreise innerhalb bestehender Dienstunfähigkeit, geknüpft war: BayVGH, B.v. 2.2.2016 – 6 CE 15.2396 – juris Rn. 10; a.A.: OVG Bautzen, B.v. 7.2.2022 – 2 B 455/21 – juris Rn. 13 ff.). Die Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 war nicht auf einen bestimmten Untersuchungstermin beim Universitätsklinikum … fixiert. Sie enthält einen solchen auch nicht, sondern verweist darauf, dass das Universitätsklinikum … mit der Begutachtung beauftragt wurde. Die Untersuchungsanordnung unterscheidet damit zwischen der Verpflichtung, der Untersuchungsanordnung Folge zu leisten, und der tatsächlichen Organisation und Durchführung eines Untersuchungstermins (laut OVG NRW a.a.O. sog. „technische Abwicklung“ der Untersuchungsanordnung), den das beauftragte Universitätsklinikum … mit der Antragstellerin eigenständig organisieren soll. Verstrichen ist lediglich der vom Universitätsklinikum … bestimmte Untersuchungstermin am 13. März 2023. Auf Grundlage der Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2023 könnten der Antragstellerin weitere Untersuchungstermine seitens des Universitätsklinikums … vorgegeben werden, ohne dass es der erneuten Aufforderung der Antragsgegnerin bedürfte, sich der Untersuchung auch zu unterziehen.
26
bb) Die Untersuchungsanordnung des Hauptzollamtes … vom 15. Februar 2023 wurde gegenüber der Antragstellerin auch nicht aufgehoben. Sie besitzt weiterhin regelnden Charakter im Sinne einer sog. „gemischt dienstlich-persönlichen Weisung“ (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – juris Rn. 20). Eine Aufhebung erfolgte insbesondere nicht im Schreiben der Antragsgegnerin vom 10. März 2023, in dessen Betreff auf die Verfügung vom 15. Februar 2023 Bezug genommen wird. Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 10. März 2023 wird darin die Terminsmitteilung des Universitätsklinikums … um eine dienstliche Anordnung zur Folgepflicht iSd § 62 BBG ergänzt sowie eine Begründung hinsichtlich der Fehlzeiten der Antragstellerin nachgeschoben. Die Untersuchungsanordnung wurde danach lediglich ergänzt und stellt keine neue Untersuchungsanordnung dar, die die Verfügung vom 15. Februar 2023 inhaltlich überholt (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 6 C 3.10 – juris Rn. 13), zumal fraglich ist, ob das Schreiben vom 10. März 2023, dem wesentliche Elemente der Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023, z.B. zu Art und Umfang der Untersuchung fehlen, überhaupt eine solche darstellt bzw. darstellen soll. Auch im Übrigen war für die Antragstellerin ein Wille der Antragsgegnerin, an der Untersuchungsanordnung des 15. Februar 2023 nicht mehr festhalten zu wollen, nicht erkennbar. Dies wird durch die Einlassungen der Antragsgegnerin im Laufe des gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens bestätigt, in der diese von der im Streit stehenden „amtsärztlichen Untersuchungsanordnung der Leiterin des Hauptzollamtes … vom 15. Februar 2023 i. d. F. vom 10. März 2023“ spricht und damit zum Ausdruck bringt, dass die Anordnung vom 15. Februar – wenn auch in der geänderten Fassung des 10. März 2023 – weiterhin Bestand haben soll. Zum anderen vertritt die Antragsgegnerin selbst die Auffassung, dass es für einen neuen Untersuchungstermin keiner neuen Untersuchungsanordnung, sondern (lediglich) eines neuen schriftlichen Gutachtensauftrages mit neuer Terminvereinbarung bedürfe (Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. März 2023, S. 2). Weshalb die Antragsgegnerin gleichwohl der Auffassung ist, dass die Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 i. d. F. vom 10. März 2023 keine Wirkung mehr entfaltet, erschließt sich dem Gericht nicht und kann jedenfalls nicht zulasten der Antragstellerin in dem Sinne gewertet werden, dass sie die durch die Antragsgegnerin geschaffene Rechtsunsicherheit in Bezug auf einen regelnden Charakter der Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 hinzunehmen hat und ihr deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Eilantrag abzusprechen ist. Die Antragsgegnerin hätte es in der Hand gehabt, den Fortbestand der Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 eindeutig zu regeln und diese aufzuheben.
