Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 09.02.2023 – Au 2 K 22.892
Titel:

Klage auf Gewährung eines Härteausgleichs wegen Heranziehung zu Straßenausbaubeitrag

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
BayKAG Art. 19a
Leitsätze:
1. Eine zivilrechtliche Betroffenheit als Miterbe oder Gesamtschuldner begründet keine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Gewährung eines Härteausgleichs iSv Art. 19a BayKAG handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Antragsbefugt auf Gewährung eines Härteausgleichs iSv Art. 19a BayKAG war nur, wer bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht. Allein aus dem Umstand, dass ein dingliches Recht nach § 1093 BGB eingeräumt worden war, lässt sich dies nicht ableiten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Härteausgleichs gemäß Art. 19a BayKAG. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klagebefugnis, Härteausgleich, Antragsbefugnis, Verfassungsmäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7870

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Kläger begehren die Gewährung eines Härteausgleichs wegen der Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.
2
Die Kläger waren in Gütergemeinschaft Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. Y (Nähe B Straße) Gemarkung D sowie des Grundstücks Fl.Nr. X (B Straße ...) Gemarkung D in C, Ortsteil D. Mit Straßenausbaubeitragsbescheiden jeweils vom 29. September 2016 der Verwaltungsgemeinschaft B, handelnd für die Gemeinde C, wurde der Kläger zu 1 zur Zahlung von Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 13.250,70 EUR (für das Grundstück mit der Fl.Nr. X) und in Höhe von 987,93 EUR (für das Grundstück mit der Fl.Nr. Y) herangezogen.
3
Am 15. Mai 2017 schlossen die Kläger mit ihrem Sohn einen notariellen Überlassungsvertrag, durch den sie ihm ihren gesamten Grundbesitz, u.a. auch die Grundstücke Fl.Nrn. X und Y Gemarkung D, zum Alleineigentum übertragen haben. Im Gegenzug wurde ihnen ein Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht am überlassenen Grundstück Fl.Nr. X auf ihre gesamte weitere Lebensdauer und eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit gemäß § 1093 BGB folgenden Inhalts gewährt: 4 „Die Berechtigten erhalten unter Ausschluss des Eigentümers das Wohnungsrecht im gesamten Erdgeschoss des aufstehenden Wohnungshauses „B Straße ...“. […]
4
Am 5. Juli 2017 wurde der Sohn der Kläger u.a. als Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. X und Y Gemarkung D im Grundbuch des Amtsgerichts A Blatt ... eingetragen.
5
Der Kläger zu 1 stellte am 4. November 2019 für beide Grundstücke jeweils einen Antrag auf Gewährung eines Härteausgleichs nach Art. 19a des Kommunalabgabengesetzes/KAG und gab dabei handschriftlich an, dass die Grundstücke seinem Sohn 2018 übertragen worden seien.
6
Mit zwei Bescheiden vom 21. März 2022 lehnte die Regierung von ... – ... – die Anträge mit der Begründung ab, dass der Kläger zu 1 im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des jeweiligen Grundstücks gewesen sei, auf das die Belastung zurückgehe (Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG).
7
Am 6. April 2022 ließen die Kläger Klage gegen den die Fl.Nr. X betreffenden Ablehnungsbescheid (Az. ...) erheben. Sie beantragen,
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1. Der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2022 wird aufgehoben.
9
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern einen Härteausgleich nach Art. 19a KAG zu gewähren.
