Titel:
Voraussetzung für Drittauskunftsanspruch
Normenkette:
ZPO § 802l
Leitsatz:
Ein – erfolgloser – Zustellversuch der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft ist keine Voraussetzung für einen Drittauskunftsanspruch nach § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1 c) ZPO, ausreichend ist ein Nachweis, dass eine Zustellung nicht möglich ist. (Rn. 14 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Drittauskunftsanspruch, Zustellversuch, Vermögensauskunft
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Beschluss vom 31.01.2023 – 5 M 10814/22
AG Nürnberg, Beschluss vom 23.12.2022 – 5 M 10814/22
Fundstellen:
DGVZ 2023, 150
JurBüro 2023, 496
BeckRS 2023, 7924
LSK 2023, 7924
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.12.2022 aufgehoben.
II. Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Erholung von Drittauskünften gemäß § 802 l I 2 Nr. 1 a ZPO nicht mit der Begründung zu verweigern, dass die Gläubigerin den Nachweis einer erfolglosen Ladung nicht erbracht hat.
III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
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Die Gläubigerin vollstreckt gegen den Schuldner Zahlungsansprüche aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Nürnberg vom 13.06.1991.
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Am 20.09.2022 beauftragte die Gläubigerin den zuständigen Gerichtsvollzieher mit einer Drittstellenauskunft gern. § 802 l ZPO sowie Aufenthaltsermittlungen gern. § 755 ZPO. Neben dem Titel reichte sie die Auskunft der R. GmbH vom 20.09.2022 über eine Melderegisterauskunft ein, wonach der Schuldner „unbekannt verzogen“ sei.
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Der Gerichtsvollzieher forderte von der Gläubigerin am 06.10.2022, die Voraussetzungen der Drittstellenauskunft nachzuweisen. Auf Nachfrage erläuterte der Gerichtsvollzieher am 11.10.2022, dass die Gläubigerin die Abnahme der Vermögensauskunft nicht beauftragt und keine Nachweise darüber vorgelegt habe, dass eine Ladung zum Termin nicht zugestellt werden konnte. Hiergegen wandte sich die Gläubigerin mit ihrer Erinnerung vom 12.10.2022. Da der Schuldner unbekannten Aufenthalts sei, würde ein nochmaliger Zustellversuch nur unnötige Kosten verursachen.
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Der Gerichtsvollzieher half der Erinnerung am 12.10.2022 nicht ab und legte die Akten dem Vollstreckungsgericht vor. Auf den Inhalt seiner Entscheidung wird verwiesen.
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Das Vollstreckungsgericht beschloss am 23.12.2022, der Erinnerung der Gläubigerin nicht abzuhelfen. Der bloße unbekannte Aufenthalt des Schuldners sei für die begehrten Driltauskünfte nicht ausreichend.
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Gegen diesen ihr am 16.01.2023 förmlich zugestellten Beschluss legte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 25.01.2023 sofortige Beschwerde ein. Ein nochmaliger Zustellversuch wäre bloße Förmelei.
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Das Amtsgericht half der Beschwerde durch Beschluss vom 23.12.2022 nicht ab und legte die Akten der Kammer zur Entscheidung vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
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Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
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I. Die sofortige Beschwerde ist der statthafte Rechtsbehelf, §§ 793, 567 I ZPO. Zwar lautet der Tenor der angegriffenen Entscheidung vom 23.12.2022 dahingehend, der Erinnerung nicht abzuhelfen, vgl. Bl. 6 d.A. (vgl. zum Tenor der Erinnerungsentscheidung Anders/Gehle/Vogt-Beheim, ZPO, Kommentar, 81. Auflage 2023, § 766 Rn. 38 – Zurückweisung). Indes zeigen die Gründe und die Rechtsbehelfebelehrung unzweifelhaft, dass das Amtsgericht über die Erinnerung in der Sache zu entscheiden beabsichtigte. Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hielt die Gläubigerin die zweiwöchige Beschwerdefrist ein, § 569 I, II ZPO.
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II. In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg und führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses. Die begehrten Drittauskünfte dürfen gemäß § 802 l I 2 Nr. 1 c) ZPO nicht verweigert werden. Auf die beiden weiteren alternativen Antragsrechte stützt die Gläubigerin ihren Vollstreckungsauftrag ersichtlich nicht, § 802 l I 2 Nr. 2, 3 ZPO.
