Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 28.03.2023 – RN 4 K 22.1898
Titel:

Anforderungen an die Feststellung des Verteilungsplans einer Jagdgenossenschaft – Auslegung der Satzung

Normenkette:
BJagdG § 10 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Die Satzung einer Jagdgenossenschaft, wonach für den Fall, dass die Jagdgenossenschaft beschließt, den Reinertrag der Jagdnutzung an ihre Mitglieder auszuschütten, der Anspruch eines Jagdgenossen auf Auszahlung seines Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung erlischt, falls er nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verteilungsplans schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Jagdvorstehers mit den zur Auszahlung erforderlichen Angaben geltend gemacht wird, ist dahin auszulegen, dass es neben der bloßen Feststellung durch den Jagdvorsteher zusätzlich noch der Bekanntmachung der Feststellung des Verteilungsplans in ortsüblicher Weise bedarf (hier verneint). (Rn. 32) (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Bekanntmachung muss sich in diesem Fall auch entnehmen lassen, wann genau die sechsmonatige Verjährungsfrist zu laufen beginnt, so dass ein eindeutiger Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn besteht. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erlöschen eines Anspruchs auf Auszahlung des Reinertrags der Jagdnutzung (verneint), Anforderungen an die Feststellung des Verteilungsplans, Jagdgenossenschaft, Satzung, Auslegung, Reinertrag der Jagdnutzung, Auszahlungsanspruch, Feststellung des Verteilungsplans, Bekanntmachung, Verjährungsbeginn
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7867

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 228,40 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 21.4.2022 zu bezahlen. 
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Auszahlung des Jagdpachtschillings für die Jagdjahre 2019/2020 und 2020/2021.
2
Der Kläger ist Eigentümer von Grundflächen, die zur beklagten Jagdgenossenschaft gehören.
3
Diese hat in ihrer Satzung unter § 14 „Kassenverwaltung, Geschäfts- und Wirtschaftsführung“ folgende Regelung getroffen:
„(1) …
(2) …
(3) Die Einnahmen der Jagdgenossenschaft sind, soweit sie nicht zur Erfüllung der Aufgaben der Genossenschaft oder nach Maßgabe des Haushaltsplans zur Bildung von Rücklagen oder zu anderen Zwecken zu verwenden sind, an die Mitglieder auszuschütten. Durch den Beschluss über die Bildung von Rücklagen oder die anderweitige Verwendung der Einnahmen wird der Anspruch der Jagdgenossen, die dem Beschluss nicht zugestimmt haben, auf Auszahlung ihres Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung gemäß § 10 Abs. 3 BJagdG nicht berührt. Beschließt die Jagdgenossenschaft, den Reinertrag der Jagdnutzung an ihre Mitglieder auszuschütten, so erlischt der Anspruch eines Jagdgenossen auf Auszahlung seines Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung, falls er nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verteilungsplans schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Jagdvorstehers mit den zur Auszahlung erforderlichen Angaben geltend gemacht wird. Die Auszahlung erfolgt durch Barauszahlung (Holschuld) an festgelegten Zahltagen. Die Zahltage werden von der Jagdversammlung jährlich neu bestimmt.
(4) …“
4
In § 6 ist unter „Versammlung der Jagdgenossen“ Folgendes geregelt:
„(2) Die Versammlung der Jagdgenossen beschließt weiterhin über …
j) die Verwendung des Reinertrags der Jagdnutzung und den Zeitpunkt seiner Ausschüttung …“
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Des Weiteren enthält die Satzung folgende Regelung unter § 9 „Vorstand der Jagdgenossenschaft“:
„(8) In Angelegenheiten, die an sich der Beschlussfassung durch die Versammlung der Jagdgenossen unterliegen, entscheidet der Jagdvorstand, falls die Erledigung keinen Aufschub duldet. In diesen Fällen hat der Jagdvorsteher unverzüglich die Zustimmung der Versammlung der Jagdgenossen einzuholen. Diese kann die Dringlichkeitsentscheidung aufheben, soweit nicht schon Rechte Dritter entstanden sind.“
§ 11 Abs. 1 Buchst. d der Satzung bestimmt, dass dem Jagdvorsteher insbesondere „die Aufstellung des Verteilungsplanes für die Auszahlung des Reinertrages an die Jagdgenossen“ obliegt.