10
Die Kläger zu 1 und 2 seien in Gütergemeinschaft Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. X Gemarkung D, Gemeinde C, Hofstelle B Straße, gewesen, als die Gemeinde C im Bereich der B Straße in D begonnen habe, die Teileinrichtungen Gehweg, Straßenbeleuchtung und Gehwegentwässerung zu erneuern. Deshalb hätten die Kläger in der Person des Klägers zu 1 als Gesamtschuldner von der Verwaltungsgemeinschaft B einen Bescheid über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 13.250,70 EUR erhalten. Im Formblatt habe der Kläger zu 1 handschriftlich angegeben, dass sein Sohn seit 2018 (richtig sei 2017) Eigentümer des Grundstücks mit der Fl.Nr. X sei. Die Kläger hätten aber übersehen, dass sie dinglich Nutzungsberechtigte des beitragspflichtigen Grundstücks seien und auch ein beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks, auf das die Belastung zurückgehe, den Härteausgleich beantragen könne. Auch wenn sich das dingliche Recht nur auf das gesamte Erdgeschoss des Wohnhauses B Straße ... beziehe, handle es sich im Sinne des Art. 19a Abs. 1 Satz 2 KAG um ein dingliches Nutzungsrecht, das den Klägern das Rechte gebe, den Härteausgleich zu beantragen. Die Kläger hätten ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 29.774,00 EUR angegeben. Dieser Betrag liege so weit unter der vom Gesetz angegebenen Einkommensgrenze, dass die Zahlung der Beiträge die zumutbare Belastung bei Weitem überschritten habe.
11
Die Regierung von ... wandte sich mit Schreiben vom 16. August 2022 gegen das Klagebegehren. Sie beantragt für den Beklagten, 13 die Klage abzuweisen.
12
Der Antrag der Klagepartei sei nach Art. 19a Abs. 7 KAG abzulehnen gewesen, da keine Antragsbefugnis vorgelegen habe. Hierbei habe es sich um eine gebundene Entscheidung gehandelt. Vorliegend sei die Klagepartei lediglich Inhaberin eines Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts am betroffenen Grundstück. Nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG habe ein Antrag zulässigerweise nur gestellt werden können, wenn der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des relevanten Grundstücks gewesen sei. Beitragspflichtig im Hinblick auf Straßenausbaumaßnahmen seien nach dem Kommunalabgabengesetz nur bestimmte Gruppen von Anliegern. Dies sei bei Eigentümern und Erbbauberechtigten der Fall. Denn wie dem Gesamtzusammenhang des Art. 19a KAG zu entnehmen sei, sei die Formulierung „beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte“ so zu verstehen, dass eine Beitragspflicht nach den Vorgaben des Art. 5 KAG a.F. bei dem dinglich Nutzungsberechtigten bestehen müsse. Bei Fallgestaltungen, in denen die Begleichung der Beitragsforderung schuldrechtlich von einer anderen Person als dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten übernommen worden seien, liege keine eigenständige Beitragspflicht der übernehmenden Person nach dem KAG vor. Hier werde vielmehr die Beitragspflicht im Rahmen einer Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) auf eine andere Person übertragen. Eine solche Verpflichtung der Klagepartei scheide nach der Formulierung des Überlassungsvertrags aus Sicht des Beklagten ohnehin aus.
13
Mit Schriftsatz vom 28. September 2022 nahm die Klagepartei erneut Stellung. Die Kläger hätten die für eine Härtefallentscheidung vom Gesetzgeber aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Sie hätten den Antrag in der richtigen Form rechtzeitig gestellt, sie hätten Straßenausbaubeiträge bezahlt und sie hätten auch ordnungsgemäß mitgewirkt, sodass sie bei der Verteilung der Kompensationsmittel berücksichtigt hätten werden müssen. Bei Zugang des Bescheids vom 29. September 2016 und im Zeitpunkt der Zahlung der Straßenausbaubeiträge seien die Kläger noch Eigentümer des Grundstücks gewesen. Bei Stellung des Antrags auf Gewährung eines Härteausgleichs am 4. November 2019 hätten die Kläger das Grundstück zwar zwischenzeitlich an ihren Sohn übergeben, sie seien aber noch dinglich Nutzungsberechtigte aufgrund des Überlassungsvertrags. Das Antragsrecht als Eigentümer habe sich in der Rechtsposition des Nutzungsberechtigten fortgesetzt. Der Sohn der Kläger habe als Eigentümer zwar das Antragsrecht gehabt, hätte aber keinen Anspruch auf Erstattung gehabt, da er die Straßenausbaubeiträge nicht bezahlt habe. Es könne rechtlich nicht sein, dass die Kläger an der Übergabe des Grundstücks an ihren Sohn gehindert würden, um den Anspruch auf Erstattung nicht zu verlieren.
