Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 22.03.2023 – AN 9 K 17.36220
Titel:

Kein Flüchtlingsschutz wegen drohender Einberufung in den eritreischen Nationaldienst

Normenkette:
AsylG § 3, § 3a, § 3b
Leitsätze:
1. Die drohende Einziehung in den eritreischen Militär- bzw. Nationaldienst knüpft nicht an einen der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG an. Ihr unterliegen grundsätzlich alle erwachsenen Staatsbürger Eritreas ohne Ansehung von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen (VGH München BeckRS 2020, 6636). (Rn. 20 – 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Hinsichtlich der Dauer der Dienstpflicht im eritreischen Nationaldienst ist eine Anknüpfung an flüchtlingsschutzerhebliche Merkmale nicht feststellbar.  (Rn. 31 – 32) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Verfolgung droht einer eritreischen Asylbewerberin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unter dem Aspekt einer in Eritrea drohenden Bestrafung wegen einer seitens des eritreischen Staates unterstellten illegalen Ausreise und Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland. Denn dass Eritrea bereits die illegale Ausreise als solche oder die Asylantragstellung als Ausdruck der Regimegegnerschaft wertet, lässt sich den Erkenntnisquellen nicht entnehmen. (Rn. 34 – 38) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Eritrea, Nationaldienst, Militärdienst (Rekrutierung, Ausnahmen, Dauer), Flüchtlingsschutz verneint, keine Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal, keine gezielte Rechtsverletzung, eritreische Staatsangehörige, eritreischer Nationaldienst, Flüchtlingsschutz, Rechtsgutsverletzung, illegale Ausreise, Asylantragstellung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7679

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3.Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 21. Dezember 2017, mit welchem ihr unter Versagung der Flüchtlingseigenschaft lediglich der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG gewährt wurde. Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Aufhebung des Bundesamtsbescheides im entsprechenden Umfang.
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Die am … 1992 geborene Klägerin ist eritreische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben protestantischen Glaubens. Sie reiste nach eigenen Angaben im November 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 25. November 2013 einen Asylantrag.
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Bei der Anhörung durch das Bundesamt am 20. Dezember 2016 sowie 5. Dezember 2017 (vgl. Behördenakte Seiten 314 ff.) gab die Klägerin im Wesentlichen an, dass sie aus Eritrea stamme und dort acht Jahre die Schule besucht habe. Zunächst habe sie bei ihrer Mutter gelebt, hätte später jedoch bei der Tante aufwachsen müssen. Ihr Heimatland habe sie verlassen müssen, da ihr die Einziehung in den eritreischen Nationaldienst gedroht habe. Sie wolle den Nationaldienst nicht ableisten, da die Menschen, welche den Dienst abgeleistet hätten, nicht mehr zurückgekommen seien. Insbesondere als Frau wolle sie nicht zum Militärdienst. Sie sei daher illegal aus Eritrea ausgereist und befürchte auch aufgrund dieser illegalen Ausreise eine Bestrafung durch den eritreischen Staat.
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Das Bundesamt stellte mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 fest, dass die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG für die Klägerin vorlägen (Ziffer 1). Den klägerischen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG lehnte das Bundesamt hingegen ab (Ziffer 2).
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Die Klägerin sei kein Flüchtling. Grundsätzlich gelte, dass die Pflicht zur Ableistung eines Nationaldienstes noch keine staatliche Verfolgung nach §§ 3 ff. AsylG darstelle. Jeder souveräne Staat habe das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- bzw. Militärdienst heranzuziehen. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgung könne erst in Sanktionierungsmaßnahmen liegen, die der Klägerin bei einer Verweigerung des Militärdienstes etwaig drohen könnten. Eine Sanktionierung sei vorliegend aber nicht hinreichend wahrscheinlich, da die Klägerin nicht geltend gemacht habe, dass gegen sie konkrete Maßnahmen zur Rekrutierung erfolgt seien. Auch die illegale Ausreise begründe keine Zuerkennung von Flüchtlingsschutz.
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Gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2017 hat die Klägerin am 27. Dezember 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben lassen, welche am 29. Dezember 2017 bei Gericht einging.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid im entsprechenden Umfang aufzuheben Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des Bescheids,
die Klage abzuweisen.
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Mit Beschluss vom 2. März 2023 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Akte des Bundesamts, die dem Gericht in elektronischer Form vorgelegen hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Mit dem am 28. Februar 2023 sowie 17. März 2023 erklärten Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
11
Streitgegenständlich ist das klägerische Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG sowie die Aufhebung des Bundesamtsbescheides im entsprechenden Umfang. Das Gericht darf über dieses Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden, § 88 VwGO.