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Zunächst müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erfüllt und die Datenerhebung zur Vollstreckung erforderlich sein, § 802 l I 1 Hs. 1 ZPO. Daneben ist die Einholung von Drittauskünften nur zulässig, wenn die Ladung, zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht zustellbar ist und zusätzlich die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erteilung des Auftrags die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist.
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1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung sind erfüllt, insbesondere legte die Gläubigerin einen ordnungsgemäßen Titel vor. Da ihr weitere Informationen über den Verbleib des Schuldners unbekannt und Forderungsteile offen sind, stellen sich die Drittauskünfte auch als für die Zwangsvollstreckung erforderlich dar.
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2. Auch die besonderen Voraussetzungen der Drittauskunft nach § 802 l I 2 Nr. 1 c) ZPO sind erfüllt Zutreffend weist das Amtsgericht noch darauf hin, dass der vollstreckende Gläubiger nicht – selbst – einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskünft, § 802 a II 1 Nr. 2 ZPO, gestellt haben muss, um einen Drittäuskunftsanspruch geltend zu machen (vgl. bereits zum alten Recht ausdrücklich BGH, DGVZ 2021, 116 (117 ff)).
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Anders als das Ausgangsgericht meint, ist indes ein – erfolgloser – Zustellversuch der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft gerade keine Voraussetzung für einen Drittauskunftsanspruch nach § 802 l I 2 Nr. 1 c) ZPO. Dieses Erfordernis lässt sich weder dem Wortlaut der Norm, noch dem systematischen Gesamtzusammenhang entnehmen.
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a) Einleitend stellt die Vorschrift in § 802 l I 2 Hs. 1 ZPO darauf ab, dass die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht zustellbar ist. Die Verwendung des Präsens zeigt, dass nicht zwingend ein Zustellversuch unternommen worden und erfolglos geblieben sein muss. Andernfalls hätte das Gesetz eine Vergangenheitsform genutzt.
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b) Dieses Ergebnis bestätigen systematische Betrachtungen: § 802 l I 2 Nr. 1 a) und b) liegt die Erwägung zu Grunde, dass sich erst anlässlich des Zustellversuchs – nicht notwendigerweise durch den die Drittauskunft begehrenden Gläubiger – herausstellt, dass der Schuldner nicht mehr an der bekannten Zustelladresse anzulreffen Ist. Im Rahmen von § 802 l I 2 Nr. 1 a) ZPO war der Meldebehörde zunächst nicht bekannt, dass der Schuldner verzogen ist, bei § 802 l I 2 Nr. 1 b) ZPO indes schon, sie kennt nur keine neue Adresse. Den dritten – hier einschlägigen – Fall notwendiger Drittauskünfte normiert Buchstabe c): Es ist von vornehereln – also vor einem etwaigen Zustellversuch – aufgrund von Auskünften nach § 755 I, II ZPO bekannt, dass der Schuldner bereits vor Erteilung des Vollstreckungsauftrages unbekannt verzogen war.
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Sind die definierten Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt, ist eine Zustellung überhaupt nicht möglich und demgemäß äuch nicht erforderlich, um Drittauskünfte zu beantragen (vgl. ebenso IWW Institut, VE 2022, 15-19).
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c) Vorliegend hat die Gläubigerin zusammen mit ihrem Vollstreckungsauftrag vom 20.09.2022 eine R.-Auskunft – ebenfalls datierend auf den 20.09.2022 – beim Gerichtsvollzieher eingereicht, wonach der Schuldner unbekannt verzogen sei. Damit sind die Voraussetzungen des Drittauskunftsanspruchs gemäß § 802 l I 2 Nr. 1 c ZPO erfüllt (ebenso Anders/Gehle/Nober, ZPO, Kommentar, 81. Auflage 2023, § 802 l Rn. 4, der nur für Buchstaben a) und b) einen Zustellversuch fordert; BeckOK-ZPO/Fleck, Kommentar, Stand: 01.12.2022, § 802 l Rn. 13, der den Zustellversuch im Rahmen von Buchstabe c) für „evident sinnlos” hält).
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III. Damit ist auf die sofortige Beschwerde hin der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.12.2022 aufzuheben und der Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Erholung von Drittauskünften nicht mit der Begründung zu verweigern, dass die Gläubigerin den Nachweis einer erfolglosen Ladung nicht erbracht hat.
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Da für erfolgreiche Beschwerden keine gerichtlichen Gebühren anfallen, war eine Kostenentscheidung nicht veranlasst, vgl. Ziffer 2121 der Anlage 1 zu § 3 II GKG.
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Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da deren Voraussetzungen nicht vorliegen, § 574 II, III ZPO.