6
In § 15 der Satzung ist unter „Bekanntmachungen der Jagdgenossenschaft“ bestimmt:
„Für die Jagdgenossen bestimmte Bekanntmachungen werden im Bereich der Jagdgenossenschaft in ortsüblicher Weise bekanntgemacht. Für die Öffentlichkeit bestimmte Bekanntmachungen werden in des am Sitz der Jagdgenossenschaft verbreiteten Mitteilungsblattes der Verwaltungsgemeinschaft … veröffentlicht.“
7
Am 6.3.2020 fand eine Jagdgenossenversammlung statt, in welcher unter Top 6 „Verwendung des Jagdpachtschillings“ einstimmig beschlossen wurde, erneut 4 € je Hektar an die Jagdgenossen als Holschuld beim Kassierer vom 15.4. bis zum 1.5. auszuzahlen.
8
Aufgrund des zwischenzeitlich wegen des Corona-Virus verhängten „Lockdowns“ erfolgte eine Auszahlung nicht.
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Im Frühjahr 2021 fand aufgrund der Corona-Situation keine Versammlung der Jagdgenossen statt.
10
Am 9.7.2021 traf sich die Vorstandschaft der Beklagten zu einer Vorstandsitzung. Laut Protokoll nahmen an dieser Sitzung der Jagdvorsteher, der stellvertretende Jagdvorsteher, der Kassier, der Schriftführer sowie beide Beisitzer teil. Unter „Themen“ ist festgehalten:
„- Auszahlung Jagdpachtschilling für die Jahre 2020 und 2021. Man einigt sich in enger Abstimmung mit Kassier … auf die Auszahlung in der Zeit von 1.9. bis 15.9.2021. Schriftführer … hat den Termin ausreichend zu veröffentlichen.“
11
Hierauf wurde im Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft … (Ausgabe 08/2021, Seite 51) Folgendes veröffentlicht:
„Jagdgenossenschaft
X… / …
Wichtige Information:
Die Auszahlung des Jagdpachtschillings für die beiden Jahre 2020 und 2021 erfolgt von
01.09. bis einschließlich 15.09.2021 bei Kassier …! Eine Jagdversammlung ist in diesem Jahr nicht mehr geplant;
Soweit es die Umstände erlauben wird die nächste Versammlung im März 2022 stattfinden! Mit freundlichem Gruß Die Vorstandschaft“
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Zusätzlich erfolgte eine Veröffentlichung im Mitteilungsblatt der Nachbargemeinde … Außerdem wurden Plakate im Gemeindebereich aufgehängt.
13
Am 25.3.2022 fand eine Versammlung der Jagdgenossen der Beklagten statt. Hierzu ist im Protokoll unter Top 7 „Bericht des Jagdvorstehers“ festgehalten:
„- Am 9.7.2021 traf sich die Vorstandschaft, um den Termin für außertourliche Auszahlung des Jagdpachtschillings für die Jahre 2020 und 2021 zu organisieren. Der Auszahlungszeitraum wurde auf 1.9.2021 bis 15.9.2021 beim Kassier … terminiert; Dies wurde in den Gemeindeblättern … und …, sowie auf zahlreichen Plakaten publiziert. Die Versammlung hat dieser Vorgehensweise nachträglich einstimmig zugestimmt.“
14
Mit Schreiben vom 11.4.2022 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten bei der Beklagten die Auszahlung seines Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung beantragen. Er ließ ausführen, dass kein Grund dafür bestehe, die Auszahlung zu verweigern, geschweige denn dass der Anspruch des Klägers erloschen sei. Der Kläger habe im April 2021 bei der Jagdgenossenschaft vorgesprochen und seine Auszahlung abholen wollen. Man habe ihm erklärt, dass wegen der Corona-Pandemie