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Entscheidung des Bundesamts, der Klägerin nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die getroffene Entscheidung ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung, welcher gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG. Ihr droht bei einer Rückkehr nach Eritrea keine Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist. Dies ist der Fall, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Herkunftsland befindet (Nr. 2, vgl. dort Buchst. a). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Einzelne in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG ausgesetzt ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Ausländer gezielte Rechtsverletzungen zu befürchten hat, die ihn wegen ihrer Intensität dazu zwingen, in begründeter Furcht sein Heimatland zu verlassen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen und Kriegen (VG München, U.v. 12.10.2021 – 30 K 17.48115; OVG Berlin, U.v. 7.10.2022 – 2 B 16.19). Eine Verfolgung kann nach § 3c AsylG von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die soeben genannten Akteure nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3d AsylG). Die Flüchtlingseigenschaft wird aber nicht zuerkannt, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher in diesem Landesteil reisen kann und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
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Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (OVG Magdeburg, B.v. 08.03.2022 – 3 L 74/21). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Bei erheblichen Widersprüchen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (VG Regensburg, U.v. 11.07.2019 – RN 14 K 18.30289).
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Der Klägerin droht nach diesen Maßstäben keine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG in ihrem Herkunftsland.
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Weder die drohende Einziehung in den eritreischen Militärdienst bei etwaiger Rückkehr der Klägerin, noch die (nach eritreischem Recht illegale) Ausreise aus dem Heimatland bzw. Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland begründen die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne der Norm.
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Andere Verfolgungsgründe wurden vonseiten der Klägerin nicht geltend gemacht. Dem Einzelrichter sind auch keine anderen Verfolgungsgründe ersichtlich. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass die Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Februar 2023 gebeten wurde, etwaige weitere Verfolgungsgründe anzugeben.
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a) Die drohende Einziehung in den eritreischen Militärdienst knüpft nicht an einen der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG an (vgl. so auch VGH München, U.v. 05.02.2020 – 23 B 18.31593; OVG Münster, U.v. 21.09.2020 – 19 A 1857/19.A; OVG Berlin, U.v. 29.09.2022 – 4 B 14/21; VG Köln, U.v. 13.09.2022 – 8 K 233/17.A; VG Cottbus, U.v. 07.09.2018 – 6 K 655/15.A).
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Eine solche Verknüpfung ist jedoch zwingende Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. So muss nach § 3a Abs. 3 AsylG zwischen den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in den § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Auch § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG normiert, dass die begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bestehen muss.
22
Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin bei einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in den Nationaldienst eingezogen werden wird und ihr während der Ableistung dieses Dienstes gezielte Eingriffe in ein geschütztes Rechtsgut drohen, die als Verfolgungshandlungen im Sinn des § 3a AsylG zu qualifizieren sind.
23
(1) Im Wesentlichen sind alle eritreischen Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen zur Ableistung des Nationaldienstes verpflichtet. Eine Unterscheidung nach den Verfolgungsgründen des § 3b AsylG erfolgt hinsichtlich der Rekrutierung nicht.
24
Die gesetzlichen Grundlagen für die Einziehung zum eritreischen Nationaldienst finden sich in der Proklamation Nr. 82/1995 (Proclamation of National Service; zuletzt abgerufen in englischer Sprache am 22.03.2023 auf: www.ilo.org/dyn/natlex/natlex4.detail?p_lang=& p_isn=79562& p_country=ERI& p_count=24).
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Demnach sind grundsätzlich alle eritreischen Bürgerinnen und Bürger im Alter zwischen 18 und 50 Jahren verpflichtet, den Nationaldienst zu erbringen. Die Altersangaben hinsichtlich der Dienstpflicht von Frauen im Nationaldienst weichen in verschiedenen offiziellen Quellen voneinander ab. Teilweise ist von einer Dienstpflicht bis zum vollendeten 27., teilweise von einer Pflicht bis zum vollendeten 47. Lebensjahr die Rede. Freigestellt vom aktiven Nationaldienst sind von Rechts wegen lediglich Personen, die ihren Dienst vor Inkrafttreten der Proklamation abgeleistet hatten, sowie ehemalige Kämpfer und Militärangehörige.
26
Auch in der praktischen Anwendung dieser Bestimmung betrachtet der Staat Eritrea grundsätzlich alle aus seiner Sicht erwachsenen Staatsbürger bis zu einem bestimmten Alter gleichermaßen und ohne Ansehung von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen als dienstverpflichtet. Insoweit nimmt der Staat keine Auswahl oder Auslese anhand flüchtlingsschutzrechtlicher Merkmale wie Geschlecht, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe vor.
27
Dies steht zur Überzeugung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters nach Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen fest (vgl. zur Rekrutierungspraxis: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 3. Januar 2022, Seiten 14/15; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25. Januar 2021, Seite 15; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Eritrea, vom 19. Mai 2021, Seiten 11-13).