14
Darauf replizierte der Beklagte unter dem 26. Oktober 2022. Anders als von der Klagepartei vorgetragen, stelle Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts der Eigentümerstellung oder Stellung als beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter gerade nicht auf den Erlass des Festsetzungsbescheids oder die Zahlung des Beitrags ab. Vielmehr komme es nach dem klaren Wortlaut einzig auf den Zeitpunkt der Antragstellung an. Eine frühere Eigentümerstellung sei nicht entscheidungserheblich. Im maßgeblichen Zeitpunkt hätte die Klagepartei lediglich ein Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht innegehabt. Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG i.V.m. Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG stelle allerdings gerade auf Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte ab. Insoweit fehle es bei der Klagepartei an der Beitragspflichtigkeit nach dem Kommunalabgabengesetz zum Zeitpunkt der Antragstellung. Wer beitragspflichtig sei, bestimme sich nach den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes und nicht nach privatrechtlichen Abreden. Ein Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht sei nicht ausreichend. Das Kommunalabgabengesetz kenne mit dem Erbbaurecht gerade auch ein dingliches Nutzungsrecht, bei dem eine gesetzliche Beitragspflicht bestehe.
15
Die Klagepartei verzichtete mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2022 auf mündliche Verhandlung, dem schloss sich der Beklagte mit Schreiben der Regierung von ... – ... – vom 7. Februar 2023 an.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18
Die nur zum Teil zulässige Klage ist – soweit sie zulässig ist – unbegründet.
19
1. Hinsichtlich der Klägerin zu 2 ist die Klage unzulässig, da sie nicht klagebefugt ist. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein; eine Rechtsverletzung der Klägerin zu 2 muss demnach zumindest möglich erscheinen. Daran fehlt es vorliegend. Adressat des ablehnenden Bescheids der Regierung von ... war nur der Kläger zu 1 als Antragsteller im Sinn von Art. 19a Abs. 5 KAG. Der Umstand, dass die Kläger in Gütergemeinschaft leben und bezüglich der Straßenausbaubeiträge Gesamtschuldner waren, wirkt sich lediglich auf das Innenverhältnis aus. Eine zivilrechtliche Betroffenheit als Miterbe oder Gesamtschuldner begründet keine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (BVerwG, U.v. 31.1.1975 – 4 C 55.72 – NJW 1975, 1715; B.v. 13.03.1995 – 8 B 5.95 – BayVBl 1995, 764 = NVwZ 1995, 1207; BayVGH, B.v. 14.1.2008 – 6 CS 04.3182 – juris Rn. 2; VG Augsburg, U.v. 22.12.2011 – Au 2 K 10.1430 – juris Rn. 21; OVG NW, B.v. 18.4.2019 – 19 A 1143/19 – juris Rn. 3; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 24 Rn. 14).
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2. Die im Übrigen zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
21
Der Bescheid der Regierung von ... – ... – vom 21. März 2022 bezüglich des Grundstücks Fl. Nr. X (B Straße ...) Gemarkung D ist rechtmäßig und verletzt den Kläger zu 1 nicht in seinen Rechten. Dieser hat weder einen Anspruch auf die Gewährung eines Härteausgleichs noch auf die erneute Entscheidung über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, weil die Voraussetzungen des Art. 19a KAG nicht vorliegen (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO). Das Gericht folgt gemäß § 117 Abs. 5 VwGO der zutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheids und weist ergänzend noch auf Folgendes hin:
22
Mit dem Haushaltsgesetz 2019/2020 vom 24. Mai 2019 (GVBl 2019 S. 266/278) ist durch Art. 19a KAG eine Härtefallregelung als freiwillige Leistung des Freistaats Bayern für eine Übergangszeit geschaffen worden. Zum anteiligen Ausgleich besonderer Härten durch Straßenausbaubeiträge, die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 erhoben wurden, wurde durch den Freistaat Bayern ein mit (einmalig) 50 Mio. EUR ausgestatteter Härtefallfonds errichtet (Art. 19a Abs. 1 KAG, vgl. näher Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Juli 2022, Rn. 2210; Bauer, Der Härteausgleich Straßenausbaubeitrag, KommP BY 2019, 290). Art.19a Abs. 8 KAG stellt klar, dass es sich bei der Gewährung eines Härteausgleichs um eine freiwillige Leistung handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Gestützt auf Art. 19a Abs. 11 KAG hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration am 1. Juli 2019 in Kraft getretene Bestimmungen zu Kommission, Geschäftsstelle und das Antragsverfahren im Verordnungswege erlassen (Verordnung zum Härteausgleich Straßenausbaubeitrag – BayHärteV – vom 5.6.2019).