eine Auszahlung auch 2021 wahrscheinlich nicht erfolgen werde. Ende August 2021 habe der Kläger mit Frau Y* …, der Ehefrau des Kassiers der Jagdgenossenschaft telefoniert und ihr erklärt, sie solle ihm Bescheid geben, falls es zu einer Auszahlung komme, weil er infolge der Pandemie das örtliche Gemeindeblatt nicht erhalten werde. Er habe bei Frau Y* … ausdrücklich beantragt, dies persönlich vorzutragen. Frau Y* … habe erklärt, dass es wahrscheinlich auch 2021 zu keiner Auszahlung kommen werde. Kurze Zeit später sei der Reinerlös der Jagdnutzung dann doch ausbezahlt worden, wovon der Kläger nichts erfahren habe. Der Anspruch sei auch nicht erloschen. Dies wäre gemäß § 14 Abs. 3 der Satzung dann der Fall, wenn der Kläger nicht nach Feststellung des Verteilungsplans schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Jagdvorstehers die Auszahlung geltend gemacht hätte. Die Feststellung des Verteilungsplans sei dem Kläger nicht bekannt gemacht worden, so dass auch die Sechsmonatsfrist nicht habe eingehalten werden können. Im Übrigen falle die außerplanmäßige Auszahlung des Reinertrags der Jagdnutzung nicht in den Zuständigkeitsbereich der Vorstandschaft der Jagdgenossenschaft, sondern müsse von der Jagdversammlung beschlossen werden. Dies sei ausdrücklich in der Satzung geregelt und nicht geschehen.
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Mit (undatiertem) Schreiben lehnte der Jagdvorsteher der Beklagten eine nachträgliche Auszahlung gegenüber dem Bevollmächtigten des Klägers ab. Er verwies darauf, dass die Jagdversammlung am 25.3.2022 nachträglich einstimmig die Auszahlung des Jagdpachtschillings für die Jahre 2020 und 2021 vom 1.9. bis 15.9.2021 beim Kassier … genehmigt habe. Außerdem sei die Auszahlung in den Gemeindeblättern … und … fristgerecht angekündigt und zusätzlich mit Plakaten in den einzelnen Ortschaften darüber informiert worden. Nachdem die Mehrheit der Jagdgenossen die Auszahlung in Anspruch genommen habe, bezeuge dies, dass der Auszahlungstermin hinreichend bekannt gemacht worden sei.
16
Unter dem 29.7.2022 hat der Prozessvertreter des Klägers zunächst per einfachem Brief „Klage erhoben“. Am 1.9.2022 erfolgte nach richterlichem Hinweis eine Klageerhebung als elektronisches Dokument über das Anwaltspostfach.
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Der Kläger trägt vor, dass er von der außerplanmäßigen Auszahlung keine Kenntnis gehabt habe. Er habe im April 2021 bei der Beklagten persönlich vorgesprochen und die Auszahlung des „Jagdpachtschillings“ für 2020 und 2021 verlangt. Ende August habe er mit der Ehefrau des Kassiers der Jagdgenossenschaft telefoniert und erklärt, sie solle ihm Bescheid geben, falls es wider Erwarten zu einer Auszahlung komme. Kurze Zeit später habe die Auszahlung für die Jahre 2020 und 2021 stattgefunden und er sei nicht informiert worden. Die Höhe der Klageforderung betrage für die Jahre 2020 und 2021 jeweils 114,20 €. Der Zinssatz ergebe sich aus dem Gesetz. Die Beklagte sei mit Schreiben vom 11.4.2022 aufgefordert worden, die Auszahlung bis zum 20.4.2022 vorzunehmen. Sie befinde sich deshalb ab dem 21.4.2022 in Zahlungsverzug.