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(2) Auch im Hinblick auf etwaige Ausnahmen von der Dienstpflicht lässt sich anhand der Erkenntnisquellen keine Anknüpfung an flüchtlingsschutzerhebliche Persönlichkeitsmerkmale feststellen.
29
Dies gilt sowohl im Hinblick auf die gesetzlichen Grundlagen Eritreas, die Proklamation Nr. 82/1995 (Proclamation of National Service; siehe oben), als auch auf die tatsächlich gelebte Praxis der Gewährung von Ausnahmen.
30
Hierfür sprechen die in das Verfahren einbezogenen Erkenntnisquellen (vgl. zu Ausnahmen vom Nationaldienst: BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Eritrea, Gesamtaktualisierung am 19. Mai 2021, Seite 11; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 3. Januar 2022, Seiten 14/15).
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(3) Ebenso ist hinsichtlich der Dauer der Dienstpflicht eine Anknüpfung an flüchtlingsschutzerhebliche Merkmale nicht feststellbar.
32
Der aktiv-militärische Teil des Nationaldienstes dauert von Gesetzes wegen 18 Monate. Der zivile Teil des Nationaldienstes ist nur von Gesetzes wegen ein Reservedienst. In der Praxis hingegen hat der Staat Eritrea seine Streitkräfte nach dem Grenzkrieg mit Äthiopien von 1998 bis 2000 im Zustand der Mobilmachung belassen, in dem auch die Reservisten weiter bis zur ihrer Entlassung dienstpflichtig sind. Der Zustand der Mobilmachung dauert auch bis heute an, obwohl der Kriegszustand mit Äthiopien seit dem Friedensabkommen vom 9. Juli 2018 inzwischen auch formell beendet ist. Auf dieser Grundlage zieht der Staat Eritrea seine Staatsangehörigen unterschiedslos regelmäßig zu einer die 18-Monats-Grenze weit überschreitenden, langjährigen Dienstleistung heran. Nur in Einzelfällen werden Angehörige des Nationaldienstes schon nach den gesetzlich vorgesehenen 18 Monaten entlassen. Die Angaben über die Altersgrenzen, bis zu denen die Staatsangehörigen als dienstpflichtig angesehen werden, variieren bei Männern zwischen 50 und 57 Jahren. Bei Frauen scheint eine informelle Altersgrenze von 27 Jahren häufig angewendet zu werden, aber es gibt auch Frauen mit über 40 Jahren, die nach wie vor Dienst leisten. Im Ergebnis ist eine flüchtlingsrechtlich relevante Unterscheidung hinsichtlich der Dauer der Dienstpflicht nicht feststellbar.
33
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Einzelrichters aus den in das Verfahren einbezogenen Erkenntnisquellen (vgl. zur Dauer des Nationaldienstes: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 3. Januar 2022, Seiten 14/15; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Eritrea, Gesamtaktualisierung am 19. Mai 2021, Seiten 11-13; AI, Amnesty Report Eritrea 2021 vom 29. März 2021, Seite 2).
34
b) Eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht der Klägerin auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unter dem Aspekt einer in Eritrea drohenden Bestrafung wegen einer ihr etwaig seitens des eritreischen Staates unterstellten illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland.
35
Dass der Staat Eritrea bereits die illegale Ausreise als solche oder die Asylantragstellung als Ausdruck einer Regimegegnerschaft bewertet, lässt sich den Erkenntnisquellen nicht entnehmen (vgl. insbesondere AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 3. Januar 2022, Seiten 21/22; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Eritrea, vom 19. Mai 2021, Seiten 28/29).
36
Personen, die das Land vor einer Einberufung zum Nationaldienst illegal verlassen haben und im dienstpflichtigen Alter zurückkehren, werden bei der Rückkehr zwar bereits an der Grenze inhaftiert und danach meist direkt zum Nationaldienst eingezogen (Schweizer Flüchtlingshilfe, Themenpapier Rückkehr vom 19.09.2020, Seiten 4, 7 und 10).
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Hierin kann jedoch keine drohende Sanktionierung der Klägerin wegen einer ihr zugeschriebenen politischen Überzeugung nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG gesehen werden.
38
Es liegt nämlich dann keine Sanktionierung einer (oppositionellen) politischen Überzeugung vor, wenn eine staatliche Maßnahme allein der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dient. Dies ist vorliegend der Fall, da sich die Dienstpflicht, wie bereits dargelegt, auf alle eritreischen Staatsangehörigen ohne Ansehung von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen erstreckt (vgl. auch VGH München, U.v. 05.02.2020 – 23 B 18.31593; OVG Münster, U.v. 21. September 2020 – 19 A 1857/19.A, VG Köln, U.v. 13.09.2022 – 8 K 233/17.A).
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2. Da der Klägerin kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht, stellt sich der streitgegenständliche Bundesamtsbescheid als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klage war daher abzuweisen.
40
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
41
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.