Inhalt

VG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 24.02.2023 – W 6 K 22.1568
Titel:

Gerichtsbescheid, Zensus 2022, Gebäude- und Wohnungszählung, Verpflichtung zur Auskunft, keine substantiierten Einwendungen in der Sache

Normenketten:
VwGO § 84
ZensG 2022 § 23 Abs. 1
ZensG 2022 § 24 Abs. 1
ZensG 2022 § 10 Abs. 1 und Abs. 2
BStatG § 15 Abs. 5
Schlagworte:
Gerichtsbescheid, Zensus 2022, Gebäude- und Wohnungszählung, Verpflichtung zur Auskunft, keine substantiierten Einwendungen in der Sache
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7980

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Der Streitwert wird auf 5000,00 EUR festgesetzt.
...

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022.
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1. Für die Vorbereitung der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022 wurden Informationen über bestehende Eigentumsverhältnisse aus Verwaltungsregistern an das Bayerische Landesamt für Statistik übermittelt, wobei die Daten der kommunalen Grundsteuerstellen, der Finanzbehörden und der Vermessungsämter als Hauptquelle zur Ermittlung der auskunftspflichtigen Eigentümer dienten. Auf Grundlage der sich aus diesen Registerdaten ergebenden Auskunftspflicht des Klägers wurde dieser mit Schreiben vom 9. Mai 2022 vom Bayerischen Landesamt für Statistik erstmals zur Auskunftserteilung aufgefordert. Nachdem der Kläger hierauf keine Auskunft erteilt hatte, forderte das Bayerische Landesamt für Statistik den Kläger mit weiterem Schreiben vom 13. Juni 2022 erneut zur Auskunftserteilung auf, allerdings ohne Erfolg. Der Kläger hat bis dato die angeforderten Auskünfte nicht erteilt.
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2. Mit Bescheid vom 28. September 2022 verpflichtete das Bayerische Landesamt für Statistik daher den Kläger die Erhebungsunterlagen zur Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022 für das Objekt R. …, … G. am M. vollständig und wahrheitsgemäß zu übermitteln (Nr. 1), indem er entweder den Papier-Fragebogen ausfüllt oder die Angaben per Online-Meldung übermittelt (Nr. 2). Für den Fall, dass der Kläger der in den Ziffern 1 und 2 festgelegten Auskunftsverpflichtung nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids vollständig oder ordnungsgemäß nachkommt, wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 300,00 EUR angedroht (Nr. 3). Für den Bescheid wurden keine Kosten erhoben (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei für das betreffende Objekt als auskunftspflichtige Person im Sinne des § 24 Abs. 1 ZensG 2022 ermittelt worden und sei deshalb im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung zur Auskunft gesetzlich verpflichtet. Die abgefragten Merkmale seien in § 10 Abs. 1 und Abs. 2 ZensG 2022 festgelegt, die Auskünfte seien gemäß § 15 Abs. 5 BStatG wahrheitsgemäß, vollständig und rechtzeitig zu erteilen. Die Androhung von Zwangsgeld stütze sich auf Art. 29 ff. VwZVG und sei erforderlich, da der Kläger mehrmaligen Aufforderungen zur Auskunftserteilung nicht nachgekommen sei. Die Kostenfreiheit ergebe sich aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 KG.
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3. Hiergegen erhob der Kläger am 25. Oktober 2022 Klage und beantragte die Aufhebung des Bescheids des Bayerische Landesamts für Statistik vom 28. September 2022.
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Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Bescheid verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da nicht von allen volljährigen Deutschen, insbesondere Nichteigentümern, Auskünfte verlangt würden. Zudem werde zwar er als Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnimmobilie der Auskunftsverpflichtung unterworfen, die weiteren Eigentümer dieser Immobilie jedoch nicht, obwohl diese über weitaus größere notariell beurkundete Eigentumsrechte verfügten. Zudem sei der Datenschutz im Rahmen des Zensus mangelhaft, es bestehe eine zunächst verheimlichte Datenverarbeitung über amerikanische Server, die die Vertrauenswürdigkeit des Beklagten in Frage stelle. Zudem gebe es gesteigerte russische Hackerangriffe gegen kritische Infrastruktur seit Beginn des Krieges in der Ukraine sowie Kontakte zu Russland über den (ehemaligen) Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Die NATO befinde sich de facto im Krieg mit Russland. Er halte eine Infiltration der deutschen Behörden durch russische Schläfer für sehr wahrscheinlich, auch bezüglich des Bayerischen Landesamts für Statistik – Dienststelle Schweinfurt. In Kriegszeiten solche persönlichen Daten zu verlangen, gefährde letztlich die persönliche Sicherheit des Klägers und seiner Familie. Die Geschichte habe gezeigt, dass die Russen zunächst die vermögende und freiheitlich denke Intelligenz liquidiere, wofür die Daten des Zensus 2022 hilfreich sein könnten. Auf den Schriftsatz vom 16. Januar 2023 wird im Übrigen verwiesen.
