Inhalt

OLG München, Endurteil v. 30.03.2023 – 24 U 5093/22
Titel:

Verjährung von Ansprüchen gegen Audi wegen des dort entwickelten und hergestellten 3,0-Liter-Motors bei Klageerhebung in 2022 (hier: VW Touareg)

Normenkette:
BGB § 195, § 199 Abs. 1, § 214 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2022, 21374; OLG Brandenburg BeckRS 2022, 32170; KG BeckRS 2023, 2608; OLG Nürnberg BeckRS 2023, 5896; BeckRS 2023, 5895; OLG München BeckRS 2022, 43580; BeckRS 2022, 36080 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Informationsschreiben der VW AG von Anfang 2018, in welchem unter Verweis auf einen amtlichen Rückruf und ein erforderliches Software-Update mitgeteilt wurde, "In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden", setzte für betroffene Fahrzeugkäufer im Hinblick auf eventuelle Schadensersatzansprüche gegen die (Motor-)Herstellerin die Verjährungsfrist in Gang. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi AG, 3.0 l V6 Dieselmotor, unzulässige Abschalteinrichtung, Schadensersatz, Rückruf, Verjährungsbeginn, Informationsschreiben, Kenntnis, Software-Update
Vorinstanz:
LG Memmingen, Endurteil vom 22.07.2022 – 33 O 181/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7833

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 22.07.2022, Az. 33 O 181/22, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs mit Dieselmotor.
2
Der Kläger erwarb mit der als Anlage K 1 vorgelegten verbindlichen Bestellung vom 01.08.2012 vom einen Gebrauchtwagen VW Touareg 2,0 TDI (Erstzulassung 08.04.2015) mit einer Laufleistung von 25.900 km zum Kaufpreis von 44.000 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten V6 Turbodieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet. Für das Fahrzeug wurde durch das Kraftfahrt-Bundesamt ein behördlicher Rückruf wegen Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung (Hersteller-Code 23Y3) erlassen. Der Kläger erhielt Anfang 2018 ein Informationsschreiben der Volkswagen AG (Anlage B1) mit folgendem Inhalt:
„MUSTERBRIEF (bei Benachrichtigung durch die Volkswagen AG)
Update Motorsteuergerät Ihr Touareg mit der Fahrgestellnummer Rückrufaktion 23Y3 Sehr geehrte an Touareg EU6 Fahrzeugen mit 3.0 TDI Motorisierung ist aufgrund einer angeordneten Rückrufaktion ein Software-Update notwendig. In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Das benötigte Software-Update, dessen Eignung und Wirksamkeit umfassend überprüft wurde, steht nunmehr auch für Ihr Fahrzeug zur Verfügung.
In Bezug auf dieses Software-Update bestätigt die Volkswagen AG die bisherigen Herstellerangaben hinsichtlich Kraftstoffverbrauch und CO₂-Emissionen. Die Emissionsgrenzwerte der Euro-6-Abgasnorm werden eingehalten. Auch die ursprünglich ermittelte maximale Motorleistung und das maximale Drehmoment bleiben mit der neuen Software unverändert gültig. Die Dauerhaltbarkeit des Motors und des Abgasnachbehandlungssystems werden durch das Software-Update nicht negativ verändert.
Wir möchten Sie bitten, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für Volkswagen in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Maßnahme wird ungefähr eine Stunde in Anspruch nehmen und ist für Sie selbstverständlich kostenlos. Haben Sie bitte Verständnis, wenn die Maßnahme aus organisatorischen Gründen im betrieblichen Ablauf einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann.
Zur reibungslosen Abwicklung ist es sinnvoll, wenn Sie zu dem vereinbarten Termin dieses Schreiben und den Serviceplan für die notwendigen Eintragungen mitbringen.
Sollten Sie im Zusammenhang mit dieser Überprüfung Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Partner für Volkswagen oder an das Servicetelefon unter der Telefonnummer Auch wenn Ihnen dieser außerplanmäßige Werkstattaufenthalt Unannehmlichkeiten bereiten sollte, hoffen wir auf Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei der Abwicklung dieser vorsorglichen Maßnahme. Wir schätzen Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen und bedanken uns für Ihre Loyalität.
Sollten Sie nicht mehr im Besitz dieses Fahrzeuges sein, so geben Sie uns bitte den Namen und die Anschrift des neuen Halters beziehungsweise den Verbleib des Fahrzeuges an. Nutzen Sie dazu unser Angebot im Internet (https://www.rueckruf-aktion.de/).