23
Über die Leistungen aus dem Härtefallfonds wird auf Antrag durch eine unabhängige und an fachliche Weisungen nicht gebundene Kommission (Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge) durch Verwaltungsakt entscheiden (Art. 19a Abs. 2 KAG). Für die Kommission wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die bei der Regierung von ... angesiedelt ist. Aufgabe der Geschäftsstelle ist es, die Zulässigkeit der bei ihr zu stellenden Anträge zu prüfen, die Sitzungen der Kommission vorzubereiten und den Sachverhalt zu ermitteln (§ 2 BayHärteV).
24
Art. 19a Abs. 5 und 7 KAG regeln die Voraussetzungen für den Antrag auf Härteausgleich. Nur wenn diese erfüllt sind, ist der Antrag zulässig. Anträge auf Härteausgleich konnten nur vom 1. Juli 2019 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 bei der Geschäftsstelle der Kommission gestellt werden. Der Antrag konnte nur wirksam mit dem zur Verfügung gestellten Antragsformular oder unter Nutzung des entsprechenden elektronischen Antragsverfahrens gestellt werden (§ 3 BayHärteV). War der Bescheid oder die Vereinbarung, durch die eine Zahlungspflicht in Bezug auf eine Straßenbaumaßnahme geschaffen wird, an mehrere Personen gemeinschaftlich gerichtet, konnten die Adressaten oder die Parteien nach Art. 19a Abs. 5 KAG einen Antrag nur gemeinschaftlich stellen. Antragsbefugt war u.a. gemäß Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG nur, gegen wen nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes durch Bescheid, Vergleich oder Vereinbarung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 Straßenausbaubeiträge, entsprechende Vorauszahlungen oder eine entsprechende Ablöse in Höhe von mindestens 2.000 EUR festgesetzt wurden, soweit die Beiträge nicht erlassen oder anderweitig erstattet worden sind. Daraus folgt, dass für alle Beitragspflichtigen eine gleichmäßige Eigenbelastung bis zu 2.000 EUR als zumutbar erachtet worden war. Lag der festgesetzte Beitrag unter 2.000 EUR, fehlte es an der Antragsbefugnis, lag er darüber, waren 2.000 EUR als Eigenbelastung abzuziehen. Antragsbefugt war nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG ferner nur, wer bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht.
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Dem Kläger zu 1 fehlt es hier an der notwendigen Antragsbefugnis. Im Zeitpunkt der Antragstellung am 4. November 2019 war er unstreitig nicht mehr Eigentümer des Grundstücks, weil dieses mit notariellem Überlassungsvertrag vom 15. Mai 2017 an seinen Sohn übertragen und dieser am 5. Juli 2017 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen worden war.
26
Er war auch nicht beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter im Sinn des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG. Aus dem Umstand, dass den Klägern ein dingliches Recht nach § 1093 BGB für das Erdgeschoss des Wohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. X eingeräumt worden war, lässt sich dies nicht ableiten. Das Ergebnis wird auch gestützt durch die Systematik des Gesetzes. Nach der abschließenden Regelung des Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks oder Erbbauberechtigter ist (so auch VG Regensburg, U.v. 21.12.2022 – RO 11 K 22.1228 – unveröffentlicht). Die Gesetzessystematik gebietet zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auf dem Gebiet des Kommunalabgabenrechts und der darauf Bezug nehmenden Rechtsvorschriften eine einheitliche und enge Handhabung des Begriffs der subjektiven Beitragspflichtigkeit in allen Vorschriften, somit in Art. 5 und 19a KAG gleichermaßen. Für eine enge Auslegung des Begriffs des dinglich Nutzungsberechtigten spricht ferner im Bereich des Erschließungsbeitragsrechts die bundesrechtliche Vorschrift des § 134 Abs. 1 BauGB. Dieser geht davon aus, dass nur Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigte sowie die Inhaber eines dinglichen Nutzungsrechts an volkseigenen Grundstücken gemäß den §§ 287 bis 294 des Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juli 1975 persönlich beitragspflichtig sein können, andere Rechteinhaber kommen als Beitragsschuldner nicht in Betracht (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 24 Rn. 7). Somit werden – um das Auseinanderfallen von Beitragspflicht und Härteausgleichsberechtigung zu vermeiden – Inhaber von Wohnrechten gerade nicht vom Anwendungsbereich des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG erfasst. Auch § 4 Satz 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen (Ausbaubeitragssatzung) der Gemeinde C vom 14. März 2011, der die Beitragsschuldnereigenschaft in Bezug auf den durch Bescheid vom 29. September 2016 festgesetzten Straßenausbaubeitrag explizit regelt, sieht als beitragspflichtig nur an, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht Eigentümer oder Erbbauberechtigter war.