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cc) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt sich auch nicht wegen der späten Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes als rechtsmissbräuchlich dar. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn es ihr nicht um die Durchsetzung ihres subjektiven öffentlichen Rechts ginge, sondern sie mit ihrem Antrag oder der Wahl des Zeitpunkts der Antragstellung sachwidrige Motive, etwa schikanöse Zwecke verfolgen würde. Eine solche Missbrauchsabsicht müsste eindeutig erkennbar sein (vgl. OVG Münster, B.v. 1.12.2017 – 4 B 1505/17 – Rn. 4). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Antragstellerin geht es ersichtlich darum, sich gegen die Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin mit rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Die Antragstellung bei Gericht erfolgte auch nicht rechtsmissbräuchlich spät. Die Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde übersandt, die Terminsmitteilung des Universitätsklinikums … vom 27. Februar 2023 mit einfachem Brief, wobei der Antragstellerin erst mit letzterer offenbar wurde, dass sie zur einer psychiatrischen Untersuchung geladen ist, die einen weitergehenderen Eingriffscharakter als die einer amtsärztlichen Untersuchung besitzt (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – juris Rn. 17). Sich im Anschluss Rat eines Rechtsanwaltes einzuholen, der ca. 1 Woche nach Erhalt der Terminsmitteilung den Erlass einer einsteiligen Anordnung beantragt, ist nicht als rechtsmissbräuchlich zu erachten, zumal die Antragsgegnerin selbst am Mittag des 10. März 2023 noch eine Verfügung in dieser Sache erlassen hat.
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2. Der Antrag ist begründet.
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a) Ein Anordnungsgrund ist gegeben, da die Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 weiterhin Bestand hat und die Antragsgegnerin darauf weitere Terminsmitteilungen stützen könnte. (zum Anordnungsgrund selbst für den Fall, dass noch kein Termin mitgeteilt wurde, vgl. HessVGH, a.a.O. – juris Rn. 34). In der Untersuchungsanordnung wurde die Antragstellerin seitens der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass im Fall einer ungerechtfertigten schuldhaften Weigerung sich der gutachterlichen Untersuchung zu unterziehen ungünstige Rückschlüsse auf eine Dienstunfähigkeit gezogen werden könnten. Zudem wurde sie darauf hingewiesen, dass ein ungerechtfertigtes Fernbleiben ein Dienstvergehen darstellen würde, das disziplinarrechtlich geahndet werden könnte.
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b) Darüber hinaus liegt auch ein Anordnungsanspruch vor, da sich die Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 nach summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist. Sie begegnet sowohl formell- als auch materiell-rechtlichen Bedenken.
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Die Untersuchungsanordnung hat ihre Grundlage in § 44 Abs. 6, § 46 Abs. 7, § 48 BBG. Gemäß § 44 Abs. 6 BBG ist ein Beamter, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit bestehen, verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und ggf. auch beobachten zu lassen. Gemäß § 46 Abs. 7 BBG sind Beamtinnen und Beamte zur Prüfung ihrer Dienstfähigkeit verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen.
32
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – juris Rn. 8 ff.) müssen einer Untersuchungsaufforderung tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen. Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben, damit der Beamte anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen kann, ob die angeführten Gründe tragfähig sind. Ein etwaiger Mangel dieser Aufforderung kann nicht im weiteren behördlichen oder gerichtlichen Verfahren – etwa gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG – geheilt werden. Erkennt die Behörde einen Begründungsmangel der Untersuchungsaufforderung, kann sie lediglich eine neue Aufforderung mit verbesserter Begründung erlassen. Zudem muss die Untersuchungsanordnung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Belieben des Arztes überlassen. Nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klarwerden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind. Daher muss sich die Behörde mit den vom Beamten vorgelegten Bescheinigungen auseinandersetzen, die unter Umständen eine Untersuchung – ganz oder teilweise – entbehrlich machen können (vgl. BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – juris Rn. 8 ff. m.w.N., BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – juris Rn. 18 ff.). Erforderlich ist insoweit mithin eine nähere Darlegung in Ausschöpfung des vorhandenen Materials, z. B. eine durch ärztliche Atteste unterlegte Beschreibung der Ursachen für die Fehlzeiten (vgl. OVG NRW, B. v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – juris Rn. 20). Die Einschränkungen, die der Beamte durch eine Untersuchungsanordnung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erfährt, müssen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren. Der betroffene (Bundes-)Beamte muss der Weisung seines Dienstherrn, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nur dann Folge leisten, wenn ein hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung besteht und wenn diese in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, welches für die Feststellung der Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich ist. Sowohl Anlass als auch Art und Umfang der durchzuführenden Untersuchung sind – insbesondere, um dem Beamten effektiven Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen – in der Untersuchungsanordnung zu benennen (vgl. BVerfG, B.v. 21.10.2020 – 2 BvR 652/20 – juris Rn. 35).