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Gemäß § 6 Abs. 2 Buchst. j der Satzung der Beklagten beschließe die Jagdversammlung über die Verwendung des Reinertrags der Jagdnutzung und den Zeitpunkt seiner Ausschüttung. In § 14 der Satzung sei bestimmt, dass die Zahltage von der Jagdversammlung jährlich neu bestimmt werden würden. Somit stehe fest, dass die Vorstandschaft am 9.7.2021 nicht rechtswirksam habe beschließen können, die Auszahlung des „Jagdpachtschillings“ für die Jahre 2020 und 2021 in der Zeit vom 1.9.2021 bis zum 15.9.2021 vorzunehmen. Diese Vorgehensweise habe die Jagdversammlung nachträglich in der Versammlung vom 25.3.2022 unter Punkt 7 einstimmig genehmigt, so dass die Entscheidung über die Auszahlung überhaupt erst ab dem 25.3.2022 wirksam geworden sei. Mit Schreiben vom 11.4.2022 habe der Kläger seine Ansprüche für diese Jahre geltend gemacht und angeboten, dass ihm ein Termin benannt werden könne, wann er das Geld abholen könne. Demnach sei der Anspruch auf Auszahlung auch nicht gemäß § 14 Abs. 3 der Satzung erloschen. Es widerspreche auch den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn die Auszahlung an den Kläger verweigert werde, da es infolge der Pandemie zu Unregelmäßigkeiten im Ablauf der Jagdpachtversammlungen und der Auszahlung des „Jagdpachtschillings“ gekommen sei.
19
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 228,40 € mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.4.2022 zu bezahlen.
20
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie verweist darauf, dass aufgrund der gerichtsbekannten Corona-Situation im Frühjahr 2021 wiederum keine Versammlung der Jagdgenossen habe stattfinden können und sich deshalb die Vorstandschaft am 9.7.2021 zu einer Vorstandssitzung getroffen habe. Dabei habe man sich darauf geeinigt, die Auszahlung des Jagdpachtschillings für die Jahre 2020 und 2021 in der Zeit vom 1.9.2021 bis 15.9.2021 vorzunehmen. Der Schriftführer der Beklagten sei beauftragt worden, für die Veröffentlichung des Termins Sorge zu tragen und sei dem vollumfänglich nachgekommen. 57 Jagdgenossen hätten den Jagdpachtschilling abgeholt, 107 hätten den Betrag in der Kasse belassen. Dies entspreche den Zahlen des Jahres 2019/2020. Die in der Vorstandschaft verabredete Vorgangsweise sei von den Jagdgenossen unmittelbar nach Ende der durch Corona bedingten Einschränkungen am 25.03.2022 genehmigt worden. Es werde bestritten, dass der Kläger bei der Beklagten im April 2021 persönlich vorgesprochen und die Auszahlung des „Jagdpachtschillings“ gefordert habe. Auch sei nicht Gegenstand der Wahrnehmung der Beklagten, dass der Kläger Ende August 2021 mit der Ehefrau des damaligen Kassiers der Beklagten telefoniert habe. Es werde bestritten, dass der Kläger nicht ordnungsgemäß über die Auszahlung informiert worden sei.
22
Der ursprünglich bestehende Anspruch des Klägers in Höhe von 114,20 € für das Jahr 2020 und 114,20 € für das Jahr 2021 werde unstreitig gestellt. Er sei allerdings mit Ablauf des 15.9.2021 nach ständiger Übung der Jagdgenossen als Holschuld i.S.v. § 14 Abs. 3 Satz 4 der einschlägigen Satzung erloschen. Auch unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 3 Satz 3 der Satzung wäre die Frist abgelaufen, da das Forderungsschreiben des Klägers vom 11.4.2022 datiere. Der Kläger habe trotz korrekter und ausreichender Information seinen Anspruch auf Auszahlung des Jagdpachtschillings nicht rechtzeitig geltend gemacht. Es werde bestritten, dass die Vorstandschaft nicht berechtigt gewesen sei, in ihrer Sitzung am 9.7.2021 rechtswirksam beschließen zu können, die Auszahlung des Jagdpachtschillings vorzunehmen. In diesem Zusammenhang werde auf § 9 Abs. 8 der einschlägigen Satzung hingewiesen. Dieser sei nach Meinung der Beklagten verwirklicht. Die Auszahlung des Jagdpachtschillings habe keinen Aufschub mehr geduldet. Es sei zu diesem Zeitpunkt nicht klar gewesen, wie lange die sogenannte Corona-Krise noch andauern werde bzw. wann wieder eine reguläre Jagdversammlung stattfinden könne. Es habe bereits Anfragen auf Auszahlung des Jagdpachtschillings gegeben. Die Beklagte habe die Auszahlung ordnungsgemäß angekündigt und die Maßnahme sei von den Jagdgenossen nachträglich einstimmig genehmigt worden. Die Jagdversammlung sei unmittelbar nach Ende der Corona-Maßnahmen sofort einberufen worden. Ein Verstoß gegen „Treu und Glauben“ werde bestritten. Die Vorstandschaft habe satzungsgemäß gehandelt. Sie habe einzig und allein im Interesse aller Jagdgenossen gehandelt. Sie habe diesen möglichst zeitnah den Jagdpachtschilling zukommen lassen wollen.