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Der Beklagte, vertreten durch das Bayerische Landesamt für Statistik, beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei bei der Vorbereitung der Gebäude- und Wohnungszählung als auskunftspflichtige Person aus der sich für sie zuständigen Grundsteuerstelle übermittelten Daten ermittelt worden, §§ 8 und 12 ZensVorbG 2022, und sei seit Mai 2022 mehrfach zur Auskunft in der Haupterhebung aufgefordert worden. Nachdem die Auskünfte nicht erteilt worden seien, habe der Beklagte letztlich den Heranziehungsbescheid mit Androhung eines Zwangsgeldes erlassen. Der Bescheid sei offensichtlich rechtmäßig, denn der Kläger sei gemäß §§ 23, 24 Abs. 1 ZensG 2022 verpflichtet, die Auskunft im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung zu erteilen. In der Sache bestreite der Kläger weder den Erhalt der Anschreiben noch stelle er das Bestehen der Auskunftspflicht in Frage.
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4. Mit Beschluss vom 24. November 2022 lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ab (Az. W 6 S 22.1569).
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Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Februar 2023 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf die Gerichtsakte, auch in dem Verfahren W 6 S 22.1569, sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Das Einverständnis der Beteiligten zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ist nicht erforderlich.
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, denn sie ist unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Klageart. Diese wurde auch fristwahrend erhoben.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die in Nrn. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids vom 28. September 2022 verfügte Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung im Zensus 2022 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung im Rahmen des Zensus 2022 als solcher in seinem Schriftsatz vom 16. Januar 2023 greifen allesamt nicht durch und führen daher zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
Im Einzelnen:
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2.1 Der Kläger ist zur Auskunft über das Objekt R. … in G. a. M. im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022 verpflichtet.
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Gemäß § 1 Abs. 1, § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung des Zensus im Jahr 2022 (Zensusgesetz 2022 – ZensG 2022) führen die statistischen Ämter der Länder eine Gebäude- und Wohnungszählung (Zensus) mit Stand vom 15. Mai 2022 (Zensusstichtag) als Bundesstatistik mit den Erhebungsmerkmalen des § 10 Abs. 1 ZensG 2022 durch. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht, § 23 Abs. 1 Satz 1 ZensG 2022 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz – BStatG). Der Kreis der auskunftspflichtigen Personen und Stellen für die Gebäude- und Wohnungszählung ist in § 24 ZensG 2022 festgelegt. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 ZensG 2022 sind für die Erhebungen im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung nach § 9 ZensG 2022 die Eigentümer, Verwalter sowie sonstige Verfügungs- und Nutzungsberechtigte der Gebäude oder Wohnungen auskunftspflichtig. Die Auskunftspflichtigen für die Gebäude- und Wohnungszählung wurden im Rahmen der Vorbereitung des Zensus 2022 gemäß § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2022 (Zensusvorbereitungsgesetz 2022 – ZensVorbG 2022) ermittelt. Demnach wurde zu jeder Anschrift des Anschriftenbestandes nach § 4 ZensVorbG 2022 als Datenbestand zu den Auskunftspflichtigen für die Gebäude- und Wohnungszählung u.a. der Name und die Anschrift des Eigentümers, Verwalters oder sonstigen Verfügungsberechtigten der Gebäude und Wohnungen gespeichert, § 7 ZensVorbG 2022.
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Der Kläger wurde als auskunftspflichtige Person gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 ZensG 2022 für das streitgegenständliche Objekt ermittelt. Insbesondere bestreitet der Kläger, welcher unter derselben Anschrift auch seine Wohnadresse hat, nicht, als Eigentümer, Verwalter oder sonst nutzungsberechtige Person für das Objekt auskunftspflichtig zu sein. Da er seiner Verpflichtung nach erstmaliger Aufforderungen des Beklagten mit Schreiben vom 9. Mai 2022 und auch nach Ergehen eines Erinnerungsschreibens vom 13. Juni 2022 nicht nachgekommen war, konnte der Beklagte den Bescheid vom 28. September 2022 gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 5 BStatG mit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung (Nr. 1 des Bescheides) in der in Nr. 2 angeordneten Form erlassen.
