Titel:
Verwaltungsrechtsweg, gesetzliche Unfallversicherung, Maßnahmen zur Prävention, örtliche Unzuständigkeit, Verweisung, Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, bundesunmittelbare Körperschaft, Dienstsitz, Bezirksverwaltung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 52 Nr. 2
VwGO § 83
GVG § 17a Abs. 1 S. 2
Schlagworte:
Verwaltungsrechtsweg, gesetzliche Unfallversicherung, Maßnahmen zur Prävention, örtliche Unzuständigkeit, Verweisung, Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, bundesunmittelbare Körperschaft, Dienstsitz, Bezirksverwaltung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7978
Tenor
Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen.
Gründe
1
Die Antragsgegnerin ist Unfallversicherungsträger im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch und hat in diesem Zusammenhang gemäß § 14 SGB VII unter anderem für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen. Der Antragsteller führt aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2010 in deren Auftrag Aus- und Fortbildung in der Ersten Hilfe im Betrieb durch und ist in diesem Zusammenhang gemäß § 88 SGB X, § 26 Nr. 2 der UVV „Grundsätze der Prävention“ (BVG A1) mit Schreiben vom 1. Februar 2010, zuletzt verlängert mit Schreiben vom 2. Dezember 2021, von der Antragsgegnerin hierzu ermächtigt worden.
2
Mit Bescheid vom 11. Januar 2023 widerrief die Antragsgegnerin dessen Ermächtigung als Stelle der Aus- und Fortbildung der Ersten Hilfe mit sofortiger Wirkung und begründete dies mit massiv abweichenden Feststellungen zu den Vorgaben der Schulung betrieblicher Ersthelfer in materieller und organisatorischer Hinsicht sowie im Hinblick auf abweichende Lehraussagen und unzureichende praktische Übungen. Sie stützte dies auf § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB X und § 26 Abs. 2 und Abs. 1.3 Anlage 2 DGUV Vorschrift 1.
3
Hiergegen ließ der Antragsteller am 17. Januar 2023 und am 27. Januar 2023 aufgrund der dem Bescheid beigefügten RechtsbehelfsbelehrungWiderspruch einlegen. Zugleich bat er darum, bis zum Abschluss des Verfahrens von weiteren Maßnahmen abzusehen.
4
Am 22. Februar 2023 ließ der Antragsteller im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17. Januar 2023 gegen den Bescheid vom 11. Januar 2023 wiederherzustellen und die begonnene Vollziehung aufzuheben.
5
Mit Schreiben vom 7. März 2023 erkannte die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 11. Januar 2023 an und kündigte an, die begonnene Vollziehung des Verwaltungsaktes vom 11. Januar 2023 sofort zu beenden und den Zustand hinsichtlich der Eintragungen und Rechte des Antragstellers wie vor dem Erlass des Verwaltungsaktes vom 11. Januar 2023 wiederherzustellen.
6
Trotz mehrmaliger Anfrage des Gerichts war die Antragstellerseite nicht dazu bereit, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären.
7
Das Gericht hörte die Parteien zu einer Verweisung an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Hamburg an.
8
Im vorliegenden Verfahren ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt und sie nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere ist nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG eröffnet, da nach dieser Vorschrift die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung entscheiden. Um eine solche Streitigkeit aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der Antragsgegnerin, handelt es sich im vorliegenden Fall (vgl. hierzu auch OVG NRW, B.v. 2.3.2010 – 8 E 273/09 – juris).
9
Jedoch ist das Verwaltungsgericht Würzburg örtlich nicht zuständig. Örtlich zuständig ist vielmehr das Verwaltungsgericht Hamburg.
10
Gemäß § 52 Nr. 2 VwGO ist bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, dies vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Nrn. 1 und 4.
11
Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dies ergibt sich aus der Satzung der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2011 i.d.F. des fünften Nachtrags vom 10. Juli 2014; nach deren § 1 Abs. 2 ist sie eine rechtsfähige bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.
12
Nach § 12 SGB I i.V.m. § 22 Abs. 2 SGB I ist die Antragsgegnerin für Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig, dies als Rechtsnachfolgerin der vormaligen Berufsgenossenschaft der keramischen und Glas-Industrie. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 SGB I können nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung unter anderem Maßnahmen zur Ersten Hilfe in Anspruch genommen werden. Die Ermächtigungsverfahren nach § 88 SGB X werden von den Leistungsträgern i.S.d. § 12 SGB I, vorliegend also von der Antragsgegnerin gemäß § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB I, durchgeführt. Hierzu gehört auch – wie im vorliegenden Fall – der Widerruf derartiger Ermächtigungen.
13
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 14. März 2023 mitgeteilt, dass sie ihren Behördensitz in Hamburg hat. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 ihrer Satzung. Der Homepage der Antragsgegnerin ist zu entnehmen (vbg-de/DE/Header/1_Die_VBG, abgerufen am 4.4.2023), dass sie ihren Hauptsitz in Hamburg hat und in elf Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet Unternehmerinnen, Unternehmer und Versicherte vor Ort betreut.
14
Im vorliegenden Fall ist der angegriffene Verwaltungsakt vom 11. Januar 2023 von der „VBG Qualitätssicherungsstelle Erste Hilfe der gesetzlichen Unfallversicherungsträger“ mit der Hausanschrift R Straße 2, 9. W. erlassen worden. Hierzu hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, am Standort der Bezirksverwaltung Würzburg führe die Qualitätssicherungsstelle Erste Hilfe die Ermächtigungsverfahren in völliger Eingliederung in die behördliche Organisation der Antragsgegnerin weisungsgebunden durch. Es handle sich nicht um eine selbständige Dienststelle. Demgegenüber ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers unerheblich, dass die Antragsgegnerin im Bereich der Prävention ausschließlich durch die in Würzburg ansässige Leitung des Fachbereichs „Qualitätssicherungsstelle Erste Hilfe“ tätig wird.
15
Somit ergibt sich nach § 52 Nr. 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, dass das Verwaltungsgericht Hamburg als Gericht der Hauptsache aufgrund des dortigen Sitzes der Antragsgegnerin für den vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zuständig ist. Der Rechtsstreit ist daher nach entsprechender vorheriger Anhörung der Parteien nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Hamburg zu verweisen.