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Beim Kläger zu 1 tritt hinzu, dass er und die Klägerin zu 2 nur hinsichtlich des Erdgeschosses des Wohnhauses B Straße ... dinglich berechtigt sind. Würde man unter dem Gesichtspunkt der Beitragspflichtigkeit auch die Wohnungs- und Mitbenützungsrechte berücksichtigen, würde dies wie vorliegend zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, da sich diese Rechte nicht auf das gesamte Grundstück beziehen müssen. Die im notariellen Überlassungsvertrag unter Ziff. 5. eingeräumten schuldrechtlichen Verbindlichkeiten wirken sich zudem (s. oben) nicht auf die gesetzlich bzw. satzungsrechtlich geregelte Beitragspflicht aus.
28
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen aus dem Härtefallfonds war damit unzulässig und durch den Beklagten nicht weiter zu prüfen. Insoweit wird auf die Begründung des Gesetzes Bezug genommen (vgl. LT-Drs. 18/1552, S. 4): „Art. 19a Abs. 7 KAG regelt die Antragsbefugnis für einen Härteausgleichsantrag. Er macht diesen von gewissen Zugangskriterien abhängig. Nur wenn diese vorliegen, ist ein zulässiger Antrag gegeben, sodass die Gewährung einer Leistung aus dem Härtefallfonds geprüft wird. Antragsteller müssen zu den einzelnen Kriterien vortragen und diese auf Anforderung auch nachweisen. Erfolgt dies nicht, ist ein Härteausgleich zu versagen.“
29
Dem steht auch die unentgeltliche Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf den Sohn der Kläger durch notariellen Vertrag vom 15. Mai 2017 nicht entgegen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Antragsbefugnis im Sinne des Art. 19a Abs. 7 Satz 1 KAG vorliegen muss, bevor die von ihm angenommene besondere Härte geprüft wird. Bei einem zwischenzeitlichen Eigentumsübergang von dem Adressaten des Straßenausbaubeitragsbescheids auf einen Dritten hat er keine solche Antragsbefugnis angenommen, gleichgültig ob dieser entgeltlich, unentgeltlich oder unter sonstigen Bedingungen erfolgt ist.
30
3. Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Härteausgleichs gemäß Art. 19a KAG bestehen nicht (siehe hierzu Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Juli 2022, Rn. 2210 m.w.Nw.). Der Gesetzgeber durfte ein legitimes Ziel für die Schaffung des Härtefallfonds als gegeben annehmen. Mit ihm sollen Belastungen, die auf Grund der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 in dem Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 entstanden sind, ausgeglichen werden. Die stichtagsgebundene Abschaffung des Straßenausbaubeitrags hat zur Folge, dass bei Beitragspflichtigen, denen gegenüber vor dem Stichtag eine Beitragsfestsetzung erfolgt ist, weiterhin ein Beitrag zum Ausgleich für den ihnen durch den Straßenausbau geschaffenen Vorteil erhoben werden kann, wohingegen Grundstückseigentümer, denen ein Beitragsbescheid nicht mehr vor dem Stichtag bekanntgegeben wurde, nicht mehr finanziell belastet werden (zur Zulässigkeit von Stichtagsregelungen z.B. BVerfG, B.v. 12.5.2009 – 2 BvL 1.00 – juris).
31
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
32
Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124, § 124a VwGO), liegen nicht vor.