23
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte mit den wechselseitigen Schriftsätzen, die vorgelegte Behördenakte und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 28.3.2023.

Entscheidungsgründe

24
I. Die Klage ist zulässig (dazu 1)) und begründet (dazu 2)).
25
1. Die Klage ist zulässig. Zwar war die Klage im Hinblick auf § 55d VwGO nicht schon durch das einfache Schreiben des Klägervertreters vom 29.7.2022, sondern erst durch die Übermittlung als elektronisches Dokument am 1.9.2022 wirksam erhoben. Eine Klagefrist für die allgemeine Leistungsklage ist nicht einzuhalten.
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2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat sowohl einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 114,20 € für das Jagdjahr 2019/2020 (dazu 2.1) als auch einen Anspruch in gleicher Höhe für das Jagdjahr 2020/2021 (dazu 2.2). Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Zinsanspruch in der beantragten Höhe zu (dazu 2.3).
27
2.1 Für das Jagdjahr 2019/2020 ist ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung seines Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung entstanden (dazu 2.1.1), dieser Anspruch ist auch nicht wieder erloschen (dazu 2.1.2).
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2.1.1 Anspruchsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 10 Abs. 3 S. 1 BJagdG i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Beklagten. Aus § 10 Abs. 3 Satz 1 BJagdG ergibt sich, dass die Jagdgenossenschaft über die Verwendung des Reinertrags der Jagdnutzung beschließt, wobei, wie sich aus Satz 2 dieser Vorschrift ergibt, die Verteilung an die Jagdgenossen (nach dem Verhältnis des Flächeninhaltes ihrer beteiligten Grundstücke) der Regelfall ist. Dies sieht auch § 14 Abs. 3 Satz 1 Satzung der Beklagten, der mit der entsprechend § 5 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG) erlassenen Mustersatzung (SMJG) wörtlich übereinstimmt, so vor.
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Vorliegend hat ausweislich des entsprechenden Protokolls für das Jagdjahr 2019/2020 die Versammlung der Jagdgenossen am 6.3.2020 beschlossen, den sogenannten Jagdpachtschilling in einer Höhe von 4 € je Hektar an die Jagdgenossen als Holschuld beim Kassierer vom 15.4.2020 bis zum 1.5.2020 auszuzahlen.
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Die Tatsache, dass aufgrund der damaligen Corona-Situation die geplante Auszahlung nicht stattfinden konnte, lässt den Beschluss vom 6.3.2020 nicht unwirksam werden. Vielmehr ging es nur darum, einen neuen Termin für die von der Versammlung der Jagdgenossen beschlossene Auszahlung zu finden. Damit ist am 6.3.2020 ein Anspruch des Klägers bezüglich des Jagdjahres 2019/2020 in Höhe von 114,20 € entstanden.
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2.1.2 Der Anspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten erloschen.
32
In dieser Vorschrift hat die Beklagte bestimmt, dass für den Fall, dass die Jagdgenossenschaft beschließt, den Reinertrag der Jagdnutzung an ihre Mitglieder auszuschütten, der Anspruch eines Jagdgenossen auf Auszahlung seines Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung erlischt, falls er nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verteilungsplans schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Jagdvorstehers mit den zur Auszahlung erforderlichen Angaben geltend gemacht wird.
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Vorliegend hat, wie oben dargelegt, die Beklagte am 6.3.2020 beschlossen, den Anteil am Reinertrag der Jagdnutzung auszuzahlen. Damit ist auch der Anwendungsbereich der Erlöschensregelung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten grundsätzlich eröffnet.