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2.2 Die gegen die Pflicht zu Auskunftserteilung vorgebrachten Einwände des Klägers greifen allesamt nicht durch. Ein Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht erkennbar, da die Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2022 schon denknotwendig nicht alle volljährigen Deutschen erfassen kann, da nicht alle Eigentümer, Verwalter oder Nutzungsberechtigte von Immobilien sind bzw. sein können. Im Übrigen stellt nicht jede Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Eine im verfassungsrechtlichen Sinne ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ist im Allgemeinen nur dann gegeben, wenn zwei Tatbestände, Personen oder Vergleichsgruppen unterschiedlich behandelt werden, obwohl sie in einer im Hinblick auf die Art der Behandlung relevanten Hinsicht gleich sind (Boysen in: v. Münch/Kunig, GG; 7. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 62). Hiervon kann vorliegend keine Rede sein. Vielmehr ist es verfassungsrechtlich gerade geboten, die Gruppe der Eigentümer, Verwalter oder Nutzungsberechtigte von Immobilien und die Gruppe derer, die dies nicht sind, im Rahmen des Zensus 2022 unterschiedlich zu behandeln und nur erstere zu entsprechenden Auskünften heranzuziehen, während letztere hierzu bereits faktisch nicht in der Lage wären oder mitunter auch rechtlich keine Auskunft geben dürften (zum Verbot der undifferenzierten Gleichbehandlung als weitere Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG siehe Kischel in: BeckOK GG, 53. Ed. 15.11.2022, Art. 3 GG Rn. 16). Selbst wenn nur der Kläger hinsichtlich seines hier inmitten stehenden Wohnanwesens, im Gegensatz dazu aber die weiteren Eigentümer dieser Immobilie nicht, der Pflicht zur Auskunftserteilung im Rahmen des Zensus unterliegen soll, woraus der Kläger einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ableitet, vermag das Gericht in Ermangelung eines ausreichend substantiierten Sachvortrags von Seiten des Klägers einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu erkennen.
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Soweit im Übrigen Datenschutzbedenken im Hinblick auf russische Spionage bzw. eine angeblich verheimlichte Datenverarbeitung auf USamerikanischen Servern geäußert werden und ein Zusammenhang mit der militärischen Invasion der Ukraine durch Russland hergestellt wird, ist ein solcher mit der hier streitgegenständlichen Verpflichtung zur Auskunftserteilung schon nicht nachvollziehbar. Insbesondere erschließt sich dem Gericht nicht, worauf sich die Annahme des Klägers stützt, dass die Dienststelle Schweinfurt des Bayerischen Landesamts für Statistik mit russischen Schläfern infiltriert sei und inwiefern die im Rahmen des Zensus 2022 erhobenen Daten für eine Liquidation der vermögenden, freiheitlich denkenden Intelligenz in Deutschland durch Russland hilfreich sein soll. Auch weshalb der Kläger sich selbst oder seine Familie durch die geforderte Auskunftserteilung im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2022 in seiner persönlichen Sicherheit gefährdet sieht und inwiefern dies der Verpflichtung zur Auskunftserteilung entgegensteht, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, da sich das klägerseitige Vorbringen insoweit in unsubstantiierten Behauptungen erschöpft. Der Kläger vermochte auch im Rahmen des Klageverfahrens nicht, sein (bisheriges) Vorbringen entsprechend zu plausibilisieren.
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2.3 Schließlich erweist sich auch die Androhung des Zwangsgelds in Nr. 3 des Bescheides vom 28. September 2022 zur Durchsetzung der Auskunftsverpflichtung als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) und besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen lagen im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vor. Nachdem die streitgegenständliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung gemäß § 15 Abs. 7 BStatG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist der Grundverwaltungsakt gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollstreckbar. Das Zwangsgeld ist gemäß Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 und Art. 31 VwZVG ein taugliches Mittel zur Durchsetzung einer Handlungspflicht. Das Zwangsmittel des Zwangsgelds steht vorliegend insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck und es kommen keine sonst zulässigen, milderen Zwangsmittel in Betracht, Art. 31 VwZVG. Angesichts seiner ausbleibenden Reaktion auf die ersten beiden Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 9. Mai 2022 bzw. vom 13. Juni 2022 und der damit zum Ausdruck gebrachten nachhaltigen Weigerung des Klägers, die von ihm geforderten Auskünfte zu erteilen, ist die Androhung von Zwangsgeld erforderlich, insbesondere ist es das mildere Mittel zu sofortigem unmittelbaren Zwang. Bedenken im Hinblick auf die Höhe der Zwangsgeldandrohung sind im Übrigen nicht erkennbar und wurden auch nicht vorgetragen.
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3. Die Klage konnte somit in der Sache keinen Erfolg haben und war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.