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Diesen Anforderungen genügt die Untersuchungsaufforderung der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2023 nicht.
34
aa) In der Untersuchungsanordnung sind keine tatsächlichen Feststellungen enthalten, die nach Auffassung der Antragsgegnerin die Dienstunfähigkeit der Antragstellerin als naheliegend erscheinen lassen und die Untersuchungsanordnung notwendig machen. Die Antragsgegnerin nimmt in der Untersuchungsaufforderung vom 15. Februar 2023 lediglich auf das amtsärztliche Gutachten vom 23. Januar 2023 Bezug und schreibt, dass sie auf Grund der Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten vom 23. Januar 2023 weiterhin erhebliche Zweifel an der (dauerhaften) Dienstfähigkeit der Antragstellerin habe. Die Antragsgegnerin lässt die tatsächlichen Umstände der aus ihrer Sicht erneut notwendigen gutachterlichen Untersuchung, sei es in Form einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung oder einer psychiatrischen Zusatzbegutachtung, völlig offen. Welche Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten vom 23. Januar 2023 die „erheblichen Zweifel“ an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin begründen und damit Anlass für die Notwendigkeit einer weiteren Begutachtung sind, ist für die Antragstellerin nicht im Ansatz erkennbar. Die Antragsgegnerin setzt sich weder mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 23. Januar 2023 noch mit den antragstellerseitig vorgelegten privatärztlichen Gutachten auseinander. Die erst im gerichtlichen Verfahren seitens der Antragsgegnerin angedeuteten Widersprüche der Erstbegutachtung sind nicht geeignet, den Begründungsmangel zu heilen. Das Schreiben vom 10. März 2023 stellt auch keine neue Untersuchungsaufforderung dar, siehe bereits vorstehend, zumal auch dieses nicht im Ansatz dem Darlegungserfordernis einer Untersuchungsanordnung für eine amtsärztliche Zweitbegutachtung (oder eine psychiatrische Zusatzbegutachtung, siehe im Folgenden unter bb)) gerecht wird.
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bb) Darüber hinaus sind Art und Umfang der angeforderten weiteren ärztlichen Untersuchung für die Antragstellerin nicht zweifelsfrei nachvollziehbar. Aus der Untersuchungsanordnung vom 15. Februar 2023 ergeben sich im Zusammenspiel mit der Terminsbestimmung des Universitätsklinikums … vom 27. Februar 2023 erhebliche Widersprüchlichkeiten bezüglich Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung. Während die Antragstellerin auf Grund der Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2023 davon ausgehen musste, dass die Antragsgegnerin beim Universitätsklinikum … ein erneutes amtsärztliches Gutachten über die Dienstfähigkeit der Antragstellerin nach § 48 BBG begehrte (vgl. Ausführungen im Anschreiben an die Antragstellerin vom 15.2.2023 sowie in beigefügtem Gutachtenauftrag), musste die Antragstellerin durch die Terminsbestimmung des Universitätsklinikums …, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, vom 27. Februar 2023 davon ausgehen (Betreffzeile: Psychiatrisches Gutachten im Auftrag des Hauptzollamtes …*), dass tatsächlich ein psychiatrisches Gutachten am Universitätsklinikum …, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, erstellt werden soll. Die Antragsgegnerin muss sich Terminsbestimmung des Universitätsklinikums … zurechnen lassen, da diese ohne weiteren Zwischenakt zur Begutachtung der Beamtin geführt hätte. Als beauftragende Stelle darf die Antragsgegnerin Art und Umfang der Untersuchung nicht dem begutachtenden Arzt überlassen.