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Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Sechsmonatsfrist ist nach dem Wortlaut der Satzung die „Feststellung des Verteilungsplans“. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Buchst. d ist die „Aufstellung des Verteilungsplans“ Aufgabe des Jagdvorstehers. Hierunter versteht man, dass im Verteilungsplan der nach der Jahresrechnung (Kassenbericht) sich ergebende Reinertrag und der hieraus zur Verteilung kommende Betrag, die jagdlich nutzbare Gesamtfläche des Gemeinschaftsjagdreviers und der je Hektar Jagdfläche treffende Anteil am Verteilungsbetrag sowie endlich der hiernach auf den einzelnen Jagdgenossen entfallende Betrag ersichtlich zu machen sind (Leonhardt, Jagdrecht, 100. Erg.lief. Nov. 2022, zu § 14 SMJG Anm. 3).
35
Wie sich aus dem Protokoll der Versammlung der Jagdgenossen vom 6.3.2020 ergibt, wurde in dieser unter TOP 3 ein „Kassenbericht“ vorgetragen, unter TOP 6 wurde dann die Auszahlung beschlossen. Ob dies den Anforderungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 Buchst. d entspricht, ist vorliegend fraglich, kann aber letztlich dahingestellt bleiben.
36
§ 14 Abs. 3 Satz 3 der Satzung ist nämlich so auszulegen, dass es neben der bloßen Feststellung durch den Jagdvorsteher zusätzlich noch der Bekanntmachung der Feststellung des Verteilungsplans in ortsüblicher Weise bedarf (Leonhardt, Jagdrecht, 100. Erg.lief. Nov. 2022, zu § 14 SMJG Anm. 3). Dies ergibt sich schon daraus, dass die Rechtsfolge des Erlöschens einen Anspruchs denklogisch voraussetzt, dass die Anspruchsberechtigten zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt haben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die Rechtsfolge einer deutlichen Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist eine restriktive Auslegung geboten ist. Insofern geht die entscheidende Kammer davon aus, dass die in § 14 Abs. 3 Satz 3 der Satzung normierte Frist erst mit der Bekanntmachung der Feststellung des Verteilungsplans in ortsüblicher Weise zu laufen beginnt.
37
An einer solchen Bekanntmachung der Feststellung des Verteilungsplans fehlt es vorliegend.
38
Nach § 15 der Satzung ist bestimmt, dass Bekanntmachungen für die Jagdgenossen in ortsüblicher Weise, Bekanntmachungen für die Öffentlichkeit in dem am Sitz der Jagdgenossenschaft verbreiteten Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft … veröffentlicht werden.
39
Zwar wurde vorliegend auf Grundlage des Vorstandsbeschlusses vom 9.7.2021 im Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft … mitgeteilt, dass die Auszahlung des Jagdpachtschillings für die beiden Jahre 2020 und 2021 beim damaligen Kassier … erfolgen werde, hierin liegt aber schon deshalb keine ordnungsgemäße Bekanntmachung der Feststellung des Verteilungsplans, weil sich aus dieser Formulierung weder eine Bezugnahme auf einen konkreten Verteilungsplan oder das genaue Datum der Feststellung noch ein Hinweis auf dessen Inhalt entnehmen lässt, sondern letztlich nur eine Information zu den Modalitäten der Auszahlung erfolgt. Für die Auslösung der Rechtsfolge des § 14 Abs. 2 Satz 3 der Satzung kann dies nach Auffassung des Gerichts schon deshalb nicht ausreichen, weil sich der Mitteilung nicht entnehmen lässt, wann genau die sechsmonatige Verjährungsfrist zu laufen beginnt, so dass es auch an einem eindeutigen Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn fehlen würde.
40
2.2 Für das Jagdjahr 2020/2021 ist ebenfalls ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung seines Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung entstanden (dazu 2.2.1), auch dieser Anspruch ist nicht erloschen (dazu 2.2.2).
41
2.2.1 Hinsichtlich des Jagdjahres 2020/2021 ist ein Anspruch des Klägers aus § 10 Abs. 3 S. 1 BJagdG i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Beklagten erst mit dem Beschluss des Vorstands am 9.7.2021 entstanden, im Jagdjahr 2020/2021 ebenso wie im Vorjahr zu verfahren, also erneut den sogenannten Jagdpachtschilling in einer Höhe von 4 € je Hektar an die Jagdgenossen als Holschuld beim Kassierer auszuzahlen.