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Ihre Anschrift haben wir für diese Maßnahme gemäß § 35 Abs. 2 Nr.1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten.“
3
Im März 2018 ließ der Kläger das Software-Update bei seinem Fahrzeug aufspielen.
4
Mit seiner am 08.02.2022 beim Landgericht Memmingen eingereichten Klage begehrte der Kläger zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, „an die Klägerschaft 30.817,65 € (Kaufpreis abzüglich der bereits als möglich berechenbaren Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand bei Klageeinreichung) abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 350.000 km zu schätzenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundlegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Volkswagen Touareg mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer “. Er machte geltend, das Fahrzeug sei mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen. Ihm stehe daher gegen die Beklagte Schadensersatz wegen der Eingehung einer für ihn ungünstigen Verbindlichkeit zu.
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Die Beklagte berief sich auf die Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs.
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Das Landgericht hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14.06.2022 informatorisch zu der Frage an, wann er Kenntnis davon erlangt habe, dass sein Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen ist, sowie dazu, ob und wann er das oben genannte Informationsschreiben erhalten habe (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2022, Bl. 134/136 d.A.).
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Mit dem angegriffenen Endurteil vom 22.07.2022 (Bl. 145/152 d. A.), den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt am 25.07.2022, hat das Landgericht dem Kläger 23.122,48 € Schadensersatz nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs zugesprochen. Die Schadensersatzansprüche des Klägers wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts seien nicht verjährt. Zwar gelte die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe das oben genannte Informationsschreiben Anfang 2018 erhalten, als zugestanden, nachdem der Kläger dies unzulässigerweise nur mit Nichtwissen bestritten habe. Das vorgelegte Musterschreiben (Anlage B1) versetze den Leser jedoch nicht in die Lage zu beurteilen, ob es um den Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung gehe oder nur um ein „Versehen“. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug genommen.
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Mit ihrer am 24.08.2022 eingegangenen und – nach zweimaliger Fristverlängerung – mit Schriftsatz vom 25.11.2023 begründeten Berufung will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Sie beruft sich auf die Verjährung des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs. Hinsichtlich ihres Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2022 (Bl. 165/197 d. A.), vom 01.02.2023 (Bl. 209/213 d. A.) und vom 23.03.2023 (263/280 d.A.) Bezug genommen.
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Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte,
das am 22. Juli 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Memmingen (Az. 33 O 181/22) im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
11
Hinsichtlich seines Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.02.2023 (Bl. 214/227 d. A.) und vom 22.03.2023 (Bl. 239/262 d.A.) Bezug genommen.
12
Der Senat hat mit den Parteivertretern am 30.03.2023 ohne Beweisaufnahme mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts der Verhandlung wird auf das Protokoll (Bl. 290/292 d. A.) Bezug genommen.
II.
13
1. Die gemäß § 511 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht (vgl. §§ 517, 519 und 520 ZPO) eingelegt und begründet. Sie ist somit zulässig.
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2. Die Berufung ist auch begründet. Den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüchen steht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB).
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a) Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den seinen Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
16
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorhanden, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – VI ZR 294/08, VersR 2009, 989 Rn. 17; Urteile vom 17. Juni 2016 – V ZR 134/15, NJW 2017, 248 Rn. 10; vom 8. Mai 2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 38). § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ab, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 39 mwN). Dabei ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH Urteil vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886, juris Rn. 14; Urteile vom 8. Mai 2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 38; vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27). Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits vorhanden, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (BGH Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 594/15, VersR 2017, 165 Rn. 11, 13; BGH, Urteile vom 11. September 2014 – III ZR 217/13, VersR 2015, 332 Rn. 15; vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 28). Die dreijährige Verjährungsfrist gibt dem Geschädigten dann noch hinreichende Möglichkeiten, sich für das weitere Vorgehen noch sicherere Grundlagen, insbesondere zur Beweisbarkeit seines Vorbringens, zu verschaffen (vgl. BGH Urteil vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886, juris Rn. 14).