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cc) Zudem fehlt es nach summarischer Prüfung an einem hinreichenden Anlass für eine amtsärztliche Zweitbegutachtung.
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Ob seitens des Bundesministeriums der Finanzen als oberster Dienstbehörde des Zolls gemäß § 48 Abs. 1 BBG eine formale Zulassung des Universitätsklinikums … zur Erstellung amtsärztlicher Gutachten erfolgt war (zum Vorrang amtsärztlicher Gutachten im Verhältnis zu privatärztlichen Stellungnahmen vgl. auch: BVerwG, U.v. 11.10.2006 – 1 D 10.05 – juris Rn. 36, BVerwG, U.v. 9.10.2002 – 1 D 3.02 – juris Rn. 22), kann jedenfalls für das Eilverfahren dahinstehen, da für eine erneute vollständige amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin durch einen anderen Amtsarzt oder einen Privatmediziner jedenfalls kein Anlass Bestand. Dies wäre allenfalls dann denkbar gewesen, wenn die Erstbegutachtung des Gesundheitsamtes … als nicht tragfähig erachtet werden musste, weil die Antragsgegnerin begründete Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes haben musste oder dessen medizinische Beurteilung auf unzutreffenden Tatsachengrundlagen beruhte, in sich unstimmig und nicht nachvollziehbar war (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2006 – 1 D 10.05 – juris Rn. 36). Für eine Zweitbegutachtung bestünde auch dann hinreichender Anlass, wenn Anhaltspunkte für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers vorliegen oder wenn sonstige Umstände den Schluss zugelassen hätten, dass das Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens keinen Bestand mehr haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 21.10.2020 – 2 BvR 652/20 – juris Rn. 39). Für die Rechtfertigung eines Zweitgutachtens genügt es dagegen nicht, lediglich methodische und inhaltliche Kritik an dem amtsärztlichen Gutachten zu üben und die Untersuchungsaufforderung für eine Zweitbegutachtung lediglich mit der Erwartung zu rechtfertigen, diese werde aufgrund der Vermeidung der dem Amtsarzt unterstellten Fehlbewertungen von selbst zu einem Erkenntnismehrwert führen. Zweifel an der Verwertbarkeit einer amtsärztlichen Stellungnahme ergeben sich auch nicht bereits daraus, dass der Dienstherr die Ergebnisse der Begutachtung auf Grund eigener Hintergrundinformationen in Zweifel zieht (vgl. VG München, B.v. 2.3.2017 – M 21 E 17.140 – juris Rn. 26 ff.).
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Danach durfte die Antragsgegnerin kein amtsärztliches Zweitgutachten zur Überprüfung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin in Auftrag geben. Das Gutachten des Gesundheitsamtes … vom 23. Januar 2023 ist nach summarischer Prüfung in sich stimmig und nachvollziehbar. Es trifft Feststellungen, die schlüssig sind und nachvollzogen werden können. Etwas Anderes legt auch die Antragsgegnerin nicht dar. Inwiefern sie es als widersprüchlich erachtet, dass bei der Antragstellerin erhebliche und chronische Gesundheitsbeeinträchtigungen vorliegen und nach Einschätzung des Amtsarztes gleichwohl Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate besteht, erschließt sich nicht. Die Antragsgegnerin darf hier ihre eigene, laienhafte Sicht samt Schlussfolgerungen nicht über die des Amtsarztes stellen und allein darauf fußend ein Zweitgutachten einholen. In jedem Fall hätte die Antragsgegnerin dem Gesundheitsamt … erneut die Möglichkeit einräumen müssen, eventuelle Widersprüche in seinem Gutachten auszuräumen oder die Ausführungen entsprechend zu ergänzen (vgl. VG München, B.v. 2.3.2017 – M 21 E 17.140 – juris Rn. 28).
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Insgesamt wurde die Antragstellerin nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht in die Lage versetzt, die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung samt Terminsbestimmung auf ihre Art und ihren Umfang der Untersuchung hin zu überprüfen, so dass sich diese nach summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.