42
Dieser Beschluss war nach der Überzeugung der entscheidenden Kammer auch grundsätzlich wirksam. Zwar ist in § 6 Abs. 2 Buchst. j der Satzung der Beklagten geregelt, dass die Versammlung der Jagdgenossen über „die Verwendung des Reinertrags der Jagdnutzung und den Zeitpunkt seiner Ausschüttung“ beschließt. Allerdings bestimmt die Satzung in § 9 Abs. 8, dass in Angelegenheiten, die an sich der Beschlussfassung durch die Versammlung der Jagdgenossen unterliegen, der Jagdvorstand entscheidet, falls die Erledigung keinen Aufschub duldet, wobei in diesen Fällen der Jagdvorsteher unverzüglich die Zustimmung der Versammlung der Jagdgenossen einzuholen hat, die dann die Dringlichkeitsentscheidung aufheben kann, soweit nicht schon Rechte Dritter entstanden sind.
43
Eine solche Sachlage sieht das entscheidende Gericht vorliegend als gegeben an. Im Juli 2021 war aufgrund der damaligen Corona-Lage nicht abzusehen, wann eine Versammlung der Jagdgenossen hätte einberufen werden können. Mittlerweile war zudem ein weiteres Jagdjahr verstrichen, so dass Handlungsbedarf bestand, die Angelegenheiten der Jagdgenossenschaft ordnungsgemäß weiterzuführen. Genau diese Situation wird durch die § 9 Abs. 8 der Satzung geregelt.
44
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass in den Fällen des § 9 Abs. 8 der Satzung der Jagdvorsteher unverzüglich die Zustimmung der Versammlung der Jagdgenossen einzuholen hat und diese die Dringlichkeitsentscheidung aufheben kann, soweit nicht schon Rechte Dritter entstanden sind, denn die Versammlung der Jagdgenossen am 25.3.2022 hat unter TOP 7 der Vorgehensweise des Vorstands nachträglich einstimmig zugestimmt. Angesichts der jedenfalls bis März 2022 kritischen Corona-Lage besteht aus Sicht der Kammer auch kein Zweifel daran, dass die Zustimmung der Versammlung der Jagdgenossen „unverzüglich“ eingeholt wurde.
45
2.2.2 Auch für das Jagdjahr 2020/2021 ist der Anspruch des Klägers nicht gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten erloschen.
46
Wie oben dargelegt, erlischt der Anspruch eines Jagdgenossen auf Auszahlung seines Anteils am Reinertrag der Jagdnutzung, falls er nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verteilungsplans schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Jagdvorstehers mit den zur Auszahlung erforderlichen Angaben geltend gemacht wird, wobei § 14 Abs. 3 Satz 3 der Satzung so auszulegen ist, dass es neben der bloßen Feststellung durch den Jagdvorsteher noch der Bekanntmachung der Feststellung des Verteilungsplans in ortsüblicher Weise bedarf.
47
Für das Jagdjahr 2020/2021 fehlt es nach Auffassung des Gerichts schon an einer Dokumentation, dass überhaupt ein Verteilungsplan aufgestellt wurde. Vielmehr wurde durch den Vorstand lediglich beschlossen, in gleicher Weise wie im vorangegangenen Jagdjahr zu verfahren. Hieraus lassen sich weder die Einnahmen noch die Ausgaben der Jagdgenossenschaft auch nur ansatzweise ableiten, so dass die Anforderungen des § 11 Abs. 1 Buchst. d ersichtlich nicht erfüllt waren.
48
Im Übrigen fehlt es auch für das Jagdjahr 2020/2021 an einer Veröffentlichung der Feststellung des Verteilungsplans in ortsüblicher Weise, weil die Mitteilung im Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft … nicht die hierfür erforderlichen inhaltlichen Anforderungen erfüllt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
49
2.3 Der Anspruch des Klägers war somit zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch den Bevollmächtigten des Klägers nicht erloschen, so dass sich die Beklagte aufgrund der Mahnung des Klägervertreters im Verzug befand. Der Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
50
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
51
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.