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Erwerber eines Fahrzeugs mit Dieselmotor, dem der „sogenannte Diesel- oder Abgasskandal allgemein“ und die „konkrete Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs“ bekannt sind, regelmäßig Kenntnis im Sinn von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (BGH Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 839/20, Rn. 21 ff.; Urteil vom 15.09.2021 – VII ZR 294/20, Rn. 7 ff.). Diese Kenntnis war beim Kläger bereits im Jahr 2018 vorhanden:
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aa) Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 06.05.2022 vorgetragen, der Kläger habe spätestens Ende des Jahres 2018 positive Kenntnis vom allgemeinen Diesel- und Abgasskandal hinsichtlich der V6 Dieselmotoren und von der individuellen Betroffenheit seines Fahrzeugs erlangt (Klageerwiderung Seite 18 = Bl. 54 d.A.). Die Klageseite ist dem in ihrer schriftlichen Stellungnahme (Schriftsatz vom 09.06.2022) nicht entgegengetreten. Somit war es schon nicht geboten, den Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 14.06.2022 zu diesem bis dahin unstreitigen Tatsachenvorbringen informatorisch anzuhören.
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bb) In der – dennoch durchgeführten – Anhörung (Bl. 135/136 d.A.) hat der Kläger seineKenntnis vom allgemeinen Diesel- und Abgasskandal ausdrücklich eingeräumt.
20
cc) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Sachvortrag der Beklagten hinsichtlich des Zugangs des Informationsschreibens (Anlage B1) als zugestanden anzusehen ist, da sich der Kläger insoweit nicht mit Nichtwissen erklären konnte. Unzutreffend ist allerdings die Einschätzung des Landgerichts, das Musterschreiben habe den Kläger nicht in die Lage versetzt zu beurteilen, ob bei seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt. Dem Musterschreiben ist zunächst mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass das Fahrzeug von einem behördlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts betroffen war. Dass es um eine „angeordnete“ – also zwingende und behördliche – Rückrufaktion ging, wird bereits in der ersten Zeile des ersten Absatzes des Schreibens ausgeführt. Dass der Rückruf wegen einer „unzulässigen Abschalteinrichtung“ erfolgte, konnte für einen Erwerber, der – wie der Kläger – Kenntnis vom allgemeinen Diesel- und Abgasskandal hatte, mit Blick auf die Formulierung
„ … In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstand (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergeräts erforderlich. …“
keinen ernsthaften Zweifeln unterliegen (zur Kenntniserlangung durch Rückrufschreiben vgl. BGH Urteil vom 15.09.2021 – VII ZR 294/20, Rn. 10). Wollte man – entgegen der Auffassung des Senats – davon ausgehen, dass das Informationsschreiben die Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal nicht ausreichend deutlich erkennen ließ, wäre dem Kläger zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) anzulasten, wenn er das Schreiben nicht zum Anlass nahm, sich weitere Informationen zu beschaffen. Dies wäre unschwer möglich gewesen, da das Informationsschreiben den Hersteller-Code der Rückrufaktion (23Y3) auswies und eine simple Google-Recherche ergeben hätte, dass der Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt war. Das Unterlassen weiterer Ermittlungen nach Erhalt des Informationsschreibens wäre als schwerer Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten zu bewerten.
21
c) Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung vorgetragen, dass der Rückruf von Fahrzeugen mit V Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren, die auch den VW Touareg betrifft, gegen die beklagte Audi AG gerichtet war, und dass hierüber in der Presse umfänglich berichtet wurde. Nachdem der Kläger in der Berufungserwiderung bemängelt hat, die Beklagte habe eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Person des Schuldners nicht dargelegt, hat die Beklagte im Schriftsatz vom 22.03.2023 ergänzend hierzu vorgetragen. Dieses ergänzende Vorbringen ist – ebenso wie der diesbezügliche Vortrag in erster Instanz – unbestritten geblieben und dementsprechend bei der Entscheidung des Senats zu berücksichtigen.
22
d) Im Ergebnis hatte der Kläger im Jahr 2018 Kenntnis von den seinen Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners. Die dreijährige Verjährungsfrist begann Ende 2018 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2021. Durch die Erhebung der Klage im Jahr 2022 konnte die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht gehemmt werden. Darauf, ob der Kläger bereits im Jahr 2018 aus den ihm bekannten Umständen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes herleitete, kommt es nicht an. Der eng begrenzte Ausnahmefall, dass die Erhebung einer Klage wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar war und der Verjährungsbeginn daher hinausgeschoben wurde, liegt hier nicht vor (vgl. BGH Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20, Rn. 26).
III.
23
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
24
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
25
3. Ein Grund für die Zulassung der Revision (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) war nicht gegeben.